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Read Ebook: Aus dem Morgenlande: Altes und Neues by Pietsch Ludwig Annotator Brugsch Heinrich

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Ebook has 474 lines and 60929 words, and 10 pages

Annotator: Ludwig Pietsch

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Anmerkungen zur Transkription

Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe so weit wie m?glich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungew?hnliche und altert?mliche Schreibweisen bleiben gegen?ber dem Original unver?ndert. Rechtschreibvarianten wurden nicht vereinheitlicht, wenn diese im Text mehrmals auftreten.

Im Abschnitt ,Die ?lteste Rechenkunst' wurden zwei der angef?hrten Zahlenverh?ltnisse sinngem?ss korrigiert. Der ?bersichtlichkeit halber wurde das Inhaltsverzeichnis an den Anfang des Texts, die Buchwerbung ,Helios-Klassiker-Ausgaben' dagegen an das Ende des Buches verschoben.

Das Original wurde in Frakturschrift gesetzt. Besondere Schriftschnitte wurden in der vorliegenden Fassung mit den folgenden Sonderzeichen gekennzeichnet:

~ ####################################################################

Aus dem Morgenlande.

Altes und Neues

von

Prof. ~Dr.~ H. Brugsch-Pascha.

Mit einer Lebensbeschreibung des Verfassers

von

Ludwig Pietsch.

Mit Portr?t und 7 Abbildungen.

Leipzig

Druck und Verlag von Philipp Reclam jun.

Aus dem Morgenlande.

Inhaltsverzeichnis.

Seite

Heinrich Brugsch-Pascha. Von Ludwig Pietsch 5

Die Symbolik der Farben 13

Die ?lteste Rechenkunst 25

Der Hypnotismus bei den Alten 43

Litteraten zur Moseszeit 53

Zur ?ltesten Zeitrechnung 62

Die sieben Hungerjahre 75

Zur ?ltesten Geschichte des Goldes 90

Feier der Grundsteinlegungen in ?ltester Zeit 101

Eine Blitzstudie 128

Der grosse k?nigliche Gr?berfund 140

Die grossen Ramessiden 170

Pyramiden mit Inschriften 176

Im Faijum 192

Heinrich Brugsch-Pascha.

Acht Monate verweilte er dort in der Gesellschaft Mariettes und widmete sich mit voller Hingebung diesen f?r die alt?gyptische Sprach-, Geschichts- und Landeskunde unsch?tzbar wichtig gewordenen Arbeiten. Erst dann setzte er seine Studienreise nach Ober?gypten zu den anderen Tempelpal?sten, den Denkmalen und Felsengr?bern am W?stenrande des Nilthales fort. -- Zwei Jahre lang hatte ihn dieser ?gyptische Aufenthalt von der Heimat fern gehalten. Nach Berlin im Jahre 1854 zur?ckgekehrt, wurde Brugsch vom K?nige und Alexander von Humboldt in jeder Weise ausgezeichnet. Er habilitierte sich als Privatdocent an der Universit?t, und es fehlte ihm nicht an begabten Sch?lern, welche sein Werk erfolgreich fortgesetzt haben. Seine Studien arbeitete er zu einem grossen historisch-geographischen Werk ?ber das alte ?gypten der Pharaonenzeit aus. Noch eine zweite Reise dorthin unternahm er nicht lange nach jener ersten. Diesmal machte er die Nilfahrt nach Ober?gypten auf einem vicek?niglichen Dampfer in Gesellschaft seines Freundes Mariette, der eben damals mit der Begr?ndung des ?gyptischen Museums zu Bulak bei Kairo besch?ftigt war. Durch Humboldt warm empfohlen, machte Brugsch damals die pers?nliche Bekanntschaft des Chedive Said-Pascha, der ihm die Mittel zur Herausgabe seines ersten franz?sisch geschriebenen Versuchs einer Geschichte ?gyptens gab. Diese von ihm ver?ffentlichte ,,~Histoire d'?gypte~" ist die Grundlage seines sp?teren 1879 erschienenen umfassenden Werkes ,,Geschichte ?gyptens unter den Pharaonen" geworden. -- Den wieder Heimgekehrten trafen herbe Schicksalsschl?ge. Sein Vater starb, und dieser Tod legte dem Sohne die Pflicht der Sorge f?r eine geliebte Mutter und einen f?nfzehn Jahre j?ngeren Bruder auf. Ein Jahr sp?ter schied auch sein hochherziger greiser G?nner Alexander von Humboldt aus dem Leben, und der k?nigliche Sch?tzer und F?rderer des Gelehrten, dessen besondere Wissenschaft nicht zu denen geh?rt, welche ihren J?ngern als reichlich melkende K?he dienen k?nnen, verfiel jener schweren unheilbaren Gehirnkrankheit, die seinen reichen Geist f?r immer in Nacht h?llte und ihn stumpf und tot f?r alles geistige Leben um ihn herum machte. Es kam eine schwere Zeit f?r den Sch?tzling des ungl?cklichen Monarchen....

In ganz ungeahnter Weise sollte Brugsch aus diesem engen sorgen- und m?hevollen Leben in der Heimat herausgerissen werden. Er nahm eine Einladung des ihm wohlwollenden Herrn von Minutoli an, ihn auf seiner Gesandtschaftsreise nach Teheran zum Schah von Persien zu begleiten. Jener erlag auf derselben einer t?dlichen Krankheit. Brugsch trotzte gl?cklich allen Anstrengungen und Gefahren dieser Reise, von deren Verlauf sein 1862 ver?ffentlichtes Buch: ,,Die Reise der preussischen Gesandtschaft nach Persien" ein getreues fesselndes Bild giebt. Der anscheinend mit seinem ganzen Denken der Gegenwart abgewendete, auf die Besch?ftigung mit einer seit Jahrtausenden versunkenen Welt und Kultur sich konzentrierende Gelehrte war durch die Verh?ltnisse in eine praktische, halb diplomatische Th?tigkeit hineingedr?ngt worden. Dem von Persien unbefriedigt Zur?ckgekehrten wurde von der preussischen Regierung die Stelle eines Konsuls in Kairo angeboten, und er nahm sie in der Hoffnung an, so die beste Gelegenheit zur Fortsetzung seiner ?gyptischen Studien zu erhalten. Aber bald musste er die Unm?glichkeit erkennen, zugleich zweien Herren zu dienen, der reinen Wissenschaft und den Konsulatsamtspflichten. Letztere nahmen seine ganze Zeit in Anspruch; um so mehr als gerade damals die verheerende Choleraepidemie und eine furchtbare Teuerung ausbrachen. Die grossen Schwierigkeiten seiner Stellung wurden dadurch aufs ?usserste gesteigert. Er hatte den schlimmsten Gefahren tapfer Stand gehalten. Aber die Konsulatsth?tigkeit war ihm gr?ndlich verleidet. Er legte sein Amt nieder mit der Absicht, dauernd in Frankreich seinen Wohnsitz aufzuschlagen, da sich im Vaterlande f?r seine wissenschaftliche Kraft keine Verwendung zu finden schien. In Paris fand er desto schmeichelhafteres Entgegenkommen. Aber gerade damals erging an Brugsch die K?nigliche Berufung an die Universit?t G?ttingen als ordentlicher Professor. Nun endlich konnte er wieder seine streng wissenschaftlichen Arbeiten aufnehmen. Die Lehrth?tigkeit, welche er mit grossem Erfolge, eine Schar von H?rern um sich versammelnd, ?bte, ging damit Hand in Hand. Dort hat er 1868 das grossartige Werk seines W?rterbuchs der demotischen und der Hieroglyphenschrift der alten ?gypter vollendet, das vier B?nde umfasst, welche er seitdem noch durch drei Supplementb?nde erg?nzt hat. -- Aber langes ruhiges Verharren in derselben Stellung ist ihm niemals beschieden gewesen. Sein ganzes reiches Leben zeigt einen best?ndigen Wechsel des Orts, der Stellung, der Th?tigkeit. In demselben Jahr 1868 erging an ihn eine Einladung des damaligen Chedive von ?gypten, Ismael Pascha, nach Kairo zur?ckzukehren und in ?gyptische Dienste zu treten, um in seiner herrlichen Hauptstadt eine ?gyptische Akademie ins Leben zu rufen, zu organisieren und zu leiten. Mit K?niglicher Bewilligung verliess Brugsch, auf welchen das Nilland immer wieder seinen alten Zauber, seine unwiderstehliche Anziehungskraft aus?bte, G?ttingen und folgte dem verlockenden Ruf. Seine Bem?hungen, die Absicht und Idee Ismael Paschas zu realisieren, blieben nicht erfolglos. Das folgende Jahr des h?chsten Glanzes der Regierung des Chedive, das Jahr der Er?ffnung des Suezkanals im Beisein der Souver?ne und aller gl?nzendsten Repr?sentanten der Bildung und des Geistes Europas und Amerikas, f?hrte Brugsch auf ?gyptischem Boden in mannigfache pers?nliche Beziehungen zu jenen erlauchten G?sten. Wurde es auch durch nicht eben lautere Mittel verhindert, dass er, der wie kein Zweiter f?r eine solche Aufgabe berufen und geeignet war, unseren Kronprinzen auf seiner Nilfahrt nach Ober?gypten als sachkundigster F?hrer durch jene Wunderwelt der altpharaonischen Riesendenkm?ler begleitete, so ward ihm daf?r die Genugthuung, sich eingeladen zu sehen, den Kaiser von ?sterreich zu der und durch die Nekropole des alten Memphis mit ihren Pyramiden und Grabtempeln zu geleiten. An ehrenden Auszeichnungen f?r die hohen wissenschaftlichen Verdienste seines F?hrers liess Kaiser Franz Josef es nicht fehlen. Wie des Vaters Gunst, so wurde dem Gelehrten sp?ter auch die des Sohnes, des Kronprinzen Rudolf, im vollen Mass zu teil. Auf dessen Reise nach Ober?gypten im Jahre 1881 hat Brugsch ihn auf die dringende Einladung des liebensw?rdigen Prinzen als F?hrer und Dolmetscher begleitet. Uns Deutschen, die wir durch das grosse Ereignis der Er?ffnung des Suezkanals nach ?gypten gef?hrt worden waren, erwies sich unser ber?hmter Landsmann, in seiner hochangesehenen, wichtigen Stellung im ?gyptischen Staatsdienst allzeit hilfreich, f?rderlich und dienstbereit. Er ?ffnete uns sein Haus, in dessen R?umen wir, echte deutsche Heimatluft atmend, das Weihnachtsfest jenes Jahres feierten, und sammelte durch sein ganzes Bezeigen feurige Kohlen auf unser Haupt. Zu dem unverg?nglichen Glanz und Reiz, der in unserer Erinnerung diese letzten Monate des Jahres 1869 umstrahlt und schm?ckt, hat Heinrich Brugsch sehr wesentlich beigetragen.

Er blieb w?hrend der folgenden Jahre bis zur Abdankung Ismael Paschas und zum Siege der britischen Intriguen und Vergewaltigungen ?gyptens in dem Dienste des Chedive. Als dessen Generalkommissar organisierte und leitete er jene wundervolle ?gyptische Abteilung der Wiener Weltausstellung im Jahre 1873, und ebenso drei Jahre sp?ter die der Ausstellung zu Philadelphia. Jede dieser grossen Aufgaben, die eben so gr?ndliche, wissenschaftliche Kenntnis des ?gyptischen Altertums, der pharaonischen wie der arabischen und mameluckischen Zeiten des Nillandes und ihrer Denkmale, eine gleich innige Vertrautheit mit dem Leben, der Kultur, der Th?tigkeit des ?gyptischen Volkes und seiner Regierung in der Gegenwart, und dazu noch einen hohen Grad von organisatorischem Talent und praktischem Geschick erforderten, hat Brugsch vollendet und in wahrhaft vornehmer Weise im Sinne und zur Zufriedenheit seines Auftraggebers zu l?sen verstanden. Aber w?hrend alle, die damals das Vertrauen des Chedive genossen und einflussreiche Stellungen bei ihm bekleideten, sich auf seine Kosten bereichert haben, ist Brugsch ohne Verm?gen, wie er in dessen Dienst getreten war, auch wieder aus ?gypten gegangen. Der Titel Pascha und eine kleine Pension -- darauf beschr?nkt sich der Lohn, der ihm geworden.

Noch mehrfach begleitete er, als mit Land und Leuten, mit der Sprache und den Denkmalen vertrautester F?hrer, europ?ische F?rsten auf ihren Reisen durch ?gypten und auch wohl Syrien; so den Grossherzog Friedrich Franz von Mecklenburg-Schwerin; so den Prinzen Friedrich Karl. Einen lebendigen und anregend geschriebenen Bericht ?ber diese Reise hat Brugsch in einem durch Major von Garnier mit Zeichnungen geschm?ckten Buch: ,,Prinz Friedrich Karls Reise im Morgenlande" gegeben.

Solche Reisen und jene zeitraubenden Arbeiten als Ausstellungskommissar haben ihn dennoch nie dauernd von seiner streng wissenschaftlichen Th?tigkeit abzulenken vermocht. Durch seine immer fortgesetzten Forschungen und litterarischen Ver?ffentlichungen ?ber die Himmels- und Erdkunde, Zeitrechnung, Geschichte, Sprache, Philosophie, Religion, Poesie und Kunst der alten ?gypter hat er damals die Kenntnisse von dieser ehrw?rdigen ?ltesten Kultur der Welt fort und fort erweitert, vertieft und bereichert, seiner Wissenschaft neue Freunde und Bekenner geworben und m?chtig dazu beigetragen, das Bewusstsein von ihrer Bedeutung und Wichtigkeit zu verbreiten und in seinem Volk lebendig zu erhalten.

Als Brugsch aus dem ?gyptischen Dienst geschieden war, liess er sich in seiner Vaterstadt Berlin nieder, um hier unabh?ngig seinen fachwissenschaftlichen und litterarischen Arbeiten zu leben. Doch auch dann war ihm l?ngere ununterbrochene Sesshaftigkeit nicht beschieden. Jener Reise mit dem Prinzen Friedrich Karl haben wir bereits gedacht. Als zwei Jahre sp?ter die Regierung des Deutschen Reiches wieder eine Gesandtschaft nach Persien abordnete, lenkte sich ihre Aufmerksamkeit auf Brugsch, der, von seiner fr?heren Mission her mit Land und Leuten vertraut, der persischen Sprache m?chtig, ganz als der rechte Mann erschien, diese Gesandtschaft als Dolmetscher zu begleiten. Er nahm diesen Auftrag an, welcher ihm zum Titel Legationsrat verhalf, ihn w?hrend neun Monaten fern von der Heimat hielt und zur vollen Zufriedenheit der Regierung von ihm erledigt wurde. Die litterarischen Fr?chte dieser Reise sind das kleine Buch: ,,Im Lande der Sonne", und ein anderes: ,,Die Muse von Teheran".

In Berlin lebt Brugsch seit seiner R?ckkehr von dieser Reise als Privatmann. Der ber?hmte Gelehrte, der als eine der ersten Fachautorit?ten in der wissenschaftlichen Welt aller Kulturnationen gilt, das Mitglied der meisten Akademien des Auslandes, liest an der Berliner Universit?t als +Privatdocent+. Die durch Lepsius' Tod erledigte Professur der ?gyptischen Altertumskunde wurde anderweitig besetzt. -- Einen Lieblingsgegenstand seiner neueren Studien und teils fachwissenschaftlichen, teils popul?r gehaltenen litterarischen Arbeiten bildet die antike Metrologie, die Kunde von den Massen und Gewichten der alten V?lker. In diesen Arbeiten hat er es zuerst nachgewiesen, dass das in der ganzen antiken Welt gebr?uchlich und allgemein g?ltig gewesene Teilungssystem nach der sexagesimalen Skala nicht, wie vordem angenommen wurde, von den Babyloniern, sondern von den ?gyptern zuerst erdacht und durch sie verbreitet worden ist.

In der Geschichte der deutschen ,,Gelehrten-Republik" geh?ren M?nner von dem Naturell und den zum Teil durch dasselbe bedingten Schicksalen unseres Brugsch zu den Seltenheiten. Eine solche enorme wissenschaftliche Arbeit, ein so tiefes Versenken in eine, die ganze Geisteskraft in Anspruch nehmende Disciplin und ein dadurch errungener so grosser Schatz von umfassender Gelehrsamkeit, wie die seine, scheint sich kaum vereinigen zu lassen mit seinem so wechselvollen, bewegten Dasein und allen jenen von dem ruhigen, wissenschaftlichen Studium, von der Forschung und der Verarbeitung ihrer Resultate weit abliegenden, mannigfachen Th?tigkeiten, zu denen er gedr?ngt gewesen ist, und in welchen er sich stets und ?berall gleich t?chtig und ausgezeichnet bew?hrt hat. Es geh?rte eine so ganz eigenartige Organisation wie diese dazu, um so Widerstrebendes in sich zu vereinigen, so entgegengesetzte Qualit?ten in sich zu gleich reifer Entwickelung gelangen zu lassen. Um so merkw?rdiger und bewundernswerter will uns das erscheinen, als Brugsch bereits fr?he in seinem Leben die B?rde der Familiensorgen auf sich genommen hat, denen durch den Tod des Vaters noch neue hinzugef?gt worden sind. Wenn seine Nachkommenschaft auch nicht die ganze Zahl der Kinder seines grossen ?lteren Kollegen Theodor Mommsen erreicht, so ist der Besitz von acht S?hnen und zwei T?chtern immerhin stattlich genug. Wie trefflich er die Vaterstelle an seinem j?ngsten Bruder vertreten hat, beweist die Thatsache, dass derselbe es unter Brugsch-Paschas Leitung bis zum Konservator des ?gyptischen Museums in Kairo-Bulak und zur W?rde eines Bey gebracht hat, und sein Name f?r immer verkn?pft ist mit dem grossartigen und unsch?tzbaren Funde der K?nigsmumien der Ramessiden. Auch der ?lteste Sohn aus erster Ehe war dem Vater nach ?gypten gefolgt, wo er h?chst segensreich als einer der ersten Augen?rzte wirkt. -- Naturell und Schicksal haben Brugsch-Pascha auch bis auf diesen Tag gl?cklich bewahrt vor jener Verkn?cherung, jenem Zunftstaube, jenem Gelehrtend?nkel, jener Pedanterie, von denen die professionellen Leuchten der Wissenschaft in Deutschland sich so selten frei zu halten wissen. Er ist ein ganzer und freier Mensch geblieben, der das Leben kennt und in dem der Gegenwart so heimisch ist, wie in dem des Altertums, und dem wohl in den Tiefen seiner Wissenschaft nichts verborgen, aber auch nichts Menschliches fremd ist.

+Ludwig Pietsch.+

Aus dem Morgenlande.

Die Symbolik der Farben.

Bis in die Gegenwart hinein haben die Farben eine symbolische Auffassung bewahrt, deren Ursprung sich nicht erst seit gestern herschreibt. Wir verbinden mit Weiss die Vorstellung der Unschuld, im Gr?n erscheint uns das Symbol der Hoffnung, im Blau das der Treue, das Rot beziehen wir auf die Liebe, der Hass erscheint als Gelb, die Bescheidenheit als Silbergrau, die Trauer als Schwarz. In der Umgangssprache bis zum Volkst?mlichen hin reden wir von Gelbschn?beln, vom roten Hahn auf dem Dache, von einer roten Gesinnung, vom blauen Montag, lassen ein ,,so blau" h?ren, sprechen von gr?nen Jungen, kennen das Dichterwort: grau sei alle Theorie, h?ten uns jemand anzuschw?rzen, verabscheuen den schwarzen Verrat, den schw?rzesten Undank, sehen schwarz und was dergleichen Beispiele mehr sind. Im Morgenlande, um nur auf zwei hervorragende Redensarten im Munde der Araber und Perser hinzuweisen, heisst: das Gesicht oder den Bart jemandes weiss oder schwarz machen, je nachdem man eine damit gemeinte Person ehren, heiter stimmen, erfreuen oder sie beleidigen, kr?nken, tr?bselig stimmen will.

Alles das ist so wohl bekannt, dass ich kein Wort dar?ber zu verlieren brauche. Die Farbe hat eine symbolische Bedeutung gewonnen, deren Sinn dem H?renden sofort klar wird und von niemand missverstanden wird. Selbst in der Wahl der Farbe unserer Tracht spielt die Farbensymbolik eine besondere Rolle. Wenn wir von jenem Knaben lesen, der an dem feierlichen Begr?bnis seines Grossvaters keine Freude mehr zu haben ?usserte, weil ihm eine schwarze Weste, statt einer gew?nschten rotfarbigen vom Schneider gemacht werden sollte, so l?cheln wir dar?ber, weil es die Sitte erheischt, eine Trauerkleidung in Schwarz anzulegen, aber dennoch ?bersehen es selbst gebildete Leute bisweilen, dass eine schwarze Kravatte und schwarze Handschuhe ebenso unentbehrlich zur Trauerkleidung sind, da Weiss einmal die Farbe der Freude und des Festlichen geworden ist, die sich wenig zur Trauer schickt.

Soll ich von der Symbolik der Augenfarben reden, so m?sste ich mich vor allem an die Dichter wenden, welche gerade dieses Thema mit Vorliebe auszubeuten pflegen. Ich rufe meinen Lieblingspoeten und langj?hrigen Freund von Bodenstedt als Zeugen f?r alle ?brigen an, dass aus den blauen Augen die Treue spricht, braune Augen schelmische Gesinnung verr?t, graue Augen Schlauheit weissagen und der schwarzen Augen Gefunkel wie Gottes Wege dunkel sei. Gr?ne Augen habe ich niemals preisen h?ren; der b?se Leumund findet Katzenartiges darin, gerade wie manche so ungerecht sind, aus der roten oder r?tlichen F?rbung des Haares Eigenschaften seines Tr?gers herauszulesen, die zur blauen Treue im Gegensatze stehen. Andere, ja selbst ganze Zeitalter, urteilten nicht nur billiger, sondern erkl?rten gerade diese F?rbung als einen Vorzug der k?rperlichen Sch?nheit. Die Meinungen gehen also auch in dieser Frage bisweilen auseinander, und es wird entschuldbar sein, wenn ich den Versuch wage, der Sache auf den Grund zu gehen und mich an die ?ltesten Vertreter oder richtiger gesagt, an die wirklichen Urheber der Farbensymbolik zu wenden.

Ich ?berspringe Jahrtausende und teile am Schlusse meiner Betrachtung mit meinen Lesern das Erstaunen ?ber die Erbschaft der Farbensymbolik, welche wir J?ngste von den ?ltesten V?tern des Kulturlebens ?bernommen haben und bis zur Stunde mit aller Treue pflegen.

Ich versetze mich zuerst nach der St?tte der heutigen Stadt Hamadan, auf welcher ich selbst einige Zeit verlebt habe, um klassische ?berlieferungen ?ber ihre Vorg?ngerin, die Hauptstadt der alten Meder Agbatana oder Ekbatana, das Achmata der Bibel, aufzuw?rmen. Bis auf den unverr?ckbaren Berg mit seinem Sonnenaltar und seiner Keilschrift ist von der stolzen K?nigsburg der Mederf?rsten weder ein Stein auf dem andern, noch ein Stein ?berhaupt ?brig. Es bleibt der Phantasie ?berlassen, nach der Schilderung Herodots die vom Boden der Erde wie weggeblasene Burg von neuem aufzubauen und die modernen bunten Fayencemauern in den Pal?sten des heutigen Schahynschah von Persien zu Hilfe zu nehmen, um eine richtige Vorstellung des vollendeten Werkes zu gewinnen.

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