Read Ebook: Die Frauenfrage im Mittelalter by B Cher Karl
Font size:
Background color:
Text color:
Add to tbrJar First Page Next Page
Ebook has 162 lines and 26583 words, and 4 pages
####################################################################
Anmerkungen zur Transkription
Der vorliegende Text wurde anhand der 1910 erschienenen Buchausgabe so weit wie m?glich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungew?hnliche und heute nicht mehr gebr?uchliche Schreibweisen bleiben gegen?ber dem Original unver?ndert; fremdsprachliche Begriffe wurden nicht korrigiert.
Umlaute in Grossbuchstaben werden, abgesehen von der Titelseite, als deren Umschreibungen wiedergegeben. Die Verwendung des ,scharfen S' entspricht nicht in allen F?llen den heutigen Rechtschreibgewohnheiten.
Besondere Schriftschnitte wurden in der vorliegenden Fassung mit den folgenden Sonderzeichen gekennzeichnet:
####################################################################
DIE FRAUENFRAGE
MITTELALTER
VON
KARL B?CHER.
ZWEITE VERBESSERTE AUFLAGE.
T?BINGEN
VERLAG DER H. LAUPP'SCHEN BUCHHANDLUNG 1910.
Alle Rechte vorbehalten.
Druck von H. Laupp jr in T?bingen.
FRAU
LINA LUDWIG
GEWIDMET.
Das Beste, was Frauen uns geben, k?nnen wir niemals wiedergeben, und wenn ich dieses B?chlein Dir, der lieben guten Mama, zueigne, so weiss ich, dass damit die Dankesschuld nicht abgetragen werden kann, zu der ich mich bekennen muss. Aber vielleicht ist es Dir doch eine Freude, dadurch an die Zeit erinnert zu werden, wo sich auf dem Frankfurter Stadtarchiv mir die Gedanken, die es enth?lt, zusammenf?gten und ich an so manchem sch?nen Sonntag bei Euch in Heppenheim ausspannen durfte.
Ausgesprochen wurden diese Gedanken zuerst in einem Vortrage, den ich am 28. M?rz 1882 im Liebigschen H?rsaale zu M?nchen vor gebildeten Frauen und M?nnern gehalten habe. Aus dem Kreise der Zuh?rer sahen damals zwei freundliche Augen zu mir empor, die seitdem meinen Lebensweg erhellten und die jetzt erloschen sind. Du wirst es vor allen verstehen, dass ich mich lange nicht entschliessen konnte, das B?chlein, das damals gedruckt wurde, zu erneuern, als es vergriffen war. Wenn ich es jetzt dennoch tue, so bin ich nicht der Versuchung erlegen, was ich einst in keckem Jugendmute hingestellt hatte, mit altem, bed?chtigem Kopfe umzumodeln. Die Schrift scheint doch manchem so, wie sie ist, lieb geworden zu sein, und wenn ich heute vielleicht auch vieles anders sagen w?rde, in ihren tats?chlichen Feststellungen hat sie vor der Kritik bestehen k?nnen. Die Verbesserungen der neuen Auflage beschr?nken sich deshalb auf kleinere Berichtigungen und Zus?tze und auf eine gr?ssere Aenderung am Schlusse, zu der die Ergebnisse der Berufsz?hlung von 1907 Anlass gaben. Ausserdem sind in den Anmerkungen einige genauere Belege gegeben, ohne dass Vollst?ndigkeit der Literaturangaben erstrebt wurde. Eine gelehrte Abhandlung sollte mein Vortrag nicht werden.
+Leipzig+, den 25. Oktober 1909.
+Karl B?cher.+
Inhalt.
Die Frage 1. -- Ihr zwiesp?ltiges Wesen 2. -- Ihre statistische Wurzel 3. -- Das Zahlenverh?ltnis der Geschlechter im Mittelalter 5. -- Ursachen des grossen Frauen?berschusses 7. Versch?rfung durch Ehebeschr?nkungen 9. -- Wirtschaftliche Stellung der Frau im deutschen Altertum 10. -- Berufsbildung und Entlastung der Frauen 12. -- Angeblicher Ausschluss von z?nftiger Erwerbst?tigkeit 13. -- Tats?chliches Verh?ltnis 15, -- in der Textilindustrie 16, in der Schneiderei 18, -- in anderen z?nftigen Gewerben 19, -- in nicht z?nftigen Berufen 20. -- Versorgungsanstalten: a) Kl?ster 24; -- b) Leibrentenkauf 26; -- c) Samenungen 27; -- d) Gottesh?user 32. Statistisches 34. Statuten 35. T?tigkeit der Bekinen 36. Aufnahmebedingungen 38. Lebensweise 38. Religi?se Stellung 40. Entartung 41. -- Soziale Stellung der Frauen im Mittelalter 43. -- Gegens?tze 45. -- Fahrende Frauen 48. -- Die gemeinen Frauen in den St?dten 55. Frauenh?user 56. Sittenpolizei 60. Eingreifen der Kirche 61. Reuerinnen 62. Rettungsh?user 63. -- R?ckblick 66. Wandlung seit der Reformation 67. -- Die heutige Frauenfrage 71. -- Anmerkungen 76.
Die >>Frauenfrage<< bildet nach allgemeiner Annahme eine Zeitfrage von so eigenartig modernem Charakter, dass es von vornherein fraglich erscheinen k?nnte, ob man berechtigt sei, diesen Ausdruck auch auf Erscheinungen der Vergangenheit anzuwenden. Wenn wir aber ?berall da von >>Fragen<< reden, wo wir die vorhandenen Zust?nde in einem auff?lligen Widerspruche sehen zu dem, was Vernunft und Gerechtigkeit fordern, so wird es wohl kaum noch einem Zweifel unterliegen, dass wir auch von Fragen der Vergangenheit sprechen d?rfen, wo wir immer derartige Widerspr?che zwischen dem, was +war+, und dem, was h?tte sein sollen, entdecken. Es ist dabei ziemlich gleichg?ltig, ob die tats?chlich vorhandenen Widerspr?che als >>Fragen<< in das Bewusstsein der Zeitgenossen getreten sind; es gen?gt vollst?ndig, wenn ein derartiger Widerspruch nachgewiesen werden kann, oder wenn sich Versuche und Anstalten zu seiner Beseitigung erkennen lassen. Oder wollte etwa jemand leugnen, dass die moderne Frauenfrage lange vor der Zeit schon existiert hat, wo sie anfing, in popul?ren Vortr?gen, auf >>Frauentagen<< oder bei ?sthetischen Teegesellschaften verhandelt zu werden?
Wenn ich in diesem Sinne von einer Frauenfrage im Mittelalter sprechen will, so bin ich weit davon entfernt, mich auf den Standpunkt derjenigen zu stellen, welche die gesamte rechtliche, politische und soziale Stellung der Frau im Widerspruch finden mit den Forderungen der Vernunft und Gerechtigkeit. Von diesem Standpunkte aus gab es sicherlich im Mittelalter weit, weit mehr zu >>fragen<< und zu w?nschen als heutzutage. Ich denke mich vielmehr auf jenen engeren Teil der Frauenfrage zu beschr?nken, den man vielleicht richtiger als >>Frauen+erwerbs+frage<< bezeichnen w?rde. Freilich hat auch noch in diesem engeren Sinne heute die Frauenfrage eine doppelte Seite. Sie stellt sich dar einerseits als Frauenschutzfrage mit Bezug auf die zahlreichen weiblichen Arbeiter der Industrie, anderseits als Frage der Erweiterung des Erwerbsgebiets der Frauen f?r diejenigen weiblichen Glieder der gebildeten Klasse, welche aus irgend einem Grunde ausserhalb der nat?rlichen T?tigkeitssph?re ihres Geschlechtes in der Wirtschaft Verwendung suchen.
Welche von diesen beiden Seiten der Frauenerwerbsfrage man nun auch ins Auge fassen mag, immer wird man darauf zur?ckgef?hrt, die +Wurzel+ derselben zu suchen in der Tatsache, dass gegenw?rtig ein ansehnlicher Teil der Frauen innerhalb der Familie nicht diejenige Versorgungsgelegenheit findet, die wir ihm aus allgemeinen Gr?nden w?nschen m?ssen. Diese Tatsache beruht in erster Linie auf einem statistischen Missverh?ltnis, welches obwaltet zwischen der Zahl der heiratsf?higen Frauen und M?nner, sodann aber auf einer entweder notwendigen oder freiwilligen Enthaltung von der Ehe auf Seiten eines Teils der heiratsf?higen M?nner.
Was zun?chst jenes statistische Missverh?ltnis betrifft, so ist es eine bekannte Tatsache, dass fast in allen europ?ischen Staaten unter den Neugeborenen die Zahl der Knaben ?berwiegt, dass aber durch rasches Absterben der m?nnlichen Kinder das Zahlenverh?ltnis zwischen beiden Geschlechtern bis etwa zum 17. oder 18. Jahre sich ausgleicht. Wo nun eine Bev?lkerung weiterhin nur nat?rlichen Einfl?ssen ausgesetzt ist, d. h. wo die Verminderung der Geschlechter nur durch Absterben erfolgt, da kann sich das Zahlenverh?ltnis derselben etwa vom 18. bis zum 30. Jahre, also dem eigentlichen Heiratsalter, im Gleichgewicht erhalten. Es w?rde bei rechtzeitiger Verheiratung jede Frau einen Mann bekommen k?nnen. Vom 30. Jahre ab gewinnt ?berall das weibliche Geschlecht ein Uebergewicht und steigert dasselbe von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, so dass in den h?chsten Altersstufen auf 10 M?nner durchschnittlich 14-20 Frauen zu kommen pflegen.
So gestaltet sich das Verh?ltnis der Geschlechter unter rein +nat?rlichen Einfl?ssen+. Allein diese nat?rlichen Einfl?sse gelangen in vielen Staaten nicht zu ungest?rter Wirksamkeit. Kriege und Auswanderung, sowie die nachteiligen Folgen mancher Berufst?tigkeiten verringern die Zahl der M?nner schon zwischen dem 18. und 30. Jahre so stark, dass fast pl?tzlich um das 20. Jahr das anf?ngliche Uebergewicht des m?nnlichen Geschlechts in ein Uebergewicht des weiblichen Geschlechtes umschl?gt. Insbesondere ung?nstig pr?gen sich die Ergebnisse der angedeuteten nachteiligen Einwirkungen in der Geschlechtsgliederung der deutschen Bev?lkerung aus. Von den Altersstufen zwischen 20 und 25 Jahren kommen im Deutschen Reiche nach der Z?hlung von 1900 auf 1000 M?nner schon 1012 Frauen; im Alter von ?ber 20 Jahren ?berhaupt auf 1000 M?nner 1064 Frauen. Noch ung?nstiger gestaltet sich diese Betrachtung, wenn wir ber?cksichtigen, dass normaler Weise das Heiratsalter des Mannes um etwa f?nf Jahre h?her ist, als das der Frau. Stellen wir demgem?ss die M?nner im Alter von 25-30 Jahren den Frauen im Alter von 20-25 Jahren gegen?ber, so erhalten wir f?r die deutsche Bev?lkerung auf je 1000 M?nner 1105 Frauen.
Es kann demnach ein betr?chtlicher Teil der heiratsf?higen Frauen unter keinen Umst?nden heute zur Verehelichung gelangen, selbst den Fall vorausgesetzt, dass alle M?nner heiraten wollten und k?nnten. Dieser Fall trifft nun aber bekanntlich nicht zu. Ein ansehnlicher Teil der M?nner bleibt unverm?hlt. Es ist klar, dass beide Umst?nde, der statistische Frauen?berschuss und das soziale Uebel der m?nnlichen Ehelosigkeit, in ihrem Zusammenwirken einen betr?chtlichen Teil der unverheiratet bleibenden Frauen auf eine Existenz durch eigene Erwerbsarbeit hinweisen. Zu einem eigentlichen Erwerbs-Notstande f?hren dieselben indes nur in den sogen. h?heren Klassen der Gesellschaft, f?r die es an passenden Frauenerwerbsgebieten fehlt.
Statistische Ermittelungen, welche ?ber drei der bedeutendsten mittelalterlichen St?dte Deutschlands angestellt werden konnten, haben ?bereinstimmend einen so bedeutenden Ueberschuss der erwachsenen weiblichen ?ber die gleichalterige m?nnliche Bev?lkerung ergeben, dass man mit Notwendigkeit auf die Vermutung gef?hrt wird, es m?sse die Frauenfrage im st?dtischen Leben der beiden letzten Jahrhunderte des Mittelalters weit sch?rfer und brennender aufgetreten sein als heutzutage. Eine zuverl?ssige Z?hlung der N?rnberger Bev?lkerung, welche am Ende des Jahres 1449 vorgenommen wurde, ergab unter der b?rgerlichen Bev?lkerung auf 1000 erwachsene Personen m?nnlichen Geschlechts 1168 Personen weiblichen Geschlechts. Aber nicht bloss in den b?rgerlichen Familien, sondern auch unter der dienenden Klasse ?berwog das weibliche Geschlecht. Rechnen wir diese mit der b?rgerlichen Bev?lkerung zusammen, so kamen gar auf 1000 m?nnliche Personen 1207 weibliche. In Basel scheint um 1454 das Verh?ltnis ?hnlich gewesen zu sein. In den beiden Kirchspielen St. Alban und St. Leonhard trafen damals auf 1000 m?nnliche Personen ?ber 14 Jahren 1246 weibliche Personen der gleichen Altersstufen. Eine Z?hlung endlich, welche die gr?ssere H?lfte der erwachsenen Bev?lkerung von Frankfurt a. M. im Jahre 1385 umfasst, ergab 1536 m?nnliche und 1689 weibliche Personen oder auf 1000 M?nner rund 1100 Frauen. Diese letzte Ziffer ist eine Minimalziffer; es l?sst sich mit guten Gr?nden wahrscheinlich machen, dass der Frauen?berschuss in Frankfurt a. M. im Jahre 1385 noch weit betr?chtlicher gewesen ist.
Hier wirft sich zun?chst die Frage auf: woher kommt dieser bedeutende Ueberschuss der erwachsenen weiblichen ?ber die m?nnliche Bev?lkerung? Ich will versuchen, dieselbe mit ein paar kurzen Andeutungen zu beantworten. Drei Ursachen scheinen mir besonders in Betracht zu kommen:
Ausserdem ist wohl die Vermutung nicht abzuweisen, dass die st?dtische Berufsarbeit in engen, ungesunden R?umen, zwischen hohen, dicht zusammenger?ckten H?usermauern bei der Unvollkommenheit der technischen Hilfsmittel viel mehr aufreibende Muskelarbeit von den M?nnern erfordert habe, dass der Daseinskampf bei dem raschen Wechsel von guten und schlechten Jahren, von hohen und niederen Lebensmittelpreisen, von Ueberfluss und Mangel f?r sie, wenn auch vielleicht im ganzen nicht schwieriger, so doch unregelm?ssiger und wechselvoller sich gestaltet haben m?sse als in Zeiten besserer Gesundheitspflege und ausgebildeten nationalen und internationalen Verkehrs.
Welcher von diesen Entstehungsursachen nun auch der mittelalterliche Frauen?berschuss vorwiegend zuzuschreiben sein mag -- sicher ist, dass er vorhanden war und dass er in mancherlei Verh?ltnissen des sozialen Lebens seinen Ausdruck fand. Sicher ist auch, dass die dadurch f?r zahlreiche Frauen gegebene Unm?glichkeit einer Versorgung in der Ehe zu Uebelst?nden f?hrte, die das Mittelalter klar erkannte und auf seine eigene Art zu heilen suchte.
Ehe wir zur Betrachtung dieser Verh?ltnisse ?bergehen, m?ssen wir kurz die Frage ber?hren, wie weit Beschr?nkungen des Rechts zur Verehelichung das Uebel noch vermehrten.
Wenn wir uns nun anschicken, die Frage zu beantworten: +was wurde im Mittelalter aus den zahlreichen Frauen, die ihren >>nat?rlichen Beruf<< zu erf?llen verhindert waren+? so m?ssen wir uns vor allen Dingen von der Anschauung los machen, welche den meisten von uns aus unseren fr?hesten Schuljahren anklebt. Wir h?ren da nach den Schilderungen in Tacitus' >>Germania<< von der hohen Achtung, der fast g?ttergleichen Verehrung, welche dem Weibe bei den alten Germanen gezollt wurde; aber wir ?bersehen nur zu leicht, dass derselbe Tacitus die Stellung der Frau in der Wirtschaft so beschreibt, dass wir mit Notwendigkeit auf eine grosse Ueberlastung des weiblichen Geschlechts schliessen m?ssen. Der Mann achtet keine T?tigkeit ausser derjenigen mit dem Schwerte. Tr?ge liegt er im Frieden auf der B?renhaut; Schlaf, Trunk und W?rfelspiel f?llen seine Zeit. Die Sorge f?r Feld, Haus und Herd bleibt den Frauen, die mit den Kindern, den Schwachen und Unfreien die Wirtschaft f?hren. Neben der erhaltenden und verwaltenden T?tigkeit des Hauses, die heutzutage den Frauen haupts?chlich zuf?llt, hatten sie also auch die gesamte G?tererzeugung zu bewerkstelligen; oder, um einen gel?ufigen Ausdruck zu gebrauchen: die Frau ern?hrte die ganze Familie. Sie war Arbeiterin, Wirtschaftsf?hrerin, Haush?lterin und Erzieherin der Kinder zugleich. Die Germanen machten also in ihrer primitiven Periode keine Ausnahme von der Erwerbsordnung, die wir noch heute bei Naturv?lkern finden.
Dieser Zustand ?nderte sich nach den grossen Wanderungen, als in w?hrenden Friedenszeiten und bei wachsender Bev?lkerung die deutschen M?nner sich herabliessen, auch den Acker zu bebauen. Immer aber blieb noch ein grosser Teil der Landwirtschaft, namentlich die Be- und Verarbeitung vegetabilischer Stoffe, den Frauen ?berlassen. Auch als mehr und mehr aus der alten geschlossenen Hauswirtschaft einzelne T?tigkeiten als Gewerbe sich absonderten, blieb das Arbeitsgebiet der Frau immer noch sehr gross, wie wir deutlich aus der Verteilung der Arbeiten in den grundherrlichen Grosswirtschaften erkennen. Da finden wir unter den m?nnlichen Leibeigenen freilich schon M?ller und B?cker, Schneider und Schuster, Grobschmiede und Waffenschmiede; den Frauen lag aber nicht bloss die Arbeit in K?che und Keller, in Garten und Stall ob, sondern auch die Besorgung der Gewandung von der Schafschur und der Flachsbereitung bis zum Weben, F?rben, Zuschneiden, N?hen und Sticken, ferner das Bierbrauen, Seifensieden, Lichterziehen und eine Menge von anderen Verrichtungen, die sp?ter nach und nach von besonderen Gewerbetreibenden ?bernommen wurden.
Dies alles weist darauf hin, dass eine gr?ssere Zahl von Frauen in den mittelalterlichen Haushaltungen verwendet werden konnte, als dies heute m?glich w?re. So m?gen vielfach elternlose M?dchen und verwitwete Frauen in den Familien ihrer n?heren oder entfernteren Verwandten Unterkunft und Besch?ftigung gefunden haben; der Familienzusammenhang war ohnehin damals noch viel st?rker als gegenw?rtig. Diejenigen alleinstehenden Frauen dagegen, welche keinen derartigen R?ckhalt besassen, waren allem Anscheine nach in den St?dten sehr ?bel gebettet. Auf dem Lande mochten Frauenh?nde immer in der Wirtschaft erw?nscht sein; in den St?dten war die Frau nach der gew?hnlichen Annahme von der Erwerbsarbeit in den z?nftigen Gewerben fast vollst?ndig ausgeschlossen.
In der Tat wird sich nicht leugnen lassen, dass die gesamte Stellung der Gewerbe im Mittelalter ein selbst?ndiges Eingreifen der Frauen in dieses Gebiet grunds?tzlich auszuschliessen scheint. Das Zunftwesen, welchem alle einigermassen entwickelten Gewerbe unterworfen waren, war seinem innersten Wesen nach auf die Familie gegr?ndet. Die Z?nfte waren nicht bloss gewerbliche Vereine, sondern Unterabteilungen der Gemeinde mit rechtlichen, politischen, milit?rischen und administrativen Aufgaben. Das Recht zum Gewerbebetrieb schloss die Verpflichtung zum Waffendienst und zu anderen Leistungen in sich, zu welchen Frauen nicht wohl herangezogen werden konnten. Bei der Teilnahme an den politischen Rechten, von der ja die Frauen ausgeschlossen waren, spielten die Z?nfte wieder eine Rolle, welche die Zulassung weiblicher Mitglieder untunlich zu machen schien.
Adrian Beier, der Verfasser des ?ltesten Kompendiums des Handwerksrechts, stellt denn auch den Satz auf: das m?nnliche Geschlecht sei eine der unerl?sslichen Grundbedingungen f?r die Aufnahme in eine Zunft gewesen. Die ganze gesellschaftliche Ordnung, meint er, beruhe darauf, dass jedes Geschlecht diejenigen Gesch?fte ?bernehme, welche seiner Natur am angemessensten seien, der Mann die Erwerbsarbeit, die Frau die K?che, den Spinnrocken, die Nadel, die W?sche; auch das Weben, Lichtergiessen und Seifensieden solle ihr noch gestattet sein. Das M?dchen sei zur Ehe bestimmt; man k?nne nicht wissen, wen es einmal heiraten werde; eine gelernte Schusterin sei aber dem Schmiede nichts n?tze. Ausserdem k?nne man nicht allein in der Lehre lernen; von ungewanderten Junggesellen und gewanderten Jungfern werde aber beiderseits wenig gehalten. Der Umgang mit M?nnern in der Werkst?tte sei in sittlicher Hinsicht nicht ungef?hrlich. Endlich sei die Zunft eine ?ffentliche Einrichtung; das Meisterrecht sei mit staatlichen Leistungen, als Wachen und Gaffen, verbunden, wozu Weiber nicht taugten.
Trotz dieser anscheinend in der Natur der Sache liegenden grunds?tzlichen Ausschliessung der Frauen wenigstens vom z?nftigen Gewerbebetrieb sehen wir das ganze Mittelalter hindurch die Frauen vielfach im Gewerbe t?tig -- ein Beweis, dass eine derartige Besch?ftigung derselben durch die tats?chlichen Verh?ltnisse sich als notwendig aufdr?ngte. Ja wir finden sogar Frauenarbeit in einer Reihe von Berufsarten, von denen sie gegenw?rtig tats?chlich ausgeschlossen ist.
Ich will hier die Tatsache nicht weiter betonen, dass die Witwe eines Meisters das Gesch?ft ihres Mannes forttreiben durfte; das ist bekannt genug. Ueberdies ist dieses Vorrecht in manchen Gewerben und St?dten zeitlich begrenzt oder an die Bedingung der Wiederverheiratung mit einem Gesellen des gleichen Handwerks gekn?pft. Ich will auch kein grosses Gewicht darauf legen, dass Frauen und T?chter, oft auch die Magd eines Handwerkers demselben im Gesch?fte helfen konnten; das liess sich bei aller Bevormundung, die dem Mittelalter eigen war, so leicht nicht verbieten. Viel wichtiger erscheint mir, dass Frauen und M?dchen innerhalb eigener oder fremder Gewerbebetriebe zahlreiche Verwendung fanden, bald als abh?ngige Lohnarbeiterinnen, bald sogar als selbst?ndige Meisterinnen. War das betreffende Gewerbe z?nftig, so konnten hier und da die Frauen in eigenem Namen den Z?nften mit gleichem Rechte wie die M?nner angeh?ren; war es unz?nftig, so waren sie selbstverst?ndlich keinerlei Beschr?nkungen unterworfen. Endlich finden wir sogar Gewerbe mit z?nftiger Ordnung, die ausschliesslich aus Frauen bestanden.
Noch eine Reihe von anderen Handwerken l?sst sich nachweisen, die im Mittelalter Frauen im Amte hatten. Es w?rde indes zu weit f?hren, hier auf die Einzelheiten einzugehen. Ich begn?ge mich deshalb damit, hier kurz die z?nftigen Gewerbe zu nennen, bei welchen weibliche Arbeitskr?fte Verwendung fanden. Es sind: die K?rschner , die B?cker , Wappensticker, G?rtler , die Riemenschneider , die Paternostermacher , die Tuchscherer , die Lohgerber , die Goldspinner und Goldschl?ger . In den Statuten der letzteren hiess es: >>Kein Goldschl?ger, dessen Frau Goldspinnerin ist, darf mehr als drei T?chter zum Goldspinnen haben; die Goldspinnerin dagegen, deren Mann nicht Goldschl?ger ist, darf vier T?chter haben und nicht mehr, dass sie ihr Gold spinnen.<< An der Spitze beider Gewerbe stand je ein Meister und eine Meisterin, welche das Werk des Amtes zu besehen und zu pr?fen hatten. Nat?rlich konnte es sich hier ?berall nur um Gewerbe handeln, welche der Natur ihres Betriebes nach f?r das zarte Geschlecht geeignet waren; denn es war stehender Grundsatz des alten Handwerksrechtes, dass niemand in der Zunft sein solle, der das Gewerbe nicht mit eigener Hand treiben k?nne.
Was die nichtz?nftigen Gewerbe betrifft, so unterlag in diesen die Frauenarbeit wohl nie irgend welchen Beschr?nkungen. Nur beim stehenden Kleinhandel, der jetzt so vielen Frauen Selbst?ndigkeit und Unterhalt gew?hrt, scheint die Marktpolizei vielfach zu Ungunsten der Frauen eingegriffen zu haben, w?hrend sie beim Hausierhandel anscheinend st?rker vertreten waren. So wird bei den Gewandschneidern und Fischhocken in Frankfurt der Verkauf durch die Frauen verboten, mit Ausnahme des Falles, wo der Mann abwesend ist; in M?nchen sollte keines Fleischhackers oder Metzgers Weib in der Bank stehen und Fleisch verkaufen; in Passau durfte die Frau eines Salzh?ndlers nur wenn der Mann krank war dessen Gesch?ft versehen. Die Hocken und Viktualienh?ndler sind fast allerw?rts M?nner; nur in Ulm bilden die K?uflerinnen ein eigenes weibliches Gewerbe.
Wie ausgedehnt man sich auch das Gebiet selbst?ndiger Erwerbst?tigkeit vorstellen mag, welches den Frauen im Mittelalter zug?nglich war -- auf keinen Fall reichte es hin, s?mtliche des m?nnlichen Schutzes entbehrenden Frauen zu besch?ftigen. F?r die j?ngeren bot hier wohl der Gesindedienst, der im Mittelalter verh?ltnism?ssig mehr Kr?fte erforderte als heute, Arbeit und Brot; auch gab es ausser der Weberei und der Bekleidungsindustrie noch andere Handwerke, die weibliche Arbeitskr?fte besch?ftigten. So in L?beck die Nadler, Maler, Bernsteindreher und Bader. Aber die Weiberl?hne waren auch im Mittelalter ?beraus niedrig, wohl wegen des grossen Zudrangs von Arbeiterinnen zu den erw?hnten industriellen Besch?ftigungen. Viele waren deshalb gezwungen, in anderer Weise ein Unterkommen zu suchen.
>>Da waren vrouwen inne, die dienten Got mit sinne: Die alten und die jungen lasen unde sungen Ze ieslicher im tage zit, si dienten Gote ze wider strit, So si aller beste kunden, und muosen under stunden, So si niht solden +singen+, +naen+ oder +borten dringen+ Oder +w?rken+ an der +ram+; ieglichiu wold' des haben scham, Die da muezik waere beliben; sie +entwurfen+ oder +schriben+. Es +lert+ die +schuolemeisterin+ Die jungen +singen+ und +lesen+, wie sie mit z?hten solden wesen, Beide +sprechen+ unde +gen+, ze kore +nigen+ unde +sten+.<<
Also Singen, Lesen, Schreiben, Sprachlehre, Anstandsunterricht -- das waren die Elemente der weiblichen Klostererziehung; der Gottesdienst, das N?hen, Weben, Bortenwirken f?llte die ?brige Zeit der Nonnen aus. Hier und da besch?ftigten sie sich auch mit dem Abschreiben von B?chern. Namentlich aber waren die Stickschulen der Klosterfrauen ber?hmt, und die kunstfertigen Gebilde ihrer H?nde auf Messgew?ndern, auf Decken und Wandbeh?ngen erregen noch heute unsere Bewunderung. F?r den Absatz ihrer Gewerbeprodukte hatten die Kl?ster hin und wieder in den St?dten eigene Verkaufsstellen. Sie gerieten aber dabei mit dem freien Gewerbebetrieb der st?dtischen Handwerksmeister und Kaufleute in Konkurrenzstreitigkeiten, die meist damit endeten, dass den Kl?stern die einzelnen Sorten von Webwaren genau vorgeschrieben wurden, die sie in den Handel bringen durften.
Es leuchtet von selbst ein, dass immer nur ein kleiner Teil des vorhandenen Frauen?berschusses in den Kl?stern unterkommen konnte. F?r die vielen, welche aus inneren oder ?usseren Gr?nden gehindert waren, die Klostergel?bde auf sich zu nehmen, musste in anderer Weise gesorgt werden, und es gereicht unseren Vorfahren zu nicht geringer Ehre, dass sie f?r diesen Zweck in Anbetracht der Zeitverh?ltnisse vorz?gliche Mittel zu finden und durchzuf?hren wussten. Diese Mittel waren verschieden, je nachdem die vom Familienverband ausgeschlossenen Frauen beg?tert oder arm waren.
Auch ergab es sich leicht, dass verm?gende Frauen, insbesondere solche, die miteinander verwandt waren, +sich zu drei oder vier zusammentaten+, um eine +gemeinsame Haushaltung+ zu f?hren. Solcher kleinen, freiwillig zusammenlebenden Frauengruppen begegnen uns viele in den Frankfurter Bedeb?chern. Jede der Beteiligten behielt ihr abgesondertes Verm?gen und versteuerte dasselbe. Zur Wirtschaft mag dann jede ihren Beitrag geleistet haben.
Wie alle Vereinigungen des Mittelalters, mochten sie sonst zu gewerblichen, geselligen oder Unterst?tzungszwecken errichtet sein, standen auch die Samenungen von Anfang an in n?herer Beziehung zur Kirche. Ein Dominikaner, Friedrich von Erstein, hatte ihre ersten Satzungen verfasst; sein Orden nahm auch fernerhin die Schwestern in seine sorgsame Obhut. Nach jenen Satzungen lebten im ersten Jahrhundert ihres Bestehens die Samenungen in voller G?tergemeinschaft. Zur Aufnahme war erforderlich, dass die Eintretende so viel eigenes Verm?gen besass, um davon leben zu k?nnen. Schied sie aus, ehe sie das 14. Lebensjahr zur?ckgelegt hatte, so musste sie f?r jeden im Hause zugebrachten Monat 40 Pfennige Kostgeld bezahlen und zur?ckerstatten, was sie von den Schwestern an Kleidungsst?cken u. dgl. erhalten hatte. Trat sie erst nach dem vierzehnten Jahre aus , so durfte sie nur Kleider und Bettwerk mitnehmen, musste aber ihr eingebrachtes Verm?gen zur?cklassen; wollte sie in ein Kloster gehen, so gab man ihr f?nf Pfund von ihrem Verm?gen wieder. Ungeb?hrliche Reden, Streitsucht, das Ankn?pfen von Beziehungen zu M?nnern zogen die Ausschliessung nach sich. Man darf daraufhin nicht etwa meinen, dass die Mantelfr?ulein das kl?sterliche Gel?bde der Ehelosigkeit abgelegt h?tten; es ist ja klar genug, dass auch heute noch die Mitgliedschaft einer derartigen Vereinigung mit der Ankn?pfung eines Verh?ltnisses zu M?nnern oder der Brautschaft einer Beteiligten aufh?ren m?sste. Bei einer etwaigen Aufl?sung der Samenung sollte das Vereinsverm?gen unter die Schwestern gleichm?ssig verteilt werden.
Add to tbrJar First Page Next Page