Read Ebook: Krawall: Lustige Geschichten by Thoma Ludwig
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Ebook has 1373 lines and 41715 words, and 28 pages
,,Manderl!" sagt der Bauer, ,,?berleg Dir die Sach noch, ob ich ein Flegel bin."
,,Ich lasse Ihnen arretieren," schreit der Herr Bezirksamtmann, ,,wo ist die Polizei?"
,,Heb Dir Deine Polizei auf," sagt der Bauer und lacht ganz merkw?rdig, ,,vielleicht kannst sie noch gut brauchen," und dann ist er gegangen.
Unter der T?r hat er sich nochmal umgedreht und sagt: ,,Wennst an den K?nig von Preussen schreibst, kannst ihm einen sch?nen Gruss ausrichten von den Stockacher Bauern."
Die Herren waren durchaus verbl?fft und haben nicht mehr gewusst, was sie denken sollen. Der Bezirksamtmann -- Alois Reich hat er geheissen, und er war aus der Rheinpfalz -- hat die Karten hingelegt und ist w?tend auf den Marktplatz hinaus.
Aber von dem Bauer war nichts mehr zu sehen, und der B?rgermeister von Stockach, der gleich am andern Tag hereinzitiert worden ist, hat keine Auskunft geben k?nnen oder wollen.
,,Sie m?ssen es wissen, wer der Kerl ist," sagt der Bezirksamtmann.
,,Wenn Sie einen Kerl suchen," antwortet der B?rgermeister ganz kalt, ,,hernach m?ssen Sie schon bei einer andern Gemeinde anfragen. Wir Stockacher haben keinen Kerl unter uns."
,,Aha! Pfeift der Wind aus +dem+ Loch? Ich will Ihnen was sagen. Innerhalb dreimal vierundzwanzig Stunden erfahre ich, wer mich gestern beleidigt hat. Der Mann ist leicht zu eruieren, schon an seinen Redensarten ?ber Preussen und so weiter. Erhalte ich keinen Bescheid, dann sollen Sie mich kennen lernen."
,,Ist nicht notwendig," sagt der B?rgermeister, ,,ich hab ja schon l?nger die Ehr. Und wenn das ein Kennzeichen ist, dass einer nicht preussisch werden will, dann m?ssens wir Stockacher alle miteinander gewesen sein. Und ich kann gleich dableiben," sagt er, ,,denn ich bin der allererste dagegen."
Eine solche Auflehnung hat man damals ?berall gemerkt, heimlich und offen, und eigentlich haben wir D?rnbucher uns dar?ber gefreut, wenn es nur keine Konsequenzen gehabt h?tte.
Unter gebildeten Leuten hat das keine Gefahr. Man sagt seine Meinung, oder man denkt sich seinen Teil, und vergisst aber nicht den Anstand.
Aber bei den gewaltt?tigen Bauern sind nat?rlich die Konsequenzen eingetreten. Nun muss ich es der Reihe nach erz?hlen, obwohl es eigentlich schwer ist, weil man in dem Krawall den Kopf verloren hat, und keiner hat recht gewusst, wo der Anfang war.
Am Tag der Kontrollversammlung sind aus allen vier Himmelsrichtungen die Bauernburschen in die Stadt gekommen.
Nicht einzeln oder paarweis, sondern in Haufen, und alle haben schon in der Herrgottsfr?he Spektakel gemacht.
Wo ein Haufe mit der Ziehharmonika anger?ckt ist, das hat man sich noch gefallen lassen. Aber die meisten haben geschnackelt, gepfiffen und gejohlt, und andere haben durch Kuhh?rner geblasen, als wenn sie Feuerl?rm geben m?ssten, und wieder andere haben bloss geschrien, dass die Fenster gezittert haben.
Die B?rger sind erschrocken aus den Betten gest?rzt und haben in die Gassen hinuntergeschaut, und den meisten hat schon nichts Gutes geahnt.
Am Marktplatz sind alle Haufen zusammengekommen; so oft ein neuer aufmarschiert ist, haben die andern ihn mit furchtbarem L?rm begr?sst, sie haben gejuchzt und geblasen und Blechdeckel aufeinander geschlagen, und es war wie ein Haberfeldtreiben.
Aus dem Stern und dem Goldenen Lamm und aus dem Rappen haben sich die Burschen Bierf?sser geholt und auf den Platz gerollt, wo gleich angezapft worden ist. Die Br?uknechte haben sie hergeben m?ssen und die Masskr?ge dazu, denn an einen Widerstand war nicht zu denken.
Der lange Martl vom Rappenbr?u hat Bezahlung verlangt, aber da ist ein allgemeines Gel?chter gewesen, und ein Bursche hat gerufen:
,,Heut sind wir zechfrei; heut zahlt alles der K?nig von Preussen."
Und sie sind her ?ber das Bier, wie die Wilden; den Hahnen haben sie nicht mehr zugedreht, und was nicht in den Kr?gen Platz gehabt hat, ist auf den Boden gelaufen.
Mit dem Trinken ist der L?rm ?rger und ?rger geworden; einer hat den andern ?berschrien, und weil ihnen das noch nicht laut genug war, haben sie mit den Stecken auf die F?sser geschlagen.
Der B?rgermeister Wieser schaut zum Fenster herunter und glaubt, der J?ngste Tag ist gekommen.
Er hat aber den Kopf schnell zur?ckgezogen, denn wie ihn herunten ein paar gesehen haben, pfeifen sie durch die Finger und br?llen hinauf, ein Wort gr?ber wie das andere.
,,O du Herrgottssakrament, tu deinen Gipskopf hinein, oder es geht dir schlecht!"
Endlich kommt der Polizeidiener Kraus hinter der Kirche herum, den Helm auf, den S?bel umgeschnallt, und blass wie der leibhaftige Tod.
Er hat sp?ter oft erz?hlt, dass er Reu und Leid gemacht hat, bevor er in den Haufen hinein ist.
Er kann sich zuerst nicht verst?ndlich machen; aber nach und nach zieht sich ein Kreis um ihn, und ein Bursche steigt auf das n?chste Bierfass und schreit:
,,Ruhe! Seid ruhig eine kleine Weile, jetzt m?ssens mit h?ren, wie lang wir noch bayrisch bleiben."
,,Meine Herren!" sagt der Polizeidiener Kraus, ,,machen Sie doch keine solchene Ruhest?rung! Ich muss Sie aufmerksam machen, dass es verboten ist."
,,Steht das im preussischen G'setz?" fragt der Bursche vom Bierfass herunter.
Und in dem Augenblick geht der L?rm auf ein neues an.
Wie auf Kommando singen alle zu gleicher Zeit:
,,Schenkt's mir amal was boarisch ein! Boarisch woll'n wir lustig sein, Schenkt's mir amal was boarisch ein, Boarisch woll'n wir sein!"
Den Kraus packen drei oder vier und schieben ihn voran, und gleich schieben noch ein paar mit, und vor er richtig umschaut, fliegt der Polizeidiener in den Hausgang vom Rappenbr?u hinein, und vom Hausgang in die Gaststube und von der Gaststube in die K?che.
,,Hebt's ihn gut auf!" schreit einer zu den Weibsbildern hin, ,,denn wenn er nochmal rauskommt, k?nnt's leicht sein, dass er zerbrochen wird."
Der Kraus hat nicht daran gedacht, noch einmal auf den Platz zu gehen, denn er hatte seine Pflicht schon erf?llt und betrachtete sich f?r kampfunf?hig und gefangen. Bis jetzt war eigentlich nichts geschehen; aber in dem Augenblick, wo es acht Uhr schlug, ging es wie auf Befehl ?ber das Rathaus her.
Auf die Stunde war die Versammlung angesetzt, und die Burschen haben geglaubt, dass sie jetzt die preussischen Offiziere erwischen k?nnten.
Nat?rlich war ?berhaupt keiner in D?rnbuch, aber es war allgemein gesagt in der ganzen Gegend.
Also die Kannibalen st?rzten ?ber die Stiege hinauf und nehmen den Gemeindeschreiber bei der Gurgel.
,,Wo sind die Preussen?"
,,Heraus damit!"
,,Es sind keine Preussen da! Tut mir nichts, ich hab Weib und Kind!"
,,Kerl, wenn wir sie finden, bist Du auch hin!"
Die Haufen verteilen sich und suchen das ganze Haus ab, treten T?ren ein, reissen Schr?nke auf, werfen die Akten herum, zerschlagen die Fenster, johlen und br?llen.
Jetzt h?tte die B?rgergarde einschreiten m?ssen.
Der Messerschmied Simon, der als Leutnant dabei war, hat sich ein Herz gefasst und ist aus seinem Hause heraus und zum Buchdrucker Schmitt in die Kirchgasse gelaufen.
Denn der Schmitt war Kommandeur, und alles musste auf seinen Befehl geschehen.
,,Revolution! Revolution!" schreit der Simon und reisst an der Glocke. Die T?re wird vorsichtig aufgemacht, und der Schmitt, Gott hab ihn selig, steht im Schlafrock da und zittert wie im Frostfieber. Aber der Simon war ein martialischer Mensch, wie jeder weiss, der ihn kennt.
Er macht die milit?rische Ehrenbezeigung und sagt: ,,Ich melde gehorsamst, Herr Major, in der Stadt herrscht Aufruhr! Die Bauern st?rmen das Rathaus!"
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