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Read Ebook: Sünndagsklocken: Stadt- un Dörp-Predigten by K Hn Friedrich

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Ebook has 216 lines and 43571 words, and 5 pages

S?nndagsklocken.

Stadt- un D?rp-Predigten

rutgewen von

Die Kirchensprache Niederdeutschlands.

Mit Berufung auf Gottes Wort, 1. Cor. 14., und auf den gesunden Menschenverstand hat die Reformation im 24. Artikel der Augustana den Grundsatz aufgestellt, die Kirche m?sse sich in ihrem Kultus einer Sprache bedienen, >>die das Volk versteht.<<

Diesem Grundsatz ist die Reformation anfangs auch in Niederdeutschland gefolgt. Sie brachte die Schrift in niederdeutscher Uebersetzung; niederdeutsch redeten die Kirchenordnungen, niederdeutsch sang die Gemeinde, es gab niederdeutsche Katechismen, niederdeutsch war die Predigt.

Aber bald wurde die kaum begonnene Entwicklung gest?rt. Gleichzeitig mit der Reformation, in innerem Zusammenhang mit dem sprachlichen Meisterwerk der Lutherschen Bibel?bersetzung, setzte eine andere Bewegung ein: eine Bewegung, deren Ausgang wohl dem konfessionell gespaltenen Deutschland die geistige Einheit sicherte, ja f?r eine sp?te Zukunft die staatliche Einheit verhiess, -- welche aber dem evangelischen Kirchenvolk Niederdeutschlands schweren Schaden gebracht hat. Es ist die Verdr?ngung der niederdeutschen Sprache aus Schrifttum und ?ffentlichem Gebrauch in Staat und Kirche.

Um die Mitte des 16. Jahrh. fing man in den f?rstlichen Kanzleien an hochdeutsch zu schreiben; die Ratsschreibstuben der St?dte folgten, und allm?hlich schloss sich die Kirche dem Zuge der Zeit an. Hochdeutsche Prediger kamen in niederdeutsche Gemeinden, Einheimische studierten auf hochdeutschen Universit?ten, Hochdeutsch wurde neben dem Lateinischen die Sprache des gelehrten Schrifttums, -- und so war auch f?r die Kirche der Weg zur hochdeutschen Sprache in Predigt und Kultus verf?hrerisch gebahnt. Mit dem Ausgang des 30j?hr. Krieges ist dieser Uebergang im Ganzen vollzogen. Ausnahmen erhielten sich l?nger, ganz vereinzelt bis in den Anfang des 18. Jahrhunderts.

Wie sehr man sich t?uschte, zeigte eine Beschwerde der Stadt Plau aus dem Jahre 1607, die veranlasst wurde, weil der dortigen Gemeinde ein hochdeutscher Prediger aufgedr?ngt werden sollte. >>Die ganze Gemeinde beschwere sich ?ber das ausl?ndische Idioma und die hohe Sprache desselben. Der gr?sste Teil der B?rger nebst Frauen, Kindern und Gesinde k?nne von solcher unbekannten Sprache das Wenigste verstehen.<< -- Nicht viel erfreulicher lauten die Zeugnisse 200 Jahre sp?ter. Im Jahre 1789 klagt der Pastor in Kuppentin: >>Durchaus haben die Kinder keine Begriffe und wissen mit den Worten keinen Sinn zu verbinden.<< -- In der Monatsschrift v. u. f. Mecklbg. heisst es im Jahre 1794: >>der gemeine Mann verstehe in der Predigt gew?hnlich nur alles halb. Er verbinde mit 100 Worten, bei denen der Prediger kaum an ein Missverst?ndnis d?chte, entweder gar keine, oder doch ganz andere, oft himmelweit verschiedene Begriffe. Man habe stundenlang geredet und ihn bloss mit Schall gen?hrt.<< -- Im Jahre 1829 brachte die Hengstenberg'sche Kirchenzeitung einen Aufsatz ?ber >>Gottes Wort und die kirchliche Sprache<<, welcher ausf?hrt: >>Den lateinischen Scheffel habe Luther aufgehoben, aber das Licht sei uns in eine Leuchte von tr?bem Glase gestellt. Die Landessprache sei Sassisch, die kirchliche Hochdeutsch. Der gegenw?rtige Zustand sei eigentlich schlimmer, als der von der Reformation bek?mpfte. Denn in der kathol. Kirche d?rfe trotz lateinischer Kirchensprache die Predigt und der Unterricht in der lebenden Sprache geschehen, w?hrend in Niedersachsen nicht nur hochdeutsche Bibeln, Gesangb?cher usw. gebraucht werden, sondern auch hochdeutsch gepredigt, katechisiert und gelehrt werde. Dieser Zustand sei ein Spott auf die Reformation, deren Grundsatz verst?ndlicher Predigt man verkannt habe.<< Nach l?ngeren Ausf?hrungen ?ber den sprachlichen Zustand der >>sassischen<< Lande fasst der Verfasser seine Erfahrungen zusammen: >>Obgleich einer Landgemeinde vorstehend, die vielen Verkehr mit Hochdeutschen hat, muss ich aufs h?ufigste bei Jung und Alt, und das bei den Verst?ndigsten, wahrnehmen, wie sehr der Eingang religi?ser Lehre in Kopf und Herz durch die Sprache erschwert und gehemmt wird, kenne auch keinen Amtsbruder, der andere Erfahrungen gemacht h?tte.<< -- Im folgenden Jahre schreibt Cl. Harms, >>Ueberall ist bei uns die hieratische Sprache eine andere als die demotische. -- Was meinen Sie, wird wohl der hochdeutsch sprechende Prediger ?berall von den Leuten verstanden? Ich kann Ihnen nicht darin beistimmen, dass es mit der hochdeutschen Sprache bereits soweit gekommen sein sollte.<< -- Endlich ein letztes Zeugnis aus Boll, Gesch. Meckl., aus dem Jahre 1855: >>Ein v?lliges Verst?ndnis des hochdeutschen Dialekts ist unter den niederen St?nden noch immer nicht erreicht. Die meisten Predigten sind f?r den gemeinen Mann noch immer von wenig Nutzen.<<

Derselbe Verfasser war es nun, der als erster statt der gegenteiligen Bem?hungen die R?ckkehr zur >>sassischen<< Kirchensprache empfahl. Seine Ausf?hrungen sind von grosser Klarheit und Kraft. Hengstenberg hielt sie f?r wichtig genug, um in einer Anmerkung eine weitere Behandlung der aufgeworfenen Frage anzuregen. Den Weg denkt sich der Verfasser so, dass anfangs Teile der Predigt, sp?ter einzelne Predigten ganz, abwechselnd mit hochdeutschen, endlich alle Predigten >>sassisch<< gehalten werden sollten. Allm?hlich sollte auch das kirchliche Schrifttum folgen und so die kirchliche Reform vollendet werden.

Damals schienen alle Vorbedingungen zu endg?ltiger L?sung des Problems gegeben zu sein. Aber ein tiefgehender Prinzipienstreit besch?ftigte die Kirche bald so sehr, dass die Frage der Kirchensprache versandete. Vielleicht sind es Ausl?ufer dieser Anregungen gewesen, wenn Louis Harms an Sonntagabenden auf seiner Hausdiele plattdeutsche Bibelstunden hielt oder in Schleswig-Holstein plattdeutsche Missionsstunden gehalten wurden oder endlich den >>Kropper Kirchl. Anzeiger<< eine >>plattdeutsche Zugabe<< begleitete. Jedenfalls zeigten diese und andere Gelegenheiten, dass die plattdeutsche Sprache ihren Anspruch auf Ber?cksichtigung durch die Kirche aufrecht erhalte.

In den letzten 50 Jahren hat die Zeit Riesenschritte gemacht, und auch die Sprachenfrage in Niederdeutschland hat sich entsprechend verschoben. Das Zeitalter des Verkehrs hat die Bev?lkerung durcheinandergeworfen; das gehobene Bildungswesen mit ausschliesslich hochdeutscher Geistesnahrung, das gesteigerte ?ffentliche und politische Leben mit Tageszeitungen und Volksversammlungen: dies und viel anderes mehr hat mitgewirkt, die Sprachgrenzen zu verr?cken, und zwar zu Ungunsten des Niederdeutschen. Wie ein Strom bei Hochwasser die Deiche ?bersp?lt, h?her und h?her steigt das Wasser auf Wiesen und Ackerland, -- so hat mit sicherer Gewalt das Hochdeutsche an Boden gewonnen. Weite Strecken, die vor 100 Jahren noch ein niederdeutsches Gesicht hatten, sind heute, die einen nicht mehr, die anderen kaum noch daf?r anzusprechen. Selbst da, wo Sprache und Art noch am festesten stehen, gewinnt das Hochdeutsche von Volksschicht zu Volksschicht von Familie zu Familie an Raum.

So ist f?r eine Reaktion von niederdeutscher Seite die Zeit der letzten M?glichkeit gekommen, und man benutzt sie. Es hat eine plattdeutsche Gegenbewegung eingesetzt, die sich die Erhaltung und Pflege niederdeutscher Sprache und Art zur Aufgabe stellt.

An vielen Orten ist diesen Anregungen die Tat gefolgt. Es ist eine Bewegung entstanden, die nicht mehr zu ?bersehen ist, die an das Gewissen der Kirche klopft, zu der man Stellung nehmen muss.

Die Frage der Kirchensprache ist f?r uns eine kirchliche Frage und nur nach kirchlichen Gesichtspunkten und Interessen zu l?sen. Deshalb sind auch die W?nsche und Anregungen, die der Kirche von der allgemeinen plattdeutschen Bewegung her entgegen treten, an kirchlichem Massstab zu pr?fen. Liebhaberei und pers?nliche Neigung d?rfen ebensowenig entscheiden, als pers?nliche Abneigung und etwa Geringsch?tzung der plattdeutschen Sprache. >>Nichts Kirchenfremdes geh?rt in die Kirche hinein<<, sagte Kaftan von der Ausstattung der Gottesh?user. Dasselbe gilt auch von der sprachlichen Ausstattung des Kultus. Ebenso gilt hierf?r der Grundsatz, >>dass die Kirche kein Antiquit?tenkabinett sei<<. Aber Kaftan sagt auf derselben Seite seiner >>4 Capp. von der Landeskirche<<: >>Wir k?nnen nicht lediglich in der Kirche die Gewohnheit festhalten, die seit so und so viel Jahren war.<<

Dieser Vorbehalt nach zwei Seiten hin m?ge gegenw?rtig bleiben.

Wir stellen uns vor drei Fragen:

Auf der nieders?chsischen Dorfkirchentagung von 1920 scheint dies Interesse ?bersehen oder stillschweigend verneint zu sein. Der Konv.-Studiendirektor Fleisch aus Loccum vertrat als Referent u. a. den Leitsatz: Geht das Plattdeutsch unter, so soll sich die Kirche dem nicht aus Liebhaberei und pers?nlichen W?nschen Einzelner in den Weg stellen, vielmehr ihrerseits zur Beschleunigung dieses Prozesses, soviel ihr m?glich ist, beitragen.

Einer der F?hrer der plattdeutschen Bewegung, schreibt: >>In neuerer Zeit hat man erkannt, dass die St?rke eines Volkes in der Erhaltung seiner Eigenart liegt, und dass deren Schwinden ein Siechtum des Volksk?rpers bedeutet. -- Viel ist schon verloren, aber ein grosses Gut gilt es noch zu sch?tzen. -- Zu der Eigenart eines Volkes aber geh?rt die Sprache, die aus seinem innersten Wesen erwachsen ist, in der sich sein ganzes Denken und F?hlen ausgepr?gt hat.<<

Darum kann und darf die Kirche dem Sterben einer Volkssprache nicht teilnahmslos zusehen, geschweige denn zur Beschleunigung des Unterganges mitwirken. Sie hat genug gefehlt, wenn sie seit 300 Jahren an erster Stelle geholfen hat, die niederdeutsche Volkssprache in den Winkel zu dr?ngen. Zu der alten Schuld darf sie die neue nicht f?gen.

Alle Bestrebungen, auch die ausserkirchlichen, welche die Volkssprache um ihrer selbst willen pflegen und erhalten wollen, verdienen den Anteil und, soweit es m?glich ist, g?nstigen Beistand der Kirche. Sie als Volkserzieherin darf sich da nicht versagen. Es handelt sich um die Pflege des Ackerlandes, auf welchem sie pfl?gen und ernten will. G?be es keine plattdeutsche Bewegung, die Kirche h?tte ein Interesse, sie hervorzurufen. Der schon mehrfach zitierte Verfasser des Kirchensprachenartikels in der Hengstenbergschen Kirchenzeitung schreibt: >>Gleichzeitige Bem?hungen, die Sprache um ihrer selbst willen zu retten und zu kultivieren, w?rden der kirchlichen Reform zu statten kommen, so wie durch diese wiederum jene Bem?hungen unterst?tzt w?rden. Dahin rechne ich das Zusammentreten von Gesellschaften, die die ?ltere sassische Literatur bearbeiteten, die neuere aufmunterten.<< Er empfiehlt weiter die Bearbeitung von Idiotiken zur Hebung des Sprachschatzes, einer Grammatik, die Gr?ndung niederdeutscher Zeitschriften und selbst Zeitungen, um dann zu schliessen: >>W?rden diese Hoffnungen nicht, erf?llt, -- ohne darauf zu harren beginne die Geistlichkeit, da auch sie allein die Reform der kirchlichen Sprache durchzuf?hren vermag, und werde die Wohlt?terin des Volkes.<<

Eine Statistik l?sst sich zu dieser Frage nicht aufmachen. Urteile und Ausk?nfte der Kirchgemeinder?te und Pastoren w?ren von zweifelhaftem Werte. Dass von irgendwo her Beschwerden k?men, man verstehe die hochdeutsche Predigt nicht, -- wie 1607 in Plau, -- die Zeiten haben wir gehabt. Wem heute der Gottesdienst nichts bietet, quittiert durch Fernbleiben, wo nicht die Sitte anders zwingt. Zwischen 2 Sprachen, auch zwischen Hochdeutsch und Plattdeutsch, liegt eine kleine Welt. Die Welt der einen schliesst sich dem, der aus der anderen kommt, nur z?gernd auf. So auch die plattdeutsche Welt dem hochdeutschen Pastor. Es kommt bei letzterem viel Selbstt?uschung vor. Cl. Harms war bis zu seinem 19. Jahre ein Bauernknecht gewesen, darum kannte er das Volk aus dem Grunde und konnte von einem starken Vorrat an Beispielen des Missverstehens und Nichtverstehens reden. Auch heute kann, wer das Volk wirklich kennt, wer offene Augen und Ohren hat, und der g?nstige Zufall kommt ihm zu Hilfe, manche wunderbare Entdeckungen machen. -- Wo kein Feuer ist, ist auch kein Rauch. Auch die zahlreichen Anekdoten auf diesem Gebiet lassen auf begr?ndete Unterlagen schliessen.

Es gilt dies nat?rlich nur von den Gemeinden und Gemeindeteilen, deren Umgangs-, Haus- und Herzenssprache heute noch Plattdeutsch ist. Auch da ist noch ein grosser Unterschied zu machen zwischen Stadt und Land, nach dem Grade der Schulbildung und Begabung, nach der Gelegenheit und Gewohnheit hochdeutschen Umgangs und hochdeutscher Lekt?re. Es w?rde nat?rlich weit ?ber das Ziel schiessen, wollte man allgemein sagen, die hochdeutsche Predigt gehe ?ber die K?pfe weg.

Also gibt es in Niederdeutschland nicht wenige Gemeindeglieder, die nicht genug Hochdeutsch verstehen, um hochdeutscher Predigt folgen zu k?nnen. Es bleibe dahin gestellt, wie gross hier oder dort der Gemeindeteil ist, f?r den dies zutrifft. Unm?glich aber ist es, in Abrede zu nehmen, dass hier ein Notstand vorliegt, dem die Kirche nachgehen muss.

Das Sprachenwunder am 1. Pfingsttage hat nicht nur die Bedeutung, der Kirche gleich in ihrer Geburtsstunde die Wegrichtung zu allen V?lkern zu weisen, sondern auch die Bedeutung, f?r alle Zeit zu lehren, dass der Weg zum Herzen der V?lker nicht durch eine allgemeine Kirchensprache, sondern durch die Muttersprache jedes Volkes gehe. Diesen Wink hat die ev. Mission verstanden. Warneck schreibt einmal: Die Pflege der Muttersprache sei f?r den Missionar ein Gegenstand von besonderer Wichtigkeit. Allgemein sei der Grundsatz anerkannt, jedem Volk geh?re das Evangelium in seiner Muttersprache. Leider gebe es Missionare genug, die von der Kr?cke des Dolmetschers niemals ganz loskommen, und noch mehr, die das Sprachproblem in seiner eigentlichen Wurzel kaum verstanden haben: n?mlich sich so in die geistige Art des fremden Volkes, in seine ganze Denk- und Anschauungswelt einzuleben, dass es ihnen m?glich wird, den Eingeborenen wirklich voll verst?ndlich, im Wortkleid ihrer Sprache die biblische Wahrheit darzulegen. Hier liege vielleicht die gr?sste geistige Arbeit, die dem Missionar zugemutet werde. Er m?sse die ihm fremden Eingeborenen verstehen, ehe sie ihn, den Fremdling, verstehen. -- Man ?bertrage diese Richtlinien auf den Wirkungskreis des Pastors einer niederdeutschen Gemeinde. Denn sollte der Grundsatz, der in der Mission richtig ist, auf einmal dem heimischen Kirchengebiet nicht gelten?

>>Eine Dorfpredigt<<, sagt v. L?pke in d. >>Dorfkirche<<, >>die in die Seele des Volkes hineindringen und das Christentum ihm wirklich zu eigen machen will in seinem eigenen Denken und Sinnen, die muss seine Sprache reden k?nnen. Nur was darin sich ausdr?cken l?sst, das kann ihm zum Ausdruck der eignen Seele werden.<< Er erw?hnt dazu, dass die Siebenb?rger gerade in ihrer Not keinen anderen Weg gefunden haben, um in den V?lkerst?rmen dort das Evangelium wirklich im innersten Grunde des Volkes fest zu verankern, als die Verbindung mit der Mundart.

Es ist ein nicht ganz einfacher Weg, den das gesprochene Wort gehen muss, bis es Herz und Willen erfassen kann. Wenn die Sprache des Redenden zugleich die Sprache des H?renden ist, kann das verarbeitende Denken unmittelbar einsetzen, und die Aneignung geht schnell. Anders ist es, wenn der H?rer die Sprache des Redenden zwar leidlich versteht, aber seine Denkarbeit auf andere Sprachmittel st?tzen muss. Denn auch das Denken haftet an dem Ausdrucksmittel der Sprache. Ein vern?nftiges Denken ohne Sprache ist nach Hamann ebensowenig vorstellbar, wie ein Rechnen ohne Zahlen. Machen wir denen, deren Haus- und Herzenssprache Niederdeutsch ist, durch hochdeutsche Predigt den Weg des Geh?rten in die Herzen nicht unn?tig schwer? So schwer, dass sie entweder nicht zu folgen verm?gen, oder aber das innere H?ren aufgeben und es mit dem ?usseren bewenden lassen m?ssen?

Hierher geh?rt auch folgende Erw?gung. Wir haben vielen Grund zu der Mahnung an die Gemeinde, die Sonntagsanregungen auch in den Alltag mitzunehmen. Die Leute halten sich im Herzen gern zwei Schubf?cher. In dem einen liegt der Sonntag mit hochdeutschem Gotteswort und hochdeutscher Andacht. In dem anderen liegen Gesch?ft, Handel und Wandel, wie es der Alltag bringt. Wird dies nicht beg?nstigt, wenn die Predigt eine ganz andere Sprache redet als der Wochentag? Es ist eine geistige Arbeit vonn?ten, geh?rtes Wort in eigenen Willen, eigene Tat umzusetzen. Macht die hochdeutsche Predigt dem einfachen Mann und schwerf?lligen Denker diese Arbeit nicht schwerer, als sie sonst schon ist? Und gar erst, wenn die Predigt k?mmerlich verstanden wird, und wenn der H?rer schon mit dem Wortverst?ndnis soviel Not hat?

Sowohl im Kultus, als auch in der Jugenderziehung wird doch die Gemeinde nur zum Gebrauch der hochdeutschen Sprache erzogen. Es ist kein Wunder, wenn sich dem einfachen plattdeutschen Manne seine Muttersprache auf diesem Gebiete versagt, getrauen sich doch schon viele Pastoren, auch solche, die die plattdeutsche Umgangssprache beherrschen, nicht recht, auf der H?he seelsorgerlichen Gespr?chs plattdeutsch zu reden. Beim einfachen Mann kommt die Empfindung hinzu, als sei es eine Herabw?rdigung des Heiligen, wenn man es plattdeutsch ausdr?cken wollte. So verbinden sich Unverm?gen, Ungeschick, mangelnde Gew?hnung und Vorurteil zu dem Erfolg, dass von dem bezeichneten Gebiete christlicher Lebensbest?tigung die plattdeutsche Sprache ausgeschlossen ist. So ist auch der Teil der Gemeinde, dem hochdeutsches Denken und Sprechen ungel?ufig geblieben ist, in Bekenntnis, Zeugnis und Gebet auf hochdeutsche Sprachmittel angewiesen. Die Folge ist aber die, dass man sich auf formulierte, gelernte Ausdrucksmittel beschr?nkt. Eine freie und selbst?ndige Bewegung l?sst sprachliches Unverm?gen und Ungewohnheit nicht zu.

Das bedeutet aber eine Armut des geistlichen Lebens. Wie oft wird aus Not geschwiegen werden m?ssen, wo der Christ reden sollte! Wie oft wird ein Zeugnis zur?ckgehalten werden, wo es abgelegt werden m?sste!

Studiendirektor Fleisch weist in der Dorfkirche sehr richtig auf die leidende Klarheit geistigen Erfassens hin, die eintritt, wo die M?glichkeit fehlt, dem Gedanken im eignen freien Worte Ausdruck zu geben. >>Es ist in der P?dagogik allgemein anerkannt, dass nichts mehr zu v?lligem Verst?ndnis verhilft, als der Versuch, etwas mit eigenen Worten wiederzugeben. Unsere wirklich noch plattdeutsch denkenden und sprechenden Niederdeutschen aber sind zum grossen Teil nicht in der Lage, mit eigenen hochdeutschen Worten sich ?ber Dinge des inneren Lebens auszusprechen. Es mit plattdeutschen Worten zu versuchen, hindert sie die >>heilige<< Sprache. Dadurch wird ihnen der Weg zum pers?nlichen tieferen Verst?ndnis erschwert. Man denke nur daran, wie fast unm?glich es ist, Bibelbesprechstunden einzuf?hren, wenn sie hochdeutsch gehalten werden sollen.<< -- Man erw?ge auch die verh?ltnism?ssige Wehrlosigkeit gegen sektiererische ?berredungskunst, wenn die M?glichkeit, klare Gedanken in klare Worte zu fassen, so beschr?nkt ist.

Es ist noch darauf hinzuweisen, dass im zarten Kindesalter die religi?se Beeinflussung durch die Eltern mangels sprachlicher Mittel unendlich beschr?nkt ist. Bisher war wenigstens w?hrend der Schulzeit das Abh?ren des Lernstoffes durch die Mutter ein gewisser Ersatz. Wird dies k?nftig mehr fortfallen, wird es in den plattdeutschen H?usern von christlichen Dingen recht still werden.

Was das Gebet im Besonderen angeht, so ist nicht zu bezweifeln, dass ausser gelegentlichen Stossseufzern und Bitt-Gebeten um irdische Dinge nirgends plattdeutsch gebetet wird. Die Rundfrage eines hannoverschen Sonntagsblattes hat nach Fleisch folgendes Ergebnis gehabt: Es wird hochdeutsch gebetet. Ganz wenige gereimte plattdeutsche Gebete gibt es; vor allem zwei kommen h?ufiger vor in verschiedener Formulierung. Sie seien hier mitgeteilt: >>S' abends, wenn ick to Bedde gah, viertein Engel mit mi gah: Twee to min H?upt'n, twee to min F?t'n, twee to min linken Sid, twee de mi deckt, twee de mi weckt, twee de mi denn Weg wiest to des Himmels Paradies. De Himmel is schlot'n, de H?ll is op'n, de D?bel is bun'n, Gott verleih mi een seelige Stun'n. Amen.<< >>Nu will ick to schlap'n un mi up den lewen Gott verlat'n. Un wenn de bitter Dod kommt un will mi beschliek'n, so nimmt de leiwe Gott mi in sien Himmelriek. Amen.<<

Man muss Fleisch durchaus recht geben, wenn er dazu ausf?hrt: >>Wir klagen, dass so wenig Gebetsleben da sei, dass so wenig aus dem Herzen gebetet werde, sondern meist mit formulierten Gebeten! Wie soll es anders sein, wenn man in einer >>heiligen Sprache<< betet, die einem nicht gel?ufig vom Munde geht. Da greift man nat?rlich zu auswendig Gelerntem, am liebsten zu Gesangversen, denn Reim und Rythmen beh?lt man am leichtesten! Wer will aber bestreiten, dass darin in der Tat eine Erschwerung f?r das Reifen pers?nlichen selbstst?ndigen Gebetslebens liegt? Plattdeutsches Beten ist aber nur zu erwarten, wenn auch plattdeutsch gepredigt, plattdeutsch katechisiert wird.<<

Aber dieser Aufsatz rechnete nur mit zwei M?glichkeiten der L?sung, >>entweder werde die hochdeutsche Sprache vollends zu der ausschliesslichen Sprache des Volkes, oder die Volkssprache zur ausschliesslichen Sprache der Kirche.<< Aber beide L?sungen sind abzulehnen. Dar?ber, dass das Plattdeutsche nach einer Uebergangszeit zur alleinigen Kirchensprache erhoben werden k?nnte, wird kein Wort mehr geredet zu werden brauchen. Die andere L?sung aber, dass das Plattdeutsche unter bewusster Mitwirkung der Kirche tunlichst schnell ausgel?scht werde, ist neuerdings, wenn auch bedingungsweise, in Betracht gezogen worden, f?r den Fall n?mlich, dass das Plattdeutsche ohnehin dem Untergang geweiht sei, und dem sei es verfallen, wenn es nicht auch wieder als eine Schriftsprache kulturelle Geltung gewinne.

Aber mehr, als die Kirche 300 Jahre lang zur Unterdr?ckung des Plattdeutschen beigetragen hat, w?rde sie in gleicher Richtung auch k?nftig mit dem besten Willen nicht tun k?nnen. Es w?re aber ein Unrecht gegen das gegenw?rtige Geschlecht, den heutigen Notstand auf sich beruhen zu lassen, weil er etwa in 100 Jahren -- wer will die Zeit berechnen? -- vielleicht nicht mehr bestehen m?chte. Daneben bleibt es dabei, dass die Erhaltung der Volkssprache im eigensten Interesse der Kirche liegt.

Zun?chst sind einige allgemeine Einwendungen zu er?rtern.

Es besteht weithin das Vorurteil, als sei das Plattdeutsche allm?hlich so sehr Sprache der Gasse geworden, dass es heute unf?hig sei, mit seinen Ausdrucksmitteln, Hohes und Tiefes, Heiliges und G?ttliches in ein w?rdiges Wort zu fassen oder ?berhaupt auszudr?cken. Man traut ihm kaum zu, ernste Dinge in ernster Form mit ernster Wirkung behandeln zu k?nnen. -- Dass in der neuplattdeutschen Literatur auch Federn geringen und geringsten Wertes vertreten sind, dass der Schwank, das L?uschen, ein derber Realismus in der Kleinmalerei des Volkslebens und ?hnl. so breiten Raum gewonnen haben, w?hrend das Ernste, Gehaltvolle, Edle, namentlich das Religi?se, nicht genug gepflegt worden ist, hat jenes Vorurteil nur best?tigen k?nnen. Es sei diesem Vorurteil das Urteil hervorragender und urteilsf?higer Zeugen gegen?bergestellt.

Prof. D. Hashagen r?hmt von der plattdeutschen Sprache: >>Sie ist eine der kindlichsten und mannhaftesten, eine der s?ssesten und machtvollsten, ?berhaupt eine der herrlichsten Sprachen auf Erden.<< Der weil. Generalsup. W. Baur, der als Gast im Hermannsburger Pfarrhause einer plattdeutschen Bibelstunde beigewohnt hatte, urteilt: >>Das Schriftdeutsch schien mir ein ?rmlicher Notbehelf neben der lebendigen Mundart, neben der Freiheit im Ausdruck, der Schalkhaftigkeit in der Wendung, die gerade ihr eigen ist.<< Prof. P. Hunzinger, weil. Hauptpastor zu St. Michaelis in Hamburg, schreibt: >>Wat up Plattd?tsch vertellt ward, dat lewt, dat is lebenniger, as bi 't Hochd?tsche, un steiht uns d?tlich v?r Ogen taum Gripen; dor is Lewen un Farw, Gef?uhl un W?rme, Hartlichkeit un Nat?rlichkeit in. Einfach un klor weit de Plattd?tsche sick uttaudr?cken, un dormit dr?ppt hei den Nagel up den Kopp.<< -- Ein Zitat aus Semper, mitgeteilt in Kr?ger, Geschichte der niederdeutschen Literatur dreht sogar den Spiess um, wenn es lautet: >>Die hochdeutsche Sprache ist in Norddeutschland auf dem Wege v?llig zu verarmen, da sie eine reine Buchsprache ist und von Leuten gesprochen wird, die, wenn die Zersetzung des einheimischen Volksdialekts noch weiter fortgeschritten sein wird, ?berhaupt keine lebende Sprache mehr besitzen. Es fehlt uns der nat?rliche Quell, aus dem sich Verluste stets neu erg?nzen k?nnen. Ich hatte oft genug Gelegenheit, zu sp?ren, wie sehr das Schriftdeutsch seit Luthers Zeiten schon erstarrt, verarmt und verwildert ist.<<

Der zweite Einwand wird im Interesse der Erbauung der Gemeinde erhoben. Achelis sagt: >>Dem plattdeutschen Volke werde durch plattdeutsche Darbietung das Heilige profan und wirkungslos.<< Weiter spricht er von dem meist erheiternden Eindruck plattdeutscher Wendungen in der Katechese. Hering meint, der niederdeutsche Bauer sei jetzt schon so von der Bildungspflicht durchdrungen, dass er sich als herabgesetzt in der Kultur f?hlte, wollte man ihm bei Missionsfesten oder an Familienabenden Geschichten plattdeutsch erz?hlen.

So fordern in Niederdeutschland zwei Kirchensprachen ihr Recht. Die Grenze zwischen beiden ist fliessend. Die zeitweilige Eignung des Pastors, die sprachliche Lage der Einzelgemeinde, vielleicht eines ganzen Kirchenkreises, sprechen mit. Auch der Entwicklung ist Raum zu gew?hren. Die feine Grenzlinie wird freilich nur der Takt ermitteln k?nnen.

Die Schwierigkeiten, welche der plattdeutschen Predigt entgegenstehen, sind zu ?berwinden. Nachdem vielfach die St?dte vorangegangen sind, ist ein Vorurteil der Landgemeinden zu heben, vorausgesetzt, dass der Pastor die Sprache beherrscht und guten Geschmack beweist, sich auch in der plattdeutschen Predigtsprache eines edlen und gehobenen Ausdrucks zu bedienen.

Die Gemeinde hat daf?r ein feines Verst?ndnis und urteilt ziemlich sicher. Nicht jedes drastische Bild und nicht jeder kr?ftige Ausdruck sind der W?rde kultischen Gebrauchs angemessen. Man sollte lieber zu vorsichtig, als nachl?ssig sein. Cl. Harms sagt: >>auf jeden Fall befleissigen Sie sich eines feineren, edleren Plattdeutschen, als wie Sie es h?ren von dem gemeinen Mann. Wenigstens der derben groben Ausdr?cke haben sie sich durchaus zu enthalten. -- Man irre sich nicht, das platte Plattdeutsch macht den Prediger keineswegs im guten Sinne des Wortes, auch bei den so Sprechenden nicht einmal popul?r.<<

Wie oft in gr?sseren St?dten ein plattdeutscher Gottesdienst einzuschieben ist, wird sich aus Erfahrung, Bed?rfnis und Erfolg von Ort zu Ort ergeben. In Dorfkirchen wird sichs wohl empfehlen, monatlich einmal plattdeutsch zu predigen.

Es konnten im Vorstehenden nur Andeutungen und Anregungen gegeben werden. Es m?ssen erst viele Erfahrungen eines l?ngeren Zeitraums aus den verschiedenen niederdeutschen Volksgebieten gesammelt und verarbeitet werden, um hier zu Kl?rungen, dort zu Berichtigungen und endlich zu gewissem Abschluss zu f?hren.

Die vorliegende Sammlung m?chte die Entwicklung f?rdern und dem niederdeutschen Kirchenvolke einen Dienst erweisen. Gott geleite sie mit seinem Segen!

Plattd?tsch Predigt

Wat meint de Apostel, wenn he schriwwt: Dat Fleisch is gegen den Geist, un de Geist is gegen dat Fleisch?

Ick will twei Geschichten vertellen, de uns dat wisen, un des Geschichten s?nd w?rklich passiert. Vor god 100 Johr lewt de Freiherr von Stein. He wir lang Tid Minister, un ick wull, wi hadden ok h?t so'ne Ministers as he wir. Mal hedd em en Herzog inladt un bei Disch wiren ok en ganz Deil jung Leutnants. As se nu all l?nger bi Disch seten hadden, f?ng de Herzog an, s?nne Geschichten to vertellen, as anst?ndig L?d nich vertellen s?llen. De Herzog lacht lud ?wer des Geschichten, un de Leutnants lachten sik ok. Freiherr von Stein set dor mit 'n irnst Gesicht. He s?d sik: Dat darfst du nich mit anh?ren, du m?st den Herzog seggen, dat dat Unrecht is, s?nne Geschichten to vertellen. ?wer en anner Stimm in em s?d: Lat dat, dat giwwt nen groten Krach, du weisst, wo upgeregt und w?tend de Herzog warden kann. Wat geiht di dat an, wat de Herzog vertellen deiht. Min leiw Fr?nd, hier hewwen wi dat, wat Paulus meint, wenn he seggt, dat dat Fleisch gegen den Geist, und de Geist gegen dat Fleisch is. De Geist, dat Gaude in em s?d: Du darfst dat nich ruhig mitanh?ren, un dat Fleisch, de oll Minsch in em s?d: Verbrenn di dorbi de Fingern nich. De Freiherr von Stein ded, woto de Geist em drew. He s?d: >>Ick heww mi ?mmer argert ?wer smutzig Geschichten, un ick holl dat nich v?r Recht, dat en Herzog to jung Leutnants s?nne Geschichten vertellt.<< Dat w?rd bi des W?rd dodenstill. De L?d, de dor wiren, w?rd' dat heit un kolt. Se kennten den Herzog. ?wer de sweg en Ogenblick still un f?ng denn an, von anner Saken to reden.

Noch en Geschicht: En Mann hedd sin Deinstm?ken anfohrt un bannig utschullen. Nahst markt he, dat he dat M?ken Unrecht dahn hadd. Do s?d en Stimm in em: du m?st nu to dat M?ken gahn, un ehr seggen, dat di dat leed deiht, dat du ehr Unrecht dahn hest. ?wer en anner Stimm in em s?d: dat is doch man en Deinstm?ken, du kannst doch nich na'n Deinstm?ken gahn un di awbidden. Dat geiht doch nich. Dor is ok de Geist gegen dat Fleisch, un dat Fleisch gegen den Geist west. He hedd nahstens s?lwst vertellt, dat he sick vier Dag henqu?lt hedd, bet he sick entsloten hedd, Awbidd to dohn. So lang s?nd Geist un Fleisch in em gegen einanner west, de Geist, de s?d: du m?st Awbidd dohn, und dat Fleisch, dat s?d: dat kannst du in din Stellung nich.

Ick kann dat ?wer nich laten, noch en Stell ut 'n Upsatz v?rtolesen, den ne plattd?tsch Schriftstellerin schrewen hett. Se wahnt in Schwerin un h?rt to uns Paulsgemein. De Upsatz is ?werschrewen: >>De D?wel un dat Johr 1920<<. In desen Upsatz heit dat: >>Baben up den Blocksbarg set de D?wel. He hadd sin grotes Anschriewebauk up de Knei un h?ll Afrecknung ?wer dat Johr 1920. >>Bi 'n D?wel noch mal<<, rep hei, >>dit Johr schafft 't. Dit is noch en Gesch?ft. Dit lohnt sick noch de M?uh.<<

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