Read Ebook: Das Buch vom Brüderchen: Roman einer Ehe by Geijerstam Gustaf Af Maro Francis Translator
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Ebook has 718 lines and 43589 words, and 15 pages
>>Siehst Du,<< sagte er. >>Du hast es nicht h?ren d?rfen.<<
Und dann ging er mit Mamas Hand in der seinen und lachte seinen Vater aus. Das nannte er Papa >>foppen<<, und er kannte wenig Dinge, die er vergn?glicher fand.
Ich kann sie noch Beide vor mir sehen, Hand in Hand, den langen Weg auf- und niedergehend, der bei den Fliederb?schen anfing, unter den kahlen B?umen im Winter gehend, wenn Sven in seinen kleinen Pelz gekleidet war, den man aus Mamas altem gemacht hatte und auf den er so stolz war. Es w?re im ?brigen schwer zu entscheiden, wer von den Beiden dem anderen eigentlich am meisten zu sagen hatte. Und wenn ich sie lange angesehen hatte und Lust bekam, mit dabei zu sein, dann wurde Sven eifers?chtig und schob sein kleines rotes M?ndchen vor, sodass Mama seine Auff?hrung gegen das Familienoberhaupt tadeln und ihm sagen musste, wie gut Papa war. Das wollte Sven nur ungern anerkennen. Und w?hrend wir zusammen gingen, machte er verstohlen Mama Mienen, die Papa nicht sehen sollte, ganz als wollte er sich selbst dadurch begl?cken, dass er den Zauberkreis heimlichen Einverst?ndnisses beibehielt, den er um seine Liebe und sich selbst gezogen.
Aber wenn Papa in der Stadt war und nach Hause kam, dann stand Sven hinter der Th?re versteckt und wartete, um ihn recht erschrecken zu k?nnen. Er stellte sich lange vor der Zeit hin, zu der Papa zur?ckerwartet werden konnte. Unaufh?rlich kehrte er von seinem Schlupfwinkel zur?ck und fragte:
>>Glaubst Du nicht, dass Papa sehr erschrecken wird?<<
Nat?rlich glaubte Mama das, und nat?rlich war Sven ?bergl?cklich ?ber diese Aussicht. Und wenn Papa endlich kam und im Flur stehen blieb, um den Sand aus seinen Galoschen zu stampfen, da kam Sven so still und leise herangeschlichen und dachte gar nicht mehr daran, ihn zu erschrecken, sondern stand nur da und l?chelte f?r sich selbst, als w?sste er sehr wohl, dass Papa ihn nicht sehen konnte, ohne froh zu werden. Und langsam kroch er n?her, wie um sich an Papas Ungeduld, ihn in die Arme zu schliessen, zu weiden, und dann hing er sich an Papas Hals und liess sich hineintragen, w?hrend gleichzeitig die Dogge der Familie, die Svante seinerzeit Pudel getauft, vor Freude bellte und um uns herumsprang.
Ich erinnere mich so gut an die Augen meiner Frau, wenn sie diese Szene betrachtete.
>>Wenn Du w?sstest, wie viel ich mit ihm von Dir spreche,<< sagte sie, als Sven endlich seinem Vater erlaubte, ihn loszulassen, und Mama Platz machte.
Schon seit Sven so klein war, dass er sich bewegen konnte, war er Pudels intimster Freund gewesen und hatte das Recht gehabt, mit Pudel alles zu machen, was er wollte. Er durfte ihn an den Ohren ziehen und an seinem kurzen Schwanz zupfen, auf ihm liegen und ihn in den unbequemsten Stellungen festhalten. Pudel zeigte hier?ber keinen h?heren Grad von Missvergn?gen, als dass er zuweilen verwundert aussah, warum er all dies eigentlich ?ber sich ergehen lassen musste, und sich sanftm?tig und friedfertig auf einen andern Platz legte, in der eitlen Hoffnung, dass sein wohlmeinender Plagegeist m?de werden und ihn in Frieden lassen w?rde.
Aber trat Sven hinaus in den Hof, dann folgte Pudel ihm, wohin er auch ging. Mit seiner kurzen gespaltenen Schnauze schnuppernd, stand er da und sah zu, wie Sven langsam und bed?chtig Sand in eine kleine Blechb?chse sch?ttete oder zuweilen zu der weniger geeigneten Zerstreuung ?berging, in der Wassertonne zu pl?tschern. Pudel folgte ihm die ganze Zeit, und n?herte sich irgend ein Fremder, so begleitete Pudel dessen Gehaben mit misstrauischen Augen, in jedem Augenblick bereit, falls die Verh?ltnisse sein Einschreiten erforderten.
Sven und Pudel wandelten im ?brigen ihre eigene Strasse, und mehr als einmal hatten sie das ganze Haus in pl?tzlichen Schrecken versetzt, indem sie auf den unerfindlichsten Wegen verschwanden; und nachdem man schon daran verzweifelt hatte, sie je lebendig wiederzusehen, tauchten sie urpl?tzlich auf, als sei nichts geschehen, Beide gleich erstaunt ?ber die Aufregung, die sie hervorgerufen hatten.
Es w?re unrecht zu sagen, dass Sven eigentlich ein ungehorsamer Knabe war. Aber in diesem Punkt war er nicht leicht zu behandeln. Mehr als einmal hatte Mama ihm die Rute versprochen, wenn er noch einmal auf eigene Hand fortliefe, und mehr als einmal hatte sie mir unmittelbar darauf versichert, dass sie das Herzblut desjenigen sehen wollte, der es wagte, Sven zu ber?hren. Aber hierin schien Sven Vorw?rfen und Ermahnungen gleich unzug?nglich zu sein, und er stand so erstaunt bei Mamas heftiger Freude da, ihn nach solchen Ausfl?gen lebendig wiederzufinden, als wunderte er sich, dass sie Beide ?ber irgend etwas auf der Welt so verschieden denken konnten.
>>Es war doch nicht gef?hrlich,<< sagte Sven. >>Pudel war ja mit.<<
Mama wollte nicht schlecht von Pudel sprechen, aber sie versuchte Sven davon zu ?berzeugen, dass Pudel auf jeden Fall nicht dasselbe war wie ein Mensch. Sie sagte alles, was sie sich nur ausdenken konnte. Sven versprach mit den Aermchen um ihren Hals, dass er nie mehr fortlaufen und Mama Kummer machen wollte.
Aber wenn er so f?r sich selbst ging und es Fr?hling war und das Wasser in den Rinnen am Hof floss, da vergass Sven alles Andere auf Erden, bis auf das, dass er ein kleiner Junge war, der tief hinein in den Wald gehen wollte.
Wer weiss, in welchen Gedanken er einherging, oder ob er auch nur merkte, dass er auf verbotene Wege kam? Er ging und plauderte mit sich selbst, und Pudel folgte ihm, und als er bei der Zaunth?re anlangte, stand sie offen. Da musste er doch hinausgucken und einen Blick in die Welt thun, die dort draussen lockte, und da sah er auf der anderen Seite der grossen Landstrasse zu oberst auf dem Grabenrain, wie die gelben Huflattichblumen gegen die graue Erde leuchteten, und so krabbelte er hin?ber, so gut seine kleinen Beinchen es vermochten. Aber jetzt war er beinahe im Walde drinnen, und da konnte er nicht l?nger widerstehen. Hoch und mit knorrigen Aesten erhoben sich die Tannen ?ber seinem Kopfe, und hinein ging er zwischen die St?mme, wo die Sonne auf das Moos schien und die ersten Fr?hlingsv?gel ihre Triller zu schlagen begannen. Eine kleine Feldmaus wischte zwischen den Steinen durch, und der kleine Sven lief ihr nach. Weiter und weiter weg kam er. Da lag ein kleines Moor, und draussen im Moor wuchsen Weidenk?tzchen mit gl?nzenden Geh?ngen. Die konnte er nicht erreichen, denn da w?rde er eingesunken sein und sich die F?sse nass gemacht haben. Aber er konnte immerhin einige Steine ins Moor werfen und h?ren, wie es plumps sagte, und die grossen weiten Ringe ansehen, die die ganze kleine Wasserfl?che in Aufruhr brachten. Das that er auch, und damit fuhr er eine gute Weile fort. Seine Wangen wurden rot, und seine Augen leuchteten vor Entz?cken. Fr?hlicher und fr?hlicher wurde er, und er ging bis auf die Wiese hinunter, wo das k?nigliche Lustschloss lag, und als er hinaus auf den Weg kam, begann er zu laufen. Er lief und lief, und als er an die hohen Gitterth?ren kam, sah er, dass er wieder nahe von zuhause war. Da wurde er von neuem froh, weil er den Weg erkannte und weil Pudel schnupperte, mit seinem gestutzten Schwanz wedelte und nach Hause wollte. Und pl?tzlich begann er sich nach Mama zu sehnen, und da erinnerte er sich an die gelben Blumen, die er in der Hand hatte.
Langsam und bed?chtig ging er wieder heimw?rts, und es kann schon sein, dass Sven sich jetzt dunkel erinnerte, dass er nicht vom Hause h?tte weggehen sollen. Aber eines gab es, was Sven nicht wusste und worauf er sich auch nicht verstand. Das war, wie lange er eigentlich vom Hause fort gewesen war. Denn ein paar Stunden und ein kleines Weilchen war f?r ihn ein und dasselbe.
Aber als er ?ber die Wiese getrippelt kam und sich gerade wieder in Trab setzte, um zu Mama zu kommen und auf den Schoss genommen und gestreichelt und gek?sst zu werden und zu erz?hlen, wie gut er sich am?siert hatte, da erschrak Sven dadurch, dass man rings um ihn zu schreien begann. Da war Papa und Mama, Olof und Svante, die beiden Dienstm?dchen und noch Mehrere, meinte Sven. Sie schrieen, Einer lauter als der Andere, der Eine hier und der Andere dort. Sven konnte gar nicht sehen, woher sie kamen. Denn gerade als er sich nach einer Seite umwenden wollte, schrie Jemand hinter ihm, und als er sich dann wieder umdrehte, um nach der anderen Richtung zu schauen, wurde er vom Boden aufgehoben und von Jemandem fortgetragen, der so rasch lief, als er laufen konnte, und bevor er sich noch recht besinnen konnte, war er drinnen im Speisezimmer, und Mama selbst nahm ihn in ihre Arme und dr?ckte ihn an sich, so dass er gar keine Luft bekam.
Sven wusste wohl, dass er vor Mama nie Angst zu haben brauchte, aber dieses Mal verliess ihn doch der Mut. Denn jetzt erinnerte er sich, was sie von der Rute gesagt hatte, und als er Papa erblickte, wurde er wirklich ?ngstlich. Denn Papa sah strenge aus und sagte in sehr ernstem Ton:
>>Jetzt m?ssen wir aber die Rute holen, Sven. Denn so viel ich weiss, hat Dir Mama das versprochen.<<
Da wusste sich Sven keinen Rat, und in der Not nahm er seine Zuflucht zu den Blumen, die er Mama entgegenhielt.
Aber das h?tte er garnicht thun m?ssen. Denn Mama war so erschrocken gewesen, und sie war so gl?cklich, ihn wieder zu haben, dass sie ihn nur in die Arme nahm und, halb weinend, halb lachend, sich von ihm streicheln liess; und endlich nahm sie ihm die Blumen ab und gab sie in ein kleines gr?nes Glas, ordnete sie und liess Sven sehen, wie sch?n sie in der Sonne gl?nzten. Da gab Papa alle Gedanken an eine Bestrafung auf, ging in sein Zimmer und f?hlte sich ?berfl?ssig.
Aber als Mama mit Sven allein blieb, nahm sie ihn auf den Schoss und erz?hlte ihm, als w?re es ein M?rchen, wie unruhig sie sich gef?hlt und wie schrecklich ihr zu Mute gewesen war. Sie erz?hlte, dass sie geglaubt, dass Sven sich das Bein gebrochen habe und einsam im Walde l?ge, und dass sie ihn nicht fr?her wiederfinden w?rden, als bis er tot w?re. Oder dass er ins Wasser gefallen sei und dass sie ihn dort als Leiche finden w?rden, und dann konnten weder Mama noch Papa noch die Geschwister jemals wieder froh werden. All das h?rte Sven an und verstand nur, dass Mama besser gegen ihn war als alle anderen Menschen. Dann liess sie Sven alles erz?hlen, was er gesehen und gethan, wie er sich vergn?gt hatte und wie weit er fort gewesen war. Sie erfuhr von dem kleinen M?uschen, von den V?geln und von dem Sumpf und von den Steinw?rfen. Und schliesslich verstanden sie einander, alle Beide, und waren nur gl?cklich dar?ber, dass sie sich wiedergefunden hatten.
Und als sie sich so recht ausgesprochen hatten, nahm Mama Sven mit sich zur Etag?re. Da standen viele pr?chtige Sachen, mit denen Sven manchmal spielen durfte, wenn alles sehr gut ging. Unter anderem stand da ein weisser Pudel aus Porzellan, der eine Quaste am Schwanz hatte und einen kleinen Pantoffel in der Schnauze trug. Er war sehr alt und geh?rte eigentlich nicht Mama. Denn Papa hatte ihn von seiner Mutter bekommen, und er hatte ihr geh?rt, seit sie zwei Jahre alt war, da hatte eine Pathin ihn ihr geschenkt.
Das war das Sch?nste, was Sven kannte, und den nahm Mama in der Gl?ckseligkeit ihres Herzens von der Etag?re herab und gab ihn ihm, anstatt der Rute. Aber er blieb da stehen, wo er stand.
>>Denn sonst,<< wie Sven sagte, >>kann ich ihn zerschlagen. Und dann wird Papa so b?se.<<
Aber er vergass nie, dass er ihm geh?rte. Und er pflegte zuweilen davon zu sprechen, wenn Besuch kam.
>>Den habe ich von Mama bekommen,<< sagte Sven, >>als ich in den Wald lief und wiederkam. Das war, weil Mama sich so freute, als sie mich sah.<<
Und Mama verteidigte ihre Erziehungsmethode gegen jede Kritik, indem sie den Knaben in die H?he hob und Alle ihn ansehen liess. Gott segne sie! Sie hatte Recht.
So ging ein Jahr, ohne dass wir sein Schwinden bemerkten. Aber um diese Zeit begann ihre Gesundheit ernstlich zu leiden, und ohne dass wir mit einander davon sprachen, wussten wir Beide, dass es nur eine M?glichkeit gab. Schon einmal fr?her hatte das Messer des Operateurs seine lebensgef?hrlichen Eingriffe machen m?ssen, und die Krankheitssymptome, die sich jetzt einstellten, waren uns nur allzu gut bekannt. Es ?berraschte uns darum nicht, als der Doktor uns eines Tages das Urteil verk?ndete und uns das, was wir schon geahnt, wissen liess, n?mlich, dass nur eine schleunige Operation Elsa mir und meinen Kindern retten konnte.
Als sei ein Todesurteil ?ber unser ganzes Leben gefallen, gingen wir an diesem Tage in unserem Hause herum, und ich sah, dass Elsa von Allem Abschied nahm. Zum ersten Male stand es ganz deutlich vor mir, wie viel von ihren innersten Gedanken sie vor mir, sowie vor Allen verborgen hatte, wie vertraut sie mit dem Todesgedanken war, und wie die Gewissheit, dass sie jung sterben m?sste, an ihrer innersten Lebenskraft nagte. Sie war blass geworden, und ihre Wangen waren abgemagert. Die H?nde waren wachsgelb, und sie ging in Angst vor mir umher.
Da bat sie mich zum ersten Male, sterben zu d?rfen. Zum ersten Male sprach sie von all dem, das sie getragen und verborgen, um dessentwegen ich in sie gedrungen und das sie nie anders als in Andeutungen ?ber die Lippen gebracht hatte.
>>Schon seit ich sehr jung war,<< sagte sie, >>lange bevor Du und ich uns kennen lernten, ist es mir so nat?rlich gewesen, daran zu denken, dass ich nicht lange leben w?rde. Dann fand ich Dich, und da vergass ich Alles. Denn Du hast mich so gl?cklich gemacht, Georg, Du hast mich gl?cklicher gemacht, als ich Dich je machen konnte. Du hast mir meine drei Knaben gegeben, meine zwei grossen Jungen und den kleinen Sven. Und was kann ich f?r sie, f?r Dich und f?r Euch Alle sein? Ich bin ja so krank, und ich werde nie gesund. Du sollst mich vergessen, Georg. Ach ja, ich weiss, dass Du um mich trauern wirst, weil Du mich lieb hast, obgleich ich immer zart und schwach gewesen bin und Niemandem n?tzen konnte. Aber Du sollst mich doch vergessen. Und Du wirst eine Andere finden, die Dir mit den Kindern hilft.<<
Und wieder bat sie mich sterben zu d?rfen, bat, die wenigen Wochen, die ihr geg?nnt waren, in Ruhe zu leben. Sie wollte nur nicht auf dem Operationstisch sterben, aber sie war es zufrieden, von hinnen zu scheiden, und sie wollte bloss mit ihren Schmerzen so lange leben, dass sie die Kinder auf das, was kommen musste, vorbereiten und Abschied von ihnen nehmen konnte.
So pl?tzlich war all das ?ber mich hereingebrochen, dass ich nicht einmal meine Gedanken zu ordnen vermochte, noch weniger fand ich Worte, um zu antworten. Ich f?hlte dunkel, dass ich mich, wenn ich hier eingriff, in einen Kampf st?rzte, der ?ber das hinausging, was Menschen im Allgemeinen verurteilt sind zu erleben. Ich f?hlte die Scheu, die ich immer empfunden habe, wenn es galt, an etwas zu r?hren, das eines anderen Menschen innerstes und unantastbares Eigentum ist. Und wenn es etwas giebt, das kein Anderer als der Mensch selbst entscheiden kann, so ist es wohl die Frage, ob er sich einem sicheren Tod unterwerfen oder einen schweren Kampf aufnehmen soll, um vielleicht das Leben zu gewinnen. Wie ich meine Frau vor mir sah, erschien sie mir so nahe und doch so ferne. Ihre Bitte, sterben zu d?rfen, war so r?hrend und so ernst gemeint, dass ich nicht den Mut hatte, sie zu bitten, sich um meinetwillen dem Leben wieder zuzuwenden. Denn f?r sie galt es nicht mehr und nicht weniger. Und mit Staunen merkte ich, dass sie alles, was sie liebte, verlassen konnte, weil sie vorbereitet war. Aber gleichzeitig f?hlte ich mit der St?rke der Verzweiflung, dass ich sie nicht verlieren konnte. Ich konnte es nicht. Und in meiner Verzweiflung nach dem Einzigen greifend, was mir in den Sinn kam, sagte ich bloss:
>>Aber Sven, kannst Du Sven verlassen?<<
Sie zuckte zusammen wie vor einem Keulenschlag, und sie rang ihre H?nde in Verzweiflung.
>>Nein, nein! Ich kann nicht.<<
Sie wankte zur Schlafzimmerth?r und bat mich nur, sie allein zu lassen. Ich sah sie die Th?r hinter sich verschliessen, und ich blieb sitzen, wo ich sass, und hatte das Gef?hl, dass alles, was ich mit ihr erlebt hatte, tot und verschwunden war und dass sie jetzt von uns gehen w?rde. Ich begriff, dass, wenn sie es nicht that, dies nicht um meinetwillen geschah, sondern um des Kleinen willen mit dem goldenen Haar und den wunderbaren Kinderaugen, ihrem kleinen Engel, der gekommen war und sie ans Leben festgekettet hatte. Ich begriff all dies, aber es verletzte mich nicht. Ich fand es ganz nat?rlich, dass ich allein sie nicht halten konnte. Ich liess den Kopf sinken und weinte, weinte zum ersten Male ?ber mich selbst und mein eigenes Leben. Und ich erwartete nichts, glaubte nichts anderes, als dass die Tage jetzt ruhig und unerbittlich bis zu der Stunde fortschreiten w?rden, die kommen musste; und schliesslich w?rde der Tod all das zerreissen, wof?r ich gelebt hatte.
Wie lange ich so sass, weiss ich nicht. Ich weiss nur, dass es d?mmerig wurde und dass ich dadurch auffuhr, dass ich f?hlte, dass meine Frau auf den Knieen vor mir lag und ihren Kopf an meinen Arm lehnte. Sie war so leise gekommen, dass ich sie nicht geh?rt hatte, und ihre Stimme klang ruhig, als sie sagte:
>>Ich will f?r Dich leben, Georg, f?r Sven und unsere grossen Jungen.<<
Ich kannte ihre Stimme, wenn sie so tief und warm wurde, als sei alles andere als ihre Liebe in ihr verstummt. Ich begriff, dass ihr Entschluss jetzt unersch?tterlich war, dass sie wieder uns Allen geh?rte oder geh?ren wollte, und eine warme Welle der Dankbarkeit gegen sie und das ganze Leben durcheilte mich. Es dauerte lange, bevor wir unsere Lage ver?nderten, aber als wir es thaten, erhob sie sich und z?ndete alle Lampen an wie zu einem Feste.
Dann rief sie die Kinder herein, und sie kamen Alle still und sich wundernd, und wir brauchten ihnen nichts zu erkl?ren. Denn sie hatten Alle verstanden, Jedes in seiner Weise, sie hatten mit einander gesprochen, wie wir Grossen, und sie wussten, dass Mamas Leben auf dem Spiele stand, aber dass sie es wagte, um f?r sie leben zu k?nnen.
Sven kletterte auf Mamas Schoss und schmiegte sich an sie. Und er brachte uns Alle dazu, durch Thr?nen zu l?cheln, als er sagte:
>>Mama darf nicht vom Fratzi wegsterben.<<
Dies war ja einer seiner Kosenamen in der Familie, und er wendete ihn selbst ohne eine Ahnung davon an, dass es komisch klang. Darum brachten uns seine Worte beinahe etwas wie eine Verheissung des Lebens, und sie beruhigten uns.
Aber als die Kinder zur Ruhe gegangen waren, gingen Elsa und ich, uns mit den Armen umschlingend durch die R?ume. Und ich sah, dass sie wieder Abschied nahm, aber in anderer Weise als vor einigen Stunden. Am n?chsten Tage sollte sie in das Sanatorium fahren.
Aber als ich fr?hmorgens herauskam, sass Olof in dem grossen Lehnstuhl gegen?ber der Schlafzimmerth?re.
>>Sitzest Du schon lange hier?<< fragte ich ?berrascht.
>>Ja,<< antwortete der Knabe einsilbig.
Er hatte da gesessen und an seine Mutter gedacht und daran, wie ernst alles mit einem Schlage geworden war. Zum ersten Male fiel es mir auf, wie gross er war, und ich ergriff seine Hand wie die eines Gleichalterigen. Es zuckte in dem Gesicht des Zehnj?hrigen, aber er konnte nichts sagen.
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