Read Ebook: Schwedenklees Erlebnis by Kellermann Bernhard
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Ebook has 1046 lines and 34530 words, and 21 pages
>>Ich h?tte --?<< Schwedenklee war ?usserst erstaunt.
>>Ja, Sie f?hrten diesen Gedanken bis ins einzelne aus und wir h?rten voller Interesse zu. Sie sprachen sehr ketzerische und revolution?re Gedanken aus, und wir waren um so mehr erstaunt, als Sie ja aus Norddeutschland kamen.<<
Schwedenklee f?llte die Gl?ser. >>Sonderbare Einf?lle hat man in der Jugend!<< rief er lachend aus. >>Ja, ganz verr?ckte Gedanken!<<
>>Sie gingen bald darauf nach Paris. Als ich Pfitzner wieder eines Tages im Atelier besuchte, sagte er mir: Schwedenklee ist nach Paris gegangen, um seine ?berstaatliche Republik der freien Geister und K?nstler zu gr?nden.<<
Hier lachte Schwedenklee laut und belustigt auf.
>>Im n?chsten Jahre wurde ich nach N?rnberg engagiert<<, fuhr Blank fort, und seine Stimme ver?nderte sich wieder. >>Und hier war es, wo ich Rosa Fr?hlich traf<<, schloss er leise.
>>Ja, sie ging damals nach N?rnberg, ich entsinne mich<<, warf Schwedenklee etwas unsicher ein. Er war pl?tzlich rot geworden.
>>Ich kam mit ihr ins Gespr?ch und sie sagte mir gleich, dass sie aus Paris k?me. Aus Paris? Haben Sie vielleicht zuf?llig einen Bekannten von mir, einen Architekten Schwedenklee getroffen? -- Nie werde ich Rosas verbl?fftes, ja entgeistertes Gesicht vergessen ...<<
>>Ist das Leben nicht sonderbar?<<
>>Ohne dass Sie es ahnten, haben Sie, Herr Schwedenklee, rasch unsere Freundschaft vermittelt.<<
>>Welch merkw?rdige Zuf?lle es gibt!<<
>>So also begann es. Mit Ihrem Namen!<< sagte Blank leise und nickte vor sich hin. >>So also begann es!<< wiederholte er, die Stimme von Trauer ?berschattet.
Sein Blick verlor sich ins Unbestimmte. Er bewegte die d?nnen blutleeren Lippen und feuchtete sie mit der Zunge an. Er schien noch um einen Grad bleicher geworden zu sein.
Schwedenklee erhob sich und bewegte sich lautlos ?ber die Teppiche. Diese ganze Erde sei in der Tat nichts als ein grosses Bauerndorf! Und er erz?hlte hastig und mit halblauter Stimme einige ?hnliche Erlebnisse, die ihm begegnet waren und seine Ansicht best?tigten, dass die Erde nichts als ein Bauerndorf sei. Blank antwortete nicht, er schien gar nicht zuzuh?ren.
Mit aller Umst?ndlichkeit machte sich Schwedenklee eine Zigarre zurecht. Wieder bewegte er sich lautlos ?ber die Teppiche. >>Und was ist eigentlich aus Pfitzner geworden?<< Er blieb stehen.
Aber Blank h?rte ihn gar nicht. Er sass, den verschleierten Blick ins Ungewisse verloren. Er hatte vergessen, wo er war, wandelte in einer fernen, unbegreiflichen Welt. Ein wundes L?cheln spielte um seine Lippen. Die schmalen gepflegten H?nde lagen regungslos auf den Lehnen des Sessels, sie zitterten nicht mehr, nur sein gebeugter Oberk?rper schwankte leise hin und her.
Verstohlen blickte Schwedenklee auf die Uhr. Da erwachte Blank aus seiner tiefen Versunkenheit. Er atmete tief auf und blickte sich verst?rt um.
>>Verzeihung<<, sagte er und sch?ttelte sich, als friere er.
Schwedenklee streckte sich in den Sessel.
>>Und nun, Herr Blank,<< begann er mit einer Stimme, die seinen Gast ermutigen sollte, >>Sie hatten mir etwas mitzuteilen?<<
Blank erschrak heftig. Die nerv?se Hand zuckte, seine dunkeln Augen weiteten sich.
>>Mitzuteilen --?<< stammelte er, anscheinend tief betroffen.
Schwedenklees Miene, der etwas leichtfertige und gutm?tige Gesichtsausdruck, versuchte ihn zu beruhigen.
>>Ja<<, sagte Schwedenklee, sich l?chelnd vorbeugend. >>Sie schrieben mir in einem Ihrer Briefe, Sie h?tten mir Mitteilungen zu machen, die f?r mich unter Umst?nden von Interesse sein k?nnten.<<
>>Schrieb ich das?<< Blank erhob sich erregt, liess sich aber sofort wieder in den Sessel fallen. >>Nein, nein, mein Herr,<< fuhr er hastig fort, zuweilen err?tend, >>was ich zu tun habe, ist, Sie tausendf?ltig um Entschuldigung zu bitten, das ist alles. Ich befinde mich in einem Zustande der Verwirrung, der Verzweiflung -- ja, des, Sie verzeihen, es klingt wie Pose, des Irrsinns. Ich muss um Nachsicht bitten. Ich weiss nicht mehr, was ich in diesen furchtbaren Wochen sagte oder schrieb. Verzeihen Sie mir. Aber, mitzuteilen? Nein, bei Gott, nein! Ich habe Ihnen nichts mitzuteilen.<< Rote fieberische Flecke erschienen unter den Augen des fahlen Gesichts.
Blank war in grosser, ganz unbegreiflicher Erregung. Aber allm?hlich beruhigte er sich.
>>Was ich Ihnen gerne sagen m?chte, wenn Sie noch eine Minute Geduld mit mir haben wollen,<< fuhr er mit ruhigerer, feierlicher Stimme fort, >>ist dies --<< Er holte tief Atem und senkte den Blick zu Boden. >>Meine Gattin, deren Verlust mich nahezu um meine Sinne gebracht hat, sagte mir wenige Stunden vor dem Tode: Gehe zu Schwedenklee und gr?sse ihn von mir. Sage ihm, dass ich ihm nicht mehr grolle.<<
>>Nicht mehr grolle --?<< Schwedenklee horchte auf.
>>Ja, so sagte sie. Vielleicht aber habe ich auch die Worte verwirrt. Sage ihm, dass ich ihm stets gut war und noch heute gut bin --<<
Hier wurde Schwedenklee pl?tzlich ergriffen.
>>Sagte sie das wirklich?<< fl?sterte er.
>>Ja, und sie beauftragte mich, Ihnen dies Bild zu bringen. Es w?rde Sie freuen, dachte sie. Eine Erinnerung aus der Pariser Zeit.<< Blank schlug sich an die Stirn. >>Ja, dieses Bild, das war ja die Ursache meines Besuches! Schon habe ich es wieder vergessen, ich sitze hier und plaudere --<<
Blank erhob sich und tastete nerv?s die Taschen des ?berrocks ab.
>>Mein Himmel, ich werde es doch nicht draussen verloren haben!<< rief er in ?usserstem Schrecken. >>Nein, hier, gottlob, hier ist es. Das ist ja der eigentliche Grund, weshalb ich Sie aufsuchte.<<
Eine verblasste Photographie, in Paris aufgenommen -- seinerzeit. In irgendeiner ?berm?tigen Stunde.
Eine zierliche Dame, in einem grossen Hut -- das Gesicht kaum erkenntlich. Daneben er, Schwedenklee, zwanzig Jahre j?nger, mit einem flotten kleinen Schnurrbart. Schwedenklee zerbrach sich den Kopf, wo das Bild aufgenommen sein konnte. Er erinnerte sich nicht mehr.
Er trat unter die Lampe und nahm eine Lupe vom Schreibtisch.
Nun erkannte er die Z?ge der jungen Dame wieder, die in all den vielen Jahren nur selten, fl?chtig und verblasst in seiner Erinnerung wieder auflebten. Ein wehm?tiges Gef?hl ?berkam ihn -- dass diese herrliche Jugendzeit vorbei war f?r immer.
>>Ellen Fr?hlich!<< sagte er vor sich hin.
>>Sie hatte zwei Namen<<, warf Blank mit verletzter, fremder Stimme ein. >>Da Sie sie Ellen genannt hatten, w?hlte ich ihren anderen Namen. Ellen f?r Sie, Rosa f?r mich!<<
Schwedenklee blickte ihn verst?ndnislos an.
Als Schwedenklee am n?chsten Morgen, etwas m?de und abgespannt, in seinem breiten Himmelbett erwachte, fiel ihm augenblicklich ein, dass er Blank f?r heute zum Abendessen eingeladen hatte.
Was f?r ein Dummkopf bin ich doch, dachte er, unzufrieden mit sich selbst, immer diese alte Gutm?tigkeit. Ich bin w?tend ?ber einen Menschen und doch kann ich es mir nicht versagen, den Liebensw?rdigen zu spielen. Aber sofort erinnerte er sich auch, dass es ganz unm?glich war, Blank, der Begriffe wie Zeit und Nachtruhe nicht zu kennen schien, auf andere Weise zu verabschieden. Er hatte sich auch in der verflossenen Nacht hin und her ?berlegt, wie er Blank seine Hilfe anbieten k?nnte, aber keine M?glichkeit gefunden. Da war ihm der Einfall der Einladung gekommen.
Lieber Himmel, dachte er pl?tzlich erschreckend und setzte sich auf, wie mag dieser arme kranke Mensch in der Nacht nach Hause gekommen sein? Nach dem Osten. Ob er wohl, wie er ihm riet, eine Droschke genommen hatte? Aber vielleicht hatte er gar nicht das Geld dazu? Ich selbst h?tte ihm eine Droschke holen und den Kutscher bezahlen sollen -- aber dieser Einfall kam reichlich sp?t.
Etwas Gutes hatte die gestrige Begegnung auf jeden Fall. Schwedenklee f?hlte sich erleichtert! Das >>im Hintergrund lauernde Schicksal<<, wie er sich ausdr?ckte, hatte sich entschleiert. Obgleich Schwedenklee eigentlich nicht an Gott, an ein zweites Leben, an Auferstehung, Seelenwanderung und derartige Dinge glaubte, glaubte er doch an mystische Einfl?sse, an ein Fatum, das unheilvoll in das Leben eines Menschen eingreifen konnte. In den zwei letzten Jahren hatte er sich unsicher gef?hlt. Es war ihm, als w?re er von heimt?ckischen Gefahren umlauert. Einer seiner Bekannten starb pl?tzlich am Herzschlag, und schon dachte er: wer weiss es, ob du morgen erwachen wirst? Zuweilen sah er sich alt und krank als Bettler auf der Strasse stehen und der Wind blies eisig. Oder ein unheilbares Leiden befiel ihn, zum Beispiel Krebs. Ganz deutlich sp?rte er die fortw?hrende Drohung feindseliger M?chte, und nur so -- nicht anders -- l?sst es sich erkl?ren, dass die Briefe Blanks auf ihn einen solch ungeheuren Eindruck machten. Nun also kam es, heimt?ckisch schlich es n?her, um ihn zu umstricken und zu vernichten! Deutlich witterte er die Vorboten eines b?sen Schicksals, das seine Dem?tigung und Vernichtung beschlossen hatte.
An diesem Morgen atmete er seit vielen Wochen befreit auf, seine d?steren Gr?beleien erschienen ihm unsinnig und albern. Seine Hilfsbereitschaft f?r Blank entsprang ebenfalls, ohne dass er sich dessen bewusst wurde, diesem Gef?hl der Erleichterung und einer gewissen Dankbarkeit gegen das Schicksal, das sich ihm nicht ungn?dig gezeigt hatte.
Werde ich ihm denn abgelegte Kleider geben k?nnen? dachte er. Vielleicht aber wird es ihn verletzen? Also Geld. Aber wieviel und in welcher Form?
Man k?nnte ihm auch einen Korb mit Fr?chten und guten Sachen schicken, eine Flasche Kognak dazu. Das war ein ausgezeichneter Einfall, und Schwedenklee beschloss, noch heute den Korb zurecht machen zu lassen.
Den ganzen Vormittag war Schwedenklee mit dem gestrigen Abenteuer besch?ftigt. Blank hatte ihm, mit einer gewissen Schwatzhaftigkeit, im Laufe der Nacht sein Herz ausgesch?ttet, er hatte ihm jede Einzelheit seines Lebens erz?hlt -- und all das nur aus dem Grunde, weil er einige Wochen lang eine Liebschaft mit seiner Frau gehabt hatte! Notabene: noch bevor sie ?berhaupt seine Frau war ...
Schwedenklee konnte der Versuchung nicht widerstehen. Er ging an den Schreibtisch und nahm -- seine Hand zitterte etwas -- das verblichene Bild aus dem Schubfach.
Bei Tageslicht war das Gesicht unter der Lupe etwas deutlicher zu erkennen. Lange, mit einer Art furchtsamer Neugierde, betrachtete er das Bild, und sonderbarerweise begann sein Herz stark zu klopfen, als w?re es frevelhaft, dieser Toten ins Gesicht zu sehen.
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