Read Ebook: Das erste Schuljahr: Eine Erzählung für Kinder von 7-12 Jahren by Sapper Agnes
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Ebook has 1087 lines and 41688 words, and 22 pages
Der erste Schultag.
Gretchen lehnte an der Haust?re und sah der Lene zu, die eben die messingene T?rschnalle sch?n blank putzte.
>>Morgen ist Ostern und wenn dann noch ein Sonntag vorbei ist, geht die Schule an; weisst du das auch schon, Lene?<< fragte Gretchen.
>>Dass morgen Ostern ist, kann ich wohl merken, denn deswegen hab' ich so viel zu putzen, und dass du dann in die Schule kommst, ist mir schon recht, dann bist du doch aufgehoben und mir nicht immer im Weg.<<
Gretchen merkte, dass Lene wieder in ihrer Samstagsstimmung war; da liess sich nie gut mit ihr plaudern. So ging sie vors Haus, um sich nach besserer Unterhaltung umzuschauen. Da erblickte sie den Vater, der eben heimkam, und sprang ihm vergn?gt entgegen.
>>Vater, hast du auch schon dran gedacht, dass morgen Ostern ist und ich schon so bald in die Schule komme?<<
>>Ja, ja,<< sagte der Vater freundlich, >>ich habe es schon dem Osterhasen gesagt, damit er auch passende Ostereier f?r mein Schulkind legt.<<
>>Passen denn die gew?hnlichen Ostereier nicht?<<
>>Nat?rlich nicht; den Kindern, die in die Schule kommen, legt er viereckige Eier. Hast du das noch nicht gewusst?<<
>>Nein, und ich glaub's auch nicht,<< sagte Gretchen. Vater und Tochter waren inzwischen miteinander ins Haus gegangen und fanden die Mutter im Wohnzimmer, wo sie eben die frischgewaschenen Vorh?nge an den Fenstern aufgemacht hatte. Alles sah dort schon rein und festt?glich aus. Gretchen war nun sehr begierig auf ihre Ostereier und als am Ostersonntag die Eltern aus der Kirche heimkamen, sprang sie ihnen voll Erwartung entgegen.
>>Wo legt der Has?<< fragte sie, >>im Garten?<<
>>Nein, da ist alles noch nass vom Regen.<<
>>Also im Zimmer. Soll ich gleich draussen bleiben?<<
>>Meinetwegen,<< sagte der Vater und ging mit der Mutter hinein, w?hrend sich Gretchen in der K?che umschaute. Lene sch?lte gerade Kartoffeln zum Salat; sie sah heute auch festt?glich aus mit ihrer frischen weissen Kochsch?rze, und dass sie guter Laune war, durfte Gretchen gleich erfahren, denn sie bekam einen frischen Kartoffelschnitz. Sie hatte ihn kaum verzehrt, als ihr auch die Mutter schon rief und nun fing Gretchen an, nach ihrem Hasen zu suchen. Als sie den Deckel vom Holzkasten aufschlug, der neben dem Ofen stand, sah sie etwas darin -- viereckig und gross: ein wundersch?ner Schulranzen war es, mit dunkelgr?nem Pl?sch ?berzogen und silbern gl?nzten daraus hervor die zwei Anfangsbuchstaben von Gretchens Namen. Ganz entz?ckt nahm Gretchen den Ranzen heraus, lief jubelnd damit auf die Eltern zu und dankte ihnen. Unter dem Ranzen war eine Tafel und ein Federk?stchen gelegen.
>>Die will ich gleich in den Ranzen packen,<< sagte Gretchen und machte ihn auf; er war aber ganz angef?llt mit Moos und in diesem steckten allerhand H?schen und Eier.
Das war nun ein gl?cklicher Ostertag f?r Gretchen und als nach Tisch die Sonne so sch?n schien, huckelte sie ihren Ranzen auf und ging ganz stolz mit ihm im Garten hin und her spazieren.
Durch den Zaun bemerkte sie bald einen kleinen Buben, der neugierig hereinsah, und als sie n?her trat, merkte sie, dass es ein k?nftiger Schulkamerad von ihr war, n?mlich des Sch?fers Hans, der bei der Anmeldung ganz allein gekommen war.
>>Hast du auch schon einen Ranzen?<< fragte ihn Gretchen.
>>Den alten von meinem Bruder,<< antwortete der Hans.
>>Und einen Federkasten?<< Der Hans sch?ttelte den Kopf.
>>Ich hab' heut einen bekommen und auch Eier und Hasen. Du auch?<<
Der Hans sch?ttelte wieder nur den Kopf.
>>Legt bei dir der Has so sp?t?<<
>>Er legt gar nicht.<<
>>Gar nicht?<< wiederholte Gretchen erstaunt und sah den Hans ganz mitleidig an.
Am Abend bemerkte die Mutter die grosse L?cke in Gretchens Hasenkorb und erfuhr auf ihre Fragen, wohin alles gekommen war.
>>Du h?ttest mich vorher fragen sollen,<< sagte sie zu Gretchen.
>>Ist dir's denn nicht recht, dass ich dem Sch?ferhans etwas gegeben habe?<<
>>O ja, ich g?nne es ihm, er ist gewiss ein armer Tropf; aber du sollst mich immer vorher fragen, ehe du etwas hergibst.<<
>>Ja, das will ich,<< sagte Gretchen und nun nahm sie ihren sch?nen Ranzen und ordnete ihn wieder; er wurde aber noch so manchesmal aus- und eingepackt, bis endlich der grosse Tag gekommen war, der erste Schultag.
Gretchen sass mit den Eltern beim Fr?hst?ck.
>>Nun bin ich nur begierig, was du uns heute Mittag alles erz?hlen kannst,<< sagte die Mutter, >>wie es dir gefallen hat und neben wem du sitzst.<<
>>Neben wem ich sitze, das habe ich mir schon ausgedacht,<< antwortete Gretchen, >>ich setze mich ganz vornhin auf die erste Bank und neben mich muss auf die eine Seite Apothekers Emilie und auf die andere Seite der Sch?fer-Hans.<<
>>Ja,<< sagte der Vater, >>so wird's; sowie du in die Schule kommst, sagt der Lehrer: >Bitte, Fr?ulein Gretchen, suchen Sie sich den besten Platz aus und befehlen Sie, wer neben Ihnen sitzen soll.<<< Gretchen verstand gleich, was der Vater meinte.
>>Darf man sich denn nicht hinsetzen, wo man will?<< fragte sie.
>>Nein, mein Kind,<< sagte der Vater, und er sah nun ganz ernst aus: >>In der Schule darf man weder sitzen noch stehen, weder kommen noch gehen, wie man will, sondern man muss sich immerfort und in allem nach dem Lehrer richten. Merke du dir das recht, dann wirst du eine gl?ckliche Schulzeit haben; und nun muss ich fort; leb' wohl, mein Schulkind.<<
Der Vater ging und auch die Mutter verliess das Zimmer. Gretchen war ganz ernst geworden; die Worte des Vaters gefielen ihr nur halb. Schon eine gute Weile stand sie nachdenklich am Fenster, dann ert?nte Glockengel?ute von der Kirche und Lene kam herein.
>>Gretchen, bist du fertig? es l?utet schon.<<
In dem St?dtchen F?hrenheim, in dem die Familie Reinwald lebte, ist es Sitte, dass die Kinder, ehe sie zum erstenmal in die Schule gehen, von ihren Eltern in die Kirche gef?hrt werden, und so machte sich nun auch Frau Reinwald mit Gretchen auf den Weg. Lene sah ihnen vom Fenster aus nach und sagte vor sich hin: >>Es ist ein grosses Kind, unser Gretchen, und ein sch?nes Kind und ein gescheites Kind; es werden nicht viele solche in die Schule kommen. Gewiss wird sie die Erste.<< Mit diesem stolzen Gef?hl verliess Lene das Fenster.
In der Kirche sammelten sich nach und nach die kleinen Knaben und M?dchen mit ihren V?tern oder M?ttern. Auch der Sch?fer-Hans war diesmal nicht allein, ein altes Grossm?tterchen begleitete ihn.
Nun sprach der Pfarrer gar freundlich und herzlich zu den Kindern. Gretchen horchte aufmerksam zu und verstand alles, was er sagte.
Gretchen hatte keine Angst: sie sprang lustig hinauf mit der ganzen Schar der neuen Schulkameraden und bald wuselte alles unruhig durcheinander in dem grossen Schulzimmer. Der alte Lehrer war auch da und sprach noch ein paar Worte mit dem jungen Lehrer. Dann verliess er das Zimmer. Herr Stein nahm nun ein Lineal und klopfte mit diesem so stark auf den Katheder, dass alle Kinder erschraken und es pl?tzlich ganz stille wurde im Zimmer.
>>Nun wird eines nach dem andern beim Namen gerufen und wer gerufen wird, kommt zu mir her; die andern aber sind ganz stille,<< befahl Herr Stein und rief sofort den ersten Namen: >>Franz Abenheim<<.
Des Holzhackers Franz trat vor.
>>Sieh, du wirst der Erste, weil dein Name mit A anf?ngt; wir wollen sehen, wie lange du auf dem ersten Platz bleibst!<< Jetzt kam der Berger und so ging's fort, bis alle Knaben ihren Platz hatten und nur der Sch?fer-Hans noch dastand. Nun rief der Lehrer: >>Johannes Zaiserling<<. Da trat der Sch?fer-Hans vor und setzte sich an den letzten leeren Platz. Das konnte Gretchen nicht mitansehen.
>>Der heisst ja gar nicht so,<< sagte sie, >>der heisst Sch?fer-Hans.<< Sie wusste nicht, dass der Vater des Hans ein Sch?fer war, aber Zaiserling hiess. Der Lehrer lachte, aber er drohte dabei mit dem Finger und mahnte: >>Warte du, bis du gefragt wirst,<< und der Sch?fer-Hans kam auf den letzten Platz. Nun kam die Reihe an die M?dchen. Eine Bank nach der andern f?llte sich und immer stand unser Gretchen noch aussen. Ihr Gesichtchen wurde immer l?nger und tr?bseliger, denn sie fand es gar nicht nett, dass sie so weit hinten sitzen sollte. Nun war nur noch die letzte Bank frei. Da ert?nte endlich der Ruf: >>Margarete Reinwald<<. Der Lehrer f?hrte sie selbst an ihren Platz und sagte freundlich zu ihr: >>Nur munter, du wirst bald weiter hinaufkommen.<<
Neben sie kam Luise Seiz zu sitzen, ein ?rmlich gekleidetes M?dchen, und nachdem noch drei weitere M?dchen ihren Platz in der letzten Bank gefunden hatten, waren alle B?nke voll und alle Kinder aufgehoben.
>>Wisst ihr jetzt alle eure Pl?tze?<< fragte der Lehrer und alle Kinder riefen zumal: >>Ja<<; aber es klang bei vielen nicht wie >>Ja<<, sondern wie >>Jo<<.
>>In der Schule sagt man nicht >Jo<, da sagt man >Ja<; ruft alle: >Ja<.<< Nun klang das >>Ja<< schon besser, aber dem Lehrer noch nicht sch?n genug.
>>Noch einmal >Ja<,<< und nun riefen alle, so hell sie nur konnten: >>Ja<<.
>>So, jetzt habt ihr schon etwas gelernt,<< sagte der Lehrer, >>und nun schl?gt's auch schon 10 Uhr, jetzt d?rft ihr alle eine Viertelstunde hinunterspringen und euer Brot essen, und wenn es Viertel schl?gt, kommt ihr wieder herauf und jedes setzt sich an seinen Platz.<<
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