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Read Ebook: Durch den Nebel: Roman by Feodora Princess Of Schleswig Holstein Sonderburg Augustenburg

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Ebook has 1244 lines and 59168 words, and 25 pages

Dann lachten die andern noch mehr und sahen der Frau nach und sagten: ,,Die Stackel!"

Aber was sie auch sagten, Frau Asmussens Gesicht ver?nderte sich nicht. Es lag etwas dar?ber, als w?re es in einem grossen Schweigen stehn geblieben und k?nne sich nie mehr regen in aufzuckendem Zorn oder lachendem Scherze. Und in dem Schweigen hatten sich tiefe Linien hineingegraben um den festgeschlossenen Mund und die angstvollen Augen. Sie sah viel ?lter aus als der freundliche Herr Asmussen.

,,Ja", sagte Herr Asmussen, ,,wenn wir also Geld h?tten, dort k?nnten die Schuppen wohl stehn; meinst du nicht auch, Stina?" Und er machte eine grossartig deutende Bewegung nach der Koppel links vom Hof.

,,Ja, Crischan, aber wir haben doch nun keins."

,,Ach was! Zwei m?ssten es sein, oder meinst du, eine w?re genug?"

,,Aber Crischan!"

,,Ach was! Es ist m?chtig viel gewachsen dies Jahr; wenn es so weitergeht, wird es ein gutes Jahr, ein richtig gutes Jahr, ich glaube, wir brauchen zwei. -- Ich meine ja nur Schuppen, billige Holzschuppen, keine richtigen Scheunen." --

,,Crischan, du +weisst+ es aber doch." --

,,Ach was, na, ich werde mal nachsehen, wieviel noch da ist."

,,Das tu, du hast lange nicht gerechnet."

Mutter Asmussen sass im Schatten der Kastanie mit ihrem Strickzeug. Es war sp?t nachmittag. Sie hatte Lars beredet, dass er einmal bei ihr blieb. Es hatte noch mancherlei mitgeholfen beim Bereden: die grossen, gelben Sonnenlichter, die zwischen den Kastanienbl?ttern breit aufs bl?uliche Gras fielen, die grosse, weisse Pfingstrose und die Libellen, die ihm mit surrendem Wehen fast die Nase streiften. Er lag im Gras auf dem R?cken und konnte ein kleines St?cklein Blau zwischen den breiten dunklen Bl?ttern sehn, und ein weisses Bl?tenlicht ragte hoch und steil in das Blau hinein.

Der Mai war gerade zu Ende. Und es war die Zeit, da sich in dem nordischen Lande die Erde fertig besonnen hat und nun mit Macht herausbricht in unaufhaltsamer Fr?hlingswonne. Sie ist lange spr?de und zur?ckhaltend gewesen, nun ist sie ?ber sich selbst err?tet in lastenden Bl?ten. Kein Busch und kein Wiesenfleck, wo nicht der wallende Jubel heraufdr?ngt in ?ppigen, lachenden Farben, und noch weit hinaus zwischen dunklem Ackerland ziehn sich die weissen Hecken wie Kr?nze um ein lachend junges Haupt.

Eine Zeit waren sie ganz still, Lars und seine Mutter, und man h?rte das surrende Schwirren der Libellen; dann fing sie leise an, wie zu sich selbst zu sprechen.

Lars r?hrte sich nicht, aber er h?rte auf jedes Wort.

Und sie erz?hlte ihm von den zweien, die nicht mehr da waren, dem st?mmigen Bruder und der kleinen, blonden Schwester, und dass sie in den Himmel gegangen w?ren und dann Lars heruntergeschickt h?tten zur Mutter. Und wie gut sie es h?tten dort oben, sagte sie.

Und Lars sah durch das wundersam blaud?mmrige Netzwerk der Kastanie hinauf zu dem Himmelsflecklein und sah eine grosse blaue Halle mit zahllos weissen Bl?tenlichtern geschm?ckt, und Leute mit goldenen Kleidern gingen dort und winkten zu ihm nieder.

Und Mutter redete weiter, wie Lars nun gross und stark werden w?rde, und wie gut er w?rde und klug, denn die Geschwister aus dem Himmel h?tten ihn doch der Mutter geschickt.

Und Lars sass auf einem grossen, goldenen Wagen, da drin war die Mutter, und Lars hatte vier Pferde vor sich. -- Peter Lassen hatte ihm in der Schule von Bauer Toms erz?hlt, der h?tte einmal vier Pferde vor dem Wagen gehabt. -- Und neben Lars stand ein Sack mit Gold, und da griff er hinein und schenkte dem alten, lahmen Tumpe-Jens und Miete Juste, der alten Fischfrau, und dem kleinen kranken Steffen Maas.

,,Und dann baust du sch?ne, grosse, neue Scheunen", sagte Mutter.

Und er dachte, wie Maurer Pertersen den nassen Lehm auf die Steine schmierte, und wie fein die Balken dadrin zusammengepasst w?rden. Und dann h?mmerte er und probierte und baute so gross und m?chtig, und von dem, was Mutter sonst noch sagte, h?rte Lars kein Wort, denn er war nun ganz bei der Arbeit.

Und mitten in das Sommergeschimmer und das Schwirren und Summen und das eint?nige Reden fiel es wie ein Stein ins Wasser: ,,Justina", rief der Vater.

Da ging Mutter in das Haus. -- Aber noch ganz in Tr?umen mit dunklen Augen, die nach innen sahen, stand der kleine Lars auf und ging an den Tisch, wo Mutters Arbeitszeug lag. Und die Stricknadeln bohrte er in den Tisch und zog die N?harbeit aus der Arbeitstasche und machte das Dach damit. Und mit der Strickerei und der Leinwand machte er die W?nde und n?hte alles sch?n fest aneinander und um die Stricknadeln herum, so dass es eine feine Scheune geworden war, als Mutter zum Abendbrot rief. Aber er erz?hlte weiter nicht davon, denn Vater sah missmutig aus beim Essen und sprach nicht mit ihm. Mutter aber schwieg auch. Und es war so etwas wie eine Beklommenheit in der Stube.

Sie hatten Lars voriges Jahr zu Ostern in die Schule gegeben. Er war noch kaum schulpflichtig, aber Vater hatte es gewollt, weil der Junge doch so klug war. Er meinte, er werde Ehre einlegen. Aber es war erst gar nicht recht gegangen in der Schule. Es gefiel Lars dort nicht, und so blieb er fort. -- Er ging wohl von Hause weg mit dem grossen Schulranzen, wenn es Zeit war, aber weiter wusste dann bis Mittag keiner etwas von ihm, am wenigsten der Lehrer. Aber Herr Asmussen hatte nur dazu gelacht. Und seitdem die zwei kleinen Gr?ber auf dem Kirchhof waren, hatte Mutter das Schelten ganz verlernt.

Als aber eine Mahnung kam von der Polizei wegen Schulvers?umnis, da hatte sich Vater ger?uspert, den Bart glatt gestrichen und Lars gerufen. Und Lars hatte sehr grosse, ernste Augen gemacht, als er h?rte, dass die Polizei ihm einen Brief geschrieben hatte.

Aber in diesem goldenen Sommer sass es sich besonders schlecht in der dumpfen Schulstube. Da draussen war alles von Gold. Von den Sonnenstrahlen triefte es, und auf den weiten Koppeln stand es aufrecht und rauschte, und abends, wenn die Sonne sank, lag es breit auf der flimmernden See, und die M?ven trugen es zwischen den Fl?geln bis hinauf zu den goldenen Toren, wo die Sonne in goldgr?nen Weiten ertrank.

Und Lars stand am Waldrand und h?rte es dort drin aus den kleinen Vogelstimmen rinnen, wie goldene Tropfen, bis die V?gel in schlummernder D?mmerung zur Ruhe gingen oder verstummten in der satten Sommerw?rme.

Herr Asmussen hatte zur Erntezeit ein paar Arbeiter mehr gemietet, um die goldenen Sch?tze sicher zu bergen. Und es war gut, denn gegen Ende der Erntezeit schlug das Wetter um.

Aber als das eint?nige Klatschen der grossen Tropfen Tag aus Tag ein auf der Steinstufe vor dem Hause erklang, da war der gr?sste Teil der Ernte geborgen. Was nicht in die enge, alte Scheune ging, das stand in Diemen auf der Koppel. Und Herr Asmussen stand mit der Pfeife im Mundwinkel unter der Haust?r und l?chelte in das rinnende, fliessende, platschende Grau.

Aber als er noch ein paar Tage so hinausgesehn hatte, wollten die Augen nicht mehr mit den Lippen l?cheln. Und als nach einer Woche noch immer der klatschende Ton auf der Stufe klang, spuckte er manchmal rasch seitw?rts hinaus und fluchte dazu. Und mit zornigen Stapfen stieg er zwischen den grossen Wasserlachen hindurch nach dem Felde, wo die Diemen standen. Von den dunklen Diemen sickerte es sachte -- sachte, und t?glich sahen sie tr?bseliger und finsterer aus, und Herr Asmussen ging rund herum und stocherte mit dem Stock darin, und sch?ttelte mit dem Kopf und murmelte halblaute Worte. Und dann ging er wieder zur?ck und stand in der Haust?r und spuckte in den Regen. Aber als das graue Tuch noch Tag um Tag ?ber dem Land gebreitet lag, fuhr er die Mutter oft im Zorne an: ,,Die Schuppen, die Schuppen, na siehst du es nun?"

Aber Mutter sah noch ?ngstlicher drein und sagte kein Wort.

Die Arme.

Kapitel II

Es war nun kein Zweifel mehr, die goldenen Sch?tze des Sommers waren verloren gegangen. Das Korn in den Diemen war verfault.

Wenn Mutter jetzt des Abends im Wirtshaus Herrn Asmussen auf die Schulter tippte: ,,Crischan, Crischan," sagte er nicht einmal: ,,Gleich, gleich;" er ruckte die Schulter zur Seite und sah in die Karten oder in seinen Grog. Und einer von den Stammg?sten musste ihn fast jeden Abend am Arm nach Hause f?hren.

Und es kam eine Nacht, in der horchte Mutter Stunde um Stunde auf den tiefen Schlag der Uhr draussen auf der Diele. Aber Herr Asmussen kam nicht.

Ticke-tack! sagte die Uhr, und Mutter h?rte den harten Klang in der Kammer. Und es war ihr, als schreite die Zeit mit harten F?ssen ?ber sie hin, weiter -- weiter, ?ber Lust und Leid, weiter -- weiter. Und es war, als m?sste sie halten und hemmen, aber es ging weiter, ticke-tack, mit harten F?ssen weiter -- weiter. Da konnte sie es nicht mehr ertragen im Bett, zog sich hastig an und ging zu Lars hinein.

Lars warf sich im Bette hin und her, und endlich machte er langsam die Augen weit auf. Da stand wahrhaftig im Mondschein Mutter an seinem Bett, ganz still, und starrte und starrte Lars ins Gesicht. Und ganz schlaftrunken sah Lars wieder hinauf, ohne sich zu regen, noch halb im Traume, aber in grossem Verwundern.

Und als sie sich so eine Weile angesehen hatten und draussen mit harten Tritten die Zeit weiterging, da kam ein Ton. -- -- Mutter fuhr zusammen und ging zur T?r hinaus, aber Lars war nun v?llig wach und setzte sich im Bette auf. Da kam der Ton wieder -- ein lautes, dr?hnendes Klopfen an der Haust?r.

Und dann kam es herauf aus der dunklen, stillen Nacht, ein unheimlicher Klang um den andern. Es durchzog das stille Haus, und Lars sass zitternd in seinem Bett und lauschte. Erst war es wie das Scharren von vielen F?ssen, ged?mpft, als tr?ten sie leise auf, und ein Fl?stern und Raunen, wie von leisen M?nnerstimmen, und dann ein R?cken und Poltern und wieder das Raunen und Scharren.

So ging es eine Weile und wollte nicht verstummen. Lars h?tte gerne geweint vor Angst, aber er wagte es nicht.

Dann klangen die Laute wieder auf der Diele, und dann schlug dumpf die Haust?r, und nur die alte Uhr ging ticke-tack ?ber der Menschen Lebenswege weiter.

Der Mond schien nicht mehr ins Zimmer. Die Dunkelheit lag ?ber Lars wie eine erstickende Decke. Aber aus der schwarzen Tiefe kam noch ein Klang bis zum kleinen lauschenden Jungen. Es w?hrte eine Weile, bis er ihn unterschied; dann wusste er endlich, was es war. Von nebenan aus der schrecklichen Nachtstille kam ein Schluchzen, ein herzbrechendes Weinen.

Er wusste selbst nicht, woher ihm der Mut gekommen war; aber auf einmal lief er draussen ?ber die Diele, und seine kleinen blossen F?sse klatschten auf die Steinfliessen.

Unter der T?r zum Schlafzimmer der Eltern lag ein heller, gelber Schein. Da schob er sich leise ins Zimmer. Vater lag auf seinem Bett, den Kopf ein wenig hinten?ber, und er sah so sonderbar aus. Mutter aber kniete auf der Erde und schluchzte und schluchzte. Und auf einmal packte Lars das Grausen noch ?rger als vorhin, und er hastete hinaus und in sein Bett. Die Decke zog er weit hinauf und lag noch lange mit weit offenen Augen zitternd da.

Es tat den Leuten allen leid. Und Herrn Asmussens Freunde kamen alle mit ihren Frauen. Und die Frauen setzten sich auf das gute Pl?schsofa und hatten das Taschentuch in der Hand und sagten sch?ne, tr?stliche und fromme Dinge. Aber Frau Asmussens Gesicht lag immer unter dem grossen Schweigen. Sie sah zur Seite und sagte meist kein Wort. Da gingen sie wieder und fanden, dass man ihr die niedere Herkunft anmerke.

Auch von den kleinen Leuten kamen manche, die sahen ihr fest in die Augen und gaben ihr still die Hand. Und manche sagten ihr, dass ihnen Herr Asmussen da und da geholfen h?tte, und dass sie ihn nicht vergessen w?rden.

Aber sie konnten es doch alle nicht ?ndern, dass die fremden M?nner kamen und in Herrn Asmussens B?chern rechneten und durch das Haus gingen und auf die alten edelgeformten Spiegel und St?hle und auf die gl?nzenden neuen M?bel Zettel klebten. Und im Stall und der Scheune redeten sie breit und laut; und in der K?che sass die Magd am Tisch und weinte; und der junge Knecht liess sich von dem alten noch einmal sagen, wie es zugegangen sei, dass der gute Hof so verschuldet wurde, und dass f?r den kleinen Lars, nun da seinen Vater im Rausch der Schlag ger?hrt habe, so gut wie gar nichts geblieben sei.

Es war an einem windigen Wintertage. Die ?de, graue K?lte dr?ngte und pfiff ums Haus und trachtete schon Besitz zu nehmen von den herrenlosen R?umen. Mutter hatte Lars bei der Hand genommen und war noch einmal in jedes Zimmer gegangen. Und es war als atmeten die alten M?bel und spr?chen mit einer leisen singenden Stimme und als str?mten sie eine W?rme aus trotz der frostigen ?de vor den Fenstern.

Dann hatte sie den M?gden und Knechten die Hand gegeben. -- Lars' Hand war ganz nass, weil Trina so darauf geweint hatte. Und dann fuhr der Wind in Mutters k?mmerliches, schwarzes Kleid und wippte den Cr?peschleier auf ihrem Hute auf und nieder. Aber Mutters stilles Gesicht zuckte nicht; es war nur noch schmaler und blasser. Sie hielt Lars ganz fest und ging zum Wagen. Da packte sie den Jungen warm ein, und dann setzte sie sich neben ihn. -- Kutscher Maass schlug mit den Z?geln und schnalzte mit der Zunge, dann rasselten sie fort.

An der Ecke sah sich Lars noch einmal um. Er wusste ganz genau, dass es ein Abschied war f?rs ganze Leben. Er sah das grosse Strohdach mit dem Loch und den Wasserstrahl vom Brunnen mitten im Hof, und es war, als ginge etwas entzwei in seiner kleinen Brust; aber er sagte kein einziges Wort, und Mutter hatte sich nicht einmal umgesehen.

Zuerst war es wie ein w?rgender Schmerz abends, wenn er im Bett lag. Er dr?ckte dann die Augen fest zu und versuchte zu f?hlen, dass er in seiner Kammer war, daheim auf dem Hof. Er dachte an den tiefen Schlag der Uhr auf der Diele, und dann war es auf einmal Morgen, und er stand draussen unter der Kastanie, und Sommertag war es, blauer, golddurchwirkter Sommertag.

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