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Read Ebook: Eiszeit und Klimawechsel by B Lsche Wilhelm

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Ebook has 355 lines and 32899 words, and 8 pages

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Eiszeit und Klimawechsel

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Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde, Stuttgart

Die Gesellschaft Kosmos bezweckt, die Kenntnis der Naturwissenschaften und damit die Freude an der Natur und das Verst?ndnis ihrer Erscheinungen in den weitesten Kreisen unseres Volkes zu verbreiten. -- Dieses Ziel sucht die Gesellschaft durch Verbreitung guter naturwissenschaftlicher Literatur zu erreichen im

Kriegs-Ausgabe.

J?hrlich 12 Hefte mit 4 Buchbeilagen. Preis halbj?hrl. M 3.90.

Diese Buchbeilagen sind, von ersten Verfassern geschrieben, im guten Sinne gemeinverst?ndliche Werke naturwissenschaftlichen Inhalts. Vorl?ufig sind f?r das Vereinsjahr 1919 festgelegt :

Gesch?ftsstelle des Kosmos: Franckh'sche Verlagshandlung, Stuttgart.

Eiszeit und Klimawechsel

Von

Wilhelm B?lsche

Neunte Auflage

Stuttgart

Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde

Gesch?ftsstelle: Franckh'sche Verlagshandlung

Alle Rechte, auch das ?bersetzungsrecht, vorbehalten.

Gesetzliche Formel f?r den Rechtsschutz in den Vereinigten Staaten von Amerika:

~Copyright by Franckh'sche Verlagshandlung. Stuttgart 1919.

~ STUTTGARTER SETZMASCHINEN-DRUCKEREI HOLZINGER & Co., STUTTGART

Der Wanderer im Riesengebirge, der auf einem fr?her fast ungangbaren, neuerlich etwas gebesserten Pfade von der sogenannten grossen in die kleine Schneegrube klettert, sieht sich vor dem bedeutsamsten Landschaftsbild.

Tief herabschleifende und schattende Wolken, eine im Riss auftauchende unermessliche Fernsicht sonnenbegl?nzter Talweiten, das bezeichnende Knieholz , das sich wie ein tiefgr?nes Riesenmoos zwischen die grauen Verwitterungsscherben des Gesteins schmiegt, erwecken den unzweideutigen Eindruck grosser H?he. Wo der zerfressene Granitgrat sich in die kleine Grube senkt, erscheint in dieser eine liebliche Alpental-Matte, je nach der Jahreszeit mit violettbraunem T?rkenbund, rosig angehauchtem weissem Bergh?hnlein und den hohen Stauden tiefblauen Eisenhuts und Enzians in dichtem Pflanzenfilz ?ber murmelnden Wassern. Unwillk?rlich sucht der Blick im tiefsten Grunde der Matte den Gletscher, der aber fehlt.

Um so deutlicher pr?gen die Spuren sich aus, dass er einmal da war. Man glaubt noch zu erkennen, wo er zuletzt, den grossen Grubenkessel ausr?umend, geruht hat, -- sieht niederschauend vor den ersten dickpelzigen Gebirgsfichten unten den gewaltigen Schuttring, den er schmelzend, ersterbend, zur?ckweichend als Seiten- und Stirnmor?ne aus dem Gestein, das urspr?nglich in sein kriechendes Eis eingebacken war, geh?uft. Ein kleiner Schneefleck zeigt sich ?fter auch sommerlich noch am innersten Grubenhang erhalten, -- offenbar mangelte sehr wenig, den Eisriesen selber wieder aufzuerwecken. Hier, wo die Volkssage R?bezahl umgehen l?sst, scheint auch sein Gespenst noch greifbar zu spuken.

Aber am Knieholzpfad zwischen den Granitscherben fesselt ein kleines Pfl?nzchen, das, bescheiden an den Boden geschmiegt, mit r?tlichen, nach Vanille duftenden Gl?ckchen nickt. Es ist die vielbesagte ~Linnaea borealis~, und sie ist in der Tat ein noch lebender Zeitgenosse des alten Gletschers selbst. Mit einer weissen Steinbrechart auf dem Basaltgang der andern Grubenseite, der dem Botaniker noch k?stlicheren ~Saxifraga nivalis~, und ein paar ?hnlichen Seltenheiten ist sie noch zugeh?rig zu der wirklichen Hochalpenwelt, die vormals hier bestand. Die eigentliche Heimat dieser Irrg?ste, im Geiste weithin ?ber die ganze deutsche Tiefebene da unten und die Ostsee dazu gesucht, sind Island, Lappland, Norwegen, Schweden, wo einst diese unscheinbare und doch so liebliche ~Linnaea~ den Namen des grossen Linn? selber erhielt. Von dort sind die verscheuchten Polarkinder bis hierher getrieben worden vom unaufhaltsam vorr?ckenden Eis.

Mit einem einzigen Blick glaubt man, an solchem lehrreichen Fleck gelagert, die grosse Frage dieser >>Eiszeit<< nicht bloss naturgeschichtlich, sondern auch rein geschichtlich in den Stufen ihres Werdens im Menschengeiste zu ?berfliegen.

Es sind heute nicht ganz hundert Jahre, dass kein geringerer als Goethe die Worte niederschrieb: >>Zu dem vielen Eis brauchen wir K?lte. Ich habe eine Vermutung, dass eine Epoche grosser K?lte wenigstens ?ber Europa gegangen sei. -- Damals gingen die Gletscher des Savoyer Gebirges bis an den See, sie die noch bis auf den heutigen Tag auf den Gletschern niedergehenden langen Steinreihen, mit dem Eigennamen Goufferlinien benannt, ebensogut durch das Arve- und Dransetal herunterziehen und die oben sich abl?senden Felsen unabgestumpft und -abgerundet in ihrer nat?rlichen Sch?rfe bis an den See bringen konnten, wo sie uns noch heutzutage bei Thonon scharenweise in Verwunderung setzen.<< Die denkw?rdige Stelle ist datiert vom 5. November 1829, Goethes Gedanken zur Sache gehen aber mindestens um ein Jahrzehnt weiter zur?ck.

In diesen paar S?tzen ist gleichsam schon die >>Urzelle<< der ganzen Eiszeitlehre enthalten. An ein paar nat?rliche Scherben kn?pft sie an, ?hnlich denen des kleinen Mor?nenwalles dort, den der sterbende Schneegrubengletscher hinterlassen, wie ein schmelzender Schneemann einen Schmutzfleck hinterl?sst. Bloss ein paar gr?ssere Scherben noch, einzelne Riesenscherben wie ungeheure Bl?cke gross. Solche Scherben lagen rings um die Schweizer Hochalpen zerstreut, vielfach weitab von den heutigen Gletschern. Trotzdem sahen sie mit ihren scharfen Bruchfl?chen nicht aus, als seien sie vom Wasser verrollt. Eine k?hne geologische Idee, die damals umging: die ganzen Alpen seien einer wilden vulkanischen Explosion verdankt, bei der solche Bl?cke wie vulkanische Wurfbomben herumgespritzt w?ren, fand auch nicht jedermanns Beifall. So kam man auf genau den Gedanken, mit dem Partsch uns viel sp?ter hier die Schneegruben entr?tselt hat: die Schweizer Gletscher waren einst auch bis dahin gegangen, wo heute die Bl?cke liegen. Sie hatten die riesigen verwitternd abgesprengten Felsscherben des Hochgebirges, die oben auf sie gest?rzt oder unten von ihrer stets rutschenden Sohle eingeklemmt worden waren, selber damals soweit verschleppt. Gr?ssere Gletscher offenbar, als heute, -- Ergebnis einer offenbar feuchtk?lteren Zeit. Schlichten Schweizer Gemsj?gern soll die einfache Logik zuerst gekommen sein, -- vielleicht ist sie von ihnen zu den damals noch sp?rlichen fremden Gebirgskletterern weitergegeben worden.

Aber solche ungeschlachten Steinkerle lagen, fremd ihrem Ort, auch da unten mitten im norddeutschen Sand bis zur Ostsee herab verstreut, -- wer sollte sie dahin gebracht haben? Der Volksscherz l?sst sie in einer Nacht vom Teufel verschleppt sein; aber das konnte wohl schon in des Walpurgisdichters Zeiten nicht mehr gut als wissenschaftliche Theorie gelten. Ein m?rkischer oder mecklenburgischer Geheimvulkanismus, der aus tiefen Bodenl?chern heraus gewirkt h?tte, schien noch weniger r?tlich als in den Alpen. Durfte man also annehmen, auch die alten Riesengebirgsgletscher hier w?ren in jener K?ltezeit etwa so riesig gewesen, dass sie bis F?rstenwalde bei Berlin gereicht h?tten? Wo doch ein solcher Block lag, der eine der sogenannten Markgrafensteine, aus dessen 1600 Zentner schwerem Teilst?ck man die 7 ~m~ klafternde Granitschale im Berliner Lustgarten gemacht und noch ein paar andere st?dtische Denkm?ler dazu?

Dem Gedanken widersetzte sich schon zu Goethes Tagen entschieden eins. Das Gestein dieser norddeutschen Irr- oder Erratischen Bl?cke entsprach nicht unsern deutschen Gebirgen hier, wohl aber wie ein abgebrochener Henkel seiner Tasse denen des fernen Skandinavien. H?tten also schwedische und norwegische Gletscher ?ber die ganze Ostsee fort bis Berlin gereicht? Vor dieser K?hnheit staute sich noch einmal die Theorie. H?ren wir abermals dazu Goethe selbst, der auch hier an der Spitze marschierte. >>Bergrat Voigt zu Ilmenau, -- als wir uns lange ?ber die wunderbaren Erscheinungen der Bl?cke ?ber Th?ringen und ?ber die ganze n?rdliche Welt ausgebreitet ?fter besprachen und wie angehende Studierende das Problem nicht loswerden konnten, geriet auf den Gedanken, diese Bl?cke durch grosse Eistafeln herantragen zu lassen; denn da es unleugbar schien, dass zu gewissen Urzeiten die Ostsee bis ans s?chsische Erzgebirge und an den Harz herangegangen sei, so d?rfte man nat?rlich finden, dass bei laueren Fr?hlingstagen im S?den die grossen Eistafeln aus Norden herangeschwommen seien und die grossen Urgebirgsbl?cke, wie sie unterwegs an hereinst?rzenden Felsw?nden, Meerengen und Inselgruppen aufgeladen, hierher abgesetzt h?tten. Wir bildeten mehr oder weniger dieses Ph?nomen in der Einbildungskraft aus, liessen uns die Hypothese eine Zeitlang gefallen, dann scherzten wir dar?ber; Voigt aber konnte von seinem Ernst nicht lassen.<< Voigt ist schon 1821 gestorben, die Gespr?che m?ssen also weiter zur?ckliegen. Jedenfalls hat aber auch Goethe die Sache sp?ter nicht immer bloss scherzhaft genommen. Und in den 30er Jahren hat der Engl?nder Lyell sie als eigene sogenannte Drift-Theorie so nachhaltig in die Fachgeologie eingef?hrt, dass sie fast ein halbes Jahrhundert dort herrschend bleiben sollte. Aber die wahren Wunder der Eiszeit waren doch noch gr?sser als selbst diese Theorie.

Wenn Gletscher sich langsam dahinschieben , so schreiben sie auf ihre Unterlage eine seltsame Hieroglyphenschrift. Die eingebackenen Steinscherben ihrer Sohle polieren und schrammen wie N?gel eines groben Bergschuhs den darunterliegenden Fels. Es hat lange gedauert, bis man auch dieser Naturschrift Herr wurde, wie der Geschichtsforscher m?hsam erst Keilschrift und echte Hieroglyphen entziffern gelernt hat. Wer sie aber durchschaut hat, der weiss, dass, wo ehemals ein Gletscher gekrochen ist, man an dieser geheimen Radierung und Krakelschrift sein Dasein noch ablesen kann, auch wenn er l?ngst dahingeschwunden, -- genau so, wie wir die Taten der alten assyrischen und ?gyptischen K?nige noch lesen, Jahrtausende, nachdem sie mit ihrer ganzen Generation vergangen. Und es geschah im Jahre 1875 , dass ein Schwede, Torell, eine solche Hieroglyphenschrift auch mitten in der Mark entdeckte. R?dersdorf heisst der Ort. Nahe dem blauen M?ggelsee. Vom hohen Turm sieht man noch den Rauch von Berlin. Muschelkalkfels st?sst als willkommener Baustein hier inselhaft aus dem unendlichen Sandmeer der Reichsstreusandb?chse. Auf der empfindlichen Haut dieses alten Kalksteins aber fand jener Schwede damals bei fl?chtigem Besuch die Hieroglyphe des Gletschers. Hier waren nicht Eisberge oder Eisschollen hoch hinweg gefahren, sondern der alte Gletscher selbst hatte in fester Fron auf den Schichtenk?pfen des noch ?lteren Bodengesteins gelastet, es bald streichelnd und polierend, bald kratzend, wie das auch bei menschlicher Fron wohl ?blich ist. Heute steht ein Gedenkstein, selber ein schwedischer Findling, in der N?he der ewig bedeutsamen Stelle, nachdem der rastlos weiterschreitende Bergwerksbau die eigentliche Urkunde l?ngst getilgt. Als am Abend jenes Tages aber Torell in der Sitzung der Deutschen Geologischen Gesellschaft zu Berlin seinen Bericht erstattete, da starb die Drifttheorie nach vielj?hrigen treu geleisteten Diensten. Und es entstand daf?r jetzt wirklich jener kolossale Gedanke des europ?ischen Binneneises, das von Skandinavien mit einheitlicher Gletschertatze bis in die Mark und noch weiter gelangt. Das ganz gewaltige Bild der >>Eiszeit<< stieg auf, noch unverh?ltnism?ssig gr?sser, als es Goethe geahnt.

Wie Gr?nland bis auf ein paar kleine Felsspitzen untergegangen, versunken ist in einer einheitlichen Eismasse, so damals Skandinavien. Und dieses Eis dachte sich von der ungeheuren skandinavischen Hochburg schr?g herunter wirklich ?ber den Platz der heutigen Ostsee hinweg, in die Nordsee hinaus, ?ber Kola ins n?rdliche Eismeer hin?ber. Es floss ?ber Finnland in die wehrlos platten Ebenen Russlands ein zum Ural, in lang ausgreifenden Pranken zur Wolga bei Nischninowgorod, s?dlich von Moskau bei Tula zum Don, bei Kiew zum Dnjepr; die heute ber?hmt gewordenen Rokitnos?mpfe lagen an seiner Bahn, die vielbesprochenen Lysa-Gora-H?hen bildeten einen solchen Nunatak in ihm. Nachdem ganz Norddeutschland verschlungen war, erschien die Eiswelle im Oderquellgebiet. Hier unten quoll sie in den Hirschberger Kessel; noch heute schneidet die jedem Sommergast vertraute Krummh?beler Lomnitz dort eine Grundmor?ne von abgesenktem heimischem Riesengebirgsschotter und skandinavischen Wanderscherben an. Sie erstarrte vor dem Gebirgssaum, schritt ?ber Dresden, am Th?ringer Wald entlang, begrub den sp?teren Sitz Goethes, bog vom Harz zum Rheinischen Schiefergebirge ab, um ?ber die Rheinm?ndung die Themse zu erreichen, bis das schottische Eis mit dem skandinavischen zusammenschlug. Sechs Millionen Quadratkilometer blauen Gletschereises schoben sich so ?ber Europa, -- im nordischen First sicher ein paar tausend Meter dick. Man erschauert, wenn man sich denkt, wie diese blinkende Mauer auftauchte. Nichts Lebendiges blieb, wo sie hinschritt, schon vor ihrem nahenden Eishauch verk?mmerte weithin die bl?hende Vegetation zur armseligen Moossteppe . Kein Traum eines Tamerlan mit seinen Siegess?ulen aus Menschenknochen kommt gegen die Schrecken dieser Welteroberung auf ...

Schweizer Forscher hatten inzwischen dem alten Gedanken Goethes von der >>Epoche grosser K?lte<< eine immer handgreiflichere Gestalt gegeben, -- Schimper das unmittelbare Wort Eiszeit geschaffen. Man hatte ihren Ort in der Reihenfolge der geologischen Zeitabschnitte ungef?hr bestimmt: nicht mehr in den alten Sauriertagen, sondern verh?ltnism?ssig jung, im sogenannten Diluvium. Wenn man von dem Abschluss der sogenannten Terti?rzeit bis an die ersten Nebel ?berlieferter Geschichte versuchsweise einmal noch eine halbe Million Jahre rechnete, so ging dahinein auch noch dieses ganze aufregende Ereignis. Wie sich neuerlich herausgestellt hat, ist der Mensch noch Zeuge seines gesamten Verlaufs gewesen, wenn er's auch in keiner Chronik eingezeichnet hat. Eine hochpolare Tier- und Pflanzenwelt begleitete neben ihm die Eisr?nder, Beweis, dass wirklich gr?nl?ndische Verh?ltnisse bei uns eingekehrt waren. Die dick bepelzten Mammutelefanten und Schneenash?rner haben sich daraus am st?rksten eingepr?gt. Eigentlich beweisender sind aber noch die musterg?ltig arktischen kleinen Pfl?nzchen, wie Zwergbirke, Polarweide, Silberwurz, aus deren Reihe auch das verschlagene Volk der Schneegruben hier stammt.

Aber die ganze Gewalt des Vorgangs sah man doch erst, als man sich an jenes ungeheure europ?ische Binneneis gew?hnen musste. Es war nur noch wie eine Erg?nzung, dass auch Nordamerika in anscheinend gleicher Zeit eine entsprechende und sogar noch gr?ssere Eisdecke getragen hatte, -- w?hrend allerdings eine dritte erwartete Vereisung auf dem asiatischen Sibirien sich nicht zeigen wollte. Immerhin m?sste die Erdkugel bei der n?tigen Schiefsicht damals von fern bereits einen argen Eindruck beginnender Ganzvereisung gemacht haben. W?hrend gleichzeitig die Einzelspuren oder mit unserem Bilde Hieroglyphen, nachdem man sie einmal lesen gelernt, sich auch im engeren immer unzweideutiger aufdr?ngten.

Skandinavien, auf dessen wohl h?heren Gebirgen sich in der F?lle der Zeit das einzigartige Schauspiel vollzogen vom Zusammenwachsen der Firnschneefelder mit den Gletschern selbst, war allenthalben abgehobelt wie durch einen d?monischen Kunstschreiner des alten Asengeschlechts. Wenn man seine Fjorde als heute ins Meer versenkte alte Gletschert?ler fasste, so glaubte man noch jetzt seine Urvergletscherung geradezu von der Karte ablesen zu k?nnen. Bei uns in Deutschland aber waren die grossen Irrbl?cke von da dr?ben nur die Rosinen eines feineren Teigs, der als sogen. Geschiebelehm ?berall noch ausgewalzt lag, soweit das Eisunget?m sein Lager gehabt. Wie seine letzten derberen Ausw?rfe bezeichneten Endmor?nenringe stationenweise die ?usserste Statt des Unholds. Die weiche Kreide der heutigen Ostseekante hatte er sich sielend geknetet und in anhaftenden ganzen Platten verschleppt. Seine jahrtausendelang abrinnenden Tropfen hatten jene tiefen L?cher in den Boden gebohrt, an die sich in der Jugend der Deutung einmal die Sage von norddeutschem Vulkanismus gekn?pft. Unter seinem Eisbauch selber hatten sich Rippelungen in Gestalt f?cherf?rmiger H?gelreihen und in der eigenen Kriechrichtung gehender W?lle gebildet. Unendliche Sande waren von seinen abgehenden Schmelzwassern weit vor die Grenzw?lle seines eigentlichen Bettes verschwemmt worden. Wo er zwischen sich und dem Gebirge diese Wasser gestaut und zugleich die zur Ebene strebenden deutschen Str?me eingeengt, waren endlose Zeiten die gelben Schmutzfluten an ihm entlang gewirbelt, einem fernen Nordseeausschlupf zu: so hatten sich jene ungeheuren versandeten >>Urstromt?ler<< gestaltet, wie sie heute noch der entschwundenen Eiskante getreu von der Weichsel zur Elbe ziehen, von Pygm?enfl?sschen der Epigonenzeit wie der >>Maus im K?fig des L?wen<< bewohnt. Bild um Bild, die doch alle nur das eine gr?sste vertiefen konnten, wie es sich in jener entscheidenden Stunde blitzhaft vor Augen gestellt.

Nun ist solches Mitdenken im weiten Kreise an sich keineswegs zu verachten. Man soll sich immer freuen, wenn der Sinn f?r eine naturwissenschaftliche Frage im Volke geweckt ist. Schliesslich f?llt der geniale Gedankenblitz wirklich oft wahllos, der Laie kann auf das Ei des Kolumbus kommen, zumal wenn, wie hier, die strenge Forschung auch einstweilen nichts als mehr oder minder unbewiesene Vermutungen hat. Was aber zu jeder, ob nun wissenschaftlichen oder freien Mitarbeit als unumg?ngliche Voraussetzung n?tig ist, wenn auch nur der kleinste wahre Fortschritt erzielt werden soll, das ist zweierlei.

Die zweite Bedingung ist dann, dass, wer sich an die Frage ernstlich heranmacht, eine Reihe Nebenfragen kennt, die bei heutigem Stande unserer Kenntnis untrennbar damit verkn?pft sind. Weiss er bloss im Sinne Goethes, dass zur Erkl?rung der eben kurz gekennzeichneten diluvialen Tatsachen eine >>Epoche grosser K?lte<< angenommen wird, so ist er heute doch noch nicht reif zum Weiterraten. Denn es haben sich dem einen R?tsel seither eine bestimmte Anzahl anderer angegliedert, die, an sich erst recht interessant, doch auf alle F?lle mitgel?st, also vorweg mitgekannt sein wollen. Ich bezeichne hier kurz ein paar auch dieser Hauptpunkte, die Goethe selbst noch nicht wissen konnte, die aber gerade den Reichtum andeuten, zu dem die st?ndig weiter sch?rfende Wissenschaft heute auch auf diesem Gebiete gelangt ist.

Als Goethe von seiner >>Epoche grosser K?lte<< sprach, schwebte ihm zweifellos ein recht t?chtiges Mass K?lte vor. Wer sollte es nicht erwarten, wenn er die Alpengletscher bis in den Genfer- und Bodensee und schwedisches Eis bis ins Hirschberger Tal denkt. Agassiz, der als bibelgl?ubiger Mann immer eine Neigung sp?rte, in der Eiszeit eine Unterlage der weltumst?rzenden Sintflut zu entdecken, h?tte gern die ganze Erde unter furchtbarsten Minusgraden erfrieren lassen. Ein n?chterner Kopf wie Neumayr hat dagegen nachgerechnet, dass man schon mit einem Temperatursturz von bloss 5--6? ~C~ im Durchschnitt weniger als heute alle wirklich sicheren Erscheinungen der Eiszeit in Europa ausl?sen k?nnte. Die Schweizer Schneegrenze w?rde sich um mehr als 1000 ~m~ tiefer legen, und die heutigen Alpengletscher m?ssten bis Lyon und Ulm r?cken, w?hrend am Titisee im Schwarzwald und hier aus den Schneegruben Gletscher fl?ssen. Mehr als diese im H?chstmass 6? abw?rts brauchte also keine Theorie zu erkl?ren, w?hrend man freilich zugleich sieht, wieviel schon solche paar Grad gegen unser so viel verl?stertes gegenw?rtiges Klima bedeuteten.

Ein dritter Punkt betrifft dann, wie sich auch w?hrend der schlimmsten Eiszeit im Norden die ?brige Erde verhalten habe. Als weiland Herr Agassiz das Eiszeitthermometer seiner Schweiz gar nicht grauenhaft tief genug sehen konnte, da erwartete er bestimmt, dass auch in den tropischen Urw?ldern am Orinoko zuletzt noch Kritzelhieroglyphen und Geschiebelehm auftauchen m?ssten. Davon kann nun in der Weise heute wieder keine Rede sein. Aber was man allm?hlich auch dazu wirklich gefunden hat, das waren starke Vergletscherungs-, d. h. Gletschervergr?sserungsanzeichen f?r die Diluvialzeit auch gewisser Gebiete der S?dhalbkugel. Auch die Alpen Neuseelands hatten zu irgendeiner Stunde damals st?rkere Gletscher, die Berge Australiens, das s?damerikanische Feuerland, das antarktische Kerguelenland tragen deutlich lesbare diluviale Eishieroglyphen. Sollte das genau gleichzeitig mit dem Nordeis gewesen sein, so w?rde es besagen, dass die Eiszeit >>bipolar<< war, das heisst, dass ihr Klimasturz ?ber beide Erdpole zugleich ging. Oder, was auf die wichtigste Folge hinausl?uft: dass eine gewisse Abk?hlung damals um die ganze Erde schritt, wenn sie auch nat?rlich mit ihren paar Grad K?ltesturz nicht gleich den ?quator mitvereisen konnte. Immerhin meint man neuerlich auch bis in diese ?quatoriall?nder doch etwas verfolgen zu k?nnen wie eine gleichzeitige starke >>Pluvialzeit<<, also eine extrem nasse Regenperiode, die man an alten Flussl?ufen der Sahara, h?herem Nilstand und viel ?ppigerer Seenf?llung im ?quatorialen Afrika wie an einem geologischen Pegel ablesen will. Und die erfolgreichen tropischen Hochalpenfahrten Hans Meyers von Leipzig, der uns zuerst den Kilimandscharo bestiegen hat und am Chimborasso und Kotopaxi viel weiter geklettert ist als selbst Humboldt, haben auch an diesen tropischen Schneeriesen allenthalben jetzt verlassenen Mor?nenschutt erwiesen, der auf eine niedrigere Schneegrenze und also gr?ssere Gletscher der Diluvialzeit gedeutet worden ist. Auch das muss der Eiszeitentr?tseler also als m?glich aufnehmen, wenn es auch dazu nicht an Gegnern fehlt. Sie fragen, warum nicht bei richtig bipolarem Verlauf das s?dliche Landeis noch viel weiter ging, z. B. in S?damerika entsprechend ?ber ganz Argentinien, Paraguay und Bolivien floss, oder ob jene Gletscherschwankungen am Kilimandscharo nicht bloss Lokalerscheinungen unter ?rtlichen kleinen Temperaturperioden, die bis heute dauern, sein k?nnten usw. Wobei aber gerade solche Lokalgr?nde, etwa andersartige Land- und Wasserverteilung, auch wieder das Eiszeitbild der S?dkugel schon damals von dem unserer Nordhalbkugel verschieden gestaltet haben k?nnten auch bei echt bipolarem Verlauf. Man bleibt auch hier in Debatten, aber ber?cksichtigt m?ssen diese Fragen werden, ob so, ob so.

Nun aber noch zwei ganz grosse Dinge, zeitlich nicht auf die diluviale Eiszeit selber fallend, aber schlechterdings nicht mehr von ihr zu trennen, seit man sie hat. Goethe waren auch sie noch durchaus fremd, aber wie h?tten sie ihn erregen m?ssen!

Die Pflanzenwelt, die stets das feinste Thermometer bildet , wird bei uns in Europa zun?chst subtropisch, wie man das nennt, also als r?ckte der Mittelmeerrand bis zur Ostsee; und dann wird sie in weiten Teilen ?berhaupt ganz tropisch, als k?men Wendekreis und Gleicher zu uns ins Land. Auf der H?he der Zeit wachsen in S?dfrankreich kolossale F?cherpalmen mit anderthalb Meter langen Blattwedeln neben Drachenb?umen, Pisangs, Kampfer und Zimmet, Aralien, afrikanischen echten Akazien aller Art, der Ceibabaum mit seinen Baumwollfr?chten wird charakteristisch, wie er es heute mit seinen gewaltigen Stamms?ulen f?r die heissesten Tropenw?lder Kameruns oder Brasiliens ist. Bei Verona stehen Eukalypten, Sandelholzb?ume, C?salpinien. ?ber ganz Deutschland zogen sich die Palmenhaine bis in die Bernsteinw?lder jenseits des heutigen Samlandes, Sabal, Ph?nix, am sch?nen Rhein sogar Kokos, aus den englischen K?stens?mpfen hoben sich die kurzst?mmigen Nipas und warfen ihre Schwimmfr?chte ins Brakwasser wie jetzt bei den Tigern und Krokodilen des Gangesdeltas. Pandanus, Bambusrohr, Baumfarne vervollst?ndigten das Bild, und auch ?ber die tropische Tierwelt kann diesmal wohl kein Zweifel sein, wenn man in diesen W?ldern von bunten Papageien, goldschimmernden mexikanischen Trogons, dem s?dafrikanischen Kranichgeier , Salanganen neben den Tapiren, Zwerghirschen und Okapis des tiefsten Tropendschungels h?rt. Warm, wie das Land, muss der Ozean der K?ste gewesen sein, so dass noch am Nordrand des vergr?sserten terti?ren Mittelmeers Korallentiere ihre hohen Riffe t?rmen konnten, deren ?berlebende Gattungen heute in den S?dmeeren eine best?ndige Wasserw?rme von 20? erfordern. Ist die diluviale Eiszeit ein klimatisches Wunder, das nach Erkl?rung schreit, so w?chst uns hier mindestens ein ebenso grosses, wenn auch genau entgegengesetztes zu, ohne dessen Ber?cksichtigung jede Erkl?rung dort immer nur halb sein kann.

Die terti?re W?rme, selber einmal fest zugestanden , umschliesst aber noch ein engeres Problem in sich. Wenn wir im Diluvium gr?nl?ndische Eisdecken auf mehr als halb Europa und Nordamerika sehen, so werden wir zun?chst den Pol selbst f?r diese Zeit erst recht unter Eis begraben denken. Umgekehrt im Terti?r: wenn hier die Tropen bis zu uns nach Deutschland r?ckten, werden wir fragen, ob es damals ?berhaupt einen Eispol gegeben haben k?nnte. Und in der Tat wissen wir von vereisten Gebieten dieser Zeit nichts, wohl aber sehen wir in den unzweideutigsten Funden eine Pflanzenwelt sich damals selbst bis in hohe arktische Breiten hinaufziehen, die auch dort noch auf eine ganz gewaltig erh?hte W?rme deutet. Der grosse Schweizer Pal?ontolog Heer, menschlich eine der liebensw?rdigsten Forschergestalten neuerer Zeit, hat seit den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts mit von Fall zu Fall immer verbl?ffenderen Mitteilungen in diesen Sachverhalt eingef?hrt.

K?hne Polarforscher, die unter den namenlosen Schauern ihrer Pionierz?ge da oben noch Zeit gefunden, vorweltliche Pflanzenabdr?cke auf altem Terti?rgestein zu sammeln, versahen ihn mit dem n?tigen Material, das unter seiner kundigen Deutung nun zum Ereignis wurde. Am 82.? n?rdlicher Breite, im nordamerikanischen Grinnelland, ?usserster Fleck damals des geographisch Erreichten auf dem Wege zum Pol selbst, mit einem Jahresmittel gegenw?rtiger Temperatur von --20? ~C~, zeigten sich altterti?re W?lder von ~Taxodium distichum~ , Pappeln, Linden, Haselnuss, Schneeball, Fichten, Kiefern, Eiben, die einen See mit wallendem Schilfrohr und Teichrosen etwa wie unsern Friedrichshagener M?ggelsee umschlossen. Auf Spitzbergen wuchsen neben Massen von Pappeln grossbl?ttrige Eichen und Ahorne, aber auch Walnuss, Platane, Magnolie, Zypresse und der jetzt noch wegen seiner Domturmh?he ber?hmte, aber wie ein aussterbender Urrest auf ein paar Haine der kalifornischen Sierra Nevada beschr?nkte Mammutbaum . Gr?nland selber hatte beim 70.? den sch?nen, lichtgr?nbl?ttrigen chinesischen Gingko, immergr?nen Lorbeer und Weinreben, als bewege man sich zwischen der lieblichen Flora von Montreux. Gewiss: man wandelte hier oben auch damals nicht mehr unter Palmen, aber noch immer nahe der Grenze mindestens der subtropischen Welt. Und damit auch diesmal die Sache >>bipolar<< aussehe, haben sich seit Heers Tagen entsprechende Waldspuren mit riesigen Zypressenst?mmen und Buchenlaub im Bereich des S?dpols gefunden.

Auf den ersten Blick sieht auch das alles ja nur wie eine Best?tigung der allgemeinen terti?ren W?rme aus. Aber es steckt noch eine besondere >>Crux<< darin, wie die alten Philologen vor ihren unl?sbaren Textstellen sagten. In so hohen Breiten gibt es bekanntlich gar wundersame Beleuchtungsverh?ltnisse. Eine mehrmonatige Dauernacht beginnt sich wie ein schwarzer Fittich ?ber die verarmte Erde zu breiten. Jene Polarforscher wissen nicht genug davon zu erz?hlen, wie eigent?mlich diese verkehrte Welt auf Menschengem?t und Menschenkraft wirkt. Wie aber sollen immergr?ne Waldungen solche Polarfinsternis ausgehalten haben? Mag man die W?rme im ganzen auch dort noch so sehr steigern, so bleibt doch der gewaltige Gegensatz dieser sonnenlosen Dauernacht, in der die Temperatur extrem fallen musste. Selbst die Tropen, an den Pol versetzt, w?rden in diesem Sinne nicht mehr Tropen sein. Und der reine Lichtmangel selbst? Man hat an Tropengew?chse erinnert, die in dunkeln Treibh?usern ?berwinterten, oder an die Legf?hren und Alpenrosen des Hochgebirgs, die unter ihrem Schnee auch kein Licht erhielten. Aber hier ist das dunkle Treibhaus besonders geheizt oder die Pflanze ohnehin ein wetterhartes Wintergew?chs. Auf jeden Fall w?rde man machtvolle Anpassungswandlungen f?r da oben erwarten, -- w?hrend doch die Dinge ganz und gar so erscheinen, als h?tten sie sich am wirklichen M?ggel- oder Genfer See abgespielt. Die Biologen haben denn auch immer den Kopf gesch?ttelt zu diesem halbdunkeln Paradies. Will man ehrlich sein, so muss doch auch hier jede echte Wettertheorie erst etwas Geheimnisvolles entzaubern.

Unterdessen gibt aber selbst die ganze Terti?rfrage nicht den Schluss, -- hinter ihr w?chst nochmals heute das Unberechenbarste auf. L?ge es doch nahe, aus der paradiesischen Erdw?rme von dazumal nun auf ?hnlichen Stand wenigstens f?r den weiteren Erdgeschichtsrest zu schliessen. Hinter dem Terti?r dehnen sich zeitlich die grossen Bl?tenalter der drachenhaften Saurier, und diese Saurier waren als Reptile nach gangbarem Schluss alle >>wechselwarm<<, also nur recht munter und lebensf?hig, wenn ihnen die Sonne ordentlich aufs Blut brannte. Und in der Tat sehen wir auch in Jura und Kreide zun?chst wieder dicke W?lder von Sagopalmen , die uns heute wie ein S?dseeidyll anmuten, bis Gr?nland und Franz-Joseph-Land wachsen. Ein ganz geringer Zonengegensatz soll sich allm?hlich zwar geltend gemacht haben, doch w?rde das nicht anders sein als im Terti?r, wo auch polar zwar Magnolien, aber doch keine Palmen mehr standen. Jedenfalls schwamm der ber?hmte Ichthyosaurus zu seiner Zeit ruhig bis nach Spitzbergen, und an allen deutschen K?sten gr?ssten ihn wieder die bunten Korallenriffe des Heizwassers. ?ber das noch ?ltere Klima der Steinkohlenzeit ist dann noch Streit. Fr?her hielt man's ?berall f?r geradezu extrem tropisch bis ins ?usserste Sibirien und Nordamerika hinauf. Dann bestritt man das, weil sich Torfmoore im echten Tropenklima nicht halten sollten. Dann wieder ist auch das widerlegt worden, und heute h?lt man wenigstens f?r die F?lle der Zeit ein bei sehr grosser Feuchtigkeit gem?ssigt warmes Klima f?r das Wahrscheinlichste. Im ganz alten Silur kommen schliesslich nochmals nordische Korallenriffe vor, jetzt sogar auch sie hochpolar, wobei f?r diese jede dunkle Tiefe scheuenden Pflanzentiere auch die Lichtfrage noch einmal wiederkehrte. Alles gut, aber so leicht stimmt die Rechnung abermals nicht. Die Folgerung w?re, dass alle jene ehrw?rdigen Tage bis zum grauesten Lebensbeginn und wohl gar Ur-Sonnenstand der Erde nun gar kein Eis gekannt h?tten. Grade das werfen neuere Funde aber erst recht um.

Aber wieder: wie die diluviale Vereisung sich nicht auf Europa beschr?nkt, sondern auch ?ber Nordamerika hatte verfolgen lassen, so sollte es auch diesmal nicht bei Indien bleiben. Ganz die gleiche Lage f?r gleiche Zeit konnte seit 1870 im s?dlichsten Afrika nachgewiesen werden, also jenseits jetzt des ?quators nach der andern Seite bis ?ber den Wendekreis hinaus. Dort entsprach die unterste Lage des sogen. Karroogesteins im Kapland genau der indischen Talchirschicht, und auch diese afrikanische Dwykaschicht, wie man sie nach einem Fluss dort nannte, bildete richtiger Geschiebelehm auf abgehobeltem Urland. Ja eine dritte Ecke tauchte im australischen Gebiet auf. Dort hatte das uralte Eis das ganze S?dostviertel von der Mitte bis zur K?ste von S?daustralien, Viktoria, Neus?dwales und bis nach Tasmanien hinein verhobelt, um schliesslich auch an einem geheimnisvollen nord?stlichen Eismeer, in das seine Eisberge schwammen, zu enden. Verkn?pfte man diese drei Schaupl?tze im Geist und sah den Eisblink ?ber das ganze Zwischengebiet schreiten, wo allerdings jetzt der Indische Ozean blaute, so blieb keine Wahl vor dem Ungeheuren: man stand vor einer zweiten, so viel fr?heren Eiszeit, einer permischen ungef?hr.

Wir wenden uns zu solchen Theorien jetzt selbst. Denn das ist vollends Grundnotwendigkeit jedes neuen Erkl?rungsversuchs, dass ein gewisser auserw?hlter Kreis bester schon vorhandener Deutungen vorher durch und durch gedacht sei, -- sei es selbst, dass keine davon schon f?r endg?ltig richtig gelten soll. Gedankenschweiss fast ohnegleichen steckt in diesen klassischen Deutungen bisher, und schon um seinetwillen sollen sie uns ehrw?rdig sein in der menschlichen Geistesgeschichte. Durch Himmel und Erde ist der Blick geschweift, diese alten Wunder zu deuten, -- und zwar war es der Himmel, an dem er zun?chst gar lange haften sollte.

Es sind ein paar einfache Bilder, die sich da vor Augen stellen. Einfach und doch von kosmischer Erhabenheit. Im eisig kalten Raum schwebt unsere Erde. Eisig ist dabei nur ein stammelndes Wort. Es handelt sich um K?ltegrade, bei denen die Bestandteile unserer Luft gerinnen w?rden. Die Ziffer wird heute meist nicht fern von dem sogenannten absoluten Nullpunkt, also --273? ~C~, angesetzt. Durch diese Gegenh?lle weht der feine kosmische Staub, aus dem sich vielleicht Welten ballen, st?rzen die Meteorbl?cke, in die vielleicht Welten wieder zerfallen sind. Hindurch ?ugen wie Blumen des sich erschliessenden und wieder abbl?henden Weltengartens die blauen, gelben und roten Fixsternsonnen. Aber nur eine davon ist uns so nahe, dass sie uns wirklich vom Bann dieser erbarmungslosen Raumesk?lte erl?sen kann: unsere eigene Sonne. Schon in Tagen, da man von diesem wahren Sachverhalt nichts ahnte, pries frommer Glaube sie als das Segensauge der Gottheit f?r uns. Der Landmann dachte dabei an sein Korn, seine Traube, die sie reift. Um aber den ganzen Gegensatz zu empfinden, muss man jene Schilderungen unserer Polarfahrer lesen: wie sie die Monde der Polarnacht hindurch mit ihrem Schiff im Eis eingekeilt sassen, inmitten v?lliger Ver?dung des Lebens, bloss gerettet durch die paar St?ckchen mitgebrachter Steinkohle , bis endlich das Gestirn wieder aus dem roten D?mmer blickte. Sie haben etwas durchgemacht von einer wirklichen >>Eiszeit<<. Und so ist es ein n?chster Gedanke, auch Sonne und Eiszeit in der Theorie zu verkn?pfen. Ob die Sonne damals ihr segnendes Auge f?r eine Weile geschlossen haben k?nnte oder doch bloss blinzelte, so dass die Polarw?ste mehr Macht gewann?

Es ist aber noch ein anderes da vorweg zu erw?gen. Was auch kein alter Sonnenanbeter mit noch so viel Metamorphosen seinen G?ttern und Helden ansinnen konnte, das ist uns gel?ufig: unsere Erdkugel ist in entlegensten Tagen wohl selber einmal eine kleine Sonne gewesen, die sich selbst geleuchtet, sich selbst gew?rmt hat. Heute ist der Rest nach gangbarer Meinung in die schaurigen Tiefen unter der Erstarrungsrinde eingemauert. Aber k?nnte die alte Titanin nicht auch von da drinnen noch lange auf unser Klima eingewirkt haben?

Der Gedanke gipfelt darin, dass wir ehemals noch eine Fussheizung gehabt h?tten. So musste es warm sein bis zum Pol, denn der innere Ofen legte vielleicht noch bis zum Doppelten der Sonnenhilfe zu. Und erst als die Zentralglut sich immer dicker abkapselte, bedeckten sich die Pole mit Schnee, die Eiszeit kam und wird immer furchtbarer wiederkehren. Die Theorie ist eine der ?ltesten, scheint noch immer die einfachste und ist doch am leichtesten zu widerlegen.

Sie erkl?rt nicht, warum das Klima sich seit der Eiszeit wieder gehoben hat. Heizte der innere Ofen seit Ende des Terti?rs bereits so schwach, dass die Sonne des Eises nicht mehr Herr werden konnte: warum sind wir dann nicht in der Eiszeit geblieben? Sie steht ebenso ratlos vor der Permeiszeit. Um sie zu deuten, m?sste sie ein periodisches Nachlassen und Wiederaufflackern des Erdofens annehmen, das seit Jahrmillionen bereits w?rmere und k?ltere Erdzeiten wechseln liess. Das aber w?re eben ein Beispiel schon jener oben ger?gten Phantasiearbeit, -- um die Annahme der inneren Heizung zu retten, wird bloss zum Zweck eine zweite, v?llig unbewiesene Annahme: periodischer Wechsel solcher Heizung, gemacht. Doch selbst ohne das w?re die Bodenheizung, ich m?chte sagen, technisch gar nicht so leicht zu verstehen, wie es auf den ersten Anblick scheint. Gewiss hat die Erde seit Urtagen gelegentlich und ?rtlich mit Hitze von innen heraus gewirkt. Diabas, Porphyr, Basalt sind als gl?hende Lava durch die Erdenzeiten geflossen. Heisse Quellen haben mollige Badestuben gebildet, wie wir deren eine schon im Terti?r von Steinheim in Schwaben nachweisen k?nnen, zu der von weither die Urpferde, Flussschweine und Nash?rner der Gegend sich wie zu einem >>Badeort<< versammelten, w?hrend die Hitze des Wassers die einwohnenden Schnecken zu seltsamen Formverwandlungen trieb. Aber um wirklich den Erdboden so zu heizen, dass von innen etwa noch einmal die ganze ?ussere Sonnenw?rme hinzugebracht w?rde, m?ssten schon bei 10 ~m~ Tiefe des Sandstein- oder Kalkbodens 1000? ~C~ oder volle Rotglut unter unsern F?ssen herrschen, was gr?ssere Baumwurzeln bereits mit Sengen bedrohte. Umgekehrt kennen wir aus den algonkisch-kambrischen Urtagen Sandsteinablagerungen von 2000 ~m~ Dicke, die nicht die geringsten inneren Verbrennungen zeigen, als wenn W?rme durch sie bis zur Oberfl?che aufgestiegen w?re . Es wird nichts ?brig bleiben, als dass unsere >>innere Sonne<< schon so ganz fr?h gleich Lava unter d?nner Haut bis zur Unkenntlichkeit abgesperrt war.

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