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Read Ebook: Secreta Monita Societatis Jesu. The Secret Counsels of the Society of Jesus in Latin and English by Breckinridge Robert J Robert Jefferson Editor

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Ebook has 55 lines and 11430 words, and 2 pages

Translator: Rudolf Kassner

DER MANTEL

Eine Novelle von Nicolaj Gogol

Ins Deutsche ?bertragen von Rudolf Kassner

Im Insel-Verlag zu Leipzig

In einer Ministerialabteilung also diente ein Beamter, irgendeiner. Man kann nicht gut sagen, er h?tte herausgeragt aus der Schar der anderen, denn er war klein, pockennarbig, rothaarig, kurzsichtig, hatte eine Glatze und kleine verrunzelte B?ckchen, und aus seiner Gesichtsfarbe konnte man auf H?morrhoiden schliessen. Doch dagegen ist nichts zu machen. Schuld tr?gt das Petersburger Klima. Um seinen Rang nicht zu vergessen, da man bei uns vor allem den Rang angeben muss -- er war das, was man einen ewigen Titularrat nennt, ?ber welchen sich bekanntlich hier schon verschiedene Schriftsteller lustig gemacht haben; diese k?nnen nun einmal nicht von der Gewohnheit lassen, gerade auf solche Leute loszugehen, die sich nicht wehren k?nnen. Er hiess Baschmatschkin, und sein Vorname lautete Akaki Akakiewitsch. Es ist wohl m?glich, dass letzterer dem Leser merkw?rdig und ein wenig gesucht erscheine, doch ich kann ihm versichern, dass nach diesem Namen in Wirklichkeit nicht gesucht worden war, dass vielmehr Umst?nde eingetreten waren, die jeden anderen ausschlossen, und das hatte sich so zugetragen. Akaki Akakiewitsch wurde, wenn ich mich recht erinnere, in der Nacht des 23. M?rz geboren. Seine selige Mutter, eine Beamtenfrau und ein ?beraus braves Weib, machte, wie sich das geh?rt, sofort Anstalten, dass das Kind getauft werde. Sie lag noch im Bett, und rechts von ihr stand der Pate Iwan Iwanowitsch Jeroschkin, Abteilungschef im Senat und ein ganz ausgezeichneter Mann, und die Patin Arina Semenowa Bjelobruschowa, die Gattin eines Polizeileutnants und zudem mit seltenen Tugenden begabt. Pate und Patin liessen der W?chnerin die Wahl zuerst unter folgenden drei Namen: Mokia, Sossia und Chosdadat, der M?rtyrer, doch sie wollte nicht: >>Nein, das sind alles so Namen.<< Um sie zufriedenzustellen, wurde der Kalender an einer anderen Stelle aufgeschlagen, und da kamen die Namen: Trefilius, Dula und Barachassius heraus. >>Das ist ja wie eine Strafe Gottes!<< rief jetzt die Mutter. >>Was f?r schreckliche Namen! Nie noch habe ich diese Namen geh?rt! Wenn wenigstens Barabas oder Baruch dast?nde -- aber Trefilius und Barachassius! Ach! Ach!<< Noch einmal drehten der Pate und die Patin die Seite um: da standen aber Pafsikachius und Bachtissius. >>Ich sehe schon,<< schrie jetzt die Alte, >>das ist sein Los. Und weil es nicht anders sein kann, so soll er wie sein Vater heissen. Dieser hiess Akaki und darum soll auch sein Sohn so heissen!<< So kam es also zu Akaki Akakiewitsch. Die Taufe wurde nun vollzogen, und dabei weinte das Kn?blein und verzog das Gesicht so, als h?tte es vorausgef?hlt, dass es einmal Titularrat sein w?rde. Ich habe das alles ausgef?hrt, damit der Leser selber sehe, dass es gar nicht anders sein konnte und ein anderer Name unter diesen Umst?nden rein unm?glich und g?nzlich ausgeschlossen gewesen w?re.

Wann Akaki Akakiewitsch nun ins Ministerium kam und wer ihn dorthin brachte, daran kann sich wohl niemand mehr erinnern. Die Direktoren und Kanzleivorsteher wechselten, doch ihn sah man immer auf demselben Posten, in derselben Haltung, bei derselben Arbeit, so dass einer glauben konnte, Akaki Akakiewitsch w?re so auf die Welt gekommen: in Uniform und mit der Glatze. In seiner Abteilung bewies man ihm auch weiter keine Achtung. Die T?rsteher standen nicht nur nicht auf, wenn er kam, sondern sie sahen ihn nicht einmal, als w?re da anstatt eines Titularrats eine ganz kleine Fliege hereingeflogen gekommen. Die Kanzleivorst?nde behandelten ihn von oben herab. So ein Sekret?r hielt ihm einfach den Stoss Papiere unter die Nase hin und nahm sich erst weiter nicht die M?he hinzuzuf?gen: Bitte schreiben Sie das ab! oder: Heute gibt es wieder einmal eine h?bsche, interessante Arbeit f?r Sie! oder sonst etwas Verbindliches, wie es sich unter wohlerzogenen Leuten schickt. Und Akaki Akakiewitsch nahm auch alles so entgegen, wie man es ihm bot, und hatte nur Augen f?r das Papier und sah gar nicht erst auf den, der es ihm reichte und ob dieser auch dazu berechtigt w?re; er nahm es entgegen und machte sich sofort an die Arbeit. Die jungen Beamten lachten ihn aus und machten Witze mit ihm, wie das solche Kanzleigehirne eben verstehen; so erz?hlten sie in seiner Gegenwart Geschichten ?ber ihn und seine Wirtschafterin, ein siebzigj?hriges Weib, und sagten, dass diese ihn pr?gle, oder fragten, wann Hochzeit sein werde; auch streuten sie Papierschnitzel auf seine Glatze und meinten, das sei Schnee. Doch Akaki Akakiewitsch erwiderte mit keiner Silbe und tat, als s?he er nichts. Es st?rte ihn auch nicht im geringsten in seiner Arbeit; mitten unter allen diesen Sticheleien machte er nicht einen einzigen Fehler im Briefe. Nur wenn sie schon ganz unertr?glich waren und diese freundlichen Kollegen etwa seine Hand zu stossen begannen und ihn also an der Arbeit hinderten, rief er: >>So lasst mich doch in Ruhe! Warum m?sst ihr mich in einem fort ?rgern?<< Und etwas Fremdes und Fernes lag stets in diesen seinen Worten und in der Stimme, mit der er sie sprach. Ich sage, darin ward etwas laut, was in den Menschen das Mitleid erregen musste, so dass wirklich einmal ein junger Mann, der seit kurzem hier angestellt war und nach dem Muster der anderen sich auch allerhand Scherze mit Akaki Akakiewitsch erlaubte, ganz pl?tzlich davon abliess, als s?he er jetzt alles ganz anders und als h?tte sich alles nun vor seinen Augen verkehrt und verwandelt. Eine wunderbare Macht trennte ihn f?r immer von seinen Kollegen, mit denen er sich schon befreundet hatte, in der Meinung, es w?ren eben liebensw?rdige Leute von Welt wie andere auch. Und noch nach Jahren, in Augenblicken des Frohsinns, stand da pl?tzlich im Geiste der kleine Beamte mit der Glatze auf dem Kopfe vor ihm und sprach dieselben Worte: Lasst mich doch in Ruhe! Warum m?sst ihr mich in einem fort ?rgern? Und mit diesen Worten t?nten andere mit: Ich bin dein Bruder. Und der junge Mann bedeckte sein Gesicht mit den H?nden und erschrak jetzt und noch oft und oft in seinem Leben davor, wieviel Unmenschliches im Menschen wohne, wieviel Grausamkeit und Roheit gerade in diesen feinen, gebildeten M?nnern von Welt und weiss Gott auch in solchen noch stecke, welche allenthalben f?r gutm?tig und rechtschaffen gelten.

Es w?re wohl schwer gewesen, einen Menschen zu finden, der mehr in seinem Berufe lebte. Akaki Akakiewitsch diente mit Eifer, doch das ist noch nicht das Wort: er diente mit Liebe. W?hrend er so schrieb, erstand vor seinem Auge eine bunte und ihm liebe Welt, und der Genuss an dieser Welt dr?ckte sich auch in seinem Gesichte deutlich aus; da gab es immer Buchstaben, die er ganz besonders mochte; wenn er die zu Papier brachte, war er wie n?rrisch, l?chelte in sich hinein, zwinkerte mit seinen kleinen Augen und half gleichsam mit den Lippen nach, so dass man aus seiner Grimasse wohl lesen konnte, welchen Buchstaben eben seine Feder produzierte. Wenn sie ihn nach seinem Eifer entlohnt h?tten, m?sste er schon l?ngst Staatsrat sein -- wohl auch zu seinem eigenen Erstaunen; so hatte er sich, wie seine Kollegen sich ausdr?ckten, statt eines kleinen Bandes im Knopfloch die H?morrhoiden ersessen. Nat?rlich will ich damit nicht behaupten, dass seine Vorgesetzten auf ihn nicht aufmerksam geworden w?ren. Einer, ein guter Mensch, wollte ihn auch f?r seinen langen Dienst belohnen und gab den Auftrag, ihm von nun an eine wichtigere Arbeit anzuvertrauen als das blosse Abschreiben w?re: Akaki Akakiewitsch sollte Berichte f?r ein anderes Bureau liefern, und die Arbeit bestand schliesslich nur darin, dass er den Titel ?nderte und die erste Person in die dritte verwandelte, doch das machte ihm solche M?he, dass er ganz in Schweiss geriet, sich die Stirn rieb und endlich bat: Nein, lasst mich lieber wieder abschreiben! Und seitdem schrieb er wieder ab.

Was nicht zum Schreiben geh?rt, das existierte f?r Akaki Akakiewitsch nicht. So vergass er ganz auf seine Kleidung. Die Uniform war nicht mehr gr?n, sondern r?tlich und wie mit Mehl best?ubt; der Kragen war so eng und niedrig, dass sein Hals, der eigentlich kurz war, ganz lang erschien und der Titularrat jenen Katzen aus Gips glich, welche die Hausierer auf dem Kopfe, so ein Dutzend im Korbe, herumtragen. Und immer blieb etwas an seiner Uniform h?ngen: ein wenig Heu oder ein Bindfaden; zudem hatte er es darauf abgesehen, unter ein Fenster gerade in dem Augenblick zu treten, da man Kehricht auf das Pflaster warf, und so trug er stets etwas davon auf seinem Hute weiter: St?cke Schale von einer Wassermelone, Brotrinde und ?hnliches. Man kann wohl behaupten, dass er dem, was t?glich auf der Strasse vorgeht, auch nicht die geringste Aufmerksamkeit schenkte. Bekanntlich l?sst sein Bruder im Amte zu keiner Zeit die Augen davon, in der Tat hat er diese schon so gesch?rft, dass er es schon merkt, wenn einer auf dem anderen Trottoir unten die Hosen abgetreten hat, welcher Umstand ihn immer von neuem zu lautem Lachen reizt. Wohin immer Akaki blickte, ?berall sah er die sauberen, geraden Linien seiner Handschrift, und erst wenn sich ihm von ungef?hr eine Pferdeschnauze auf die Schulter legte und ihn aus seinen grossen N?stern anblies, wurde er gewahr, dass er sich nicht mitten in einer Zeile, sondern mitten auf der Strasse bef?nde.

Zuhause setzte er sich gleich zu Tisch, schlang die Suppe herunter und ass ein St?ck Rindfleisch mit Knoblauch dazu. Er schmeckte nicht, was er ass, und so kam es, dass er auch die Fliegen und was sonst etwa noch auf dem Essen lag, mit herunterschluckte. Wenn er f?hlte, dass der Magen voll zu werden anfing, stand er auf, nahm Tintenfass und Feder heraus und schrieb nun die Briefe und Schriften ab, die er mit nach Hause gebracht hatte. Gab es zuf?llig keine Briefe, so hatte er sich Kopien mitgenommen und schrieb sie jetzt zu seinem Vergn?gen ab, besonders gerne, wenn sich so ein Schriftst?ck weniger durch Sch?nheit des Stils, wie durch die Adresse an eine neue oder wichtige Pers?nlichkeit auszeichnete.

Um die Zeit, da Petersburgs grauer Himmel sich v?llig verdunkelt und das ganze Beamtenvolk jeder nach seinem Gehalt oder Geschmack abgegessen hat, um die Zeit, da alles sich vom Gekritzel der Federn, von den vielen G?ngen f?r sich und f?r andere oder sonst welchen M?hen, die sich der Mensch freiwillig aufzwingt mehr als n?tig, erholt, um die Zeit, da die Beamten alle sich beeilen, die noch ?brige Zeit dem Vergn?gen zu widmen: der eilt in ein Theater, dieser auf die Strasse, um gewisse kleine H?te zu begucken, ein dritter in eine Gesellschaft, um sich hier in Komplimenten zu verausgaben an ein zierliches Kind, den Stern eines kleinen Beamtenkreises, ein vierter -- und das kommt allerdings am h?ufigsten vor -- kriecht zu seinem Amtsbruder hinauf in den dritten oder vierten Stock, die Wohnung besteht aus zwei kleinen Zimmern mit Vorzimmer und K?che und ist nicht ganz ohne Anspr?che auf Sch?nheit, es steht da etwa eine Lampe drin nach dem neuesten Geschmack oder sonst ein seltener Gegenstand, der viel Opfer gekostet hat und ganz bestimmt nur um den Preis unterdr?ckter Mittagessen und unterlassener Theaterbesuche zu erstehen war; ich sage, um die Zeit, da diese Beamten sich in den Wohnungen ihrer Kollegen zerstreuen mit Whist, Tee und Zwieback, und einer sitzt dabei und dampft aus seinem langen Tschibuk, und ein anderer neben ihm erz?hlt einen Klatsch aus den h?chsten Kreisen, ein Vergn?gen, dem ein Russe niemals und unter gar keinen Bedingungen entsagen will, und wenn ihm keiner einf?llt, so gibt er wohl zum hundertsten Male die Anekdote zum besten vom Kommandanten, dem gemeldet wird, dass ein ?belt?ter dem Pferde am Denkmal Peters des Grossen den Schweif abgehauen h?tte, ich sage, um die Zeit, da alles die Freude und das Vergn?gen sucht, blieb Akaki Akakiewitsch durchaus jeder Art von Zerstreuung ferne. Niemand konnte sagen, er h?tte ihn jemals abends wo in Gesellschaft gesehen. Sobald er sich satt geschrieben hatte, ging er zu Bett, im voraus schon l?chelnd beim Gedanken daran, was Gott ihm wohl morgen zum Abschreiben geben werde.

So floss friedlich das Leben eines Menschen hin, der mit vierhundert Rubel Gehalt sich in sein Los schicken konnte, und dieses Leben w?re weiter so dahingeflossen in gleichem Frieden bis ins h?chste Greisenalter, wenn es nicht b?se Zuf?lle g?be auf dem Lebenswege nicht nur der Titular-, sondern auch der Geheim-, der wirklichen Geheim- und der Hofr?te, ja selbst derer, die niemandem einen Rat geben und auch von keinem einen solchen empfangen.

Alle die mit einem Jahresgehalt von vierhundert Rubel und darum haben in Petersburg einen gar argen Feind, und dieser Feind ist kein anderer als unser Winterfrost, trotzdem er nat?rlich f?r sehr gesund gilt. So um neun Uhr morgens, um die Zeit, da sich die Strassen f?llen mit solchen, die in die Ministerien m?ssen, beginnt er so kr?ftige und beissende Nasenst?ber auszuteilen, dass die armen Beamten wirklich nicht mehr wissen wohin mit ihren Nasen. Und wenn denen in hoher Stellung schon die Stirn vor K?lte brennt und Tr?nen in die Augen treten, geht es unseren armen Titularr?ten erst recht schlecht. Das einzige, was diesen zu tun ?brigbleibt, ist sich so schnell wie m?glich in ihren d?nnen M?ntelchen durch die f?nf oder sechs Gassen zu schlagen und dann in der Portierloge sich die F?sse am Ofen zu w?rmen, so lange, bis alle auf dem Wege eingefrorenen Talente und F?higkeiten zum Dienst wieder aufgetaut w?ren. Akaki Akakiewitsch begann nun schon seit einiger Zeit zu f?hlen, dass ihn da was im R?cken und auf den Schultern gar heftig zwicke und beisse, trotzdem er sich bem?hte, den Weg ins Bureau so schnell wie m?glich zur?ckzulegen. Und er dachte, ob nicht am Ende sein Mantel die Schuld tr?ge, und richtig, da er ihn zu Hause genau durchsuchte, entdeckte er, dass an drei oder vier Stellen, gerade am R?cken und an den Schultern, sich der Stoff durchgerieben hatte und ganz durchsichtig geworden und dass auch das Futter zerrissen w?re. Man muss im ?brigen wissen, dass die Kollegen auch diesen Mantel zur Zielscheibe ihres Spottes gew?hlt, dass sie ihm den ehrenwerten Namen eines Mantels ?berhaupt genommen und ihn Kapuze getauft hatten. In der Tat hatte er im Laufe der Zeit eine fragw?rdige Form angenommen, auch war der Kragen von Jahr zu Jahr schm?ler geworden, da er zum Flicken der anderen Teile herhalten musste, und diese Flecken verrieten keineswegs die Kunst eines Schneiders, vielmehr waren sie von h?chst unge?bter und grober Hand eingesetzt.

Da nun Akaki Akakiewitsch mit Augen sah, woran er w?re, beschloss er, den Mantel sofort zu Petrowitsch, dem Schneider, zu tragen. Dieser lebte irgendwo im vierten Stock eines Hinterhauses und befasste sich mit Reparaturen aller Art von Hosen und Fr?cken der Beamten und anderer Leute, nat?rlich nur in Stunden, da er n?chtern und sein Kopf frei war. Ich brauchte ?ber ihn nat?rlich nicht lange zu reden, doch da es nun einmal so Sitte ist, dass in einer Erz?hlung ?ber den Charakter einer Figur kein Zweifel herrsche, so her mit diesem Schneider. Vor Jahren hiess er noch einfach Grigori und war Leibeigener bei irgendeinem Herrn. Petrowitsch begann er sich erst zu nennen, da er freigelassen wurde und sich an allen Feiertagen t?chtig zu betrinken anfing, zuerst nur an den grossen, sp?ter aber an allen ohne Unterschied, wo immer nur im Kalender sich ein Kreuz fand. Darin war er der Sitte seiner V?ter durchaus treu geblieben, und wenn er darob mit seinem Weibe zankte, so nannte er sie ein weltliches Gesch?pf ohne Sitte und ohne Art und zudem eine Deutsche. Da ich nun schon einmal bei seinem Weibe bin, so muss ich auch ?ber sie ein paar Worte sagen. Leider ist von ihr nicht viel mehr bekannt, als dass sie eben das Eheweib des Petrowitsch sei und dass sie eine Haube und nicht ein Tuch um den Kopf trage. Sie konnte sich wohl in keinem Falle r?hmen, sch?n zu sein; h?chstens dass Soldaten von der Garde ihr einmal unter die Haube guckten, doch sie drehten sich da jedesmal den Schnurrbart, lachten und sprachen ein nicht wiederzugebendes Wort aus.

Auf der Stiege zu Petrowitsch -- die Wahrheit zu sagen war diese gerade frisch eingeseift und stank, wie alle Petersburger Hintertreppen, stark nach Schnaps -- ich sage auf der Stiege ?berlegte Akaki Akakiewitsch, wieviel Petrowitsch wohl verlangen d?rfte, und war in Gedanken fest entschlossen, nicht mehr als zwei Rubel zu geben. Die T?r stand offen, denn die K?che, wo des Petrowitsch Weib einen Fisch briet, war so voll Rauch, dass man nicht einmal die Schwaben sehen konnte. Akaki konnte also durchgehen, ohne von der Wirtin gesehen zu werden, und trat ins Zimmer des Petrowitsch, welcher an einem breiten ungestrichenen Tisch sass und die Beine wie ein Pascha gekreuzt hatte. Die F?sse waren wie bei allen Schneidern bloss, und vor allem musste dem Kunden der Daumen auffallen; Akaki Akakiewitsch kannte ihn gut mit seinem verst?mmelten Nagel, der dick und hart wie Schildpatt war. Um den Hals hingen ihm F?den von Zwirn und Seide und auf den Knien hatte er einen alten Fetzen. Schon seit einigen Minuten suchte er den Zwirn in das Nadel?hr zu bekommen, doch es wollte ihm nicht gelingen, und da begann er denn auf die Finsternis zu schimpfen und auch auf den Zwirn: Er geht nicht hinein, das Luder. Akaki Akakiewitsch war es nicht angenehm, gerade in einem Augenblick zu kommen, da Petrowitsch in schlechter Stimmung war: es w?re ihm lieber gewesen, bei Petrowitsch eine Bestellung zu machen, da dieser seine Courage vertrunken hatte und nach Fusel roch. In diesem Zustande ging er n?mlich auf alles ein und stand immer wieder von seinem Sitze auf und verbeugte sich in einem fort und war ?beraus dankbaren Gem?tes. Freilich sp?ter kam dann das Weib und weinte und schrie, der Mann sei betrunken gewesen gestern und h?tte nur darum die Arbeit f?r so wenig ?bernommen. Doch da legte man ein paar Kopeken zu, und die Sache war gemacht. Heute aber, schien es, war Petrowitsch n?chtern und darum fest, er tat den Mund nicht auf und war also eher geneigt, weiss Gott was f?r Preise zu verlangen. Akaki Akakiewitsch f?hlte das sehr deutlich und wollte schon wieder zur?ck, doch er war schon zu weit gekommen, Petrowitsch hatte ihn erblickt und blinzelte ihn mit seinem einzigen Auge von der Seite an, so dass der Titularrat ganz gegen seinen Willen: >>Guten Tag, Petrowitsch!<< ausrief. >>Gott zum Gruss, Herr!<< erwiderte Petrowitsch, und das Auge des Schneiders fiel auf die Hand des Akaki Akakiewitsch und wollte wissen, was f?r eine Beute dieser ihm heute denn br?chte. >>Ich komme zu dir, Petrowitsch ... denn ... weil ...<< Man muss wissen, dass der Titularrat sich meist nur in Umstands- und Beiw?rtern und in sonst welchen Silben, die ganz ohne Sinn waren, ausdr?ckte. Und wenn eine Sache sehr schwierig war, hatte er die Gewohnheit, den Satz ?berhaupt nicht zu beenden ...

>>Was habt Ihr da?<< sagte Petrowitsch und musterte inzwischen mit seinem einen Auge die ganze Uniform von oben bis unten, Kragen, Aermel, R?cken, Falten, Achselschlingen, er kannte das alles sehr gut, denn es war seine eigene Arbeit. Das ist bei Schneidern so Gewohnheit; das erste, was jeder tut.

>>Da hab ich was f?r dich, Petrowitsch. Den Mantel ... Das Tuch ... Du siehst, es ist ?berall noch gut, ganz fest. Er ist nur etwas verstaubt und sieht darum so alt aus, doch er ist noch ganz neu ... neu ... Nur hier ist so etwas ... am R?cken. Und auch noch auf der Schulter ist er ein wenig durchgewetzt, und dann da noch auf dieser Schulter ... Siehst du es auch? Das ist alles. Nicht viel Arbeit.<<

Petrowitsch nahm den Mantel, breitete ihn auf dem Tisch aus und pr?fte ihn lange. Er sch?ttelte mit dem Kopfe, und seine Hand griff nach einer runden Tabaksdose mit dem Portr?t eines Generals darauf -- man konnte nicht sehen welches, denn dort, wo das Gesicht h?tte sein sollen, war das Holz mit dem Finger durchgedr?ckt und mit einem St?ckchen Papier zugeklebt. Petrowitsch schnupfte ein wenig Tabak und hielt jetzt den Mantel gegen das Licht und sch?ttelte noch einmal sein Haupt; dann kehrte er das Futter heraus und sch?ttelte wieder mit dem Kopfe; noch einmal nahm er die Dose mit dem gek?pften General, zog etwas Tabak ein, legte sie aufs Fensterbrett und sagte endlich: >>Nein, da ist nichts mehr auszubessern. Der Mantel ist schlecht.<<

Dem Titularrat schlug das Herz. >>Warum nicht, Petrowitsch?<< fragte er mit der jammernden Stimme eines kleinen Kindes. >>Er ist doch nur an den Schultern etwas durchgewetzt. Du hast sicher bei dir noch alte Flecken zum Stopfen.<<

>>Die habe ich schon; aber man kann sie nicht mehr aufn?hen. Das Tuch ist schon ganz m?rbe und h?lt den Stich nicht mehr: so ist es!<<

>>Da n?hst du eben einen Lappen darauf!<<

>>Worauf denn? Nein, nein, den kann man nicht mehr zusammenflicken, der hat schon zuviel durchgemacht.<<

>>Doch, doch, stopf ihn nur!<<

>>Nein,<< sagte Petrowitsch jetzt ganz entschlossen, >>da ist nichts mehr zu stopfen. Am besten, Ihr macht Euch, wenn der Winter kommt, Fusslappen daraus. Str?mpfe sind doch nicht warm. Die haben die Deutschen erfunden, um noch mehr Geld zu machen. Den Mantel aber, versteht sich, m?sst Ihr Euch neu machen lassen.<<

Bei dem Worte neu wurde es dem Titularrat dunkel vor den Augen, und alles drehte sich ihm im Zimmer, und er sah nur ganz klar vor sich den General mit dem zugeklebten Gesichte auf der Tabaksdose.

>>Wieso einen neuen?<< rief er wie aus dem Traume. >>Ich habe doch kein Geld daf?r.<<

>>Ja, einen neuen,<< best?tigte Petrowitsch mit grausamer Ruhe.

>>Und wenn es schon ein neuer sein muss, was w?rde ...?<<

>>Ihr meint, was er kostet?<<

>>Ja.<<

>>Nun, so hundertundf?nfzig Rubel m?sst Ihr darauf schon verwenden,<< meinte Petrowitsch und kniff die Lippen zusammen. Er liebte n?mlich die starken Effekte. Er liebte es, den Leuten Schrecken einzujagen und dann so von der Seite zuzusehen, was der Geschreckte f?r ein Gesicht machte.

>>Hundertundf?nfzig Rubel f?r einen Mantel!<< schrie Akaki Akakiewitsch auf, vielleicht das erstemal wieder nach seiner Geburt, denn f?r gew?hnlich eignete ihm grosse Stille.

>>Ja, gewiss!<< sagte Petrowitsch. >>Und wenn Ihr den Kragen aus Marder und die Kapuze mit Seide gef?ttert haben wollt, so kommt er auf zweihundert.<<

>>Petrowitsch, ich bitte dich,<< flehte der Titularrat, ohne auf Petrowitsch zu h?ren und auf dessen Effekte zu achten, >>bessere mir den Mantel aus, damit er noch einige Zeit wenigstens h?lt!<<

>>Nein, das geht nicht. Das hiesse Arbeit verschwenden und das Geld auf die Strasse werfen,<< schloss Petrowitsch, und Akaki Akakiewitsch lief hinaus. Petrowitsch jedoch behielt noch lange seine Stellung, kniff h?chst bedeutsam die Lippen zusammen und liess die H?nde von der Arbeit, so zufrieden war er damit, dass er diesmal weder sich selber erniedrigt noch die Schneiderkunst verraten hatte.

Auf der Strasse ging Akaki Akakiewitsch wie im Traume. >>So etwas. Ich h?tte doch nicht gedacht, dass es dazu kommen w?rde!<< Und dann f?gte er hinzu nach einigem ?berlegen: >>So steht die Sache. Das kam dabei heraus. Wer h?tte vermuten k?nnen, dass es damit so st?nde.<< Und wieder schwieg er, und jetzt noch einmal: >>So steht es also mit mir. Das konnte ich doch nicht erwarten, niemals ... So etwas ...<< Anstatt nach Hause ging er nun, ohne es zu wissen, genau in der entgegengesetzten Richtung. Auf dem Wege streifte ihn ein Schornsteinfeger, und die Schulter war ganz schwarz davon. Auch fiel eine Kelle mit Kalk auf ihn von einem Hause, an welchem gebaut wurde. Er merkte nichts. Erst als er gegen einen Wachtposten angerannt war, der, die Hellebarde neben sich, aus seinem Beutel Tabak auf die schwielige Hand tat, wachte er auf, denn der Posten schrie ihn an: >>Musst du mir denn ins Maul kriechen? Wozu ist denn das Trottoir da?<< Jetzt sah er auf und ging nach Hause. Und hier erst begann er die Gedanken zu sammeln und klar seine Lage zu ?bersehen, hier erst begann er mit sich nicht mehr zusammenhanglos, sondern ?berlegt und offen zu sprechen, als redete er mit einem klugen Freunde, dem man eine Herzenssache anvertrauen kann. >>Nein, nein, heute kann niemand mit Petrowitsch reden. Sein Weib muss ihn durchgepr?gelt haben. Ich gehe besser am n?chsten Sonntag noch einmal zu ihm. Sonnabend ist er betrunken, und da bekommt er Sonntag darauf die Augen nicht auf und bedarf einer St?rkung. Sein Weib gibt ihm das Geld nicht, und da bin ich dann da und dr?cke ihm einen Sechser in die Hand, und so wird er mit sich reden lassen, und der Mantel wird dann noch gehen ...<< So schloss der Titularrat, sprach sich Mut zu und wartete auf den n?chsten Sonntag. Kaum hatte er gesehen, dass des Schneiders Weib aus dem Hause ging, eilte er schnurstracks zu ihm. In der Tat hatte Petrowitsch M?he, sein einziges Auge aufzubekommen und war ganz voll Schlaf und liess den Kopf h?ngen. Doch kaum hatte er verstanden, worum es sich wieder handle, als er schon wie vom Satan getrieben rief: >>Nein, nein, das geht nicht. Ihr m?sst einen neuen bestellen!<< Der Augenblick war da, ihm den Sechser in die Hand zu dr?cken. >>Ich danke Euch, Herr! Da kann ich mich ein wenig st?rken gehen auf Eure Gesundheit. Doch den Mantel lasst nun einmal, er taugt wirklich nichts mehr. Ich mache Euch einen neuen, sch?nen und dabei bleibt es.<< Der Titularrat fing immer wieder von der Reparatur an, doch Petrowitsch h?rte gar nicht auf ihn und rief: >>Ich mache Euch einen neuen. Verlasst Euch auf mich, ich werde mir M?he geben! Ich werde Euch sogar, weil es jetzt so Mode ist, silberne Pf?tchen aufs Appliqu? n?hen.<<

Akaki Akakiewitsch sah nun ganz klar, dass der neue Mantel nicht mehr zu umgehen sei, und sein Mut war weg. Von welchem Gelde sollte er sich ihn nur machen lassen? Freilich durfte er auf die Remuneration zu den Feiertagen hoffen, doch die war schon im voraus eingeteilt: er brauchte neue Hosen, musste den Schuster bezahlen f?rs Ansetzen von Kappen an den Schuhen, und dann wollte er bei der N?herin drei Hemden bestellen. Kurz, das Geld war schon verausgabt. Und wenn auch der Direktor so gn?dig w?re, ihm statt vierzig Rubel f?nfundvierzig oder gar f?nfzig zu bewilligen, w?rde die Kleinigkeit, die ?brigbliebe, nur ein Tropfen im Meere sein im Vergleiche zu der Summe, die der neue Mantel kosten soll. Nat?rlich das wusste er schon, dass Petrowitsch, weiss der Teufel warum, bei guter Laune gerne solche verr?ckte Preise machte, so dass selbst sein Weib sich nicht mehr halten konnte und ihn anschrie: >>Bist du n?rrisch geworden? Einmal arbeitest du f?r nichts und dann wieder treibt dich der Teufel, einen Preis zu verlangen, den du selber gar nicht wert bist.<< Wenn der Titularrat auch wusste, dass Petrowitsch den Mantel f?r achtzig Rubel liefern w?rde -- woher aber die achtzig nehmen? Die H?lfte konnte er noch zusammenkriegen, ja, die H?lfte sogar sicher, vielleicht auch eine Kleinigkeit mehr: aber die andere H?lfte, wer sollte die ihm geben?... Doch der Leser muss zuerst erfahren, woher er die erste H?lfte nehmen wollte. Akaki Akakiewitsch hatte n?mlich die Gewohnheit, von jedem verausgabten Rubel eine Kopeke in eine kleine Sparb?chse zu tun, die zugeschlossen war und einen schmalen Schlitz enthielt, durch den so eine Kopeke ging. Jedes halbe Jahr z?hlte er die Summe, die sich angesammelt hatte, und wechselte sie in Silber um. Das hatte er nun seit geraumer Zeit durchgef?hrt, und auf diese Weise war im Laufe von mehreren Jahren die Summe von vierzig Rubel zusammengekommen. Die eine H?lfte war also da, in seinen H?nden, woher aber, noch einmal, die anderen vierzig Rubel? Akaki Akakiewitsch ?berlegte hin und her und beschloss endlich, mindestens ein ganzes Jahr sich einzuschr?nken, das heisst: keinen Tee mehr am Abend zu trinken, kein Licht mehr anzuz?nden und, wenn er abends arbeiten m?sse, zur Wirtin zu gehen und dort bei der Kerze zu schreiben; dann auf der Strasse so leise und vorsichtig wie m?glich aufzutreten, ja auf den Zehen zu gehen, um die Sohlen nicht durchzuwetzen; endlich die W?sche so selten wie m?glich zum Waschen zu geben und sie zu Hause gleich auszuziehen, damit sie nicht abgen?tzt werde, und im halbwollenen Schlafrock dazusitzen, der sehr alt sei und dem die Zeit darum nichts mehr anhaben k?nnte. Es fiel ihm ja, um die Wahrheit zu sagen, anfangs schwer, sich an alle diese Entbehrungen zu gew?hnen, doch mit der Zeit wurde es ihm immer leichter, ja allm?hlich ward er ein Meister in der Kunst zu hungern, im Geiste sich mit dem Gedanken an den neuen Mantel n?hrend.

Und seit diesen Tagen wurde sein ganzes Wesen gleichsam voller, als h?tte er geheiratet, als st?nde ihm jetzt ein Wesen zur Seite, als w?re er nicht mehr allein und h?tte sich eine k?stliche Lebensgef?hrtin endlich entschlossen, den Weg des Lebens mit ihm zu wandeln, und ich sage, diese k?stliche Lebensgef?hrtin war eben der Mantel, innen wattiert und mit starkem Futter versehen. Akaki Akakiewitsch wurde in der Tat lebhafter und fester gleich einem Menschen, der ein Ziel hat. Aus seinem Gesichte und aus seinen Schritten waren von selbst aller Zweifel, jegliche Unentschlossenheit, alle die schwankenden und unbestimmten Z?ge verschwunden. In sein Auge kam zuweilen Feuer und in seinem Hirne blitzten dann k?hne, ja freche Gedanken auf: k?nnte der Kragen am Ende nicht doch aus Marder sein? Ich sage, Akaki Akakiewitsch wurde durch solche und ?hnliche Gedanken zerstreut, und einmal h?tte er beim Abschreiben beinahe einen Fehler gemacht, so dass er laut aufschrie und sich bekreuzte. Jeden Monat mindestens einmal klopfte er bei Petrowitsch an, um ?ber den Mantel zu schwatzen: wo w?rde man wohl am besten das Tuch kaufen, und welche Farbe sollte es eigentlich haben und wie teuer wird es sein? Und jedesmal kam er, wenn auch nicht ganz ohne Kummer, so doch zufrieden nach Hause bei dem Gedanken, dass nun endlich die Zeit da sein werde, da man alles Notwendige kaufen und der Mantel fertig sein w?rde. Und die Zeit kam schneller als er geglaubt hatte, denn wider alles Erwarten hatte der Direktor ihm nicht nur vierzig, sondern ganze f?nfzig Rubel bewilligt. Ob dieser es nun geahnt hat, dass Akaki Akakiewitsch einen neuen Mantel brauchte, oder ob das so von selber gekommen ist, Akaki Akakiewitsch hatte auf einmal zwanzig Rubel mehr. Und dieser Umstand beschleunigte die Sache. Noch zwei, drei Monate hungern, und Akaki Akakiewitsch hatte die achtzig Rubel beisammen. Sein sonst so ruhiges Herz begann laut zu schlagen, da er sich mit Petrowitsch zusammen nach dem Laden aufmachte. Sie kauften sehr gutes Tuch, nicht zu teuer, war dieses doch durch ein halbes Jahr hindurch der alleinige Gegenstand ihres Denkens gewesen und hatten sie doch selten einen Monat verstreichen lassen, ohne im Laden um den Preis zu handeln; daf?r meinte aber auch Petrowitsch jetzt, dass es bestimmt kein besseres Tuch gebe. Als Futter w?hlten sie Coulaincour, guten, festen, der nach der Aussage des Petrowitsch besser w?re als Seide und auch so aussehe und gl?nze. Marder kauften sie nicht, das war zu teuer, daf?r w?hlten sie aber ein Katzenfell, das beste, das sie im Laden fanden und das man im ?brigen von weitem ganz gut f?r Marder halten konnte. Petrowitsch brauchte im ganzen vier Wochen f?r den Mantel, denn es gab viel zu steppen, sonst w?rde er wohl fr?her damit fertig geworden sein. F?r die Arbeit nahm er zwanzig Rubel, billiger ging es schon nicht. Alles war auf Seide gen?ht, und bei jeder Naht half Petrowitsch noch mit den Z?hnen nach.

Es war nun -- ich kann nicht genau sagen, an welchem Tage -- es war jedenfalls am glorreichsten Tage in des Akaki Akakiewitsch Leben, dass Petrowitsch den Mantel endlich brachte. Am Morgen, genau um die Stunde, da der Titularrat ins Bureau musste. Auch w?re zu keiner anderen Jahreszeit der Mantel so gelegen gekommen, denn die starken Fr?ste hatten schon eingesetzt und drohten allem Anschein nach noch heftiger zu werden. Petrowitsch erschien mit dem Mantel ganz so, wie sich das f?r einen guten Schneider geh?rt. In seinem Gesicht lag ein Ausdruck, den Akaki Akakiewitsch an ihm noch nicht wahrgenommen hatte. Es schien, als f?hlte er durchaus, dass er keine geringe Sache hier zur Vollendung gebracht h?tte und dass er erst jetzt den Abgrund gewahr geworden w?re, der einen Flickschneider von jenem entschieden trenne, der neue Anz?ge machte. Petrowitsch nahm den Mantel aus dem Tuch heraus, in das er ihn gewickelt hatte. Er blickte ihn stolz an und warf ihn mit beiden H?nden sehr leicht Akaki Akakiewitsch um die Schultern; dann zog er ihn ein wenig nach unten mit der Hand; dann musste ihn Akaki Akakiewitsch aufgekn?pft lassen und der Mantel Falten werfen. Doch Akaki Akakiewitsch wollte als ein Mann von Erfahrung auch die ?rmel probieren; Petrowitsch half ihm -- auch die ?rmel passten. Kurz der Mantel war vollkommen. Petrowitsch unterliess auch nicht die Bemerkung, dass er ihn deshalb nur so billig gemacht h?tte, weil er weit vom Zentrum entfernt lebe und Akaki Akakiewitsch schon seit langem kenne; auf dem Newsky Prospekt h?tte ihm ein Schneider f?r die Arbeit allein f?nfundsiebzig Rubel genommen. Akaki Akakiewitsch wollte mit Petrowitsch dar?ber jetzt nicht rechten, f?rchtete er doch ?berhaupt all die Riesensummen, mit denen der Schneider Staub zu machen liebte. Er zahlte ihn aus, dankte ihm noch und ging alsogleich mit dem neuen Mantel ins Bureau. Petrowitsch ging ihm nach und sah sich auf diese Weise seinen Mantel aus der Ferne an, er bog auch in eine Seitengasse ein und kam auf derselben Strasse Akakiewitsch entgegen, so dass er den Mantel jetzt auch von vorne sehen konnte. Inzwischen aber schritt Akaki Akakiewitsch in wahrhaft feiert?glicher Laune weiter. Er f?hlte es in jedem Augenblicke, dass er jetzt den neuen Mantel anh?tte, und zuweilen l?chelte er vor innerem Gl?cke. In der Tat brachte ihm der Mantel auch jeden Vorteil, das heisst: er war sowohl warm als auch gut ?berhaupt. Auf den Weg achtete der Titularrat nicht, und schon war er im Ministerium. Im Vorzimmer nahm er den Mantel ab, betrachtete ihn von allen Seiten und ?bergab ihn dem Portier zu besonderer Aufsicht. Ich weiss nicht, auf welche Weise die Kollegen im Amte erfahren hatten, dass Akaki Akakiewitsch einen neuen Mantel h?tte und dass die alte Kapuze nicht mehr existierte: alle st?rmten im selben Augenblicke ins Vorzimmer hinaus, um den Mantel zu sehen. Dort begl?ckw?nschten und begr?ssten sie feierlichst Akaki Akakiewitsch, so dass er anfangs wohl lachte, zuletzt aber ganz verlegen wurde. Als nun aber alle in ihn drangen, der neue Mantel m?sste eingeweiht werden und er ihnen allen eine Gesellschaft geben, wusste Akaki Akakiewitsch schon gar nicht mehr wohin und was er antworten und wie er sich ausreden sollte, bis er ganz rot im Gesicht ihnen in seiner Einfalt versicherte, dass es doch kein neuer Mantel w?re, sondern ein alter. Doch da rief einer aus der Schar, ein Gehilfe des Chefs, wohl um zu zeigen, dass er nicht hochm?tig sei und den Verkehr mit niederen Beamten nicht meide: >>So ist es. Ich will an seiner Stelle die Gesellschaft geben und bitte euch alle f?r heute abend zu mir; im ?brigen trifft es sich, dass heute mein Namenstag ist.<< Die Beamten gratulierten jetzt dem Gehilfen und nahmen mit Freude die Einladung an. Nur Akaki Akakiewitsch bat um Entschuldigung, er k?nne nicht kommen; doch da redeten sie alle auf ihn ein, dass das ungezogen sei, ja einfach eine Schande, und so konnte er nicht nein sagen. Ja die Einladung war ihm sogar sehr lieb, da ihm jetzt einfiel, dass er auf diese Weise auch abends den neuen Mantel werde anziehen k?nnen.

Der ganze Tag war nun f?r Akaki Akakiewitsch ein Fest und ein Triumph. Er ging in der allergl?cklichsten Gem?tsverfassung nach Hause, nahm dort den Mantel ab und hing ihn mit der gr?ssten Vorsicht an die Wand. Immer wieder lieb?ugelte er mit dem Stoff und dem Futter und nahm auch zum Vergleich die alte Kapuze heraus. Er musste lachen, so gross erschien ihm der Unterschied zwischen beiden. Und noch lange nach dem Essen musste er lachen, sooft ihm die ?beraus traurige Verfassung seiner alten Kapuze einfiel. Sein Mahl verzehrte er mit aller Heiterkeit, und diesmal schrieb er nach dem Essen nicht ab, vielmehr faulenzte er am Bett, bis es dunkel wurde. Doch dann schob er es nicht mehr hinaus, zog den neuen Mantel an und ging auf die Strasse.

Wo der Beamte lebte, der die Gesellschaft gab, das weiss ich leider nicht genau zu sagen; mein Ged?chtnis l?sst mich jetzt oft im Stich, und Petersburgs H?user und Strassen gehen alle in meinem Kopfe so durcheinander, dass ich mich oft schwer darin zurechtfinde. Nur so viel weiss ich zu sagen, dass er im besten Viertel wohnte, also nicht sehr nahe von Akaki Akakiewitsch. Zuerst musste dieser wohl noch durch ?de Gassen mit sp?rlicher Beleuchtung schreiten, doch in dem Masse, als er sich der Wohnung des Gehilfen n?herte, wurden die Strassen lebhafter, bewohnter und besser beleuchtet. Blitzschnell eilten Fussg?nger an ihm vorbei, er sah sch?n gekleidete Frauen, die Herren trugen Biberkragen, das Auge begegnete hier nur ganz selten den h?lzernen Bauernschlitten mit dem durchl?cherten Boden, hingegen flogen elegante Kutscher mit himbeerfarbenen Sammetm?tzen, lackierten Schlitten mit B?rendecken durch die Strassen, und die Kufen und R?der knirschten am Schnee. F?r Akaki Akakiewitsch war das alles neu; schon seit vielen Jahren war er abends nicht auf der Strasse gewesen. Neugierig blieb er vor einem hellerleuchteten Laden stehen und sah darin ein Bild, eine h?bsche Frau darstellend, die sich den Schuh auszieht und so ihr Bein sehen l?sst; hinter ihr steckt ein Herr mit Backenbart und Fliege unter der Lippe den Kopf zur T?r hinein. Akaki Akakiewitsch sch?ttelte den Kopf und l?chelte und ging weiter. Und warum l?chelte er? Weil er hier einer ihm ganz und gar fremden Welt zum ersten Male begegnete, f?r die auch ihm das Gef?hl nicht ganz fehlen konnte. Oder dachte er so wie alle anderen Beamten: >>Diese Franzosen! Die verstehen das!?<< Vielleicht dachte er auch das nicht. Ach, wir verm?gen ja dem Menschen nicht in die Seele zu blicken und zu wissen, was er denkt.

Endlich erreichte er das Haus. Der Gehilfe lebte auf grossem Fusse, die Treppe war erleuchtet, die Wohnung im zweiten Stock. Im Vorzimmer sah Akaki Akakiewitsch eine ganze lange Reihe Galoschen. Mitten unter ihnen dampfte ein Samowar. An den W?nden hingen die M?ntel, einige darunter mit Biberkragen oder Sammetaufschl?gen. Hinter der Wand h?rte man L?rm und Worte, die pl?tzlich klar und deutlich wurden, da sich die T?r ?ffnete und ein Diener heraustrat mit leeren Teegl?sern, Sahne und einem Korb mit Zwieback auf der Tablette. Die G?ste waren also schon einige Zeit beisammen und hatten das erste Glas Tee schon getrunken. Akaki Akakiewitsch ging, nachdem er seinen Mantel eigenh?ndig an die Wand geh?ngt hatte, ins Zimmer, und vor seinen Augen gl?nzten im Nu die Kerzen, die Beamtenuniformen, die Pfeifen und Kartentische, und seine Ohren waren bet?ubt vom L?rm des Gespr?ches und des Stuhlr?ckens. Voller Scheu blieb er in der Mitte des Zimmers stehen und versuchte zu ?berlegen, was er denn weiter jetzt tun sollte. Doch kaum hatten ihn seine Kollegen bemerkt, als sie ihn mit grossem Geschrei umringten und gleich auch hinaus ins Vorzimmer st?rzten, um den Mantel noch einmal zu besichtigen. Akaki Akakiewitsch war nicht wenig verlegen, doch konnte er in seiner Einfalt nicht anders als sich freuen, da er sah, dass alle diesen Mantel priesen. Es versteht sich von selber, dass sie seinen Mantel sowie auch ihn sogleich stehen liessen und sich an die Whisttische setzten. Alles, der L?rm, das Reden, die Menge Leute, war f?r den Titularrat wie ein Traum, und er wusste nicht, wie ihm sei und wohin er mit den H?nden und F?ssen und ?berhaupt mit dem ganzen K?rper sollte. Endlich setzte er sich an einen Whisttisch, sah bald in die Karten, bald von den Spielern dem oder jenem ins Gesicht, begann zu g?hnen und f?hlte, dass er sich langweile, um so mehr, als schon lange die Zeit gekommen war, da er zu Bett zu gehen pflegte. So wollte er sich verabschieden, doch das liessen sie nicht zu, er sollte noch mit ihnen ein Glas Champagner zu Ehren des neuen Mantels trinken. Nach einer Stunde wurde auch das Abendessen serviert: Suppe, kalter Kalbsbraten, Pastete, Kuchen und Champagner. Akaki Akakiewitsch musste zwei Gl?ser Champagner mittrinken. Wenn er auch nach diesen f?hlte, dass im Zimmer die Heiterkeit zunehme, so konnte er dennoch nicht vergessen, dass es schon zw?lf Uhr und l?ngst Zeit f?r ihn sei, nach Hause zu gehen. Damit sie sich aber nicht wieder etwas ausdachten, um ihn zur?ckzuhalten, ging er ganz leise und unbemerkt aus dem Zimmer und suchte nach seinem Mantel. Nicht ohne Mitgef?hl sah er diesen am Boden liegen, und so sch?ttelte er ihn erst durch, nahm jedes Federchen weg, zog ihn an und ging hinaus und die Treppe hinunter auf die Strasse. Einige kleine Branntweinl?den, diese unvermeidlichen n?chtlichen Sammelpunkte f?r die T?rsteher und ?hnliche Leute, waren noch offen, andere, die geschlossen waren, liessen d?nne Lichtstrahlen durch alle T?rritzen und bewiesen damit, dass sie noch nicht leer w?ren und Bediente hier ihren Klatsch fortsetzten und ?ber die Herrschaft zu Gericht s?ssen. Akaki Akakiewitsch ging in heiterer Seelenstimmung, pl?tzlich war er sogar ganz von selber hinter einem D?mchen her, die wie ein Blitz an ihm vorbeigeschossen war und deren K?rper ihm so merkw?rdig beweglich vorkam. Doch blieb er bald zur?ck und ging wieder langsam weiter und war selber ganz erstaunt, wie er so pl?tzlich in den Trab gekommen w?re. Bald zogen sich vor ihm jene langen, ?den Strassen hin, die schon bei Tage uns d?ster zu stimmen verm?gen. Jetzt schienen sie noch tiefer und einsamer; die Laternen kamen immer seltener, immer sp?rlicher wurde hier anscheinend das ?l ausgefolgt. Schon kamen die H?user und Z?une aus Holz. Nirgends eine Seele. Alles Licht kam vom Schnee auf der Strasse, finster kauerten die niedrigen H?tten mit den geschlossenen Fensterl?den. Akaki Akakiewitsch kam jetzt dorthin, wo eine Strasse einen schier endlosen Platz durchschnitt, man konnte die H?user gegen?ber nicht mehr sehen, der Platz glich einer grauenhaften W?ste. Weit, Gott weiss wo, leuchtete ein schwaches Feuer in einer Bude, als welche in einem Kreis von Licht zu stehen schien. Akaki Akakiewitschs gute Laune war weg. Er betrat den Platz nicht ohne ein gewisses Grauen, als ahnte sein Herz B?ses. Er sah sich um und zur?ck -- das Meer lag um ihn. >>Besser nicht umsehen,<< dachte er und ging mit geschlossenen Augen weiter, und als er sie wieder ?ffnete, um zu sehen, wo er denn w?re, sah er vor seiner Nase Leute stehen mit B?rten; mehr konnte er nicht mehr unterscheiden. Da wurde es pl?tzlich dunkel vor seinen Augen, und er sp?rte einen Schlag auf seiner Brust. >>Das ist ja mein Mantel,<< rief einer von den M?nnern und packte den Titularrat am Kragen. Akaki Akakiewitsch wollte nach der Wache schreien, als ihm ein Mann eine riesige Faust in den Mund stiess und rief: >>Schrei nur!<< Akaki Akakiewitsch f?hlte, dass sie ihm den Mantel von den Schultern rissen und ihm eins mit den Knien versetzten, so dass er nach vorn in den Schnee fiel und nichts mehr von sich wusste. Nach einiger Zeit kam er zu sich und stand auf, doch war niemand mehr da. Er sp?rte, dass der Boden eiskalt und er ohne Mantel sei, und er wollte rufen, doch seine Stimme erreichte nicht einmal das andere Ende des Platzes. In seiner Verzweiflung lief er schreiend ?ber den ganzen Platz bis zur Bude. Der Wachtposten stand, auf seine Hellebarde gest?tzt, da und sah anscheinend nicht ohne Neugierde zu, wer zum Teufel mit solchem Geschrei auf ihn zugelaufen komme. Akaki Akakiewitsch schrie mit erstickter Stimme ihn an, dass er schlafe und gar nicht sehe, wie man die Leute vor seinen Augen beraube. Der Wachtposten bestand darauf, dass er nichts gesehen h?tte, zum mindesten nicht mehr, als dass zwei Menschen ihn mitten am Platz stehengelassen h?tten, er habe gemeint, es w?ren Freunde; der Herr sollte nur, statt ihn hier ganz umsonst anzuschreien, morgen zur Polizei gehen, dort werde man schon nach dem Diebe fahnden.

Akaki Akakiewitsch kam in vollst?ndiger Unordnung zu Hause an; sein Haar, ohnehin nur mehr noch sp?rlich an der Schl?fe und im Nacken, war zerzaust; die Seite, die Brust und die Hosen waren mit Schnee bedeckt. Seine alte Wirtin h?rte ihn diesmal anders als sonst an der T?r klopfen, sprang eilig aus dem Bett und lief, nur mit einem Strumpfe, ihm die T?r zu ?ffnen, w?hrend sie ihr Hemd keusch an die Brust hielt; doch liess sie dieses gleich los, da sie den Titularrat in seiner traurigen Verfassung erblickte. Und als sie nun vernahm, worum es sich handle, schlug sie die H?nde zusammen und meinte, er m?sse zum Polizeihauptmann, der Polizeileutnant sei eine Schlafm?tze, mache Versprechungen und ziehe die Sache nur hinaus; sie kenne den Hauptmann, weil Anna, die Estin, die fr?her bei ihr in der K?che gewesen sei, jetzt bei ihm als Amme diene; auch sehe sie ihn selber ?fters, wenn er am Hause hier vorbeifahre, im ?brigen gehe er jeden Sonntag in die Kirche, sage sein Gebet und sehe dabei alle Leute sehr freundlich an, er sei jedenfalls nach allem, was man beobachten konnte, ein guter Mensch. Akaki Akakiewitsch h?rte ihr zu und ging, ohne ein Wort zu sagen, in sein Zimmer -- wie er dort die Nacht verbracht hat, kann sich jeder denken, der sich an die Stelle eines anderen zu versetzen imstande ist. Am n?chsten Morgen machte er sich gleich zum Polizeihauptmann auf. Man sagte ihm dort, der Polizeihauptmann schlafe. Er kam um zehn Uhr wieder: er schl?ft noch. Um elf Uhr hiess es, er sei nicht zu Hause. Akaki Akakiewitsch kam um die Mittagsstunde -- doch die Schreiber wollten ihn jetzt nicht einmal hereinlassen und mussten erst wissen, was ihn herbringe und was ?berhaupt geschehen sei, so dass Akaki Akakiewitsch endlich, wohl das erstemal in seinem Leben, Mut bewies und in abgerissenen S?tzen erwiderte, er m?sse den Polizeihauptmann pers?nlich sprechen, sie sollten es nur wagen, ihn nicht hereinzulassen, er komme aus dem Ministerium in einer dienstlichen Angelegenheit, er w?rde ?ber sie alle, wie sie da w?ren, Beschwerde f?hren, und sie w?rden dann das Weitere schon sehen. Dagegen konnten die Schreiber nichts mehr erwidern, und einer ging hinaus, den Polizeihauptmann zu holen. Dieser hatte nun eine ganz sonderbare Art, den Bericht entgegenzunehmen. Statt auf die Hauptsache, den Raub des Mantels, einzugehen, fragte er Akaki Akakiewitsch, warum er so sp?t nach Hause gegangen sei und ob er nicht vielleicht gar in einem verrufenen Hause gewesen sei? so dass Akaki Akakiewitsch ganz verlegen wurde und hinauseilte, ohne zu wissen, ob die Angelegenheit nun ihren Weg gehen werde oder nicht. Er ging nicht ins Amt ; erst am n?chsten Tag erschien er wieder dort, bleich, verst?rt und mit der alten Kapuze, die heute noch trauriger aussah. Die Kunde vom Raub des Mantels r?hrte wohl die meisten seiner Kollegen -- nat?rlich fehlte es nicht an solchen, die auch diesmal die Gelegenheit nicht vor?bergehen lassen wollten, sich ?ber Akaki Akakiewitsch lustig zu machen. Sie beschlossen auch, eine Kollekte zu veranstalten, doch es kam nur eine Kleinigkeit zusammen, weil sie eben grosse Auslagen gehabt hatten mit dem Portr?t des Direktors und einem Buche, das sie auf Betreiben des Abteilungschefs, einem Freunde des Verfassers, kaufen mussten. Einer von ihnen beschloss, vom Mitleid bewegt, Akaki Akakiewitsch wenigstens mit einem guten Rat beizustehen und meinte, er solle nicht zum Polizeileutnant gehen, denn es k?nnte vorkommen, dass dieser, um sich beim Hauptmann beliebt zu machen, den Mantel auf die eine oder andere Art finde, dass der Mantel aber trotzdem auf der Polizei liegenbleibe, es sei denn, dass er sein Eigentumsrecht auf den Mantel gesetzlich nachzuweisen verm?chte; nun w?re aber da eine hochstehende Pers?nlichkeit, an die sollte er sich wenden, denn durch ihre Verbindungen verm?chte diese die Sache schneller zu betreiben, sobald sie davon erfahren h?tte. Wer gerade diese hochstehende Pers?nlichkeit gewesen w?re, ist bis jetzt ebenso unbekannt geblieben wie deren Stellung. Nur so viel war zu ermitteln, dass die hochstehende Pers?nlichkeit es erst vor kurzem geworden und bis dahin noch ganz und gar nicht hochgestanden w?re. Nat?rlich im Vergleiche mit einer noch h?herstehenden liess sich ihre Stellung ?berhaupt nicht zu den hochstehenden rechnen; aber es wird sich immer ein Kreis von Menschen finden, f?r den eine nicht sehr hochstehende Pers?nlichkeit eben schon eine sehr hochstehende ist. Selbstverst?ndlich suchte sie ihre hohe Bedeutung auf alle Weise und mit allerlei Mitteln zu bekr?ftigen; so z. B. f?hrte sie ein, dass die niederen Beamten ihr bis zur Stiege entgegengingen, sooft sie im Amt erschien; dass ferner niemand es wagen d?rfe, direkt vor ihr zu erscheinen, sondern dass es in folgender Reihenfolge vor sich gehen sollte: der Registrator ?bernimmt das Gesuch und ?bermittelt es dem Gouvernementssekret?r, dieser dem Titularsekret?r, und so auf diesem und gar keinem anderen Wege k?nne eine Sache bis zu ihr gelangen. So ist eben im heiligen Russland alles mit Nach?fferei angesteckt, und jeder tuts seinem Vorgesetzten nach und nicht anders. Als ein Titularrat Direktor einer kleinen Kanzlei wurde, soll er sich, so erz?hlt man, sofort ein eigenes Zimmer haben abstecken lassen, das er Dienstzimmer nannte; vor die T?r stellte er zwei Diener mit roten Kragen und goldnen Tressen, sie hatten jedem Hereinkommenden die T?r zu ?ffnen, und dabei konnte man im Zimmer mit M?he mehr als einen Tisch unterbringen. Die Empf?nge und ?berhaupt alle Gewohnheiten der hochstehenden Pers?nlichkeit waren sehr majest?tisch, aber durchaus nicht unkompliziert. Ihr System war Strenge. >>Nur Strenge und noch einmal und immer wieder Strenge,<< sagte sie bei jeder Gelegenheit, und beim letzten Worte pflegte sie jedesmal dem, mit dem sie gerade sprach, h?chst bedeutsam ins Gesicht zu blicken -- obwohl nat?rlich zu besonderer Strenge nicht die geringste Ursache vorhanden war, denn die zehn Beamten, die den Mechanismus ihrer Kanzlei bildeten, kamen ohnehin nie ganz aus der Furcht heraus; sobald sie ihrer nur ansichtig wurden, liessen sie die Arbeit liegen und standen auf und warteten, bis sie an ihnen vorbei w?re. Ihre ?bliche Ansprache an die Untergebenen war eben auch ganz durch jene Strenge gekennzeichnet und bestand im Grunde nur aus den drei S?tzen: >>Wie k?nnen Sie es wagen? Wissen Sie, mit wem Sie reden? Wissen Sie, wer vor Ihnen steht?<< Dabei war er im Innersten seines Herzens ein guter Kerl, freundlich zu seinen Kameraden, gef?llig; der Generalsrang hatte ihn eben ganz aus der Fassung gebracht. Er wurde durch diesen Titel in der Tat ganz verdreht, kam aus dem Geleise und wusste gar nicht mehr, wie ihm w?re. Mit Gleichgestellten gab er sich wie er ist -- als anst?ndigen, in vieler Beziehung gar nicht dummen Menschen; fanden sich aber in der Gesellschaft Leute, die auch nur um eine einzige Stufe niedriger waren als er, war er wie verwandelt: er schwieg und schwieg, und seine Lage weckte um so mehr Bedauern, als er selber f?hlte, dass er seine Zeit unvergleichlich angenehmer zubringen k?nnte. Man konnte ihm ja den Wunsch von den Augen ablesen, sich in ein interessantes Gespr?ch zu mischen oder einem Kreise beizugesellen, doch stets hielt ihn der Gedanke zur?ck: Wird es nicht von seiner Seite zu viel sein, wird es nicht famili?r erscheinen, wird er dadurch nicht seiner Stellung schaden? Die Folge davon war, dass er ewig an ein und derselben Stelle wie angenagelt dastand, keinen Ton von sich gab und also sich den Ruf eines h?chst langweiligen Menschen erwarb.

Vor dieser hochstehenden Pers?nlichkeit erschien also Akaki Akakiewitsch im allerung?nstigsten Augenblicke, will sagen: h?chst ung?nstig f?r sich selber, denn in einem gewissen Sinne kam er der hochstehenden Pers?nlichkeit ganz gelegen. Die hochstehende Pers?nlichkeit war in ihrem Kabinett und unterhielt sich sehr angeregt mit einem alten Bekannten und Jugendgespielen, der vor kurzem hier eingetroffen war und den sie lange nicht gesehen hatte. Und gerade in diesem Augenblicke musste auch der Diener melden, dass ein gewisser Baschmatschkin draussen warte. Der General fragte sehr scharf: >>Wer?<< Die Antwort: >>Ein Beamter.<< >>Er soll warten, ich habe jetzt keine Zeit.<< Hier muss ich gleich bemerken, dass die hochstehende Pers?nlichkeit da ganz einfach log, sie hatte Zeit; die beiden Freunde hatten l?ngst alles durchgesprochen und schon seit einiger Zeit die Unterhaltung mit leeren Phrasen zu f?llen gesucht, wie: >>Ja, ja, Iwan, so war es nun einmal!<< oder >>Stefan, es geht nicht anders auf der Welt,<< einander abwechselnd auf die Schultern klopfend. Aber trotzdem liess sie den Beamten warten, damit n?mlich der Jugendgespiele, der seit langem nicht mehr diente und auf dem Dorfe lebte, erfahre, wie lange hier die Beamten im Vorzimmer zu warten verst?nden. Erst nachdem sie sich, jeder an seiner Zigarre ziehend, in den sehr breiten, bequemen Fauteuils sattgeredet, vielmehr ausgeschwiegen hatten, fiel der hochstehenden Pers?nlichkeit wie von ungef?hr etwas ein, und sie sagte zum Sekret?r, der bei der T?r mit Schriften stand: >>Draussen, scheint es, steht ein Beamter. Sagen Sie ihm, er kann herein!<< Da sie nun das dem?tige Gesicht des Akaki Akakiewitsch und dessen abgetragene Uniform sah, kehrte sie sich ihm zu und schrie ihn ohne weiteres an: >>Was wollt Ihr?<< Mit ihrer schneidenden, harten Stimme, die sie zu Hause im Zimmer ganz allein vor dem Spiegel geprobt hatte, eine Woche schon, bevor sie ihren jetzigen Posten und den Generalsrang erhalten hatte. Akaki Akakiewitsch f?hlte auch so die geb?hrende Ehrfurcht, war gleich verwirrt und erz?hlte, soweit Redefreiheit ihm erlaubt war, dass sein Mantel ganz neu, dass er auf eine ganz unmenschliche Weise beraubt worden w?re, dass er sich jetzt an seine Exzellenz wende, damit seine Exzellenz durch ihre F?rsprache etwa ... damit sie sich in Verbindung setze mit dem Herrn Oberpolizeimeister oder sonst jemandem von der Polizei und auf diese Weise nach dem Mantel gesucht werde. Seiner Exzellenz erschien nun diese Sprache zu famili?r. >>Was heisst denn das, mein Herr,<< unterbrach er ihn, >>kennen Sie nicht die Vorschrift? Wohin sind Sie denn ?berhaupt gekommen? Wissen Sie nicht, wie man in einem solchen Falle vorzugehen hat? Sie h?tten zuerst ein Bittgesuch in der Kanzlei einreichen sollen, so w?re es zuerst in die H?nde des Kanzleivorstehers gekommen, dieser h?tte es dem Sekret?r ?bergeben, und der Sekret?r hat es dann mir einzuh?ndigen.<<

>>Ach, Eure Exzellenz,<< erwiderte Akaki Akakiewitsch, indem er alles, was er an Mut in seiner Seele barg, herausholte und f?hlte, dass er ganz entsetzlich schwitze, >>ich war so frei, Eure Exzellenz selber damit zu bel?stigen, weil die Sekret?re ... weil sich auf die Sekret?re doch kein Mensch auf der Welt verlassen kann!<<

>>Was, was, was?<< rief die hochstehende Pers?nlichkeit. >>Woher dieser Geist? Woher solche Gedanken? Welcher Geist des Aufruhrs unter den jungen Leuten gegen ihre Vorgesetzten!<< >>Wissen Sie, zu wem Sie reden? Wissen Sie, wer vor Ihnen steht? Wissen Sie das oder nicht, frage ich?<< Hier stampfte die Exzellenz mit dem Fusse auf den Boden und schrie so laut, dass sich auch ein anderer als Akaki Akakiewitsch gef?rchtet h?tte. Akaki Akakiewitsch verging vor Angst, zitterte am ganzen K?rper und konnte sich kaum auf den Beinen erhalten; wenn die Diener ihn nicht gehalten h?tten, w?re er zu Boden gesunken; sie trugen ihn wie leblos heraus. Die hochstehende Pers?nlichkeit, zufrieden damit, dass der Erfolg ihre Erwartungen ?bertroffen, ja berauscht von dem Gedanken, dass ein Wort von ihr einen Menschen des Bewusstseins zu berauben vermochte, sah den Freund von der Seite an, um sich zu vergewissern, wie dieser sich dabei benehme, und sie sah nicht ohne Vergn?gen, dass dieser Freund sich ?usserst unbehaglich f?hlte und seinerseits auch schon Angst zu sp?ren begann.

Wie er die Treppe herunter, wie er weiter auf die Strasse gekommen sei, daran konnte Akaki Akakiewitsch sich nicht erinnern. Er sp?rte weder Hand noch Fuss; in seinem ganzen Leben war er noch nicht von einem General angeschrien worden, noch dazu von einem fremden. Auf der Strasse wehte der Schnee, Akaki Akakiewitsch ging mit offenem Mund, der Wind blies wie immer in Petersburg von allen vier Seiten, im Nu hatte er sich erk?ltet, so kam er zu Hause an, ohne die Kraft zu haben, auch nur ein Wort zu sagen. Er fror und legte sich ins Bett. Den n?chsten Tag lag er im Fieber. Dank dem grossm?tigen, hilfsbereiten Petersburger Klima schritt die Krankheit schneller vor, als man sonst h?tte erwarten d?rfen, und nachdem der Doktor ihm den Puls gef?hlt hatte, fand er nichts anderes mehr zu tun vor, als ein Rezept zu schreiben, nur damit der Kranke nicht ganz ohne die wohlt?tige Hilfe der Medizin sei, und erkl?rte ihm auch, dass er nicht mehr als h?chstens zwei Tage werde zu leben haben; und sich zur Wirtin kehrend, setzte er hinzu: >>Und Ihr, Alte, verliert nur keine Zeit und bestellt lieber gleich einen Sarg aus Fichtenholz; einer aus Eiche ist f?r ihn sowieso zu teuer.<< Hatte Akaki Akakiewitsch diese f?r ihn so ?beraus trostreichen Worte geh?rt oder nicht, haben sie ihn zu ersch?ttern vermocht, bedauerte er jetzt sein sorgenreiches, erb?rmliches Leben -- niemand vermag es zu sagen, denn Akaki Akakiewitsch befand sich die ganze Zeit ?ber im Delirium. Ein Gesicht nach dem anderen ohne Unterbrechung jagte durch sein Gehirn: Petrowitsch erschien ihm, und er bestellte bei ihm einen Mantel, in- und auswendig voll von Fallen gegen die Diebe; diese lagen unter dem Bett, und er schrie nach der Wirtin, sie sollte einen von ihnen unter seiner Bettdecke, wohin dieser schon geraten sei, hervorziehen. Dann fragte er, warum vor ihm die alte Kapuze h?nge, da er jetzt doch einen neuen Mantel bes?sse; auch schien ihm, er st?nde vor dem General und liess sich herunterreissen und sagte nur immer wieder: Verzeihung, Exzellenz, Verzeihung! Dann wieder fluchte er und nahm so entsetzliche Worte in den Mund, dass sich die Wirtin bekreuzigte; noch nie hatte sie solche Worte aus diesem Munde vernommen, und jetzt folgten diese Fl?che stets unmittelbar auf: >>Eure Exzellenz<<. Sp?ter sprach er nur mehr noch ganz sinnloses Zeug, man konnte nur unterscheiden, dass sie alle sich um ein und denselben Mantel drehten. Endlich gab der arme Akaki Akakiewitsch seinen Geist auf.

Weder seine Zimmer noch irgendwelche Sachen darin wurden mit dem staatlichen Siegel versehen, denn erstens hatte er keine Erben und zweitens hinterliess er nur sehr wenig und zwar: ein B?ndelchen mit G?nsefedern, ein Buch Amtspapier, drei Paar Socken, zwei bis drei abgerissene Hosenkn?pfe und dann die dem Leser bekannte Kapuze. Wem das alles blieb, weiss Gott; ich gestehe, dass ich mich auch weiter darum nicht gek?mmert habe.

Sie trugen Akaki Akakiewitsch heraus und begruben ihn. Und Petersburg blieb nun ohne Akaki Akakiewitsch, als wie wenn er niemals in dieser Stadt gelebt h?tte. Mit ihm schwand hin und verbarg sich f?r ewig ein Gesch?pf, das keines Menschen Schutz genossen hatte, niemandem teuer und f?r niemand von irgendwelchem Interesse und nicht einmal die Aufmerksamkeit eines Naturforschers auf sich zu ziehen imstande war, als welcher es ja nicht einmal verschm?ht, eine gemeine Fliege aufzuspiessen und unter dem Mikroskop zu betrachten -- ergeben hatte er den Hohn seiner Kollegen ertragen und stieg, ohne irgendeine ausserordentliche Tat verrichtet zu haben, ins Grab hinab. Doch auch er ist einmal, ganz kurz vor seinem Lebensende, im Licht gestanden, und der Mantel hatte f?r einen Augenblick sein armseliges Leben reich gemacht, und dann fiel ihn das Ungl?ck an, nicht anders als es die M?chtigen der Erde anf?llt.

Einige Tage nach seinem Tode wurde aus dem Ministerium ein Diener in sein Quartier geschickt mit dem Befehle, sofort zu erscheinen, der Vorstand will es; doch kam der Amtsdiener ohne ihn zur?ck mit der Antwort, Akaki Akakiewitsch k?nne nicht mehr kommen. Auf die Frage: warum? erwiderte er: >>Darum, er ist tot; vor vier Tagen haben sie ihn begraben.<< So erfuhren sie im Amte den Tod des Akaki Akakiewitsch, und am n?chsten Tage sass schon ein neuer an seiner Statt; dieser war viel gr?sser und schrieb die Buchstaben bei weitem nicht mehr in so gerader Linie, sondern eben viel schiefer.

Doch wer kann sich vorstellen, dass hier noch nicht alles von Akaki Akakiewitsch gesagt ist, dass dieser vielmehr verurteilt war, noch einige Tage fortzuleben nach seinem Tode, gleichsam zum Ersatz daf?r, dass sein Leben so unbemerkt geblieben war. Es hatte sich jedenfalls so zugetragen, und unsere n?chterne Erz?hlung nimmt jetzt ganz unerwartet ein phantastisches Ende.

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