Read Ebook: Schwedenklees Erlebnis by Kellermann Bernhard
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Ebook has 1046 lines and 34530 words, and 21 pages
edenklee setzte also eine allt?gliche, freundliche Miene auf, als sei ?berhaupt nichts Ungew?hnliches geschehen.
>>Ich bitte doch abzulegen, Herr Blank!<< sagte er mit grosser Liebensw?rdigkeit.
Blank sch?lte sich, verwirrt und zerstreut um sich blickend, aus dem fadenscheinigen ?berzieher. Sein Anzug war so j?mmerlich, dass Schwedenklee sich betroffen abwandte.
>>Ich werde ihm helfen!<< dachte er nun schon. >>Ich habe ja genug alte Kleider, Herrgott noch einmal!<<
>>Mein Benehmen --,<< stammelte Blank, w?hrend er zu einem Sessel schwankte, >>mein Benehmen muss aufdringlich und unverst?ndlich erscheinen. Eine abscheuliche Rolle, die ich nie in meinem Leben spielte -- die ich verabscheue ...<<
>>Ich bitte, Herr Blank.<<
Blank erhob sich wieder aus dem Sessel und tastete nach Schwedenklees Hand. >>Jedenfalls Dank, dass Sie mich nicht abweisen, Herr Schwedenklee!<< sagte er mit einem heissen Blick der dunklen Augen. >>Allein das teuerste Wesen, das ich besass, eine Tote, befiehlt und ich gehorche!<<
>>Eine Zigarre vielleicht?<< Wollte er doch aufh?ren, von Toten zu sprechen, dachte Schwedenklee, um Gottes willen!
>>Nein, unm?glich -- mein Husten --<<
Schwedenklee war bestrebt, die Peinlichkeit der Situation, die noch immer, wenn auch gemildert, bestand, durch eine zerstreute Gesch?ftigkeit zu verwischen.
Blank sass im Sessel, die H?nde auf die Lehne gelegt, und versuchte, ein Zittern, das seinen kranken K?rper ohne Aufh?ren durchlief, zu verbergen. Wie sein Gesicht waren auch die H?nde von hundert F?ltchen zerknittert, wie weiches Papier. Sie waren lang, wachsfahl und peinlich gepflegt.
>>Ich zittere noch immer!<< begann Blank, seine Schw?che verspottend. >>Aber Sie ahnen ja nicht, welche Angst ich hatte, als ich Ihnen folgte<<, fuhr er fl?sternd, bekennend fort. >>Kaum, dass mich die F?sse trugen. Schon gestern, vorgestern folgte ich Ihnen, aber ich wagte es nicht. Gestern wollte ich Ihren Namen rufen, aber die Stimme versagte. In der letzten Nacht nun mahnte mich ein Gesicht<< -- er hielt inne, als erwarte er, dass Schwedenklee etwas sagen werde, aber Schwedenklee sagte nichts --, >>ich legte ein Gel?bde ab, und so wagte ich es heute, obschon die Furcht mich fast t?tete. Nie werde ich wissen, woher ich den Mut nahm --<<
>>Ich bitte Sie, sich nicht zu erregen, Herr Blank,<< entgegnete Schwedenklee, >>vielleicht w?rde ein Gl?schen Wein Sie beruhigen?<< Hastig war Schwedenklee bem?ht, den Gast von dem unheimlichen Thema abzulenken. Ohne jede Frage, eine sehr peinliche Geschichte! Aber es w?rde sich ja wohl nach einiger Zeit Gelegenheit bieten, den Gast hinauszukomplimentieren.
Blank err?tete fl?chtig, als er die zitternde Hand nach dem Glase ausstreckte. Sein Handgelenk war von einer erschreckenden Magerkeit, wie Schwedenklee es noch nie beobachtet hatte. Langsam und bed?chtig schl?rfte Blank den Wein, der ihn augenblicklich zu erfrischen schien. Das Zittern seines K?rpers liess nach, ruhig glitt sein Blick durch Schwedenklees Bibliothek.
>>Was f?r ein herrlicher Raum<<, sagte er, indem er mehrmals nickte und die Lippe hob, als versuche er zu l?cheln. >>Ich verstehe wohl, dass Sie das Ungl?ck meiden.<<
Schwedenklee wurde blutrot vor Scham.
>>Ich verstehe wohl, dass Sie die Armut meiden.<<
>>Verzeihen Sie ...<<, stammelte Schwedenklee.
>>Ich verstehe alles so gut. Ich bin ja selbst nicht anders gewesen -- fr?her!<<
>>Ich bin, wenn ich offen sein darf,<< verteidigte sich Schwedenklee, etwas stotternd, >>aus Ihren Briefen nicht recht klug geworden. Zuerst glaubte ich ?berhaupt an ein Missverst?ndnis. Ich dachte -- dazu war ich sehr ?berarbeitet in dieser Zeit.<<
Blank nickte und hob abwehrend die Hand.
>>Meine Briefe waren wohl sehr verwirrt? Heute noch bin ich nicht imstande, einen Gedanken zu Ende zu denken. Ich verstehe Sie jetzt, heute vollkommen, Herr Schwedenklee! Vielleicht dachten Sie sogar, ein Bettler -- oder noch schlimmer: ein Erpresser ...<<
>>Aber nein!<< Schwedenklee lachte verlegen. >>Wie k?nnen Sie so etwas denken. Ich w?sste nicht<< -- endlich kam Schwedenklee der rettende Einfall --, >>ich ahnte ja nicht -- Sie schrieben mir erst ganz zuletzt, welche Geborene Ihre Frau Gemahlin war.<<
>>Ich nahm in meiner Verwirrung, meinem Schmerze an, jeder Mensch m?sse es wissen! Ich glaubte auch, es schon geschrieben zu haben. Habe ich es nicht in der ersten Mitteilung geschrieben?<<
>>Ich bitte Sie, sich jedenfalls in meine Lage versetzen zu wollen, Herr Blank.<<
Blank sch?ttelte den Kopf und hob beide H?nde beschwichtigend empor.
>>Kein Wort mehr, ich bitte Sie herzlich. Wer hier um Verzeihung zu bitten hat, das bin ich und nicht Sie!<< sagte er mit einer Verbeugung. Zum erstenmal, seit er das Zimmer betreten hatte, blickte er Schwedenklee ins Gesicht. >>Sie erinnern sich nicht mehr, dass wir uns schon einmal trafen?<< begann er nach einem langen, wie es Schwedenklee schien, forschenden Blick, mit etwas ver?nderter, leichterer Stimme.
>>Wir?<< Schwedenklees Blick wurde unsicher. Nun wird sich das Geheimnis enth?llen, dachte er voller Spannung und sofort wieder erregt.
>>Ja, ich hatte schon einmal die Ehre -- vor vielen Jahren. Vor etwa zwanzig Jahren.<<
>>Zwanzig --?<< rief Schwedenklee erschrocken aus, als sei so etwas g?nzlich unm?glich.
>>Ja, vor mehr als zwanzig Jahren.<<
>>Mehr als zwanzig!<<
>>Ja, es war in M?nchen. Erinnern Sie sich an den Maler Pfitzner?<<
>>Pfitzner? Aber nat?rlich. Ein guter alter Freund!<<
>>Pfitzner hatte damals seinen ersten Portr?tauftrag erhalten und gab seinen Freunden ein Atelierfest, das drei Tage und drei N?chte dauern sollte. Aber schon am ersten Abend gab es Zwistigkeiten. Einer der G?ste war auf Pfitzner eifers?chtig geworden, es kam nahezu zu T?tlichkeiten --<<
>>Richtig, nun d?mmert es in mir! Aber Sie, Herr Blank -- ich muss offen gestehen ...<<
>>Vielleicht entsinnen Sie sich noch, dass einer der G?ste sang?<<
>>Ein junger Mann, jawohl.<<
>>Er sang den Prolog von >Bajazzo<.<<
>>Ja! Deutlich erinnere ich mich. Der S?nger stand dicht in meiner N?he, ich h?re heute noch, in diesem Augenblick, seine pr?chtige, kernige Stimme. -- Aber es ist doch wohl nicht m?glich, Herr Blank, dass Sie ...?<< rief Schwedenklee mit naivem Erstaunen aus und sprang auf.
Blank nickte. >>Doch, ich war dieser S?nger!<< sagte er err?tend, und die Heiserkeit seiner Stimme dr?ckte tiefste Traurigkeit aus.
Sofort sah Schwedenklee ein, dass er eine ganz unbegreifliche Taktlosigkeit begangen hatte. >>Ist es m?glich,<< rief er hastig aus, >>vor zwanzig Jahren, sogar mehr als zwanzig Jahren, sagen Sie? Um Gottes willen, wohin sind diese zwanzig Jahre nur gekommen? Ja, wunderbar haben Sie damals gesungen -- es ist volle Wahrheit, was ich Ihnen sage, all die Jahre habe ich den Klang Ihrer Stimme im Ohr behalten. Merkw?rdig, und Sie erinnern sich meiner noch? Das finde ich erstaunlich.<<
>>Ich erinnere mich noch ganz deutlich an Sie. Sie haben sich nicht sehr ver?ndert.<<
>>Nicht sehr?<<
>>Sie sind etwas voller geworden und etwas breiter. Ich habe Sie auch sofort wiedererkannt, als ich Sie vor Wochen auf der Strasse sah.<<
>>Als Sie mich auf der Strasse sahen?<<
>>Ja, vor Ihrem Hause<<, gestand Blank err?tend.
>>Ich erinnerte mich ganz besonders an Sie, weil Sie auf Pfitzners Atelierfest eine Theorie vortrugen, die mich lange und oft besch?ftigte.<<
>>Ich -- eine Theorie, sagen Sie?<<
>>Ja, Sie erkl?rten, es sei an der Zeit, eine ?ber den Staaten stehende Republik der freien Geister und K?nstler zu gr?nden.<<
>>Ich h?tte --?<< Schwedenklee war ?usserst erstaunt.
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