bell notificationshomepageloginedit profileclubsdmBox

Read Ebook: Eiszeit und Klimawechsel by B Lsche Wilhelm

More about this book

Font size:

Background color:

Text color:

Add to tbrJar First Page Next Page Prev Page

Ebook has 355 lines and 32899 words, and 8 pages

Sie erkl?rt nicht, warum das Klima sich seit der Eiszeit wieder gehoben hat. Heizte der innere Ofen seit Ende des Terti?rs bereits so schwach, dass die Sonne des Eises nicht mehr Herr werden konnte: warum sind wir dann nicht in der Eiszeit geblieben? Sie steht ebenso ratlos vor der Permeiszeit. Um sie zu deuten, m?sste sie ein periodisches Nachlassen und Wiederaufflackern des Erdofens annehmen, das seit Jahrmillionen bereits w?rmere und k?ltere Erdzeiten wechseln liess. Das aber w?re eben ein Beispiel schon jener oben ger?gten Phantasiearbeit, -- um die Annahme der inneren Heizung zu retten, wird bloss zum Zweck eine zweite, v?llig unbewiesene Annahme: periodischer Wechsel solcher Heizung, gemacht. Doch selbst ohne das w?re die Bodenheizung, ich m?chte sagen, technisch gar nicht so leicht zu verstehen, wie es auf den ersten Anblick scheint. Gewiss hat die Erde seit Urtagen gelegentlich und ?rtlich mit Hitze von innen heraus gewirkt. Diabas, Porphyr, Basalt sind als gl?hende Lava durch die Erdenzeiten geflossen. Heisse Quellen haben mollige Badestuben gebildet, wie wir deren eine schon im Terti?r von Steinheim in Schwaben nachweisen k?nnen, zu der von weither die Urpferde, Flussschweine und Nash?rner der Gegend sich wie zu einem >>Badeort<< versammelten, w?hrend die Hitze des Wassers die einwohnenden Schnecken zu seltsamen Formverwandlungen trieb. Aber um wirklich den Erdboden so zu heizen, dass von innen etwa noch einmal die ganze ?ussere Sonnenw?rme hinzugebracht w?rde, m?ssten schon bei 10 ~m~ Tiefe des Sandstein- oder Kalkbodens 1000? ~C~ oder volle Rotglut unter unsern F?ssen herrschen, was gr?ssere Baumwurzeln bereits mit Sengen bedrohte. Umgekehrt kennen wir aus den algonkisch-kambrischen Urtagen Sandsteinablagerungen von 2000 ~m~ Dicke, die nicht die geringsten inneren Verbrennungen zeigen, als wenn W?rme durch sie bis zur Oberfl?che aufgestiegen w?re . Es wird nichts ?brig bleiben, als dass unsere >>innere Sonne<< schon so ganz fr?h gleich Lava unter d?nner Haut bis zur Unkenntlichkeit abgesperrt war.

Wenn aber die Sonne allein die g?tige Geberin war, k?nnte nicht auch ihr F?llhorn im langen Zeitenlaufe nachgelassen haben? An ferne Sonnengestade f?hrt uns der Gedanke. Auf die zauberhaft sch?ne Tropeninsel Java mit ihren Palmenparadiesen und dampfenden Vulkanen. Dort wurden im Tuff einer wohl fr?hdiluvialen Vulkankatastrophe jene seltsamen Knochen des halb affen-, halb menschenhaften Wesens Pithekanthropus gefunden. Die Fundst?tte ist interessant f?r die Eiszeit selbst, die in fluchtartigen Tierwanderungen und einer Flora gr?sserer Feuchtk?hle damals, scheint es, schon bis dort hin?ber anklang. Uns aber fesselt der Mann, der den einzigartigen Fund getan: Eugen Dubois. Gleichzeitig da dr?ben in den Tropen hat er auch das beste neuere Buch ?ber die Sonnentheorie der Eiszeit geschrieben .

Die Sonne, so dachte sich damals der geistreiche und vielseitig kundige holl?ndische Forscher, ist ein Fixstern wie die andern, bloss weiter entfernten unseres n?chtlichen Firmaments. Auch sie muss im kalten Raum best?ndig fortschreitend erkalten. Zwar ersetzt sie f?r die Beobachtung kurzer Zeitr?ume ihren W?rmeverlust nach dem ewigen Kraftgesetz wieder durch eigene Zusammenziehung; aber auch das hat Grenzen. Schon sehen wir im Raum neben ihr jene blauen, gelben, roten Schwestersonnen. Sie selbst ist gelb. Von den blauen Sonnen nimmt man an, dass sie noch heisser sind als sie, von den roten, dass sie schon weniger warm. Sie war einmal blau und wird abgl?hend rot werden, ehe sie ganz erlischt wie jene Gespenstersterne im All, deren Dasein wir nur rechnend noch aus ihren Schwerewirkungen erschliessen. Eine oft benutzte Theorie nimmt an, dass die Sonnenflecke bereits Anzeichen des beginnenden roten Stadiums bei ihr sind. Diese Sonnenflecke scheinen sich periodisch zu vermehren: vielleicht stehen wir dem endg?ltigen Rotstand schon sehr nahe. Wie wir Sterne haben, die periodisch heller und wieder schw?cher gl?nzen, schwankt vielleicht auch die Sonne bereits in gr?sseren Zwischenr?umen zwischen Gelb und Rot auf und ab. Rot bedeutet st?rkeres Auftreten chemischer Verbindungen, die weniger W?rme strahlen. Nun ?bertragen wir das auf geologische Zeiten. In ?lteren Tagen leuchtete die Sonne uns noch blau und gab damals also ebenfalls viel mehr W?rme. Unsere Tropen wurden dabei doch nicht ?berheizt, denn eine dichtere, sehr wasserdampfhaltige Atmosph?re milderte dort das tiefere Eindringen der violetten Strahlen, w?hrend die W?rmezirkulation eben durch deren Energie verst?rkt und so die abstr?mende W?rme vornehmlich den Polen zugute gebracht wurde. Mit dem sp?teren Terti?r aber trat die Sonne ins gelbe Stadium, in das sich sehr bald auch schon rote Schwankungen mischten. Gelb gab das heutige Klima, Rotschwankungen dagegen beg?nstigten Eiszeiten, die einander folgten, von gelben Interglazialzeiten jedesmal mit einer Art Aufflackern unterbrochen. In einer solchen Interglazialzeit leben wir heute. Noch l?ngere Zeit m?gen die Schwankungen anhalten, bis kurz vor Ende des Sonnenlebens die kalten Perioden rasch anwachsen und endlich die Sonne dauernd rot und zuletzt ganz dunkel wird, wobei eine letzte nicht endende Eiszeit sich f?r uns zur G?tterd?mmerung erf?llt; nicht sch?n, aber danach hat der Forscher nicht zu fragen. Dubois hat daran noch interessante Exkurse ?ber Wirkung des blauen und gelben Lichts auf Entwicklungsbeschleunigung und Pflanzenchlorophyll gekn?pft, die Stahl nachher unter anderm Gesichtspunkt wieder aufgenommen, die uns hier aber nicht zu besch?ftigen brauchen. Die geologischen Zeitziffern hat er zu kurz gegriffen, um seine Sonnenperioden hineinpressen zu k?nnen, wie er sie sich astronomisch dachte; doch liesse sich da leicht das eine am andern strecken. So bleibt kein Zweifel, dass die Theorie h?bsch wirkt, bis -- ja bis man sie doch auch wieder an den Tatsachen pr?ft.

Den ausgezeichneten Forschungen von Br?ckner verdanken wir den Nachweis, dass in dem ganz engen Verlauf unseres Wetters von heute sich auch eine allerdings h?chst merkw?rdige kurze Periode geltend macht. Br?ckner beobachtete zuerst am Spiegel des Kaspischen Meers eigent?mliche Zu- und Abnahmeschwankungen im Verlauf von rund 35 Jahren. Es ergab sich, dass sie verursacht waren durch periodisch verschiedene Dauer der Eisbedeckung und H?he des Wasserstandes der einm?ndenden Str?me. Das aber wieder f?hrte auf eine 35j?hrige Periode k?hlerer Regenwitterung. Nasse K?ltejahre waren z. B. f?r Russland 1745, 1775, 1810, 1845, 1880, trockene W?rmejahre 1715, 1760, 1795, 1825, 1860 . Mit geringer Einschr?nkung hat sich das dann als ein allgemein g?ltiges Witterungsgesetz durchf?hren lassen, und eine ganze Masse gew?hnlicher Aussagen und ?berlieferungen von einem seit einem Menschenalter bereits merkbar gewordenen vermeintlichen Dauer-Niedergang oder -Aufstieg des Klimas haben in dieser >>Br?cknerschen Periode<< ihre sehr harmlose Erkl?rung gefunden. Man kann die Ziffer tats?chlich bis in die Statistik unserer Getreidepreise hinein verfolgen. Und sicherlich ist es die bedeutendste Witterungstatsache, die wir bisher kennen, -- mehr wert, als tausend Wetteransagen tierischer wie menschlicher Laubfr?sche.

Wenn die Innensonne und die Aussensonne nicht helfen wollen, so k?nnte man einen Augenblick erw?gen, dass es ja noch >>?bersonnen<< gibt, kosmische Gewalten, an denen Sonne wie Erde gemeinsam h?ngen. Eine alte und hartn?ckige Theorie sucht die Ursache der Eiszeiten im Raume als solchem. Die Sonne, bekanntlich selbst bewegt, soll mit uns abwechselnd durch w?rmere und k?ltere Raumgebiete hindurchschneiden. In dieser nackten Grundform, wie sie gew?hnlich beliebt, ist die Theorie einfach sinnlos, denn wir haben nicht den geringsten Anlass, den Raum, in dem bis in die fernsten Weiten die Sterne erkaltend von Blau zu Rot und Dunkel herabbrennen, an sich anders als gleichm?ssig kalt anzunehmen. Man m?sste schon den Fall setzen, dass die erh?hte W?rme von einer fremden Sonne stammte, der unsere Sonne sich periodisch n?herte. Tats?chlich ist aber selbst die n?chste Fixsternsonne mehrere Billionen Meilen weit von uns entfernt. Von einer Zentralsonne, der uns auch eine stark elliptische Sonnenbahn nicht so ganz weit entf?hren k?nnte, sehen wir nichts, und sehr gut k?nnte die Sonne auch um einen Gleichgewichtspunkt kreisen, in dem gar keine w?rmende Masse st?nde. Wir gingen seit der Diluvialzeit doch schon wieder auf solchen neuen W?rmestern los: warum s?hen wir ihn nicht am Firmament? Oder man m?sste an feines Nebelgew?lk denken, das wir mit unserer Sonne zeitweise passierten. Seit wir vermuten, dass die echten Nebelflecke uns n?her stehen und wirklich wohl wie Gew?lk zwischen den Fixsternsonnen eingelagert sind, hat das etwas mehr f?r sich. F?r gew?hnlich wird aber diese Nebelmaterie so fein sein, dass aus ihr so wenig Wirkungen entstehen k?nnen wie aus jenem ber?hmten Schweif des Halleyschen Kometen. Dichtere Stellen dagegen w?rden sich umgekehrt wohl eher in chemischen Zumischungen oder grossen, alles vernichtenden Katastrophen ?ussern, wie man ja das j?he Aufflammen sogen. >>neuer Sterne<< auf solchen Eintritt eines Weltk?rpers in eine dichte Nebelwolke gedeutet hat. Vielleicht noch am meisten hat die Idee f?r sich, dass ein mittelfeiner Nebelstoff auch als Sonnenabblender wirkte und so Eiszeiten bei uns sch?fe; N?lke hat an diesem Faden gesponnen. Aber sind nun unsere im Lauf der Jahre so rasch wechselnden Nebelfleckentheorien selber richtig? Immer muss lose Theorie wieder die Theorie st?tzen! Man wird nebenbei beachten, dass keine dieser Meinungen jene Lichtfrage der Polarlande im Terti?r ber?hrt. Dazu ist gelegentlich an eine r?umlich sehr viel ausgedehntere Sonne gedacht worden, die sich etwa noch bis ?ber die heutige Merkurbahn erstreckt haben k?nnte. Die Abl?sung des Planeten Merkur im Sinne der Kant-Laplaceschen Theorie m?sste dann erst in der geologisch kurzen Zeit seither erfolgt sein, -- eine Annahme, die an Ungeheuerlichkeit wirklich nichts zu w?nschen ?brig l?sst.

Inzwischen gibt es aber noch einen ganz anderen Weg, die Sonne f?r uns k?hler oder w?rmer zu machen, ohne dass man an ihr selber dabei in Gedanken herumzuheizen brauchte. Wenn wir schon von der Sonnenbahn reden, warum dann nicht von der Bahn der Erde selbst? Ich kann einen Ofen, der an sich gleich bleibt, doch als w?rmer oder k?lter empfinden, indem ich mich ihm mehr n?here oder mich mehr entferne. Wenn auch die Erde auf ihrer Bahn dem Sonnenofen im Zeitenlaufe bald etwas n?her, bald etwas ferner gestanden h?tte? Es ist ein ganzes Bl?tenfeld von Theorien, die hier aufgesprosst sind.

Die Erdbahn ist bekanntlich so wenig ein genauer Kreis, wie die Erde selbst eine vollkommene Kugel; diese reinsten Idealformen hat die Natur auch bei ihren grossartigsten kosmischen Kunstwerken nicht durchzusetzen vermocht. Sie ist eine Ellipse, bei der die Sonne nicht genau im Mittelpunkt steht, und das bedingt, dass schon bei jedem gew?hnlichen Jahresumlauf die Erde dieser Sonne auf der einen Halbbahn etwas n?her kommt und auf der andern etwas ferner bleibt. Nun stellen wir schon auf solchem einfachen Umlauf allj?hrlich auch eine entschiedene W?rme?nderung bei uns fest: grosse Gebiete unserer Erde erleben in Gestalt von Sommer und Winter etwas wie eine st?ndige Terti?rzeit und Eiszeit im kleinen. Es w?re einleuchtend, dass solcher Winter jedesmal k?me, wenn wir der Sonne ferner, Sommer, wenn wir ihr n?her sind. So einfach stehen aber wiederum bekanntlich die Dinge nicht. Sommer und Winter liegen f?r uns zun?chst daran, dass die Erde aus einem an sich r?tselhaften Grunde schief auf ihrer Bahn steht. Infolgedessen bietet sie der Sonne w?hrend ihres Umlaufs nicht immer freie Front dar, sondern gleichsam zwei schr?ge Katzbuckel, von denen immer nur der eine die halbe Bahn lang ?berhaupt gutes Licht und gute W?rme aufgebrannt bekommt und dann wieder der andere. Wie unabh?ngig f?r sich diese Sache l?uft, zeigt am besten, dass wir auf dem Nordbuckel grade sommerlich gut stehen, wenn wir im ganzen der Sonne am fernsten sind, -- zugekehrt ist hier eben weit wichtiger als nahe. Ganz belanglos sind aber doch auch fern und nahe wieder nicht. Nahe gibt ein klein wenig W?rme darauf. Dazu bummelt nach festem Weltgesetz die Erde fern etwas mehr als nahe, und folglich hat der Buckel, der fern Sommer und nahe Winter hat, etwas w?rmere Winter und l?ngere Sommer. Gegenw?rtig geniesst diesen Vorteil unsere Nordhalbkugel. Aber auch dahinein mischt sich noch etwas Eigent?mliches, das jetzt nicht mit dem gew?hnlichen Jahr ersch?pft ist. In einem Zyklus von zwanzig und einigen tausend Jahren zieht die Sonnen- und Mondschwere den vorgeschwollenen Dickbauch der Erde so herum, dass der Buckel, der soundso lange Fernzukehr hatte, auf gleiche Dauer Nahzukehr bekommt und umgekehrt. Es ist wie ein himmlischer Ausgleich, dass nicht einer immer bloss den Vorteil haben soll. Hat ihn heute der Norden, so wird ihn in den n?chsten paartausend Jahren an der grossen Weltenuhr der S?den bekommen. Pr?zession nennt man den Wechsel; im einzelnen spielt noch mehreres an Astronomischem mit hinein, das uns aber hier nicht weiter zu k?mmern braucht.

Es war nun im Jahre 1842, dass in Frankreich ein Buch erschien, von einem Pariser Mathematiklehrer, sonst nur durch brauchbare Lehrb?cher bekannt, Alphonse Joseph Adh?mar, das nicht nur eines der fr?hesten, sondern auch merkw?rdigsten der ganzen Eiszeittheorie sein sollte. Noch heute liest es sich wie ein spannender Roman Jules Vernes, und fast bedauert man, dass seine handfesteste Folgerung zur gelegentlichen kosmischen Aufr?ttelung der Menschheit nicht wahr ist. In diesem Buche wurden zum erstenmal die Pr?zessionstatsachen f?r die wirkliche Eiszeit verwertet, -- mit einer kleinen Hexerei, die noch eine ganze Pandorab?chse auf die Menschheit sch?ttete. Jede der Pr?zessionsperioden belegte abwechselnd einmal die Nord- und einmal die S?dhalbkugel mit l?ngeren und h?rteren Wintern. Darin h?ufte sich einmal hier, einmal dort st?rker das Polareis, -- wie das, nebenbei bemerkt, ein preussischer Offizier, Rohde, schon zu Anfang des Jahrhunderts einmal klar entwickelt hatte. Diese H?ufung aber, lehrt unser Pariser Mathematikus, bedeutet jedesmal f?r die betreffende Halbkugel eine Eiszeit. Als der Zyklus uns zum letztenmal traf, r?ckten unsere Nordgletscher entsprechend vor. Seit Jahrtausenden sind wir jetzt wieder w?rmer, daf?r liegt gegenw?rtig der S?dpol unter kolossaler Eisglocke. Seit fernen Urweltstagen ist das so, und ewig wird es so sein. Mit dem n?chsten halben Stundenschlage der Pr?zession werden auch wir abermals nordische Eiszeit erleben. Aber die Sache hat noch eine Klausel, und hier wird die Prophezeiung hochdramatisch. Jeder Pol, der das st?rkere Eis hat, ?ndert damit den Schwerpunkt der Erde. Die Wasser str?men zu ihm hin: deshalb liegt heute das grosse S?deis inmitten uferlos blauenden Ozeans, w?hrend im Norden weites Land ragt. Kommt die Eiszeit neu zu uns, so wird sich's umlagern, das S?dmeer neu zu uns heraufstreben. Aber allemal der letzte Akt solcher Neuverlagerung geht durch furchtbare Gewalt. Da birst erw?rmt der letzte Eisblock in seinen Wassern, blitzschnell springt das Schwerezentrum ganz ?ber, und in grausiger Katastrophe st?rzen die Wasser ihm nach. Beim letzten nordischen Einbruch wurden so Elefanten bis ins sibirische Eis verschwemmt. Der letzte S?deinbruch aber war wohl die Noachische Sintflut. Heute r?ckt das Zeigerlein der Wage schon leise wieder nach Norden zur?ck. In 6300 Jahren ist der grosse antarktische Eisbruch mit neuer Sturzflut zu erwarten, -- Menschheit, bereite dich, anstatt inneren Streit zu f?hren, baue Archen und Luftschiffe oder schlage deine Wohnung bei den Gemsen des Gebirgs auf!

Das kleine Buch wirkt, wie gesagt, noch heute bezaubernd, keines hat seinerzeit so durchgeschlagen, schien so einfach, l?ste so bis auf die Ziffern exakt. Schade nur, dass es dem n?chternen Urteil um so weniger standh?lt. F?r unsere wahren geologischen Zeitr?ume erscheint der Pr?zessionszyklus unendlich viel zu winzig. Liesse er sich vielleicht noch in die diluvialen Interglazialzeiten hineindenken: mit wieviel Eiszeiten m?sste er uns begl?ckt haben bis zur wirklichen Permeiszeit! Aber Adh?mars Beweisf?hrung ist schon in sich hinf?llig. Auch das dickste Polareis w?rde den Schwerpunkt der Erde schwerlich ?ndern k?nnen. Ganz unm?glich aber erscheint der geringe Winterunterschied bereits als Ursache einer einseitigen Eiszeit.

Und doch hat die Bewegung nicht ruhen wollen, als m?sse sich irgendwie hier noch einmal etwas Verbessertes ankn?pfen lassen. Etwas, das den Schwereroman und seine phantastischen Sintfluten fortliess, daf?r aber den zu kurzen Pr?zessionszyklus an einen gr?sseren schloss und die Vereisung innerhalb der Pr?zession besser begr?ndete. Der Schotte James Croll bezeichnet mit seinen h?chst verdienstvollen Arbeiten zur Eiszeit, die sich seit Mitte der 60er Jahre folgten, diese Stufe der Theorie. Croll ging davon aus, dass es bei der Erdbahn tats?chlich noch einen Zyklus gebe ausser der Pr?zession und ihren n?heren Anschl?ssen. Die Ellipsengestalt der Bahn selbst schwankt in grossen Zeitr?umen. Heute n?hert sie sich mehr der Kreisform, zu andern erdgeschichtlichen und k?nftigen Tagen muss sie dagegen noch st?rker von ihr abweichen, noch exzentrischer werden. Dieser Zyklus mag ?ber Jahrhunderttausende, ja Jahrmillionen reichen, und seine H?hezeiten und Mindestzeiten m?gen jede allein ganze Reihen des kleinen Pr?zessionswechsels umfassen. Alle jene guten oder schlechten Wirkungen der gew?hnlichen Lage m?ssen sich aber, lehrt Croll, in solchen extremen Zeiten entsprechend extrem vermehren: sehr kalte und endlos lange Winter z. B. f?r die im Pr?zessionszyklus jeweilig schlecht gestellten Erdseiten, kurze und warme f?r die guten. Und hier erst sieht unser diesmal sehr besonnener, selber gar nicht ausschweifender Urteiler die wahre Ursache auch von Eiszeiten. Sie treten nur in riesigen Zwischenr?umen ein, wenn n?mlich die Abschweifung der Erde von der Sonne im H?chstmass steht, und zwar treffen sie dann je in halben Pr?zessionszyklen eine Reihe von Malen rasch hintereinander jede Erdhalbkugel. ?ber den Gegensatz der beiden Halbkugeln in der kritischen Zeit glaubte Croll dabei noch manches Anregende aussagen zu k?nnen, wobei ihn seine reiche Begabung als Klimakenner trug. Gegen die harten Winter der ung?nstigen Halbkugel kamen ihre kurzen Sommer nicht auf. Grosse Schneemassen blieben dort liegen. Die verschlechterten dann selber wieder weiter das Klima. Die Passatwinde ?nderten sich, die warmen Str?mungen flossen nicht mehr nach der kalten Seite ab; auch der Gedanke an solche Meeresstr?mungen sollte fortan ein Leitgedanke der verschiedensten Eiszeittheorien bleiben. Umgekehrt vereinigte sich dr?ben alles Gute: w?hrend etwa die Nordh?lfte unter Eiszeit schmachtete, bl?hte die andere in paradiesischer Pracht.

Zweifellos: Croll hatte mindestens zwei Klippen mit Gl?ck umschifft, an denen Adh?mar gescheitert. Und bis heute folgen ihm angesehene Geologen und Astronomen nach. Andererseits musste sich aber auch zu ihm die Kritik geltend machen. Sie bestritt die Einzelheiten jenes allzu hell gemalten Gegenparadieses, schliesslich war das aber ja nicht die Hauptsache. Doch sie bestritt auch selbst bei gr?sster Exzentrizit?t immer noch die N?tigung der Eiszeit dr?ben. Hann, einer unserer besten deutschen Klimaforscher, meint, auch ein viermal st?rker als heute gedachter Gegensatz der Hemisph?ren k?nne doch noch nicht hier das Paradies und dort die Eiszeit heranzaubern. Neumayr, der geniale Wiener Geolog, hat auch die sehr grossen Ziffern des Exzentrizit?tszyklus noch immer nicht f?r erdgeschichtlich brauchbar erkl?rt. Falle das letzte H?chstmass vielleicht wirklich mit der diluvialen Eiszeit zusammen, so folgten sich die vorn?chsten Maxima in Abst?nden von dreiviertel und zweieinhalb Millionen Jahren, und das bliebe noch in der Terti?rzeit, die doch keinerlei Eisspuren zeigt. Und alle, die an >>Bipolarit?t<< der Eiszeiten glaubten, haben beklagt, dass bei Croll so wenig wie bei dem alten Adh?mar jemals Nordeiszeit und S?deiszeit zusammentreffen k?nnten. Auch jetzt blieb also noch als Aufgabe: vielleicht die Rechnung weiter zu bessern, mit irgendeiner Hilfserkl?rung die K?lte abermals zu mehren und die Bipolarit?t doch irgendwie als M?glichkeit zu retten.

In der Geschichte der Forschung kehrt ein bedeutsamer Augenblick ?fter wieder. Man hat sich lange um Beantwortung einer Frage bem?ht. Immer neue Versuche sind gemacht, die Tatsachen ihr anzupassen, die Deutung zu verfeinern, aber die Sache verwickelt sich. Da legt pl?tzlich einer die Stirn in die Hand und sagt: Halt, ist nicht in der ganzen Fragestellung noch ein Fehler? So war's, als das ptolem?ische Weltsystem in immer kniffeligere Rechnungen f?hrte und Kopernikus einfach umdrehte und die Sonne in die Mitte setzte. So, als Kolumbus durchaus in sein Mittelamerika hatte Japan und die Sundainseln hineinsehen wollen und die folgenden fragten, ob hier nicht ein ganz neuer Erdteil entdeckt sein k?nnte? Auch die Theorie der Eiszeit sollte noch einmal solche Damaskusstunde erleben, wo es schien, als sei ihr Problem falsch, und es ist nicht ihr wenigst lehrreiches Kapitel, das hier einsetzt.

Wir sind aus astronomischen Sonnenweiten immer mehr auf die Erde selbst als Himmelsk?rper herabgestiegen. Schon bei jenem merkw?rdigen Drehzyklus der sogenannten Pr?zession entschied ja nicht mehr so sehr die eigentliche Bahn um die Sonne, als eine gewisse Richtungsumschaltung an unserer eigenen irdischen Achse. In soundso viel tausend Jahren schaukelte die schiefe Erde sich immer einmal wieder grade so herum, dass ihre Achse genau entgegengesetzt schief zur Sonne und den Sternen zu stehen kam, als zuvor. Dabei pflegt allerdings ein, ich m?chte fast sagen, hergebrachtes Missverst?ndnis mitunterzulaufen, dem fast jeder unterliegt, der sich diesen schwierigen astronomischen Dingen zum erstenmal hingibt. Es wird n?mlich angenommen, bei jenem Kreiselspiel der Jahrtausende, das unsere Erde da herumtrundelt wie einen wahren himmlischen Brummkreisel, ver?ndere sich auch die Schiefe ihrer Achse als solche mit: wir st?nden also mal noch schiefer und mal wieder aufrechter dabei. Das ist indessen keineswegs der Fall: die Drehachse unseres dicken Brummkreisels weist nur entsprechend nach und nach auf immer andere Sterne da draussen hin: ist's heute der danach benannte Polarstern im Kleinen B?ren, so dereinst einmal die herrliche Wega. Und an diesem schon in geschichtlicher Zeit merkbaren Fortzittern am Himmel hat man den ganzen Sachverhalt ?berhaupt herausbekommen. Die Schiefe der Achse selber aber bleibt davon genau so unber?hrt wie die einer auch von Natur zuf?llig schiefen Wetterfahne, die ein Wirbelwind einmal ganz um sich selbst herumtreibt, so dass ihre Spitze jetzt dahin und jetzt entgegengesetzt deuten muss, ohne dass er sie doch dabei an sich schiefer oder grader r?cken k?nnte. Eben dieses Missverst?ndnis f?hrt aber, richtig geleitet, doch auch wieder auf einen tats?chlichen Sachverhalt.

Nicht wegen der Pr?zession, aber aus eigenem Grunde schwankt n?mlich auf einige Jahrzehntausende hin ein klein wenig wirklich auch die Achsenschiefe. Im planetarischen Balancespiel zittert gleichsam auch der Plan, in dem die Erde l?uft, etwas gegen ihre Achse. Kippt diese schiefe Achse heute um rund dreiundzwanzigeinhalb Grad von der senkrechten Lage ?ber, so m?gen es zu andern Tagen gegen f?nfundzwanzig und wieder zu andern nur etwas unter zweiundzwanzig sein. Das ist gewiss nicht viel, und doch haben sich auch hier gelegentlich Eiszeittheorien eingehakt, wenn auch ohne besonderen Erfolg. An der Achsenschiefe h?ngen, wie gesagt, unsere Jahreszeiten und damit gewiss tiefste Grundlagen unserer gesamten klimatischen Ordnung. Wenn die Pr?zession hier nur gleichsam die Reihenfolge vertauschte, so r?ttelte eine wirklich geradere oder schiefere Achse am Bestande selbst. Andererseits ist jener sicher errechnete Betrag aber tats?chlich so gering, dass er auch nur verschwindend winzig wirken kann. Jenes kleine Mehr an Schiefe, nach Jahrtausenden immer einmal wiederkehrend, w?rde vielleicht den Unterschied der extremen Jahreszeiten etwas versch?rfen, den Pol um ein ganz Geringes st?rker erw?rmen k?nnen. Und umgekehrt. Wobei ?ber die Einzelheiten sogar noch starke Meinungsverschiedenheit besteht. Dass das aber auf keinen Fall schon W?rmezeiten oder Eiszeiten erzeugen kann, zeigt wieder die K?rze der Periode, die beispielsweise die wirkliche warme Terti?rzeit mit Dutzenden von Eiszeiten h?tte durchsetzen und noch in die historische ?berlieferung h?tte hineinwirken m?ssen. Es k?nnte sich also im besten Falle auch nur um eine kleine Hilfshypothese handeln, die als solche denn auch bisweilen ernst genommen worden ist. Man k?nnte sie zur Not bei den W?rmeeinlagen der Interglazialzeiten mitspielen lassen, und Hann hat mit einem Schiefenmaximum vor zehntausend Jahren noch eine Kleinigkeit wie das damalige weitere Vordringen der Haselnuss in Skandinavien in Verbindung setzen wollen.

Emerson und Theodor Arldt, der hochverdiente Geograph der geologischen Vergangenheit, haben in der Tat angenommen, dass wir einst jupiterhaft aufrecht ragten. In der mythischen Urperiode vor Entstehung der Lebewesen und wohl selbst der Meere soll es gewesen sein, wie ja Jupiter selber heute noch in einem sonnenhafteren Urstande zu verharren scheint. Und erst bei dem weiteren Erkaltungs- und Zusammenziehungsvorgang der Erdkruste, der in einer eigent?mlich ungleichm?ssigen Richtung erfolgt sein soll, sei auch die Drehachse durch einseitige Verlagerung schief her?bergezogen worden. Auf die Einzelheiten dieses geistreichen Gedankens braucht hier nicht eingegangen zu werden, da an sich diese Theorie unsere Eiszeitfrage gar nicht ber?hrt. Denn wenn die Aufrechtlage wie die Schiefstellung ganz noch in die, wie ich mich ausdr?ckte, mythische Urzeit vor Beginn allen Lebens fallen, so k?nnen sie auch unsere permischen oder terti?ren oder diluvialen W?rme- und K?lteverh?ltnisse nicht mehr beeinflusst haben. Und h?chstens k?nnte man einen Augenblick fragen, ob nicht der Theorie zum Trotz solche Jupiterst?nde und vielleicht gr?sseren Schiefen auch sp?ter noch wirklich hineingespielt haben? Selbst wenn man das Ungeheure zug?be, dass die Achse noch bis zum Ausgang der Diluvialzeit Riesenspr?nge von Ganzgrade zu uranushafter Entgleisung gemacht h?tte, kann ich doch nicht finden, dass man damit viel erkl?rte. Die beispiellosen ?quator- und Polargegens?tze oder tollen Jahreszeitwiderspr?che solcher ganz verkehrten Welt w?rden zweifellos auch das j?ngere geologische Klima noch weidlich um und um gekrempelt haben, doch in bizarrer Eigenart, die nun wieder mit dem Wirklichkeitsbilde nichts zu tun h?tte. Ganz durchgedacht hat ?brigens diese wilden Folgen, soviel ich sehe, bisher noch keiner, so dass sie immerhin auch noch zur wohlwollenden Diskussion st?nden.

In der Arldtschen Theorie ist nat?rlich diese Folgerung selbst noch nicht gezogen. Grade seine Art der Polwanderung durch Schiefenverlagerung der Drehachse h?lt er ja nur in der fernen Urzeit f?r m?glich, w?hrend in den eigentlichen geologischen Epochen der Folge solche gigantische Zerrung, die die ganze Rotationsachse mitzog, viel zu umst?rzlerisch gewesen w?re und sich in anders sichtbaren Spuren h?tte eingraben m?ssen. Gleichwohl ist die ganze Logik bereits darin, und entsprechend war diese auch schon vor ihm in mehreren andern scharfen K?pfen unabh?ngig aufgetaucht, sobald auch sie irgendwie an das Achsenproblem ger?hrt hatten.

Was den vielgenannten Wiener Geologen aber nun am entschiedensten anzog, war auch ihm die Frage: wie solche Polverschiebung in solcher immer noch verh?ltnism?ssig sp?ten Zeit urs?chlich zu denken sei und ob sie zu denken sei? Ab sah er f?r sein Teil wohl unzweideutig von einer wirklichen Schiefen?nderung der Drehachse im Sinne Emerson-Arldt. Wenigstens erw?hnt er mit keinem Wort deren besondere tolle Jahreszeiten- und Zonenfolgen im Spiel. Daf?r aber st?tzt er sich auf theoretische Gedankeng?nge des ber?hmten Mail?nder Astronomen Schiaparelli und praktisch ganz besonders auf etwas, womit nun in der Tat hier noch einmal ein zweites und engeres Kapitel beginnt. Wir m?ssen dazu noch einen Augenblick auch astronomisch ausholen.

Im Jahr 1901 erschien in dem 27. Jahresbericht des Vereins f?r Erdkunde zu Dresden eine kleine Abhandlung des Dresdener Ingenieurs Paul Reibisch ?ber ein neues >>Gestaltungsprinzip der Erde<<. Es handelte sich nur um ein paar Seiten, aber mit reichem Inhalt.

Der Verfasser geht zun?chst ohne jeden Bezug zu Eiszeit und Klimafragen von der einfachen Tatsache der Verschiebung von Wasser und Land auf der Erde aus. Die Tatsache ist eigentlich der Anreger aller Geologie gewesen, wie sie schon vorher die Sintflutsagen beherrscht hat. Kein Zweifel, dass in den geologischen Epochen der Vergangenheit sich vielf?ltig an Stelle heutigen Landes Ozean gebreitet hat und umgekehrt. In neuerer Zeit haben verdiente Forscher das aber in richtigen geologischen Karten festgelegt, die den Unterschied f?r bestimmte ?ltere Zeiten ziemlich ?bersehen lassen. Indem Reibisch solche Karten f?r Europa in der Jura- und Kreidezeit betrachtet, scheint sich ihm nun ein Gedanke aufzudr?ngen.

Das Europa der Jurazeit erscheint ihm wie hineingeschoben in einen gr?sseren Wasserberg. Seine Niederungen sind ?berschwemmt, nur die heutigen Erhebungen ragen als Inselarchipel vor. Auf der Karte der sp?teren Kreidezeit ist es dann, als beginne umgekehrt das Land sich aus einem etwas flacher werdenden Meer herauszuschieben. Wobei es in beiden F?llen viel weniger nach einem gewaltsamen neuen Empordr?ngeln des Landes selbst aussieht, als wirklich einem einfachen Eintauchen und Wiederauftauchen in voller Breite. Ganz ?hnliche Sachlagen aber scheinen sich auch heute noch in gewissen Gebieten der Erde abzuspielen. So scheinen in der s?dlichen H?lfte des Stillen Ozeans jenseits des ?quators die zahllosen polynesischen Inseln immer noch tiefer in die Wassermasse hineingepresst zu werden; Darwin hat bekanntlich seine ganze ber?hmte Korallentheorie darauf begr?ndet, dass die Korallentiere st?ndig h?her bauen m?ssten, weil ihre K?sten immer tiefer ins Wasser schnitten. Umgekehrt in der Nordh?lfte dieses Stillen Ozeans arbeitet sich ebenso ersichtlich das Land seit Jahrhunderten aus den abflauenden Fluten heraus. Da die Wassermenge des Weltmeers als solche wohl unver?nderlich ist, fragt sich, was f?r ein geheimes Gesetz hier walten k?nnte, das seit alters bald Wasserberge vor L?ndern staut, bald diese L?nder wie ragende Schiffe aus den verflachten Wassern f?hrt. Vorausgesetzt immer, dass die Dinge wesentlich am Wasserstande liegen.

Dieses Gesetz w?rden aber nach Reibisch jetzt sehr gut jene Bewegungen der L?nder und Meere ?ber den Pol, geologisch und heute noch fortwirkend gedacht, geben k?nnen. Nehmen wir an, die kleinen Polh?henschwankungen haben wirklich noch eine solche grosse Steigerung hinter sich. Der Pol wahrt seine Stellung zum Himmel, die Achse ihre gewohnte Schiefe; aber ?ber den Fleck des Pols zieht immer neuer Boden. Dann muss noch eine Erscheinung in Kraft treten, die wir bisher nicht beachtet haben. Am Pol ist infolge der Zentrifugalkraft die Erde bekanntlich abgeplattet, am ?quator vorgeschwollen. Land wie Meer haben sich urspr?nglich darauf eingestellt. Wenn aber jetzt neue L?nder und Meere ?ber den Pol oder auch den ?quator r?cken, so wird ein gewisser Konflikt unvermeidlich. Das bewegliche Wasser wird sich zwar sogleich neu nach der Zentrifugalkraft ordnen, am Pol flach auseinandergehen, auf dem ?quator einen dicken Wulst bilden. Das Land aber wird zun?chst nicht so rasch nachkommen k?nnen. Auf sehr lange Dauer w?rde es sich ja wohl ebenfalls einigermassen plastisch erweisen. Ich will dabei erw?hnen, dass nach guten englischen Berechnungen zuletzt sogar eine solide Eisenkugel von Erdgr?sse sich durch innerste Verschiebungen abplatten m?sste, und Schiaparelli wollte Polverschiebungen ?berhaupt nur bei einer im ganzen irgendwie plastischen Erde zugestehen. Aber zun?chst wird ein Gegensatz bleiben, und er wird sich darin ?ussern, dass sich das noch nicht abgeplattete Land gegen den Pol zu aus den schon wieder abgeflachten Wassern h?her heraushebt, w?hrend es umgekehrt gegen den ?quator in den Wasserwulst eintauchen muss. Sogleich erscheinen uns jene Bilder wieder: der S?dteil des Stillen Ozeans geht offenbar heute ?quatorw?rts und ers?uft entsprechend sein Land, -- der Nordteil aber wandert zum Pol und entl?sst deshalb seine Feste aus sich. Europa auf jenen Karten aber verfolgen wir bei einer alten Doppelwanderung: im Jura lag es offenbar stark ?quatorw?rts eingetaucht, in der letzten Kreide dagegen hatte es Richtung gewechselt und stieg polw?rts heraus. Wenn wir heute das antipodische S?dseegebiet zum Pol r?cken sehen, so werden wir sogar vermuten, dass wir jetzt erneut auf der Tauchfahrt nach S?den begriffen sind.

Eben daran aber wird f?r Reibisch noch eine interessante Wahrscheinlichkeit hell. Dieses periodische Auf- und Abpendeln ein und desselben Erdteils mit seinen K?sten herauf und herunter im Laufe schon von ein paar geologischen Zeitaltern scheint darauf zu deuten, dass die ganze Wanderbewegung ?ber den Pol keine unbegrenzte Drehung ist, sondern selber ein bestimmtes Hin- und Herpendeln in nicht allzulangen Ausschl?gen darstellt. Die L?nder und Meere, die jetzt in bestimmter Richtung ?ber den Pol dr?ngen, machen nach gewissem Zeitraum wieder kehrt und dr?ngen zur?ck. So ist Europa seit der Jurazeit einmal ganz heraufgegangen und bereits wieder umgekehrt. Wenn es dereinst abermals kurswechselt, so wird auch dr?ben der Stille Ozean seine Richtung umdrehen. Diese Pendelausschl?ge der Karte zeigen aber nur, was die Erde im ganzen macht. Auch sie beschreibt eine Pendelbewegung zu ihrer Drehachse, als w?rde sie ausser ihrer regelm?ssigen und raschen Tagesdrehung noch von einer d?monischen Macht zwischen zwei Fingern gehalten und langsam ein St?ck ?ber die Pole vor- und zur?ckgedreht. Man kann sich die Sache leicht an einem kleinen Globus vormachen, den man im ?quator mit einer Nadel durchsticht und schwingen l?sst. Wenn Europa dabei grade auf dem gr?ssten Schwingungskreise laufen soll, so muss der eine Schwingpol ungef?hr auf Ekuador in S?damerika und der andere auf der Insel Sumatra liegen, und mit diesem Bilde hat man tats?chlich den Kern der ganzen seither so vielbesagten >>Pendulationstheorie<< erfasst. Der Rest sind bei Reibisch nur einfache Folgerungen, darunter allerdings eine jetzt noch f?r uns entscheidend wichtige.

Wenn die Pendulation schon durch die ganze Geologie heraufkommt, so muss der Schwingungskreis ?ber Europa seinen L?ndern am meisten Abenteuer gebracht haben, denn hier ging's zwischen ?quator und Pol immerzu auf und ab. Die konservativsten Ecken dagegen m?ssen die Schwingpole selbst gewesen sein. W?hrend dort die Fortentwicklung des Lebens bl?hte, haben sich hier noch altert?mliche Tiertypen bis heute lebend erhalten, wie der uralte Molukkenkrebs und der vom Mittelterti?r an unver?nderte Tapir. Hier muss ewiges Tropenparadies gebl?ht haben. Indem diese Klimafrage ber?hrt wird, r?hrt aber auch Reibisch unvermeidlich an die Eiszeit selbst. Europa auf seinen Pendelfahrten erlebte nicht nur Wasser- und Landabenteuer, sondern notgedrungen auch klimatische. Es ist wichtig, dass die Pendulation bei Reibisch nicht erfunden wird, bloss um diese Klimadinge zu erkl?ren, desto glatter aber scheinen sie sich ihr zun?chst einzuf?gen.

Der Rest der Abhandlung dient im letzteren Punkt dann noch einigen vorsorgenden Beschr?nkungen zur Abwehr allzu leichter Einw?rfe. Wirkliche Hebungen und Senkungen auch des Erdbodens selbst aus inneren pressenden oder eruptiven Gr?nden m?ssen nat?rlich das allgemeine Bild im einzelnen stets durchkreuzt und verschoben haben, auch ist das wandelnde Festland, wie gesagt, nicht unbedingt unnachgiebig. Die erlahmende Zentrifugalkraft bei zum Pol r?ckenden Landmassen und Seeb?den wird die Tragf?higkeit der Oberfl?che entspannen und Einbr?che beg?nstigen. So ist das n?rdliche Eismeerbecken ein solcher junger Einbruch, der dann f?r sein Teil wieder durch Seitendruck heute noch Spitzbergen und Skandinavien hebt in scheinbarem Widerspruch zu ihrer doch jetzt schon wieder ?quatorialen Pendulation. Diese ?rtlichen Schwankungen m?ssen eben stets von dem grossen >>Gestaltungsprinzip<< in Abzug gebracht werden, wenn die Sache richtig stimmen soll. Geschickt, wie das alles gruppiert ist, ?bt es eine gl?nzende Wirkung aus.

Erst 1905 und 1907 liess Reibisch dieser gehaltvollen ersten Mitteilung noch zwei weitere kurze Abhandlungen am gleichen Ort folgen, mit denen einstweilen seine Arbeit zur Sache abschloss. Die zweite Studie verfolgt weiter jenes Verhalten des Landes bei polarer und ?quatorialer Pendulation mit ihrem Einfluss auf Gebirgsfaltung, Erdbeben, Spalten- und Karstbildung, -- w?hrend die dritte noch einmal der Eiszeit im besonderen gewidmet ist. Grade vor dieser >>Eiszeit<< werden wir jetzt aber in die Schwierigkeiten auch dieser Theorie eingef?hrt. So verbl?ffend diesmal alles zu klappen schien, hatte sich doch schon bei der ersten Behandlung ein Widerspruch gezeigt, auf den jetzt noch einmal genauer eingegangen wird.

Inzwischen war der Lehre aber ein begeisterter Prophet erstanden in dem Leipziger Zoologieprofessor Heinrich Simroth, der ihr 1907 ein eigenes umfangreiches Werk widmete. Simroth erweitert zun?chst die schlichten geologischen Schl?sse Reibischs in einer f?r sich geistreichen, wenn auch, wie mir scheinen will, nicht immer gl?cklichen Weise, spielt aber dann die Hauptsache auf das Gebiet der Tierkunde und allgemeinen Entwicklungslehre ?ber. Das uns bekannte Leben begann nach ihm einst in den Tropen. Es breitete sich zun?chst also im ganzen Tropeng?rtel aus. Dann entf?hrte aber die einsetzende Pendulation einzelne Arten mit ihrem Boden polw?rts. Ein Teil ging im Kampf mit dem neuen Zonenklima ein, andere bogen wieder seitw?rts aus, ein gewisser Stamm aber fand grade so die Anregung zu lebhafter Neuanpassung und Fortentwicklung. Der entschiedenste Schauplatz war dabei der meistbewegte Schwingungskreis, der ?ber Afrika, Europa und den Stillen Ozean ging. Im Engeren blieb doch noch wieder das kleine Europa mit seinem reichen Wasser- und Landwechsel dem starren Block Afrika wie dem reinen S?dseewasser ?ber, -- Europa ist, wie sp?ter die Hochburg der Kultur, so bereits seit Urtagen f?r Simroth das vorbestimmte Land aller Entwicklung gewesen. Wobei die polaren Pendulationen besonders stark empor gesteigert zu haben scheinen, w?hrend die ?quatorialen mehr in die Breite ?ppigen und abenteuerlichen Formen- und Gr?ssenspiels f?hrten; man ahnt, dass im polaren Wege der Mensch entstanden sei, w?hrend auf ?quatorialem die grotesken Riesensaurier lagen. Auch dieser Gedankenflug, dem Simroth den ganzen Schmuck seiner reichen Kenntnis und Phantasie verliehen, hat unverkennbar Verlockendes. Sicher bew?hrt, w?rde er nicht nur die Entwicklungslehre ?berraschend f?rdern, sondern auch der Pendulation eine grosse Hilfe sein. Aber diese Pendulation steht und f?llt nicht mit ihm, und wir k?nnen die neue grosse Fachfehde der Zoologen und Botaniker, die sich unabh?ngig nun wieder daran gekn?pft, hier ruhig als von unserm eigentlichen Thema zu weit fortf?hrend auf sich beruhen lassen. Wesentlich sind dagegen noch ein paar Ideen Simroths zur Pendulation selbst.

Die einzelnen Schwingungsausschl?ge verteilt er genau auf unsere bekannten Epochen der Erdgeschichte. Im Altertum des Erdlebens sollen wir polar gependelt sein, im Mittelalter ?quatorial, im Terti?r wieder polar, und heute soll's, wie gesagt, abermals ?quatorial gehen. Nun waren aber diese Weltalter ganz ungeheuerlich an L?nge verschieden: das ?lteste endlos gegen das mittelste, dieses mittlere aber wieder riesenlang zum Terti?r. Die Pendulationen, wenn sie sich dort deckten, m?ssten also in Wahrheit auch nicht regelm?ssig, sondern ganz verschieden, einst langsamer und nachher immer schneller erfolgt sein. Das aber bringt auf die Frage, was ?berhaupt zur Pendulation gef?hrt haben k?nnte, und hier hat Simroth nun einen ganz k?hnen Einfall gehabt. Die Pendulation sollte auf einem uralten Stoss beruhen, den die Erde erhalten.

In einer der stets h?chst witzigen und anregenden, wenn auch stofflich heute ?fter veralteten Geschichten Jules Vernes kommt ein zweiter Mond der Erde vor. Mondfahrer, die in einem hohlen Projektil aus einer riesigen Kanone geschossen sind, werden von ihm aus der Richtung gelenkt. Jules Verne mit seinem Geschick des ?berall Herumst?berns st?tzte sich dabei auf eine halb vergessene und wissenschaftlich nicht durchgedrungene Rechnung eines franz?sischen Physikers, der aus Mondst?rungen wirklich auf das Dasein eines wegen Winzigkeit bisher unbeobachteten zweiten Erdm?ndchens geschlossen hatte. Solches M?ndchen sollte nach Simroth nun in Urtagen gar auf die Erde heruntergest?rzt sein und in die damals noch d?nne Kruste den Block eingeschlagen haben, der nachmals Afrika bildete. Ganz neu war auch diese Idee nicht, wie ich denn vor mindestens 30 Jahren schon einmal gelesen habe, Australien sei von einem Kometen abgesetzt worden. Jetzt bei diesem Stoss Simroths sei aber nicht nur ?berhaupt die Erde erst schief gestellt worden, sondern es schwankten seitdem auch ihre Achsen in der Weise gegeneinander, wie es die Pendulation ungef?hr voraussetzt. Die Sache ist in Simroths Buch etwas reichlich unklar ausgedr?ckt, und Theodor Arldt hat sie in der Folge einer, wie man wohl sagen darf, vernichtenden physikalischen Kritik unterzogen. Das Nachzittern eines solchen Stosses ?ber hundert und mehr Millionen Jahre fort bei ganz unfassbar langsamen Anfangsausschl?gen hat ja f?r das erste Nachdenken schon etwas B?ngliches. Arldt zeigt aber, dass er nur die Erdbahn, Erdschiefe und t?gliche Erddrehung h?tte ?ndern, im ?brigen aber pr?zessionsartige Gesamtschwankungen ausl?sen k?nnen, die mit Pendulation nichts gemein haben. Vorausgesetzt, dass ein sich n?hernder Mond sich nicht ?berhaupt nach den vom j?ngern Darwin entwickelten Gesetzen in Spiralwindungen bewegt und l?ngst vorher in einen Meteoritenring aufgel?st h?tte; und ganz abgesehen von den ungeheuren Schmelzwirkungen einer solchen Stosskatastrophe. Simroth hat denn auch sp?ter selbst seiner kleinen Julesverniade eine etwas andere Wendung gegeben und bis zu seinem leider w?hrend des Kriegs erfolgten Tode einer magnetischen Hilfstheorie gehuldigt. Nachdem die Erde als kleiner Magnet durch einen Stoss verschoben war, sollte die Sonne als grosser Magnet wieder in parallele Lage zu bringen bestrebt sein, was sich in der Pendulation ?ussere. Wird man bei der ganzen Pendulation schon bisweilen an des alten Adh?mar Sintflutgem?lde mit seinen Schwerpunktverlegungen erinnert, so wirkt es an dieser Stelle erheiternd genug, dass eben bei Adh?mar gelegentlich auch bereits eine solche kosmische Magnetphantasie vorkommt: 1799 habe einer die Erde pendeln lassen, weil die Kometen ihren Magnetkern hin und her z?gen. Reibisch selbst hat seine Ansicht von den wirkenden Ursachen der Pendulation ?brigens bisher nicht ver?ffentlicht, und alles in allem wird man der urspr?nglichen Theorie wohl nur n?tzen, wenn man die Stossgeschichte wieder m?glichst von ihr fortdenkt.

Unterdessen war aber l?ngst noch wieder etwas Neues in die lehrreiche Debatte geraten. Arldt in jener kritischen Studie betonte, es g?be immerhin noch eine vage Stossm?glichkeit: wenn n?mlich die Erde nicht einheitlich gebaut w?re, sondern mit ihrer Rinde gegen den Kern verschoben werden k?nnte. Dann k?nnte ein ganz flacher Stoss die Rinde vielleicht ein St?ckchen weit ?ber den ruhig weiter drehenden Kern geschoben haben, und indem Ausgleichsspannungen sie wieder zur?ckz?gen, m?chte wenigstens einmal etwas Pendulationsartiges entstehen. Er selbst mass auch dem keine grosse Wahrscheinlichkeit bei, aber man konnte vom Stoss absehen und doch in der Rindenverschiebung an sich etwas Fesselndes finden.

Dem Leser, dem vielleicht schon die Pendulation selbst etwas zu viel war, mag ja vollends hier graueln: nun sollen ihm nicht bloss die Achsen wackeln, sondern gar die ganze Erde sozusagen in Fleisch und Bein zu zwei St?cken zerbrechen, die ?bereinander klappern wie in einer japanischen Vexierkugel. Die Grundlage der Geschichte ist indessen wieder weit weniger toll, als es ausschaut.

Auch der Pater Kreichgauer, der an Kant-Laplace keinen Anstoss nimmt und geologisch ?berall im Bilde ist, geht gleich unserm kosmischen Ingenieur Reibisch davon aus, dass die Drehachse selber sich nicht ge?ndert hat, wohl aber immer wieder andere L?nder und Meere Drehpole und ?quator ?berkrochen haben. Das aber konstruiert er jetzt ernstlich so, dass der Erdkern seine Drehung beh?lt, dagegen die Rinde auf ihm rutscht. Der Erdkern ist ihm fl?ssiges Eisen, da Druck die Metalle verfl?ssige. Darauf schwimmt die Rinde, unten nachgiebig und an ihren Spalten verschiebbar wie eine lose verbackene Eisschollenschicht. Sie in Bewegung zu setzen, bedarf's keiner Mondst?sse, sondern nur der eigenen Schubkraft, wie sie durch ungleiche Belastung, Faltenwurf und zentrifugale Zerrung immer wieder erzeugt wird. Dann aber legt sie weite Strecken zur?ck mit allem, was auf ihr ist, -- >>Waldung, sie schwankt heran, Felsen, sie lasten dran<<, wie es im >>Faust<< heisst. Und dem Pater entgeht nicht, dass auch so vermeintliche >>Eiszeiten<< entstehen m?ssten, wenn die treibende Bank andere Landschaften ?ber die kalten Drehpole f?hrt. Wobei er gewissenhaft verzeichnet, dass schon ein anderer vor ihm, der Jesuitenpater Kolberg, an solchen Rindenzug zur Erkl?rung gedacht habe, w?hrend ihn selbst doch die Pole weniger interessieren als der alte ?quator. Durch was f?r wechselnde Gegenden sich dieser ?quator in den Erdaltern gespannt, sucht er noch an den verklungenen Gebirgen abzulesen, die immer eine ?quatoriale Falte geliebt, oder aus den B?ndern roten Sandsteins, die, in der W?rme gebildet, heute noch uralte Gleicherzonen zu k?nden scheinen.

Da aber offenbart sich ihm nun vor seiner reisenden Schollendrift der Jahrmillionen keine auf und ab wippende Pendulation, sondern er meint, die ganze Rinde sei um und um getrieben, bis das Gebiet des alten Nordpols regelrecht zu dem des S?dpols geworden, also f?r den ?usseren Anblick die ganze Erdkarte sich auf den Kopf gestellt habe. Ich musste, als ich's las, an vertr?umte Stunden mit August Strindberg denken, der bekanntlich ab und zu in paradoxer Naturgeschichte dilettierte: wie er mir einmal begreiflich zu machen suchte, der Mond drehe sich langsam von Pol zu Pol. In der Vision des Paters Kreichgauer erschien das leibhaftig f?r unsere ungeheure Erde, die zwischen Vor-Kambrium und Diluvium ihre Pole vertauschte. Manches in den verschiedenen Pollagen, das der Pendulation Kopfzerbrechen macht, gibt sich so in der Tat noch anschaulicher. In mehrerem ist aber doch auch wieder merkw?rdig, wie der Pater unbewusst in Schritte lenkt, die auch der Ingenieur getan. Auch bei ihm schiebt sich die Rinde in ganz ?hnlichem Hauptkreis ?ber die Pole, von zwei Tropenstellen aus gedreht, die unmittelbar an Reibischs Schwingungspole erinnern, -- bloss dass er seine Schollen freier treiben und ausbiegen lassen kann, als in Reibischs starrem System m?glich w?re. Und die diluviale Eiszeit muss entsprechend auch er zeitlich zerst?ckeln, bis ihre nordamerikanischen Akte sich schon durch das ganze Terti?r ziehen. Hier aber war es nun wieder Simroth, der allen Ernstes eine nachtr?gliche Kombination aus Rindenrundfahrt und Pendulation selber versucht hat. In einem Nachtrag zu seinem Pendulationsbande meint er, auch die Pendulation k?nne schliesslich ganz gut als eine reine Rindenbewegung, wenn schon eine bloss pendelnde, gedeutet werden, unter der unbeschadet der metallene Erdkern seine alte Drehung bewahrte. Womit immerhin eine Br?cke gegeben war, auch diese Pendulation irgendwie in Kreichgauers Sinn auf rein irdische Ursachen ohne kosmischen Roman zur?ckzuf?hren.

Simroth hat an der gleichen Stelle aber noch eine interessante Anlehnung gesucht.

Bei unserem geologiebeflissenen Pater ist, wie gesagt, seine Krustenbewegung im einzelnen viel willk?rlicher: so l?sst er sie z.B. im Terti?r und Diluvium n?rdlich eine richtige Kurve beschreiben, die den Eispol wirklich abbiegend ?ber das arktische Amerika und rund um Gr?nland f?hrt. Da m?chte man fast fragen, ob nicht einzelne Krustenschollen hier gesondert herumgesteuert sein k?nnten. Auf diesem Gebiet ist aber nichts so paradox, dass es nicht auch einmal ernstlich verfochten werden sollte. Wenn nun ganze Erdteile sich geologisch von der Stelle bewegten, hin und her schw?mmen, zerbr?chen und in den St?cken voneinander abtrieben? Man braucht bloss an die Gebirgsfalten zu denken, um sich zu sagen, was f?r unheimliche Beweglichkeit jedem >>Festlande<< schon an sich innewohnt. Jede Falte muss soundso viel vorher flach gebreitetes Land zu sich herauf gestaut haben. Wieviel Ebene mag zusammenger?ckt sein, den ungeheuren Himalaja zu bilden, -- die wieder herausk?me, wenn man seine Falten zur?ckgl?tten k?nnte. Man sieht schon auf dem Wege die einzelnen L?nder geologisch vor- und zur?ckkriechen, wie ein Polyp seine Fangarme breitet und sich dann wieder zum Klumpen ballt. Aber das gliedert sich vielleicht nur in ein noch viel gr?sseres Bild.

Wem ist auf der Karte nicht einmal aufgefallen, dass Gr?nland wie ein an einem Spalt abger?cktes St?ck Nordamerika aussieht? Oder S?damerika, als sei es mit der Schere aus Westafrika herausgeschnitten? Die ganze Ostk?ste des Atlantischen Ozeans scheint sich auf der andern Seite gradezu fortzusetzen: Afrikas grosse Tafel in dem Tafellande S?damerikas, die Bruchzone unseres Mittelmeers in der mittelamerikanischen, Europas Ebenen in den Pr?rien, Skandinaviens Berge in den Bergen Gr?nlands. Alle neuere Geologie hat hier an versunkenes Zwischenland gedacht. Eine nordische und eine s?dliche Atlantis, die einmal untergegangen, w?hrend die Pfeiler h?ben und dr?ben stehen blieben. Aber der Boden des Atlantischen wie aller Ozeane scheint nicht so einfach bloss auf versunkenes Festland zu weisen. Schweremessungen deuten eine andersartige, schwerere Gesteinsmasse da unten an. Es ist, als sei eine tiefere Schicht der Erdrinde hier ?berall angeschlagen. Die Erdteile scheinen sie voneinanderr?ckend einfach freigegeben zu haben wie den Grund einer ungeheuren g?hnenden Spalte. Aber sie geht offenbar ganz in der Tiefe auch unter diesen Erdteilen selbst weiter. Im Meeresgrunde oberfl?chlich vernarbt, ist sie da drunten plastisch-fl?ssig. Aus ihr quillt angeschlagen die heissfl?ssige Lava. Die Erdteile aber, kolossale Brocken viel leichteren Gesteins, wurzeln in diesem Tiefenfluss. Sie h?ngen darin lose im Gleichgewicht wie riesige Eisberge im Meer.

Dazu aber muss man sich nun noch einmal eine gewisse Theorie der Erdrinde ?berhaupt machen. Nife, Sima und Sal kommen in Betracht. Die Worte klingen ja zun?chst wie aus der Mythologie der Edda. In Wahrheit hat sie unser gr?sster zeitgen?ssischer Geolog, Suess, zum eigensten praktischen Gebrauch geschaffen. Den Erdkern soll uns wieder eine Eisenkugel bilden, -- sagen wir nach der Natur der Meteorsteine, die zum Teil vielleicht Tr?mmer solcher anderen Weltk?rperkerne sind, aus Nickeleisen. Nickel mit Ferrum, d. i. Eisen, gibt abgek?rzt Nife. Auf diesem Nifegrund erst ruhe die Rinde. Aber diese Rinde besteht zun?chst selber wieder aus einer unteren schweren Schicht, in der Tiefe z?hfl?ssig. Das ist jene, die unter den Meeresb?den hergeht und in der die Erdteile stecken. Silizium und Magnesium m?gen sie wesentlich zusammensetzen, -- daher Sima. Urspr?nglich schwamm auf ihr einheitlich die oberste Decke, im Verh?ltnis zu dem schweren Fluss darunter schaumig leicht, etwa wie Eis oder Bimsstein. Silizium mit Aluminium als Hauptbestandteil, -- daher Sal. Aber diese Sal-Decke zerriss fr?h schon in lose Brocken: das sind unsere Kontinente. Wo sie, durch Faltung gek?rzt, sich trennten, Raum liessen, da bildete das vernarbte Sima die Ozeanb?den. Die Festl?nder selbst aber h?ngen als Sal-Tr?mmer noch mit den Sockeln schwebend eingetaucht im fl?ssigen Tiefensima. Warum sollen sie nicht gelegentlich noch bis heute auf ihm sich auch bewegen, fortschwimmen, abtreiben k?nnen? So noch in gar nicht ferner Zeit erst Amerika von Europa-Afrika fort und Gr?nland wirklich von Amerika. Angeblich sollen sich sogar kleine j?hrliche Betr?ge herausrechnen lassen, um die dieses Auseinanderr?cken gegenw?rtig noch andauert.

Wir aber m?gen hier wieder die Grenze sehen, wo f?r unsern Zweck auch diese Theorien ungef?hr abgeschritten sind. Man beherrscht die neue Fragestellung, merkt aber, wie auch sie noch nicht ohne weiteres l?st, sondern ein Heer neuer Vermutungen herauszaubern muss, die alle ihr Gl?ck, aber auch alle ihre Bedenken haben. Hinter den Pendulationen des Erdkolosses erscheint nach wie vor das Pendeln der Gedanken, hinter der sich drehenden Kruste und den schwimmenden Erdteilen das Schwimmen und Drehen vermeintlicher und echter Beweisst?cke. Gern aber, wie beim Kampf um den wirklichen Nord- oder S?dpol, folgt man den tapfern M?nnern, die, jeder in seiner Art, sich durch den Wust der Widerspr?che gek?mpft.

Hier ist zun?chst ein Kreis ganz >>zahmer<< Theorien entsprungen. Sie versteifen sich besonders auf jene besagten paar Grad K?lte mehr, die es zu dem ganzen Diluvialeis bloss gebraucht h?tte. Ob man diese lumpigen sechs Grad oder noch nicht einmal soviel nicht tats?chlich im Sinne Lyells aus einer ganz kleinen ?rtlichen ?nderung gegen heute erzielen k?nnte?

Wenn man eine Karte unserer gegenw?rtigen Meeresstr?mungen zur Hand nimmt, so gewahrt man im oberen Teil des Atlantischen Ozeans ein wunderbares System sich gegenseitig bek?mpfender Warm- und Kaltwasserleitungen. Die grossen tropischen ?quatorialstr?mungen, nach dem Erdgesetz der Passatwinde westlich gedr?ngt, stauen sich an den Antillen und in dem Mexikosack vor der mittelamerikanischen Landbr?cke und ergiessen ihre abgelenkten Heizwasser als w?rmenden Golfstrom hoch hinauf bis gegen die Westk?sten Nordeuropas. Umgekehrt str?mt es eisig kalt im Labradorstrom aus der Davisstrasse und an Ostgr?nland vorbei gegen Nordamerika zu. Heute ?berwiegt in dieser seltsamen Kanalisation, die den freien Ozean noch einmal wie mit ungeheuren Flussadern von besonderer Temperatur durchsetzt, f?r uns die w?rmere Leitung. Aber man braucht nicht die Pole zu verlegen und die ganze Erde hin- und herpendeln zu lassen, wenn man sieht, dass schon ganz geringe Landverschiebungen, wie sie jede Geologie annimmt, an diesem nat?rlichen Heizsystem gr?ndlich r?tteln k?nnten. Wenn die Landenge von Panama aufbr?che, st?rzten jene tropischen ?quatorialfluten in den Stillen Ozean ab und der ganze Golfstrom h?rte auf zu bestehen. In der ?lteren Terti?rzeit hat solches Tor fern da unten wirklich einmal bestanden, w?hrend es freilich im Diluvium selbst l?ngst verrammelt war. Aber bis in dieses Diluvium hinein ragte wohl noch eine mehr oder minder schmale Landbr?cke, die Europa von Schottland ?ber die F?r?er und Island an Gr?nland schloss. Auch dann muss der Golfstrom seinen Hauptberuf verfehlt haben, er konnte mit seinen Ausl?ufern nicht nach Norwegen durch, -- umgekehrt aber w?rde ein Teil der eisigen Gr?nlandwasser sich hinter jener Atlantisbr?cke sehr zu unsern Ungunsten gestaut haben. Erfolg musste sein, dass an die skandinavischen K?sten immer wachsendes Polareis trieb, bis sich die Gebirge dort, ins Mark erk?ltet, mit Gletschern bedeckten wie Gr?nland selbst.

Wenn man aber zugleich wieder an die nicht auszusagenden Schuttmengen denkt, die dieses Skandinavien ebenso wie unsere Alpen w?hrend der Diluvialzeit selber ausgestreut und also verloren hat, so wird man abermals auch ohne Pendulationstheorie denken m?ssen, dass die Gebirgsk?mme dort anfangs ?berall noch ein St?ck h?her gelegen haben, gekr?nt von dem festen Stein, der nachmals als zerbrochene Schuttflut ihren Flanken entrann. F?r Skandinavien ist auch immer wieder erwogen worden, ob es nicht eben durch die beispiellose Last von ?ber zwei Kilometern Eisdicke selbst erst gleichsam tiefer untergetaucht, also im Ganzen gesenkt worden sei. Auf jeden Fall muss aber diese h?here Lage ihrerseits zun?chst die >>Vergr?nlandung<< unterst?tzt haben. War aber einmal ein skandinavisches Gr?nland geschaffen, so musste das wieder die bedeutsamsten Folgen f?r ganz Europa haben.

Das wirkliche Gr?nland bricht heute gegen die unabsehbar offene See mit ihrer geheimen Warmwasserheizung ab. Vor dem skandinavischen Gr?nland lag dagegen schutzlos das ?brige Europa, in dessen Ebenen das Eis wie an einer schr?gen Rutschfl?che weithin einsinken konnte. ?ber dem wachsenden Eisfeld aber mussten sich bestimmte meteorologische, die auflagernde Luft und ihre Schichtung und Bewegung betreffende Verh?ltnisse geltend machen. Das Inlandeis musste eine kolossale Abk?hlung der Luft ?ber sich schaffen, die sich im Sommer wie Winter als eine dauernde >>Antizyklone<<, wie der Meteorolog das nennt , ?usserte. Die tauenden Winde wurden abgehalten, die ganze Luftdruck- und Luftstr?mungslage Europas gegen heute auf den Kopf gestellt, -- alles aber so, dass der Eiszustand sich selber tats?chlich immer neu regeln und weitererzeugen musste. Gleichzeitig erh?hten die verlagerten schwachen Luftdruckzonen im s?dlicheren Europa die Niederschl?ge, es gab Regenzeiten und auf den Gebirgen auch dort mehr Schnee und anwachsende Vergletscherung, wie sie die riesigen Mor?nen der diluvialen Alpengletscher noch jetzt so anschaulich vor Augen stellen.

Ich fasse auch hier wieder verschiedene Einzeltheorien in ein m?glichst einheitliches Bild zusammen. Im engeren findet man die Golfstromidee u. a. bei dem kenntnisreichen K?lner Astronomen Hermann J. Klein entwickelt, dessen Wetterwarte auf dem Dach der >>K?lnischen Zeitung<< mir pers?nlich noch zu den lebhaftesten Jugenderinnerungen geh?rt und dem man mit atemloser Spannung einst bei seinen wunderbaren Nachrichten von Ver?nderungen auf dem scheinbar grabesstarren Monde folgte. W?hrend die meteorologischen und sonstigen Folgerungen am klarsten von Geinitz, zweifellos einem der allerbesten Kenner unserer europ?ischen Eiszeitspuren, neuerdings auch zusammengefasst von M. Semper gegeben worden sind. Nach allem Gesagten wird der Leser aber die Achillesferse auch dieses >>bescheidenen<< Gedankengangs herausf?hlen. Es stimmt alles verbl?ffend einfach, wenn man eben bloss bei Europa bleibt. Nordamerika fordert schon eine eigene unabh?ngige >>Lokaltheorie<<. Alles weitere aber wird ?berhaupt nicht erkl?rt. Nicht die ?quatorialen Pluvialzeiten, nicht die Meyersche Mehrvergletscherung am Kilimandscharo und in Ekuador, nicht die Bipolarit?t. Das R?tsel der terti?ren W?rme, die Lichtfrage werden gar nicht angeschnitten, die permische Eiszeit m?sste wieder auf einem neuen Lokalzufall von damals beruhen. Nicht einmal die w?rmeren Interglazialzeiten finden eine Stelle, wie denn charakteristischerweise grade Geinitz auch bis heute ihr hartn?ckigster Leugner geblieben ist. So sieht man, falls nicht noch ?berraschende neue Einf?lle hinzukommen sollten, die >>Bescheidenheit<< zur >>Armut<< werden.

Jede Wissenschaft hat gelegentlich ihr M?rchen, das sich vor?bergehend in sie einschmuggelt. Wir sind bei unserem eigenen Stoff ja wohl schon durch mehrere Beispiele gegangen. Ein solches M?rchen war aber in der neueren Geologie die ungeheure Kohlens?uremenge der Steinkohlenzeit. Man sah die m?chtigen Kohlenfl?ze, durch Pflanzen zu Stein gebunden. All der Kohlenstoff musste doch einmal in der Luft gewesen sein, aus der ihn die W?lder von damals erst langsam herausgefressen hatten. So kam die Legende von einer dicken Urwolke von Kohlens?ure, die anfangs um die Erde gelagert habe, bis Pflanzenarbeit die Luft so weit reinigte, dass h?here Wesen atmen konnten. Das wilde Bild wurde gewohnheitsm?ssig mit einer dauernden Bodenheizung und einer dieser W?rme verdankten Wasserdampfwolke verkn?pft, auch sie so dick, dass die Sonne nur als r?tlicher Fleck darin stand und im ewigen D?mmer bloss lichtscheues Tiervolk, Molche, Termiten und Kakerlaken ihr Wesen treiben konnten. In all diesen Ausschm?ckungen handelte es sich aber tats?chlich um ein M?rchen, und es schien leicht, das zu beweisen. Neumayr hat in den 80er Jahren von geologischem Ideenschutt gesprochen, der da wieder abger?umt werden m?sse. Das Unhaltbare der Bodenheizung haben wir schon besprochen. In dem kellerartig ?berdicken Dampfd?mmer h?tte kein Farnblatt gr?nen k?nnen. Und speziell die Kohlens?ureschw?ngerung m?sste in diesem phantastischen Umfang alle Kalkschichten der Meere von damals chemisch aufgel?st und die Tiersch?pfung von vornherein unm?glich gemacht haben. Steinkohle aber konnte sich auch ohne das bilden. Noch heute ziehen Pflanzenleichen, Gesteinsverwitterung und organische Kalkbildung best?ndig eine Menge Kohlens?ure aus der Luft, im gleichen Prozentverh?ltnis ersetzt sie sich indessen wieder aus den nat?rlichen Gasausstr?mungen, die jeden vulkanischen Ausbruch begleiten, abgesehen von geringeren Quellen. Warum soll dieser einfache Wechsellauf nicht von je bestanden haben? Das M?rchen schien f?r immer eingesargt, und doch sollte in ihm, wie so oft, noch eine sehr merkw?rdige Anregung stecken.

Unwillk?rlich denkt man dabei doch noch einmal an das M?rchen zur?ck. Gab es damals wirklich einen auch nur um weniges dickeren Kohlens?ure- und Wasserdampfgehalt in der Luft, so h?tte man die zweifelhafte Bodenheizung entbehren k?nnen. Das verdickte Glasfenster hielt dann allein schon so viel Sonnenw?rme mehr zur?ck, dass die Erde sich darunter wie in einem Treibhause erhitzen musste. Dabei h?tte aber der Wasserdampf schon als ein Ergebnis dieser W?rme selbst gelten k?nnen, und man k?me auf die Kohlens?ure als den Grundheizer. Mehr Kohlens?ure damals, mehr W?rme ...

Es war im Jahre 1895 zu Pavia de Marchi, der hier die Frage aufwarf, ob in dem abgetanen M?rchen nicht doch noch ein Kerngehalt gesteckt haben k?nnte. In der Erdgeschichte wechselten w?rmere mit k?lteren Perioden. Wenn das nun bei v?llig gleichbleibender astronomischer Erdstellung und Sonne doch irgendwie auf eine solche >>Fensterfrage<< unserer Erde gegen?ber der Sonne hinausgelaufen w?re? Mit andern Worten: ob sich nicht die Durchl?ssigkeit unserer Atmosph?re f?r W?rme periodisch im geologischen Lauf ge?ndert haben k?nnte? De Marchi selbst liess dabei offen, was der eigentliche Regulator gewesen sein sollte. Hier aber zog jetzt ein viel Bedeutenderer die Folgerung: Svante Arrhenius erkl?rte bereits im n?chsten Jahr in einer Abhandlung des englischen Philosophischen Magazins die Kohlens?ure unmittelbar f?r den geologischen Proteus, dessen Verwandlungen den ganzen Klimawechsel der Vergangenheit von den ?ltesten Tagen an bedingt h?tten.

Svante Arrhenius, nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen schwedischen Botaniker von Ruf, ist geboren am 19. Februar 1859 zu Wijk bei Upsala, hat aber in seinem Bildungsgang eine vollg?ltige deutsche Schulung f?r sein Spezialfach, die Elektrochemie, genossen. Er wirkt heute auf der H?he seiner Kraft an der Universit?t Stockholm. In reifen Jahren noch zu immer umfassenderen Fragen der Weltphysik vorgeschritten, hat er bis in weiteste Kreise Aufsehen gemacht durch seinen grossz?gigen Versuch, den Kant-Laplaceschen Gedanken durch ein vertiefteres >>Werden der Welten<< zu ersetzen. ?ber den wunderbaren Druck, den, entgegengesetzt zur Schwere, der Lichtstrahl selber aus?bt und durch den sich der Stoff in die fernsten Abgr?nde des Raumes vertreibt; ?ber die Unsterblichkeit des Lebens in diesem Raum; ?ber die ewige Selbstwiedererweckung des Alls gegen?ber dem arbeitl?hmenden Weltentod durch W?rmeausgleichung und wieviel anderes mehr hat er, auch vom Gegner bewundert, eine funkelnde F?lle genialer Gedanken ausgestreut. Man durfte auf jeden Fall eine grosse Anregung erwarten, als grade dieser reiche Geist sich auch an die Eiszeitfrage zu r?hren vermass.

Das M?rchen klingt auch bei Arrhenius nur eben an. Im Uranfang hat es wohl wirklich noch etwas mehr Kohlens?ure gegeben, die dann langsam erst abgebaut wurde, aber hier liegt nicht das Entscheidende. Von gewisser fr?her Zeit an hat das Wechselverh?ltnis von Kohlens?ureverbrauch und Kohlens?ureersatz jedenfalls auch geologisch bereits gewaltet, ohne dass mehr da war, als auch die Tiere vertragen konnten. Gleichwohl ist der Ausgleich noch gewissen Schwankungen in den geologischen Epochen unterlegen gewesen. Zuzeiten war etwas mehr erzeugt worden, als gleich verbraucht werden konnte, zu andern hatte die Nachfrage die Produktion ?bertroffen. Je nachdem aber hatte sich das atmosph?rische Treibhausfenster mehr geschlossen oder aufgetan. Erfolg: die Gesamttemperatur der sonnenbestrahlten Erdoberfl?che war dort etwas herauf-, hier etwas heruntergegangen. Dort w?rmere Zeit , hier k?hlere . Unzweideutig: man stand vor einer neuen Eiszeittheorie. Einer rein irdischen ohne jede astronomische Zutat. Aber einer ebenso unverkennbar universalen.

Wir haben fr?her schon einmal gesehen, wie der Vulkanismus leise anpochte bei den Eiszeitdeutungen. Hier erscheint er selbst als der W?rme-, nicht als der K?ltezauberer, indem er Kohlens?ure einblies und damit der Erde zeitweise bessere Treibhausfenster einsetzte. Aber ein n?chstliegender Gedanke zeigt, dass er wenigstens indirekt auch wieder K?lteperioden einleiten m?chte, die den w?rmeren folgen mussten. Der Vulkanismus ist, wenn auch nicht die eigentliche Ursache, so doch vielfach der Vorbote neuer Gebirgsbildungen auf Erden. Wo die Erdrinde sich zu neuen Bergfalten staut, da pflegen gewaltige Bodenverschiebungen voraufzugehen, an deren Bruchspalten die entlasteten Lavamassen der Tiefe aufbegehren. Neue Gebirgsbildung aber schafft f?r ihr Teil bald unendlichen Verwitterungsschutt, der im feuchten Klima umgekehrt jetzt reichlich Kohlens?ure bindet. Im warmen Meer schreitet entsprechend die tierische und pflanzliche Kalkbildung mit ebensolcher Bindung rasch fort. Der Pflanzenwuchs aber nimmt einen ungeheuren Aufschwung, sich breitend in der feuchten W?rme und gem?stet gradezu vom frisch erschlossenen Vulkan- und Verwitterungsboden wie von der vermehrten Luftkohlens?ure selbst. Das alles versteinert gleichsam S?ure, zieht sie wachsend wieder aus der Luft heraus, um sie erneut im Boden einzusargen. Aus dem eigenen ?bermass gr?bt die Kohlens?urezeit sich selber ihr Grab. L?sst jetzt die vulkanische Quelle eine Weile nach, so ?ffnet sich das Fenster und ein allgemeines Sinken des Klimas wird unvermeidlich: Eiszeit. Bis abermals eine Periode von Vulkanismus das Spiel neu beginnt. So regelt eins das andere in ewigem geologischem Wechsel. Warme und kalte Kapitel m?ssen sich unabl?ssig folgen in dem verh?ngnisvollen Lauf der Erdgeschichte, -- Zeiten rot von Lava, mit neuen blauen Bergen, mit unendlichem Pflanzengr?n des Urwaldes und ragenden Korallenriffen, -- und Zeiten des erdteilweiten Binneneises, der erloschenen Krater, der zerbr?ckelten Bergruinen, der kargen Moossteppe am Gletscherfuss.

Was Arrhenius als Chemiker nicht so vermochte, das hat ein anderer, Geolog von Beruf und begeisterter Anh?nger zugleich der Idee, in den wirklichen Verlauf der geologischen Entwicklung hier Stufe f?r Stufe hineinzuzeichnen versucht, -- Fritz Frech in Breslau, der verdiente Mitbearbeiter jener umfassenden ~Lethaea~, den jetzt leider der verheerende Weltkrieg mitten aus der Arbeit dahingerafft.

Zweimal mindestens, meint Frech, zeige sich jener ganze Kreislauf wirklich aufs anschaulichste geologisch entwickelt. Nachdem in den algonkisch-kambrischen Vortagen, wo wir zuerst von Eis h?ren, vielleicht schon einmal ein ganzer Zyklus abgelaufen, wachsen im Silur und Devon die vulkanischen Ausbr?che, heute noch im Diabasgestein verewigt, wieder gewaltig an. Entsprechend steigert sich st?ndig das Klima: es steht offenbar andauernd unter dem Treibhausglas. Eine gleichm?ssige W?rme umspannt die Erde, von allen Zonengegens?tzen frei ist die Tierwelt im Meer , die farnhafte Pflanzenwelt zu Lande gedehnt. Die Pole selbst sind frostlos, der ?quator doch nicht ?berheizt, da der Wasserdampf in Wolken- und Nebelgestalt die allzu strenge Strahlung dort s?nftigt; die allgemeine Klimabesserung kommt wesentlich den gem?ssigten und kalten Zonen zugut. Gewiss steht der Kohlens?uregehalt auch so nicht bei den M?rchenmassen von 30 und mehr Prozent. Frech denkt an 8--9? W?rme mehr in der N?he der Pole als vollauf gen?gend. Unter solchen guten Zeichen beginnt dann die Steinkohlenzeit selbst, in ihr aber schlagen die Dinge jetzt entscheidend um.

Einerseits nehmen die vulkanischen Ereignisse und damit die Zusch?sse aus dem grossen Grundgasometer eine ganze Weile fast bis zum Erl?schen ab. Andrerseits ziehen Kohle- und Kalkbildung, vor allem aber die chemischen Verwitterungsvorg?nge jetzt wirklich fortgesetzt und zunehmend ungeheure Kohlens?uremengen aus dem Luftbestande heraus. Durchaus im Sinne der Theorie setzt diesmal eine riesige Gebirgsbildung ein. >>In der Mitte der Karbonzeit entstanden im mittleren und westlichen Europa ausgedehnte Hochgebirge, und der Aufw?lbung folgte eine verh?ltnism?ssig rasche Erniedrigung dieser mitteleurop?ischen Alpen. Hand in Hand mit der Abtragung durch Wildb?che, Bergst?rze und fliessendes Wasser geht die chemische Umwandlung der massenhaft von den H?hen in die Niederungen verfrachteten Gesteine, deren Hauptbestandteil Kiesels?ureverbindungen bildeten. Das feuchte Klima bedingt eine rasche Karbonatisierung dieser kieselsauren Verbindungen und somit in Kombination mit Kalk- und Kohlenbildung einen Verbrauch an Kohlens?ure, wie er wohl selten in der Erdgeschichte stattgefunden hat.<< Dabei erstreckte sich die Gebirgsbildung nicht, wie die Worte glauben lassen k?nnten, bloss auf Europa: an jenes variskische Gebirge, das alpenhaft von den Sudeten bis S?dfrankreich durch ganz Mitteleuropa zog, schloss sich im sogenannten armorikanischen eine Kette, die ?ber eine Atlantis bis Nordamerika reichte, und so fort.

Add to tbrJar First Page Next Page Prev Page

 

Back to top