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Read Ebook: Aus dem Reiche des Buddha: Sieben Erzählungen by Dahlke Paul Steig Ber Bruno Illustrator

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Ebook has 1097 lines and 43400 words, and 22 pages

,,Geh!"

Und wieder das dem?tige, lockende:

,,Das Gl?ck sagt man ja, Bhante, das Gl?ck."

Dabei wiegte sie leise den tiefgesenkten Kopf, sodass die Wellen bis zu den vollen H?ften zu gehen schienen.

Suriyagoda blickte starr gerade aus.

,,Freilich, Weib! Das Gl?ck, sagt man ja, das Gl?ck. Aber was ihr da draussen Gl?ck nennt, das ist Unrat und Verderben im Orden des Erhabenen. Und was ihr da Verderben nennt, das ist Gl?ck und Schmuck im Orden des Erhabenen. Aber geh! Ich darf hier nicht zu dir reden."

Der K?rper des jungen Weibes zuckte von unterdr?cktem Schluchzen. Mitleidig neigte sich Suriyagoda. Ber?hren durfte er sie nicht, aber er wollte ihr im N?herkommen seiner Stimme Trost geben.

Sei es nun, dass das Weib sehr erregt oder schnell gestiegen war: Indem Suriyagoda sich herabbeugte, stieg der Duft der Haut zu ihm empor. Verw?hnt, ?berempfindlich gemacht durch die strengen, aber keuschen Klosterger?che richtete er sich schnell auf. Dieser Duft war ihm zuwider. ,,Geh, geh!" sagte er fast ungeduldig.

Bei dieser dritten Aufforderung erhob das Weib sich; die gefalteten H?nde vor dem Gesicht behaltend wandte sie sich schnell und verschwand in der D?mmerung.

Gerade in diesen Tagen wurde das Kloster, in welchem Suriyagoda lebte, von einem schweren Schlag betroffen, indem der Abt, Suriyagodas Lehrer, pl?tzlich starb.

Suriyagoda war sein Lieblingssch?ler gewesen. Jahrelang hatten sie sogar dieselbe Zelle geteilt -- der ?ltere, um stets Belehrung geben, der J?ngere, um stets Belehrung empfangen zu k?nnen.

Dem scharfen Auge des alten Denkers war Suriyagodas Charakter bis in seine Tiefen klar. Denn sobald man das Licht der eigenen Ichsucht ausgel?scht hat, sieht man jeden Schein im Innern des Anderen:

Dem Abte war nicht entgangen, dass Suriyagoda, trotz seiner Aufnahmef?higkeit f?r die Lehre des Buddha doch immer noch durch das k?rperliche Material, das er auf Grund seines Karma verarbeiten musste, am fessellosen Erkennen gehindert wurde; dass er immer noch an der Fessel des Gottesglaubens krankte, wenn auch in jener reinen, h?chsten pantheistischen Form des Vedanta, die aber, wo es auf v?lliges Durchdringen des Dharma ankommt, eben so hinderlich ist, wie der rohe Glaube an einen pers?nlichen Gott.

Eines Tages, nach l?ngerer Unterredung sagte er zu Suriyagoda:

,,Die Liebe, vor der du dich durch den Palmblattf?cher sch?tzen willst, ist gar nicht eine solche Liebe, dass man sich vor ihr durch ?ussere Mittel sch?tzen k?nnte."

Suriyagoda verstand nicht. Da jener aber nichts weiter sagte, so wagte er nicht zu fragen.

Der war nun pl?tzlich gestorben, aufrichtig betrauert von seinen M?nchen und seiner ganzen Gemeinde. Und das Kloster war vorl?ufig ohne Abt. Mancher munkelte, dass Suriyagoda trotz seiner Jugend sein Nachfolger werden sollte. Suriyagoda selber w?rde eine solche Ehrung ausgeschlagen haben. Sein Streben ging nicht auf Amt und W?rden, sondern auf ein Leben stiller Nachdenklichkeit. Wer erkannt hat, wozu er lebt, der weiss auch, dass jeder Augenblick aufgeht im Arbeiten an sich selber, im stillen z?hen Kampfe mit sich selber.

In der ersten Zeit nach dem Tode des Abtes, wenn die M?nche abends still und beklommen in der weiten Halle sassen, in welcher das flackernde irrende Kokosnuss-L?mpchen nur Schatten, nicht Licht zu geben schien, da tauchte leise immer wieder die Frage auf: ,,Wohin mag er wohl wiedergeboren sein?", eine Frage, auf die freilich niemand eine andere Antwort geben konnte als die: ,,Dahin, wohin seine Taten ihn gef?hrt haben." Denn nicht Vater und Mutter, sondern die Taten dieses Lebens wahrlich sind der Mutterschoss, aus welchem das n?chste Leben hervorgeht. Deswegen ist es ja, dass der Buddha die Wesen ,,Karma-entsprossen" nennt, nicht ,,Eltern-entsprossen."

Dass der Alte weiter wandern musste im Samsara, dass er Nirwana, das Ende, das Verl?schen, noch nicht erreicht habe, dar?ber war ja freilich kein Zweifel. Er selber hatte es noch in seinen letzten Stunden gesagt, aber in Ruhe und Fassung, so dass man wohl die frohe Hoffnung heraus h?rte, nicht in niederen Wesenheiten wiedergeboren zu werden. Man wusste auch, dass der Verstorbene nicht ganz frei war vom H?ngen an gewissen kleinen L?sten dieser Welt. Fast scherzhaft war seine Neigung f?r S?ssigkeiten gewesen und seine Anh?nger, die seine Vorliebe kannten, hatten ihn stets reichlich damit versorgt.

Als nun eines Abends wieder die grosse Frage er?rtert wurde: ,,Wohin mag er wohl wiedergeboren sein?", da meinte einer der Klostersch?ler, der mittags die Schalen der M?nche am Brunnen wusch, ein kleiner Knirps, aber keck wie einer:

,,Beim Zuckerb?cker!"

Suriyagoda verwies ihm solche unziemliche Rede ernsthaft und sandte ihn zur Strafe aus der Halle; aber ein Weilchen herrschte Schweigen, weil jeder mit einem L?cheln k?mpfte.

Von diesem Abende an wurde die Frage der Wiedergeburt des Abtes nicht mehr ber?hrt.

Suriyagoda befand sich damals in einer merkw?rdigen Verfassung. Im Verlauf jener Unterhaltung, an deren Schluss der Abt ihm gesagt hatte, dass jene Liebe, durch die er gehen m?sse, nicht durch einen Palmblattf?cher abzuwehren sei, hatten sie ?ber den Wert der Religionen gesprochen und der alte Abt hatte das Christentum mit ungewohnter Sch?rfe abgetan. ,,Es befriedigt weder das Bed?rfnis des Menschen nach Wissen, noch sein Bed?rfnis nach Gerechtigkeit. Lass dich," fuhr er eindringlich fort, ,,nicht durch dieses Aush?ngeschild der Liebe bestechen. Erste Pflicht der Menschen ist nicht die Liebe, sondern das Denken. H?chstes Menschtum liegt nicht im Lieben, sondern im Denken. Lieben tun die Tiere auch, denken tut nur der Mensch -- und die G?tter," f?gte er mit einem L?cheln hinzu. ,,Liebe ohne denken ist, als ob der Karren den Ochsen zieht." Er meinte, Liebe solle stets vom Denken geleitet werden, nicht ihm vorauslaufen.

Dann hat Suriyagoda um die Erlaubnis gebeten, die Upanishaden in der Ursprache lesen zu d?rfen. Er war der beste Sanskrit-Kenner des ganzen Klosters.

Der Alte hatte nicht gleich geantwortet. Die weichen H?nde ein wenig fester zusammenpressend hatte er in den Klostergarten hinausgeblickt, wie interessiert in die letzten Regentropfen, die von den Palmblattwedeln an der Halle zur Erde fielen. Dann hatte er ruhig gesagt: ,,Wenn du willst, so lies." Nach diesem hatte er dann jene Worte von Suriyagodas Liebe gesprochen, die der M?nch nicht verstanden hatte.

Noch am selben Abend hatte Suriyagoda seine Lekt?re begonnen. Er las und las. Ihm war, als ob er ertrinken m?sste in diesem Gedanken-Ozean. Was waren das f?r Menschen, diese Gott-Trunkenen, Yaj?avalkya, der in Worten und Gedanken spricht, welche Himmel und Erde gleichsam m?helos in sich hineinsaugen; diese Maitreyi, die da sagt: ,,Gieb mir nicht, was man Weibern gibt -- jenes grosse Wissen gib mir, das du hast." Sie meinte das Wissen von der Einheit zwischen Mensch und Gott. War es nicht etwas ungeheuerliches, mit einem einzigen Erkenntnisakt jenes Wissen zu erreichen, das Seligkeit gibt f?r immer! Denn kann der Mensch gr?ssere Seligkeit f?hlen, als die Erkenntnis: ,,Ich und Gott, wir sind eines Wesens; ich Gottes, Gott meines Wesens und T?uschung, wahrlich, ist das, was mich von der All-Einheit trennt." Wie anders, wie erhaben war das alles in Vergleich zu diesem d?rren, n?chternen, m?hevollen, ja unerh?rt hartem Ringen mit jeder Tat, jedem Wort, ja jedem Gedanken, wie die Lehre des Buddha es verlangt. Diese schreckliche, fast aussichtslose Arbeit des Gedankenb?ndigens, das Stillstellen der ewig mahlenden R?der, die sich selber mahlen, wirft man kein Korn zwischen sie. Wie eine Art Wollust ?berkam es ihn, wenn er an die Geheimnisse jenes mystischen Lautes dachte, den der Gott-Ergriffene von der zitternden Lippe schweigt. Kurz: Er sehnte sich aus der harten Arbeit des ewig wachen Denkens in die mollige Ruhe des Gottfriedens, wie der Knecht nach den Fleischt?pfen des Herrn.

Alle diese Stimmungen und Gef?hle fanden ihr st?ndiges Gegengewicht im Dasein seines Lehrers. Mit dessen Tode ging das Steuer seines Lebensschiffes verloren. Immer tiefer arbeitete er sich in diesen Zwiespalt zwischen Verstand und Gem?t, zwischen Belehrung und nat?rlicher Neigung. Immer wieder freilich sagte ihm der Verstand: ,,Die Wahrheit lehrt der Tath?gata. Nur hier, wo gezeigt wird, dass ich selber Frucht meiner Taten bin, nur da ist Gesetz; nur wo Gesetz ist, ist Gerechtigkeit; nur wo Gerechtigkeit ist, ist Befriedigung." Aber das Erdige an ihm, das von Vater und Mutter stammte, hing sich wie ein Gewicht an den Flug dieses reinen Erkennens. Immer wieder raunte es in ihm: ,,Wenn es doch ein Ewiges g?be! Wenn es doch eine Seligkeit g?be, jenseits! Wenn dieses ,,Neti, Neti" der Upanishaden doch dereinst unerh?rte Wirklichkeit werden k?nnte! Wenn die alten Rishis doch Lehrer w?ren und nicht Schw?rmer!"

Eines Tages ging er, m?de vom fruchtlosen Denken, gegen Abend zum Ort hinunter. Er f?hlte das Bed?rfnis, andere Menschen um sich zu sehen, auch wollte er sich am Ufer des Sees, der einem grossen Lotusteich glich, ergehen.

An einem abgelegenen Winkel, von den ?berh?ngenden Zweigen eines wilden Mangobaumes halb verdeckt, sah er einen M?nch aus dem Nachbarkloster sitzen. Der sass, die Beine gekreuzt, die H?nde ineinander gefaltet, hoch aufgerichtet, da, und wiederholte immer das eine Wort: ,,Wasserkranich, Wasserkranich!"

Erstaunt h?rte Suriyagoda ihm eine Weile zu; dann, weil der Andere ihn gar nicht bemerkte, r?usperte er sich, trat h?flich n?her und liess sich zu seiner Rechten nieder. Dann begann er:

,,Bruder, ist wohl eine Frage erlaubt?"

,,Freilich, Bruder."

,,Weshalb sagtest du eben in einem fort das Wort ,Wasserkranich, Wasserkranich'?"

Der sah ihn verdutzt an, dann erwiderte er:

,,Bruder, nicht ,Wasserkranich, Wasserkranich,' sondern ,Verg?nglichkeit, Verg?nglichkeit' habe ich gesagt."

,,Verzeih, Bruder. Du sagtest ,Wasserkranich, Wasserkranich'."

Da schlug sich der andere vor die Stirn und rief:

,,Sch?ne Geschichte! Der Abt hat mir als Aufgabe zum Meditieren ,Verg?nglichkeit, Verg?nglichkeit' gegeben, nun sitze ich hier und sehe die Kraniche auf dem Wasser hin- und herziehen, und statt, ,Verg?nglichkeit, Verg?nglichkeit' sage ich ,Wasserkranich, Wasserkranich'."

Dabei lachte er lustig und auch Suriyagoda lachte so kr?ftig, wie er seit Jahren nicht gelacht hatte. Denn stille Heiterkeit geh?rt sich wohl im Orden des Erhabenen, aber h?rbares Lachen ist nicht schicklich.

Als er zur?ckkehrte, dachte er bei sich: ,,So ist das nun, und das wird daraus." Er meinte: So ist die Lehre beschaffen, dass sie in dieser geistlosen Weise verarbeitet werden kann. Er f?hlte auch nicht einmal, dass er ungerecht urteilte; denn zu geistloser Verarbeitung bietet auch die Lehre der Upanishaden Anhalt zur Gen?ge.

Der Zufall wollte es, dass er auf dem gleichen Spaziergange in der N?he der grossen Eingangspforte, auf dem Wege, der zum Rajagiri-Lena f?hrt, zwei M?nner traf, die auf einer Stange einen Sack trugen. Als sie an Suriyagoda vorbeigingen, sagte der eine: ,,Bhante, verzeiht, dass wir heute nicht Ehrfurcht erweisen k?nnen. Es ist dieses wegen da." Dabei zeigte er auf den Sack.

,,Was habt ihr denn in dem Sack?" fragte Suriyagoda.

,,Herr", antwortete derselbe Mensch, der vorhin gesprochen hatte, ,,es ist eine Cobra, dick wie mein Arm. Wir sollen sie t?ten."

,,Seit wann t?tet ihr denn Lebendiges?" fragte Suriyagoda erstaunt.

Der Mensch schwieg.

,,Herr," begann der andere, ,,wir sind arm; es ist des Lohnes wegen."

Damit schien sich dem ersten die Zunge wieder zu l?sen und er begann eilfertig:

,,Herr, die Sache ist die: Der Alte, unten am See, der die Lotusbl?ten auf dem Brett feil h?lt, hat uns gedungen, sie zu t?ten. Er sagt, es ist eine schlechte Schlange. Vor vier Jahren ist sie zu ihm an den Feuerplatz gekommen, da hat er ihr gesagt: ,Was willst du hier? Das ist nicht dein Haus. Du weisst, dein Haus ist das Djangel'. Darauf wendet sich die Schlange schnurstracks und huscht zum Walde zur?ck. Sie war damals noch eine gute Schlange. Gestern Abend nun tritt der Alte auf seine Plattform. Was liegt da? -- die Cobra! -- aufgerollt und zischt. Sie ist dick wie mein Arm, Herr. Er nimmt ein Steinchen und wirft es ihr zu. Ist so erschrocken, dass er ihr nicht zureden kann. Sie geht weg. Heute ist sie wieder da, zischt wieder. So meint der Alte, wenn er mal im Dunkeln auf sie tritt, wird sie ihn t?ten. Deswegen bat er uns, sie zu fangen und im Sack auf die Strasse zu legen, dass ein Elefant sie zertritt."

,,Weiss denn der Alte unten, dass es die n?mliche ist, wie vor vier Jahren?"

,,Sicherlich Herr!"

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