Read Ebook: Gegen den Strich by Huysmans J K Joris Karl Capsius M Translator
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Ebook has 855 lines and 41370 words, and 18 pages
Da ist unter andern der sanfte Virgil, den Schulf?chse gern den Schwan von Mantua nennen, wahrscheinlich darum, weil er nicht in dieser Stadt geboren ist. Virgil kam ihm als einer der schrecklichsten Pedanten und unausstehlich langweiligsten Schw?tzer vor, den jemals das Altertum erzeugt; was waren denn seine so sauber gewaschenen und herausgeputzten Sch?fer, die sich der Reihe nach ganze T?pfe voll gezierter, eiskalter Verse ?ber den Kopf sch?tten? Vergleicht er seinen Orpheus doch mit einer weinenden Nachtigall! Sein Aristeus, der Sohn des Apollo, ist ein jammernder Bienenz?chter, w?hrend sein Aeneas, eine ?beraus verwaschene schm?chtige Pers?nlichkeit, die mit steifen Geb?rden wie ein Schattenbild in dem fadenscheinigen, lose gebundenen und ?ligen Gedichte umherwandelt. Alles dieses brachte ihn nat?rlich ausser sich.
Die langweiligen Albernheiten, die diese Gliederpuppen in den Coulissen austauschen, w?rde er wie die unversch?mten Entlehnungen, welche bei Homer, Theokrit, Ennius und Lucrez gemacht sind, selbst nach dem Plagiat, das uns Makrobius als fast w?rtliche Abschrift eines Gedichtes von Pisander nachweist, -- kurz, all die unaussprechliche Leere seiner als klassisch geltenden Ges?nge noch allenfalls ruhig hingenommen haben. Wobei ihn aber wirklich die G?nsehaut ?berlief, das waren seine sechsf?ssigen Verse, dieses wahre Blech, wie eine leere Kanne klingend.
Jene starre Verskunst, der Meisterschmiede des Catull entnommen, phantasiearm, einf?rmig, vollgestopft mit unn?tzen W?rtern und L?ckenb?ssern, eine Anh?ufung feststehender Wendungen und dem Homer sklavisch nachgebildeter Epitheta, die schliesslich nichts bezeichnen und nichts zeigen -- dieser ganze armselige Wortschwall klanglos platter Vergleiche spannte ihn geradezu auf die Folter.
Es muss noch hinzugef?gt werden, dass, wenn seine Bewunderung f?r Virgil schon mehr als m?ssig war, der offene Unflat des Ovid noch geringere Anziehungskraft f?r ihn hatte, wie auch sein Widerwille gegen die ungeschlachte Grazie und das hohle Geschw?tz des Horaz, jenes trostlosen T?lpels, der sich mit ?bert?ncht alten Clown-Zoten zierte, schon mehr als grenzenlos war.
Auch Ciceros und C?sars ber?hmter Lakonismus vermochte ihn wenig zu begeistern, denn da zeigte sich eine Trockenheit des Redestils, eine Armut des Ged?chtnisses, eine unglaubliche Hartleibigkeit.
Somit fand er seine Rechnung weder hier noch dort, ebensowenig bei den Lieblingsschriftstellern, die als Tonangebende falscher Gelehrsamkeit in den Himmel gehoben wurden, wie bei den ?brigen allen: Sallust, der weniger farblos als die andern; Titus Livius, der sentimental und schw?lstig; Seneka, aufgedunsen und matt; Suetonius, lymphatisch und fiebernd; Tacitus, der nerv?seste, obgleich in seiner K?rze der sch?rfste und der muskul?seste von Allen.
In der Poesie liessen ihn Juvenal trotz seiner zeitweilig gestiefelten und gespornten Verse, Persius trotz seiner geheimnisvollen Zufl?sterungen v?llig kalt. Indem er Tibull und Properz, Quintil und Plinius, Statius und Martial gern ?berging, vermochte ihm Terenz und selbst Plautus, deren Kauderw?lsch von neugebildeten W?rtern und zusammengesetzten Diminutiven wimmelte, schon eher zu gefallen; aber die niedrige Komik und das grobe Salz widerten ihn an.
Herzog Jean fing erst beim Lucan an sich f?r die lateinische Sprache zu interessieren, denn da war sie schon reicher und ausdrucksvoller. Seine sorgf?ltig gearbeiteten, mit Schmelz bedeckten und mit Juwelen gezierten Verse fesselten ihn; aber diese ausschliessliche Pflege der leidigen Form, dieser Klang hellschreiender T?ne, dieser metallische Glanz verdeckte ihm keineswegs die arge Gedankenleere, das Geschwollene und Aufgeblasene.
Der Schriftsteller aber, welchen er wirklich gern hatte und der ihn f?r immer vom Lesen der t?nenden Schriften eines Lucan entfernte, war Petronius.
Dieser war ihm ein scharfsichtiger Beobachter, ein zarter Analytiker, ein vortrefflicher Maler; ruhig, ohne vorgefasste Meinung und ohne Hass beschreibt er das t?gliche Leben in Rom, die Sitten seiner Zeit als munterer satirischer Erz?hler.
Er zeichnet Thatsachen im richtigen Licht und Verh?ltnis, er stellt sie in der bestimmten Form und Ordnung fest, enth?llt das Kleinleben des Volkes, seine Erlebnisse, seine Rohheiten wie sein sinnliches Treiben.
Hier ist es ein Inspektor, der im H?tel garni die Namen der k?rzlich angekommenen Reisenden zu wissen verlangt; da sind es verrufene H?user, in denen M?nner um nackte Weiber herumschleichen, w?hrend man durch die schlecht schliessenden Th?ren der Kammern den Belustigungen der Paare zusieht; dann wieder in den Villen des tollen Luxus und der unsinnigen Pracht ?berm?tigen Reichtums, wie in den armen Herbergen mit ihren durchw?hlten Gurtbetten voll Wanzen bewegt sich die Gesellschaft der Zeit: Schurken wie Ascyltus und Eumolpus auf der Suche nach einem unverhofften Fund; alte Knabensch?nder im aufgesch?rzten Kleide mit weiss und rot bemalten Backen; sechzehnj?hrige Liederlinge, feist mit gekr?useltem Haar; Weiber, die eine Beute ihrer hysterischen Anf?lle werden; Erbschaftsj?ger, die ihre Knaben und M?dchen den Ausschweifungen der Erblasser ?berliefern -- alle diese Typen folgen einander auf der Strasse streitend, die B?der besuchend, sich krumm und lahm schlagend, wie solches wohl in einer Pantomime zu geschehen pflegt.
Und dies mit einer Frische erz?hlt, in sch?nstem Kolorit und kr?ftigem Stil aller Mundarten, die Ausdr?cke allen in Rom untergegangenen Sprachen entlehnt, alle Grenzen und alle Fesseln des sogenannten grossen Jahrhunderts ?berschreitend. Er l?sst jeden seinen Jargon reden: die Freigelassenen und jeglicher Bildung baren das P?bellatein und gemeine Kauderw?lsch, die Fremden ihre barbarischen Mundarten, vermischt mit Afrikanisch, Syrisch und Griechisch, und die pedantischen Dummk?pfe, wie jenen Agamemnon des Buches, seine gemachte Redeweise zum besten geben. Diese Menschen sind alle mit einem Federstrich gezeichnet; sie lagern um einen Tisch, tauschen den abgestandenen Ideenbrei Trunkener aus und ?berbieten sich in der Verausgabung verschimmelter Grunds?tze und alberner Sticheleien, das Maul stets gegen Trimalchio gerichtet, der sich in den Z?hnen stochert, ?ber die Gesundheit seines Innern und seine Bl?hungen spricht, indem er die G?ste einladet, es sich bequem zu machen und sich ja keinen Zwang anzuthun.
Dieser realistische Roman, dieses aus dem vollen Fleisch des r?mischen Lebens geschnittene St?ck, ohne ?ngstliche Sorge, wie man dar?ber urteilen werde, voll von lebendiger Satire, ohne Schielen nach Sitte noch Moral, diese Geschichte, ohne Intrigue, fast ohne Handlung, welche dieses sodomitische Treiben darstellt und mit seltener Feinheit die Freuden und Schmerzen der Liebeleien in farbenpr?chtiger Sprache malt, ohne dass der Verfasser nur ein einziges Mal in den Vordergrund tritt -- sie packte den Herzog Jean, denn er ersah in der Verfeinerung des Stils, in der Sch?rfe der Beobachtung, in der Festigkeit der Methode eine eigent?mliche ?hnlichkeit mit den wenigen modernen franz?sischen Romanen, die er ertr?glich fand.
Ernstlich bedauerte er, >>Eustion<< und >>Albutia<< nicht zu besitzen, jene beiden Werke des Petronius, die auf immer verloren sind; aber der B?cherliebhaber in ihm tr?stete den Gelehrten, besass er doch die pr?chtige Ausgabe in Oktav des >>Satyricon<< mit der Jahresziffer 1585 und dem Drucker J. Dousa, Leyden.
Von Petronius ab leitete seine lateinische Sammlung in das zweite Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung ?ber, zu dem schw?lstigen Phrasenhelden Fronto sowie zu den Attischen N?chten des Aulus Gellius, seinem Sch?ler und Freund, den er ebenfalls ?berging, um Halt zu machen bei Apulejus, von dem er eine erste Ausgabe in Folio aufbewahrte, gedruckt zu Rom 1469.
Dieser Afrikaner machte ihm Vergn?gen. Die lateinische Sprache zeigte sich in seinen >>Metamorphosen<< in ihrem vollen Glanze.
Er ?ffnete nur noch selten Tertullians >>Schutzrede der Christen<< und die >>Abhandlung ?ber die Geduld<<; h?chstens las er einige Seiten aus >>De cultu feminarum<<, worin Tertullian die Frauen r?gt, die sich mit Kleinodien und kostbaren Stoffen putzen und ihnen den Gebrauch von Sch?nheitsmitteln verbietet, weil sie zu t?uschen versuchen, indem sie die Natur zu verbessern und zu versch?nern sich bem?hen.
Diese Ideen, die den seinigen schnurstracks widersprachen, machten ihn l?cheln. Doch die Rolle, die Tertullian in seiner bisch?flichen Residenz Karthago spielte, schien ihn zu s?ssen Tr?umereien zu verleiten; mehr als seine Werke zog ihn in Wirklichkeit aber der Mann selbst an.
Hatte er doch w?hrend der aufr?hrerischen Zeiten gelebt, heimgesucht von schrecklichen Aufst?nden unter Caracalla, unter Macrin, unter dem sonderbaren Hohenpriester Heliagabal, dessen Predigten und dogmatischen Schriften, dessen Verteidigungsreden und Ausz?ge aus den Homilien der Kirchenv?ter er verfasste, w?hrend das Kaiserreich in all seinen Fugen krachte. Mit gr?sster Kaltbl?tigkeit lehrt er die fleischliche Enthaltsamkeit, Gen?gsamkeit beim Mahl und Einfachheit der Kleidung, w?hrend zur selben Zeit Heliagabal in Silberstaub und Goldsand herumspazierte, auf dem Kopfe die dreifache p?pstliche Krone trug, seine Kleider mit kostbaren Steinen besetzte und, umgeben von Eunuchen, sich mit weiblichen Handarbeiten besch?ftigte, sich Kaiserin nennen liess und jede Nacht den Kaiser, den er mit Vorliebe unter Barbieren, K?chen und Zirkusleuten ausw?hlte, wechselte.
Dieser Gegensatz entz?ckte den Herzog; denn die lateinische Litteratur, unter Petronius zur h?chsten Reife gelangt, fing an sich aufzul?sen. Die christliche Litteratur brach sich Bahn und brachte mit neuen Ideen nie gebrauchte Ausdr?cke und neue Satzbildungen, sowie bislang unbekannte Zeit- und Eigenschaftsw?rter mit weit hergeholten Bedeutungen, abstrakte Begriffe, die in der r?mischen Sprache selten angewendet und von denen Tertullian als einer der ersten Gebrauch gemacht hatte.
Alles was nach dem Tode Tertullians von seinen Sch?lern, dem heiligen Cyprianus, von Arnobius und dem unklaren Lactantius verfasst wurde, war ohne Reiz f?r ihn. Jene unvollkommene schwerf?llige Mache war ein linkischer R?ckschritt zum ciceronianisch hochtrabenden Ton. Ihr fehlte jener besondere Duft des vierten wie der folgenden Jahrhunderte, jener Duft des Christentums, der der heidnischen Sprache den Hautgout des Wildprets verliehen hatte, der aber mit der Civilisation der alten Welt gleichzeitig aufh?rte.
Ein einziger Dichter, Commodian aus Gaza, vertrat in seiner Bibliothek die Kunst des dritten Jahrhunderts.
Das >>Carmen apologeticum<<, im Jahre 259 geschrieben, ist eine Sammlung von Spr?chen in den beliebten Hexametern, die hier manchmal gereimt sind und schon an das Kirchenlatein sp?terer Zeiten erinnern.
Seine ?berspannt dunklen Verse, voll von Ausdr?cken der Tagessprache, von W?rtern urspr?nglich verdrehter Bedeutung, fesselten ihn mehr als der reife ges?ttigte Stil der Geschichtsschreiber: Ammianus Marcellinus und Aurelian Victor, der ber?hmte Briefschreiber Symmachus und der Kompilator und Grammatiker Macrobius; er zog sie sogar den wirklich skandierten Versen jener buntscheckig herrlichen Sprache vor, wie sie Claudius, Rutilius und Ausonius sprachen.
Waren jene doch damals die Meister der Kunst. Sie erf?llten das untergehende Reich mit ihren Warnungen, der christliche Ausonius mit seinem Cento nuptialis und seiner ?ppigen Dichtung von der Mosella; Rutilius mit seinen Hymnen zum Ruhme Roms, seiner Verfluchung der Juden und M?nche, der Reisebeschreibung von Italien nach Gallien, in der es ihm gelingt, bestimmte Eindr?cke des Gesehenen gut wiederzugeben: Landschaften, die sich zitternd im Wasser spiegeln, aufsteigende Nebel, schwere Wolken, die um die Berge brauen.
Endlich im f?nften Jahrhundert Augustin, Bischof von Hippo. Diesen kannte Herzog Jean nur zu gut, denn er ist ja der angesehenste Schriftsteller der Kirche, der Gr?nder der christlichen Orthodoxie, der den Katholiken als ein Orakel gilt, und vor dem sie sich alle beugen. Diesen ?ffnete er nicht mehr, obgleich Augustin in seinen >>Bekenntnissen<< den Widerwillen gegen das Irdische ebenfalls besungen und in seiner >>Gottesstadt<< versucht hatte, das entsetzliche Elend des Jahrhunderts durch Vertr?stung auf eine bessere Zukunft zu bes?nftigen.
Die zweite H?lfte des f?nften Jahrhunderts war gekommen, die entsetzliche Zeit, in der die gewaltigsten St?sse die Erde ersch?tterten.
Die Barbaren verw?steten Gallien; Rom, der Pl?nderung der Westgoten preisgegeben, f?hlte sein Leben erstarren, sah seine ?ussersten Grenzen, den Occident und den Orient, sich im Blute w?lzend von Tag zu Tag mehr ersch?pfen und dem Untergange verfallen.
In dieser allgemeinen Aufl?sung, diesem Meuchelmorde der C?saren, welche rasch aufeinander folgten, in diesem L?rm bluttriefenden Gemetzels, welches sich von einem Ende Europas zum andern w?lzte, ert?nte ein f?rchterliches Hurrageschrei, das allen Unwillen und alles Geheul zum Schweigen brachte.
An dem Ufer der Donau erschienen Tausende von M?nnern auf kleinen Pferden, eingeh?llt in weite Oberkleider von Rattenfell, scheussliche Tartaren mit enormen K?pfen, platter Nase, das Kinn durch Schmarren und Narben entstellt, bartlose, citronengelbe Gesichter st?rzten sich vorw?rts im gestreckten Galopp, alle Reiche gleichsam in einen Wirbelwind einh?llend und niederreissend.
Alles verschwand in den Staubwolken dieser wilden Reiter wie in Rauch von Feuerbr?nsten. Die Finsternis verbreitete sich, und die best?rzten V?lker erzitterten, wenn sie diesen entsetzlichen Staubwirbel mit dem Get?se des Donners vor?bersausen h?rten. Jene Hunnenherde machte Ost-Europa dem Erdboden gleich, st?rzte sich auf Gallien, wo sie in den Ebenen von Ch?lons durch den r?mischen General Aetius niedergeworfen und im Sturm vernichtet wurde. Die mit Blut ?berschwemmten Wiesen kr?uselten sich wie ein Purpurmeer; zweihunderttausend Leichen versperrten den Weg und brachen den Anlauf dieser aus der Richtung gekommenen Lawine, die wie mit Donnerschl?gen in Italien einfiel, wo die zerst?rten St?dte gleich Heuschobern brannten.
Das westr?mische Reich brach unter dem Stoss zusammen; sein mit dem Tode ringendes Dasein, das es stumpfsinnig im Kot hinschleppte, erlosch; es schien ?berdies das Ende der Welt nahe; die St?dte, welche von Attila vergessen, wurden durch Hungersnot und Pest dahingerafft, das Latein schien unter den Ruinen der Welt mit zu versinken.
Jahre vergingen; die barbarischen Idiome fingen an sich zu regeln und wirkliche Sprachen zu bilden. Das Latein, das w?hrend der allgemeinen Zerr?ttung in die Kl?ster gefl?chtet war, verblieb dort, wie in den Pfarrh?usern; hier und da erstanden einige Poeten frostig und tr?ge: der Afrikaner Dracontius mit seinem >>Hexameron<<; Claudius Mamertius mit seinen liturgischen Poesien; Avitus von Wien. Dann die Biographen, wie Ennodius, der die Wunder des heiligen Epiphanias erz?hlt, jenes scharfsichtigen, verehrten Diplomaten, des biederen und umsichtigen Seelsorgers; wie Eugippius, der uns das unvergleichliche Leben des heiligen Severinus wieder vor Augen f?hrt, diesen geheimnisvollen Einsiedler und dem?tigen Asketen, der den trostlosen, vor Furcht und Schmerz wahnsinnigen V?lkern wie ein Engel der Barmherzigkeit erschien; Schriftsteller wie Veranius du G?vaudan, der eine kleine Abhandlung ?ber die Enthaltsamkeit verfasste; wie Aurelian und Ferreolus, die die kirchlichen Satzungen zusammengestellt; Geschichtsschreiber wie Rotherius, ber?hmt durch ein Geschichtswerk, das aber verloren gegangen ist.
Die Werke der nachfolgenden Jahrhunderte wurden in der Bibliothek des Herzogs Jean sp?rlicher. Indessen war das sechste Jahrhundert noch durch Fortunatus, Bischof von Poitiers, durch Bo?thius, den alten Gregor von Tours, und Jornandes vertreten.
Wenig entz?ckt von der Schwerf?lligkeit der karolingischen Lateiner, wie Eginhart und Alcuin, begn?gte er sich als Sprachprobe des neunten Jahrhunderts mit den Chroniken des Anonymus von St. Gallen, des Frechulf und des Regino, mit dem Gedichte von der Belagerung von Paris, verfasst von Abbo le Courb?, mit dem >>Hortulus<<, mit der Dichtung von Ermold le Noir, die Thaten Ludwigs des Frommen preisend, und einigen nicht zu klassificierenden moderneren Werken ohne Jahreszahl, Werken der Geheimlehre, der Arzeneikunde, der Pflanzenkunde, einzelnen B?nden der Kirchenv?terkunde von Migne, welche nirgends mehr zu findende christliche Poesieen enthielten, und mit der Blumenlehre der kleinen lateinischen Poeten von Wernsdorff.
Mit dem Anfang des zehnten Jahrhunderts h?rte seine lateinische Bibliothek auf.
Die alten Ausgaben, die Herzog Jean sorgf?ltig gesammelt hatte, waren hiermit ersch?pft, und mit einem j?hen Sprunge ?ber Jahrhunderte hinweg leiteten seine B?cher direkt zu der franz?sischen Sprache des jetzigen Jahrhunderts ?ber.
VIERTES KAPITEL.
Eines Nachmittags hielt ein Wagen vor dem Hause in Fontenay. Da Herzog Jean keine Besuche empfing und sich selbst der Brieftr?ger nicht einmal in dieser unbewohnten Gegend zeigte, weil er niemals einen Brief oder eine Zeitung zu bestellen hatte, so z?gerten anf?nglich die beiden alten Dienstboten, nicht wissend, ob sie ?ffnen durften. Auf das laute Geklingel der Glocke, die mit aller Kraft gezogen wurde, wagten sie es endlich, durch das kleine Schiebfenster, welches in der Th?r angebracht war, zu sehen; vor derselben stand ein Herr, dessen ganze Brust vom Hals bis zum Leib mit einem ungeheuren goldenen Schild bedeckt war.
Sie benachrichtigten hierauf ihren Herrn, der am Fr?hst?ckstisch sass.
>>Ganz richtig, f?hren Sie ihn herein,<< sagte er -- denn er erinnerte sich, dass er vor einiger Zeit einem Edelsteinh?ndler, der eine schwierige Bestellung f?r ihn ausf?hren sollte, seine Adresse gegeben hatte.
Der Herr gr?sste und setzte ohne Umst?nde auf den Boden des Esszimmers seinen Schild nieder, der sich bewegte, sich dann ein wenig erhob, unter dem der kleine schlangenartige Kopf einer Schildkr?te hervorlugte, um sich pl?tzlich wieder erschrocken unter die Schale zur?ckzuziehen.
Diese Schildkr?te war eine phantastische Idee des Herzogs Jean, die ihm einige Zeit vor dem Verlassen von Paris gekommen war.
Eines Tages, da er einen orientalischen Teppich besah und die Reflexe desselben bewunderte, die je nach dem Silberglanz, der ?ber das Gewebe lief, bald aladingelb, bald pflaumenblau leuchteten, sagte er sich, dass es sich nicht ?bel ausnehmen m?sse, etwas Bewegliches auf den Teppich zu setzen, um den Farbenreiz durch einen dunklen Ton zu erh?hen.
Von dieser Idee ganz eingenommen, war er aufs Geratewohl durch die Strassen geschlendert und bis zum Palais-Royal gekommen. Als er hier im Schaufenster bei Chevet eine Schildkr?te in einem Bassin bemerkte, da schlug er sich vor die Stirn, wie jemand, dem pl?tzlich ein Gedanke gekommen.
Er kaufte das Tier, setzte es dann auf den Teppich und sich davor. Lange hatte er das Tier mit halbgeschlossenen Augen aufmerksam betrachtet.
Der Ton des harten Braunes des R?ckenschildes verdunkelte die Reflexe des Teppichs, ohne sie zu beleben; der vorherrschende Silberglanz strahlte jetzt kaum und streifte mit seinem kalten zinkfarbigen Ton den Rand dieser harten glanzlosen Schale.
Er biss sich auf den Finger, ein Mittel suchend, diese Missverbindung zu vers?hnen und die offenbare Scheidung der T?ne zu verhindern, wobei er schliesslich entdeckte, dass seine erste Idee, die darin bestand, die Flammen des Gewebes mit einem darauf gesetzten beweglichen dunklen Gegenstand zu sch?ren, falsch war. Im Grunde genommen war dieser Teppich noch zu auff?llig, zu lebhaft und zu neu. Die Farben waren noch nicht gen?gend abgestumpft und ged?mpft; es handelte sich darum, den Satz umzukehren, die T?ne abzuschw?chen, sie durch den Kontrast eines gl?nzenden Gegenstandes zu erl?schen, alles um sich zu erdr?cken und goldiges Licht auf das matt silberne zu werfen.
In dieser Weise dargestellt, war die Frage leichter zu entscheiden. Er beschloss infolgedessen, den Panzer der Schildkr?te mit einer Goldglasur ?berziehen zu lassen.
Als das Tier von dem Praktikus, der es in Arbeit gehabt hatte, wieder zur?ckkam, leuchtete es wie die Sonne.
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