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Read Ebook: Mensch und Erde: Skizzen von den Wechselbeziehungen zwischen beiden by Kirchhoff Alfred

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Ebook has 214 lines and 38190 words, and 5 pages

Italienischen Nautikern danken wir die Einf?hrung des Kompasses in unseren Schiffsdienst auf grund der zuerst in China erkannten Richtungskraft der Magnetnadel. Er hat nicht bloss zahllosen Tausenden von Schiffen, denen in Nacht und Nebel kein Gestirn schimmerte, den rechten Weg gewiesen, sondern ohne die am Kompass durch alle Zonen von den Schiffern gemachten Massenbeobachtungen h?tte auch kein Gauss erfolgreich am Problem des Erdmagnetismus zu arbeiten vermocht. Und wenn schon vor Jahrhunderten die Markscheider im Klausthaler Bergwerk ihre unterirdischen G?nge zielsicher ausbauten, beim Grubenlicht den Kompass befragend, so klingt selbst in diese wahrlich seeferne Arbeit ein verhallendes kulturgeschichtliches Echo vom Wogenget?mmel.

Zum Gr?ssten jedoch f?hrte das Weltmeer den Menschen hinan, indem es ihm die einzige M?glichkeit erschloss, die Erde als Ganzes auf dem Weg der Entschleierung des irdischen Antlitzes kennen zu lernen, durch den Welthandel die Wirtschaft der einzelnen V?lkerkreise zur Weltwirtschaft zu verkn?pfen, endlich durch dieses Mittel allseitigen Verkehrs, wie ihn allein der alle Lande umschlingende Ozean zu schaffen vermag, die urzeitliche Trennung der Menschenst?mme nach den einzelnen Kontinenten zu ?berwinden, auch eine geistige Verbindung der gesamten Menschheit anzubahnen. Dass der Welthandel hierbei die F?hrung ?bernahm, versteht sich aus der nicht bloss b?sen Macht der Gewinnsucht. Rief doch schon Strabo aus, da er im entsetzlichen Tanz der Wellen die Seeleute ihr Leben einsetzen sah, um die nach Rom bestimmten Waren auf hoher See vor der schon damals zu seichten Tiber aus dem Kauffahrer in die Leichterboote ?berzuladen: ,,Ja, die Sucht nach Erwerb besiegt alles!" Das Meer ?ffnete von jeher die freisten und, was sehr schwer wiegt, die billigsten Wege um den Erdball. Wir werden bald aus den unfernen Schantungwerken billigere Steinkohlen nach Tsingtau liefern, als man von England dort feilbieten k?nnte; dagegen schon Mailand, geschweige denn die italienische K?ste liegt uns zu fern, um dort die englische Kohle auszustechen, weil diese fast schon vom F?rderungsplatz bis nach Italien den Seeweg vor unserer deutschen Binnenlandkohle voraus hat. Apfelsinen aus Italien werden in Hamburg billiger feilgeboten als in M?nchen oder in Wien, weil die Seefracht von Sizilien nach Hamburg nicht einmal ganz so teuer zu stehen kommt wie z. B. die Landfracht von Hamburg nach Berlin. So wirft allerwegen der Seehandel wegen wohlfeilster Fracht den meisten Verdienst ab; um die billige Seestrasse nicht um ein Kilometer unn?tz zu verk?rzen, sind ja die gr?ssten Seehandelspl?tze eben in den innersten Nischen von Meereseinschnitten ins Land erbl?ht; und der Millionenverdienst des Welthandels wirft genug ab, um die Unsummen herzuliefern, die der Schiffsbau verschlingt, und um jene Millionengarde wackerer Schiffsbemannung zu lohnen, auf dass sie fern der s?ssen Heimat harte und mit steter Lebensgefahr bedrohte Arbeit leiste, selbst den Taifunen trotzend.

,,Unfruchtbar" nannte Homer die See, und doch wie viel G?ter beschert sie den Menschen, aus eigenem, nimmer versiegenden Schatz, mehr noch dadurch, dass sie die Sch?tze der ganzen Erde ?ber ihre spiegelnde Fl?che geleitet mit denkbar geringster Beeintr?chtigung ihrer Marktf?higkeit. ?ber die Gestadel?nder des Meeres, zumal der am intensivsten arbeitenden gem?ssigten Zonen, schauen wir einen Abglanz dessen sich ausbreiten: die verkehrsreichsten St?dte, die dem Welthandel als Hafenorte dienen, Werfte, Industriest?tten, die ?berseeisch erzeugte Rohstoffe aus erster Hand haben wollen, um sie in Kunstprodukte umzusetzen, vereinigen sich an den K?stenstreifen mit einer F?lle kleinerer Siedelungen, teils auch vom Seehandel oder von K?stenfahrt und Fischerei lebend, umgeben von meist wohlbestellten Fluren, ?ber denen der milde Seehauch befruchtend waltet. Der leichter zu erringende Wohlstand ist es, was die Menschen an die K?ste zieht. Darum zeichnen sich Inseln so oft vor dem benachbarten Festland, kleinere Inseln unter sonst gleichen Verh?ltnissen vor gr?sseren aus durch st?rkere Volksverdichtung zufolge ihres relativ gr?sseren K?stenanteils. Wo Land und Meer einander ber?hren, da zeigt sich mithin naturgem?ss am offenkundigsten des Meeres Segen f?r die Menschheit.

Werfen wir zum Schluss noch einen raschen Blick auf die Bedeutung des Meeres f?r den Staat, so versteht es sich aus dem eben Gesagten zun?chst von selbst, dass jeder Staat, falls er sich der Vorteile des Seewesens f?r seine Angeh?rigen bewusst wird, nach Ausdehnung seines Gebiets bis zum Meer streben wird, und w?re es auch bloss um einen so winzigen K?stenstreifen zu erwerben wie neuerdings Montenegro an der Adria erhielt. Denn wer einen Fuss am Strande hat, kann seine Schiffe um die ganze Erde senden. Welche Machtf?lle in Seehandel, Seeherrschaft und Kolonisation bis an die entlegensten pontischen Gestade hat im Altertum Milet, im Mittelalter Genua von einem einzigen Hafen aus entfaltet! Die Schweiz steht uns als einziger Wunderbau eines Staates vor Augen, der, auf den Alpenzinnen inmitten Europas gegr?ndet, durch den r?stigen Industrietrieb seiner Bewohner Handel ?ber die ganze Welt hin treibt, ohne je eine K?steneroberung hoffen zu d?rfen. Aber wie peinlich abh?ngig f?hlt sich darum auch die Schweiz f?r Warenabsatz nebst Warenfracht von den Zolleinrichtungen, den Tarifs?tzen der Eisenbahnen seitens der vier Grossstaaten, die sie umklammern! Russland hingegen bietet uns das weltgeschichtlich gr?sste Beispiel eines urspr?nglich rein binnenl?ndischen Staates, der in zielbewussten Vorst?ssen die K?sten seiner s?mtlichen Umgebungsmeere sich angliederte, dass nun sein Banner weht von der Ostsee bis zum Huanghai.

Aber dem Staat als solchem verleiht das Meer drei der besten, ja der unentbehrlichsten Gaben: Unabh?ngigkeit, Einheit und Machtf?lle. Das Meer ist das schlechthin Unbewohnbare, betont mit Recht Ratzel, somit die allersicherste Schutzmauer f?r einen Staat. Wie viel minder gew?hrleistet erschiene des gr?ssten Freistaats Freiheit, h?tte die Union zum atlantischen Littoral nicht auch das pazifische errungen! Ein allseitig meerumschlungenes Staatsgebiet wie das britische, das japanische und nun auch Australien, der neue Weltinselstaat, kann nie anders als punktweise, n?mlich allein durch Flottenangriff berannt werden. Frankreich erscheint durch ?berwiegen der Seegrenze besser gedeckt als Deutschland. Weil gleichfalls der friedliche Verkehr nur stichweise zu Schiff ?ber die K?ste ins Innere eines Staates zu dringen vermag, haben die vom Meer gebildeten Staatsgrenzen auch ethnisch etwas sch?rfer Umrissenes vor den verschwommeren Landgrenzen voraus: sie helfen besser die Vereinheitlichung nationaler Volksmischung zu f?rdern und zu erhalten. Im r?mischen Weltreich bew?hrte sich umgekehrt ein einzigesmal in der Geschichte das Mittelmeer als die von innen her den gewaltigen Staat zusammenhaltende Kraft. Unabl?ssig jedoch bringt das Weltmeer von aussen allen Staaten, an deren Saum es brandet, und die seinen Weckruf verstehen, Einheit und Macht. Griechenland, die Apenninen-Halbinsel verlegen bei ihrem gebirgigen Inneren einen guten Teil ihres Gesamtverkehrs auf die K?stenfahrt, die Tag f?r Tag Bewohner und G?ter von Nord und S?d zusammenf?hrt, die Interessengemeinschaft steigernd und immer von neuem den Blick auch weiter lenkend auf die hohe See jenseits des heimatlichen Strandes.

Seehandel wie jede ?ber See dr?ngende Th?tigkeit, sei das Grossindustrie, technische Beth?tigung ?ber See oder Kolonisation, f?hrt mehr als irgend etwas sonst zur Verflechtung einer Nation mit der weiten Welt, schweisst aber zugleich die binnenl?ndischen Staatsteile aufs festeste zusammen mit der K?ste, ?ber die allein der lebendige Austausch zwischen daheim und draussen geschehen kann, schmiedet folglich mit den Hammerschl?gen des Begreifens der Zusammengeh?rigkeit die Teile zum Ganzen. Das f?hlen wir Deutsche kr?ftiger denn jemals in der Gegenwart. Kein Hohenstaufe kehrt mehr den deutschen K?sten gleichg?ltig den R?cken, um Romz?ge ?ber die Alpen zu f?hren; keine Hanse streicht mehr unmutig die Flagge, weil es ihren ruhmw?rdigen Thaten an Sicherung durch Reichsschutz gebricht. Eine wachsende Panzerwehr unter deutscher Reichsflagge schirmt unsere Handelsschiffe auf allen Meeren, leiht jeder redlichen Unternehmung deutscher Reichsb?rger in und ausser unseren Schutzgebieten ihren sch?tzenden Arm bis zum fernsten Strand. So str?men, vor feindseligen Unbilden bewahrt, die von deutscher Betriebsamkeit verdienten G?ter der Welt ?ber die Schwelle des Meeres in alle Gaue unseres Vaterlands, steigernd den Wohlstand unseres Volkes zu vordem nie erreichter H?he, segensvoll erweiternd seinen geistigen Gesichtskreis, n?hrend die staatliche Macht. Auch unseres Reiches Herrlichkeit liegt stark verankert im Weltmeer.

Steppen- und W?stenv?lker.

Es w?re sehr unkritisch, jedwede Harmonie zwischen dem Wesen eines Volkes und seiner Naturumgebung durch letztere verursacht zu denken. Leichtgl?ubig pflegt man den Satz hinzunehmen, die lachende, sonnenbestrahlte Landschaft S?deuropas habe ,,nat?rlich" die lachende Heiterkeit der Hellenen, der S?ditaliener und S?dspanier hervorgebracht. Aber obschon die Leichtigkeit des Erwerbes des Wenigen, was in diesem S?den zum Leben n?tig ist, von dem mild subtropischen Klima mitbedingt wird, und ein vollends etwa schon urspr?nglich zu frohsinniger Lebensanschauung geneigtes Volk unter einem solchen Himmelsstrich dieser Neigung, unbedr?ckt durch materielle Sorgen, sich hingeben, bei nur einigermassen k?nstlerischer Anlage gewiss auch durch die farbengl?nzende Pracht von Himmel, Land und Meer bei holder Musse sich zu Kunstsch?pfungen anregen lassen wird, so muss uns doch schon ein einziges klassisches Beispiel aus der neuen Welt von dem voreiligen Schluss abschrecken, die Gem?tsstimmung der V?lker sei ein unmittelbares Spiegelbild seiner Umgebung: die Nachkommen des erlauchten Kulturvolkes der Azteken haben unter dem Azurblau des strahlenden Firmaments von Mejiko in einer Landschaft, die bis hinan zu den herrlichen Riesenvulkanen mit ihren Schneezinnen ungleich reizvoller ausschaut als die Gegend am Fuss des Vesuv oder des Etna, die Schwermut bewahrt, die ihnen wie den meisten Indianerst?mmen als ein Rassenerbe auf die Stirn gepr?gt ist.

Schifferv?lker m?ssen ihre Kunst einb?ssen, sobald sie in wasserlose Binnenr?ume versetzt werden, Temperamente dagegen k?nnen den Ortswechsel ?berdauern. Zum vertrauensw?rdigen Nachweis eines urs?chlichen Zusammenhangs zwischen Landes- und Volksart kann uns erst eine vorsichtige Anwendung vergleichender Methode f?hren. Wir m?ssen untersuchen, ob Landschaftsarten, die in m?glichst scharfer Individualisierung an den verschiedensten Stellen der Erdoberfl?che wiederkehren, auf Bewohner der mannigfachsten Herkunft, also wahrscheinlich auch der mannigfaltigsten Begabung von Haus aus gleiche oder doch ?hnliche Wirkung ge?ussert haben. Solche scharf ausgepr?gte Eigenart der Landschaft bei g?nstigster Verteilung ?ber s?mtliche Erdteile finden wir nun vor allen in den Trockengebieten, d. h. in den nur zeitweilig, doch allj?hrlich benetzten Landstrichen, die wir nach dem russischen Ausdruck ~stjep~ f?r Grasflur Steppen nennen, und in den so gut wie niederschlagslosen, den W?sten.

Steppen, mehr noch W?sten, haben zun?chst dadurch das V?lkerleben immerdar m?chtig beeinflusst, dass sie durch Sp?rlichkeit von Trinkwasservorrat und die daher r?hrende Seltenheit, teilweise sogar v?llige Abwesenheit menschlicher Ansiedlungen in ihnen den Verkehr erschwerten, deshalb ganze V?lkerkreise, die von entgegengesetzten Seiten sie ber?hrten, dauernder auseinanderhielten als Ozeane das zu thun pflegen. Wie lebhaft verkehren Europa und Amerika miteinander, seitdem die Seeschiffahrt zwischen beiden die Br?cke schlug, w?hrend zwischen den afrikanischen Gestadel?ndern des Mittelmeers und dem Negerland, dem Sudan, die grosse W?ste heute wie vor Jahrtausenden eine Trennung bewirkt, die der schleppende Gang der Kamelkarawane nicht aufhebt. Die antike Kultur, das r?mische Weltreich fand an der Wasserarmut der Sahara wie der arabischen W?ste die von der Natur gesetzte ?quatorialgrenze. Der mit der Sahara an Gr?sse vergleichbare Trockenraum Centralasiens, der freilich zugleich die allerh?chsten Gebirge zwischen dem S?den und Norden des Erdteils aufrichtet, hat nicht allein die indischen und die sibirischen V?lker von jeder wechselseitigen Ber?hrung abgehalten, sondern auch in west?stlicher Richtung, wo Bodenerhebungen viel weniger hemmten, Turan von China geschieden, dass ?usserst selten erobernde Chinesenheere zum Sir und Amu herabstiegen; selbst das Tarimbecken Ostturkistans erscheint in der Geschichte zumeist nur als eine lose angegliederte, gern zum Abfall neigende ausw?rtige Provinz des chinesischen Reiches. Kaliforniens K?ste lag infolge der Quellenarmut des ,,fernen Westens" dem Osten der Vereinigten Staaten bis zur Er?ffnung der ersten pazifischen Eisenbahn so fern, als geh?rte das Land einem fremden Weltteil an. Die durchgl?hten, wasser- und schattenarmen W?sten oder Halbw?sten Australiens durchmisst noch gegenw?rtig keine einzige andere Verkehrslinie von K?ste zu K?ste als die des elektrischen Telegraphen.

Dass aber Steppen und W?sten neben der trennenden Wirkung, die sie ?berall auf ihre Umgebung ?ussern, ihre Bewohner selbst vielseitig beeinflussen, lehrt schon der fl?chtigste Blick auf ihre Pflanzen- und Tierwelt. Diese ist durchweg vor allem der D?rre der Luft und der Seltenheit oder doch der allzu einseitigen Verteilung der Niederschl?ge auf die Jahreszeiten angepasst. In solcher Anpassung beobachten wir die saftarmen Holzgew?chse Australiens mit ihren schmalen, gegen Verdorrung durch dicke Oberhaut gesch?tzten Bl?ttern, ihrem erstaunlich tiefdringenden Wurzelwerk, das noch Bodenfeuchtigkeit ergattert, wenn bereits Monate hindurch kein Tropfen Regen fiel; so die wunderbaren, blattlosen Saxaulb?ume, die wie grosse, umgekehrte Reiserbesen aus den sonst so kahlen Fl?chen Turans hervorragen; so die Dattelpalme, die wie der Araber naturwahr sagt, ,,den Fuss im Wasser, das Haupt im Feuer" haben will, d. h. den Regen geradezu scheut, nur von der Bodenfeuchtigkeit sich n?hrend; so den riesenhohen S?ulenkaktus in der d?steren Mohavew?ste, ferner die F?lle der ?ber den Boden rankenden K?rbis- und Gurkenarten, die durch ihr saftstrotzendes Fruchtfleisch die Samen vor dem Eintrocknen bewahren. Auch die Harzausschwitzung so vieler Holzgew?chse der Trockenr?ume dient ihnen als Schutz gegen den Verschmachtungstod, nicht minder die Dufth?lle, die viele Kr?uter durch Verdunsten aromatischer ?le aus winzigen Dr?sen ihrer Oberhaut sich schaffen gleich unserem Salbei oder der Krauseminze; das Experiment hat n?mlich erwiesen, wie sehr diese Dufth?lle die stetig sich vollziehende Abgabe der S?ftemasse aus dem Pflanzenk?rper in Gasform an die Luft einschr?nkt.

Und welch ein gen?gsames, feinsinniges und flinkes Heer verschiedenartigen Getiers haben sich diese Trockenlande erzogen. Grabende Nager bev?lkern zu Tausenden alle Steppen, begn?gen sich zur Kost mit den unterirdischen Teilen, den Knollen, Zwiebeln oder Wurzelst?cken der dort wachsenden Pflanzen, wenn die brennende Sonne der Trockenzeit das Gr?n der Gr?ser samt der bunten Blumenschar vergilbt, ja in Zunder verwandelt hat. Dem niedlichen Bobak, einem Verwandten des Murmeltiers in den s?drussischen Steppen, dient oft Monate lang der Morgentau an den Grasbl?ttern als einzige Labe. Im prachtvoll durchsichtigen, weil dunstfreien Luftmeer zieht der Geier seine weiten Kreise und ersp?ht auf unvergleichlich ausgedehntem Gesichtsfeld am Boden seine Beute mit einer Scharfsichtigkeit, dass man sein Auge mit einem Teleskop vergleichen darf. Die Fennekf?chschen der Sahara erlauschen mit ihren breitdreieckigen Ohren, die das Spitzk?pfchen so hoch ?berragen, das fernste Ger?usch und sind gleich den wild lebenden Kamelen des Tarimbeckens bis zur Unerkennbarkeit ihrer Bodenumgebung gleichfarbig, hier graugelb, dort mehr r?tlich. Kamele, Pferde, Antilopen und Strausse zeigen sich vor allem dadurch ans Trockenklima angeschmiegt, dass sie schnellf?ssig die g?nzlich wasserleeren Strecken durcheilen und teilweise wunderbar lange Zeit des Wassers v?llig entbehren k?nnen. H?lt doch das zweih?ckrige Kamel das Tragen zentnerschwerer Theelasten durch die Gobi im h?rtesten Winter aus, selbst wenn es bis zum zehnten Tag kein Futter erh?lt und nur auf gelegentliches Schneelecken angewiesen ist, um den Durst zu l?schen. Das einh?ckrige Kamel h?lt selbst in der W?stenglut Arabiens den Karawanenmarsch bis zum f?nften Tag ohne Wasser aus, im Fr?hjahr, wenn warme Regen ihm genug ,,Haschisch" erspriessen lassen, sogar mehr als drei Wochen.

Wie sollte da der Mensch als Bewohner des Trockenraums nicht gleichfalls dessen Gepr?ge tragen! Lenken wir den Blick zuerst nach dem Morgenland. Der eigentliche Orient, also was, etwa von Rom aus betrachtet, den Ostrand des geographischen Gesichtskreises der Alten ausmachte, von Pal?stina bis zum indischen F?nfstromland, und was ihm in Arabien, sowie in Nordafrika gleichartig sich anschliesst, f?llt in jenen gewaltigsten Steppen- und W?steng?rtel der ganzen Erde, der am atlantischen Meer mit der Sahara beginnt und erst mit der Kirgisenheimat und an der centralasiatischen Grenze gegen Sibirien, die Mandschurei und China endet. In der Regel f?hrt man die bekannten Charakterz?ge orientalischen Lebens auf den Islam zur?ck, als wenn die Lebensregeln des Koran nicht selbst erst zum guten Teil der arabischen W?ste entsprossen w?ren. Oder wenn man sich darauf besinnt, dass ja dies orientalische Wesen vor Mohammed zur?ckreicht, mindestens bis in Abrahams Zeit, so macht man gern die den Orientalen nun einmal angeborene Sinnesrichtung daf?r verantwortlich. Das d?nkt zwar recht bequem. Aber so gewiss die Gewohnheit bei den V?lkersitten eine sehr grosse Rolle spielt, so handelt es sich f?r die Wissenschaft doch eben um Aufdecken des Ursprungs der habituell gewordenen Gewohnheiten. Da nun Syrer wie Perser, Araber wie T?rken, mithin Sprossen ganz verschiedener Verwandtschaftsgruppen, der semitischen, indogermanischen, mongolischen, innerhalb des Orients die Eigenart ihres Lebens in den Grundz?gen gemein haben, so ist nichts wahrscheinlicher von vorn herein, als dass sie eben erst in diesem Trockenraum und durch ihn sich in ihrem Sittenschatz ver?hnlichten. Diese Wahrscheinlichkeit erhebt sich ?berall da zur Gewissheit, wo wir die n?mlichen Lebensz?ge bei Australiern und Pr?rieindianern, Patagoniern und Hottentotten gewahren, die nie mit Orientalen Sittenaustausch zu ?ben vermochten, wohl aber wie sie in waldleeren, offenen Fluren mit trockenem Klima wohnen.

Was zuv?rderst die K?rpereigenschaften betrifft, so hat die trockene Luft etwas Zehrendes. Die in ihr lebenden Menschen bekommen deshalb, je mehr sie sich ihr aussetzen, straffe Muskeln, setzen aber wenig Fett an. Durchweg sind somit Steppen- und W?stenbewohner hager und sehnig; bei den Kalm?cken spricht eine ber?hmte Ausnahme f?r die Regel: ihre Priester, die G?llunge, weil sie unth?tig den ganzen Tag im Zelt zu sitzen pflegen, sind Ausbunde von Fettleibigkeit. Ferner br?unt das grelle Licht der schattenarmen, dunstfreien Luft die Haut; das beweisen die ungarischen Pusstenhirten, die Hirten der pontisch-kaspischen Steppe S?drusslands, die Gauchos der Pampas. Die Haut wird durch ihre Trockenheit der Luft leicht rissig; gegen dies schmerzhafte Aufspringen der Haut salbten sich die alten Griechen bei minder umf?nglicher Gewandung mit Oliven?l, der Pusstenhirt reibt sich mit Speck ein und h?ngt seinen zottigen Schafpelz ?ber den Hirtenstab nach der Windseite, der Buschmann ringelt sich schlangenhaft zur Abendrast in die flache Erdgrube, in der er ein gl?cklich erbeutetes H?slein mit Haut und Haar vorher geschmort hat, um des andern Morgens mit der fettdurchtr?nkten Aschenkruste als einziger Bekleidung weiterzuwandern. Buschm?nner und Hottentotten zeichnen sich ganz besonders durch eine zur Runzelung neigende, fettarme Haut aus; darum erh?lt ihr Gesicht schon in der Jugend ein faltiges, sauert?pfisches Aussehen, weil sie zum Schutz gegen die blendende Lichtf?lle ihrer Umgebung bestrebt sind die Augen zusammenzukneifen wie wir, wenn wir aus dem Dunkeln pl?tzlich ins Helle treten. Welch bezeichnender Gegensatz, diese schlitzartig verengten Augen des Kalacharimannes gegen?ber dem weit ge?ffneten Ph?akenauge des Negers!

Durch eudiometrische Untersuchung von Luftproben aus der libyschen W?ste wissen wir, zu einem wie hohen Grad der Ozongehalt der Luft in Trockengebieten sich steigern kann. Vermutlich beruht auf der Vernichtung der krankheitserregenden Mikroben, insonderheit der Tuberkelbazillen durch das Ozon die gesundende Kraft des Trockenklimas, wohl auch das Belebende, was z. B. die Saharaluft auf den europ?ischen Wanderer aus?bt. So lange die Bewohner von Steppen und W?sten ihre ozonreiche, freie Luft einatmen, kennen sie den W?rgengel der Schwindsucht nicht; er hielt in die nordamerikanischen Pr?rien erst mit der Stadtsiedelung seinen traurigen Einzug.

So beneidenswert wie die Gesundheit ist die Sinnessch?rfe unserer V?lker. Sie wurde tellurisch gez?chtet, weil zum Ersp?hen der Jagd- oder R?uberbeute, zum lebenrettenden Heimfinden zu den Seinen in diesen menschen?den Landen alle Sinne im allt?glichen Daseinskampf zur entscheidenden Mitwirkung berufen waren.

Das Geh?r sp?rt noch die leisesten Schallwellen, von denen unser Ohr nicht das Geringste empfindet. In Australien unterhalten sich einander begegnende Schwarze, wenn sie l?ngst in entgegengesetzter Richtung fortwandern, und der begleitende Europ?er einen Monolog zu h?ren meint. Ungef?hr ein halbes Kilometer nennt der Kalm?cke eine H?rweite, denn auf solche Entfernung ist ihm menschliche Rede ohne Stimmverst?rkung verst?ndlich. Wie seltsam doch die Sitte kirgisischer M?tter, den Kleinen die Ohrmuscheln auszuweiten, damit sie dereinst durch besseres Auffangen der Schallwellen besser ins Leben passen! Am Geruch erkennen die Leute menschliche wie tierische F?hrte, wenn sie auf unbewachsenem Felsboden keinen Eindruck zur?ckliess, mitunter noch nach Tagen. Aimara-Indianer finden sich in finsterer Nacht zum Lagerplatz zur?ck durch den Geruch der Fluren, von dem der stumpfsinnigere Weisse gar nichts sp?rt. Der Australschwarze wird gern in die austral-englische Polizei eingestellt wegen seines ?usserst feinen Witterungsverm?gens, das ihn Menschen- wie Tierf?hrten weithin auf hartem, keinerlei Eindruck verratenden Felsboden verfolgen l?sst, selbst wenn etwa der Schafdieb bereits tags vorher ?ber ihn fortgeeilt ist. Wie s?drussische Steppenrinder Tr?nkpl?tze auf weite Ferne wittern, so tritt wohl auch im Osten der grossen W?ste der Araber voll Sehnsucht nach dem Abschluss seines Karawanenzugs auf eine H?gelspitze, schl?rft, das Antlitz gen Osten, gierig die Luft ein und k?ndet frohlockend: ,,Ich rieche den Nil!" Er hat den Strom entdeckt, ohne ihn zu erblicken. Doch freilich die Sch?rfe des Gesichtssinns erweckt noch mehr unser Staunen. Des Menschen Auge ist ja ein Organ steter Anpassung, hochgradiger Fernblick kann sich mithin nur entwickeln innerhalb dunstfreier, weiter Horizonte, so beim Gemsj?ger, beim Steppen- und W?stenmenschen. Letzterer aber lernte im unabl?ssigen Daseinskampf diesen weitesten Horizont aufs vollkommenste beherrschen mit seinem Falkenauge, und dieser wunderbare Sp?herblick vererbte, verfeinerte sich von Geschlecht zu Geschlecht. So sind Trockenr?ume die Gebiete der gr?ssten Sehsch?rfe durch alle Kontinente. Der Buschmannknabe in Liechtensteins Begleitung auf der R?ckfahrt vom Kap erkannte noch ziegengrosse Antilopen an der afrikanischen K?ste auf Stundenferne, was Liechtenstein nur mit dem Fernrohr zu kontrollieren vermochte. Der Targi der Westsahara z?hlt bereits die Kamele einer eben in den Horizont eingetretenen Karawane, wenn der Weisse neben ihm ohne Fernglas noch gar nichts von ihr sieht. Der Australschwarze verfolgt die kleine Biene seiner Heimat, nicht gr?sser wie unsere Stubenfliege, bis auf 18 ~m~ H?he ins Dunkel eines Baumwipfels, um den wilden Honig zu ergattern. Die gr?sste uns bekannte Sp?herleistung m?chte indessen von jenem rosseweidenden Kalm?cken auf der ciskaukasischen Steppe erzielt worden sein, der die Russen vor einem ?berfall bewahrte, indem er den aufwirbelnden Staub eines heranziehenden feindlichen Heerhaufes auf 30 ~km~ Ferne erkannte, d. i. die Entfernung Potsdams vom Ostende Berlins.

Die ur?lteste Form des Menschenlebens, der Nomadismus, hat sich bis zur Gegenwart in den Steppen und W?sten erhalten, weil hier der Mensch unter der Bedingung heroischer Marschausdauer, beherzter Waffenf?hrung, gen?gsamer Kost, auch gelegentlichen Hungerns und Durstens der uralten Wonne unseres Geschlechts sich weiterfreuen durfte: der goldenen Freiheit, ohne als Arbeitsknecht Hacke oder Pflug f?hren zu m?ssen. Stets haben diese Freischweifenden mit der Verachtung des k?hnen Recken auf die Sesshaften herabgesehen, so die Beduinen d. h. die W?stens?hne auf die feisteren Bauern des arabischen K?stenrandes, die ihnen nur zum Brandschatzen, wenn nicht zu dauernder Knechtung da zu sein schienen, ebenso die Kurden der armenischen Alpmatten auf die Armenier, die drunten im Thal Feld und Garten berieseln mussten im Schweiss ihres Angesichts; bis zur russischen Besitzergreifung auch die freiheitsstolzen, t?rkischen ?sbegen Turans, die, wenn sie als Herren der persischen Siedler der Flusschanate ihr Heim in diesen selbst aufschlugen, doch lieber ihre Filzjurte im viereckigen Freihof des Wohnhauses aufschlugen als wie Feiglinge in den Lehmmauern eines Hauses zu wohnen.

Australiens eingeborene schwarzbraune Rasse h?lt noch gegenw?rtig an ihrer uralten frei schweifenden Lebensweise fest, wie sie dereinst bedingt war durch das nahezu g?nzliche Fehlen anbaulohnender Gew?chse und die Sp?rlichkeit jagdbaren Getiers in den wasserarmen ?dungen des Landes neben v?lliger Abwesenheit melkbarer Tiere. Auch nachdem nun die europ?ischen Ansiedler mit bestem Erfolg unsere Kulturgew?chse und Haustiere nach Australien gebracht haben, verbleibt der Australschwarze lieber der alten Freiheit treu, so sehr sie mit dem Jammer des blossen Sammelns von k?mmerlichen Brosamen am Tisch der Wildnis naturnotwendig verkn?pft ist. Die M?nner des Stammes schweifen auf der t?glichen Wanderung weiter aus, etwa eine K?nguruherde aufzutreiben, einen Vogel mit dem Bumerang herabzuholen, die Erdh?gelnester des Tallagallahuhns auszunehmen; die Weiber ziehen auf k?rzerer Linie, mit dem armseligen Hausrat und den kleinen Kindern bepackt, nach essbaren Wurzeln grabend, wilden Honig, Baumharz, kaum geniessbares Gew?rm zur Stillung des nagenden Hungers auflesend, einem noch nicht ganz ersch?pften Wasserloch zu, an dem sie abends das Feuer entfachen vermittelst des brennend unter der Glut des Tagesgestirns mitgeschleppten Holzscheites, auf dass der gestrenge Gatte nicht z?rne ?ber zu langen Aufschub, wenn erst durch Aneinanderreiben von H?lzern das Feuer entz?ndet werden m?sste, und jener dann unsanft den langen Wanderstab auf den Kopf der Gattin niedersausen liesse.

In dem wildreicheren Afrika ist selbst der Buschmann nicht bloss Nahrungssammler, sondern J?ger, ein gewandter Bogensch?tze. Doch kein Land der Welt ist ein solches J?gereldorado, dass der Mensch anders als hin- und herziehend von seiner Jagdwaffe den Unterhalt erzielen k?nnte. Auch der Hirt ist in Steppen mit gar zu k?rglicher Benetzung, also schlechten Futterwuchses, oder in Gegenden, wo ein anhaltender Schneewinter die Gebirgsweide nimmt, folglich die Herde in benachbarten Niederungen zu ?berwintern zwingt, ein Nomade. Hingegen f?hren Oasen und die Trockenr?ume durchstr?menden Fl?sse -- man denke nur an den nubisch-?gyptischen Nil, diesen einzigen Strom, der die Sahara in ihrer ganzen Breite durchzieht -- zu fester Siedelung, weil hier das Quell- oder Flusswasser Garten- und Ackerbau mittels k?nstlicher Bew?sserung zu treiben gestattet auch an Orten oder zu Zeiten, wo kein Tropfen Regen f?llt. Darum war ja Zoroasters Lehre eine solche Wohlthat f?r Irans und Turans d?rstende Gel?nde, weil sie die Berieselungswerke heilig sprach, unter deren Segen der sonst gar nichts tragende Boden tausendf?ltig Feld- und Baumfrucht spendete.

Wo vollends Steppen regenreich genug sind, um auch ohne Bew?sserung Feldbau zu gestatten, da sind sie teilweise schon vor Alters, in weitem Umfang vollends in neuerer Zeit vielfach ins Gebiet sesshaften V?lkerlebens einbezogen worden, indem gew?hnlich von aussen ackerbautreibende St?mme hereinzogen, sei es, dass der Boden unbewohnt angetroffen wurde, sei es, dass er ihnen zufiel nach dem gerechten Schiedsspruch tellurischer Auslese: jedes Land geh?rt dem, der es am besten zu verwerten, am tapfersten zu verteidigen weiss. Die englischen Weizenbauer und Schafz?chter dringen immer tiefer ins Innere Australiens ein; die Buren verdr?ngten Hottentotten wie Kaffern; die Pr?rien, wo noch vor kurzem die Roth?ute die zahllosen B?ffel jagten, wogen gleich den argentinischen Pampas von unabsehbaren Getreidefeldern. Dort, wo im Altertum skythische Skoloten und Sauromaten mit ihren Herden S?dosteuropas Steppen durchzogen, f?hrt jetzt der russische Ansiedler den Pflug. Und eben da, dicht am s?dlichen Uralgebirge, vollzieht sich j?ngst ein lehrreicher Vorgang des Obsiegens der Sesshaften ?ber die Schweifenden. Die Baschkiren n?mlich m?gen nur ungern ihr freies Wanderleben in der Steppe aufgeben; eingeengt jedoch durch die Uralw?lder im Osten, die w?stenhafte kaspische Salzsteppe im S?den, das leise Vorr?cken der russischen Bauern in West und Nord, f?hlen sie sich ausser stande allein durch Vermittlung ihrer Herden vom Steppengras zu leben, darum verpachten sie gegen Kornzins einen Teil ihrer L?nderei an russische Bauern und erkaufen sich damit noch auf eine Galgenfrist die Adelsfreiheit des Nomaden. Aber ihr Schicksal ist besiegelt, denn um von Weidewirtschaft in der Baschkirensteppe zu leben braucht man f?r den Kopf 120 Morgen, bei Landbau nur 20-30. Derselbe Fl?chenraum, der einem einzigen Baschkiren gen?gend Milch und Fleisch liefert, ern?hrt also vier bis sechs Russen.

Allerwegen indes, wo das alte Hin- und Herziehen verblieb, erhielt sich auch Sitte und Brauch fast unver?ndert. In den echten W?sten f?hrt erst ganz neuerdings der Eisenbahnbau einen g?nzlichen Umschwung des Verkehrs hier und da herbei. Sonst zieht dort noch wie vor Alters der Mensch von einer Wasserstelle zur andern, als Hirt, falls zu g?nstiger Jahreszeit fl?chtiges Gr?n den Boden ?berzieht, als Karawanenf?hrer, als Weidmann oder als lauernder R?uber. W?sten z?chten R?uberv?lker, denn sie sind von Natur immer arm, es sei denn, dass sie stellenweise Steinsalz bergen oder Salpeter wie die Atacama; oft liegen nun beiderseits reiche Landstriche, wie die Mittelmeerk?ste Afrikas und der Sudan, die einander ihre G?ter durch Frachtz?ge quer durch die W?ste zusenden, und dauernd locken Quell- oder Flussoasen mit winkenden Dattelhainen, mit Fruchtfeldern aller Art; Obst- wie Mehlzukost w?nscht sich aber der Steppen- und W?stenmensch gar sehr zu seinem ewigen Einerlei animalischer Nahrung. Was Wunder also, dass letzterer bei seiner ?berlegenen Ortskunde, die Angriff wie R?ckzug deckt, seiner k?rperlichen Kraft, seiner fliegenden Eile zu Ross oder Kamel gern wenigstens nebenbei das R?uberhandwerk treibt, weshalb jeder Oasenort sich mit Lehmmauer umg?rtet?

Das stete Wanderleben auf d?rrer Fl?che erzeugt eine F?lle von Gewohnheiten, die g?nzlich abweichen von denen sesshafter Menschen, und sich darum weit weniger wandeln, weil hier eine Natur von unbeugsamer Starrheit gebietet. In der syrisch-arabischen W?ste f?hlt man sich noch heute in die Tage der Erzv?ter Israels versetzt. Der Reichtum besteht wie zu Abrahams Zeit in Vieh und Silbergeschmeide, in Waffen und Teppichen. Ausser dem unentbehrlichen Zelt, dessen Gest?nge nebst h?renen T?chern die Lasttiere auf dem Marsch zu schleppen haben, muss die sonstige fahrende Habe aufs sparsamste bemessen werden. Man darf sich nicht Tisch, Stuhl oder Bettstatt g?nnen. Man hockt und schl?ft auf platter Erde; auf den hingebreiteten Teppich wird die grosse Sch?ssel mit dem einfachen Mahl gesetzt, in die greifen die Herumhockenden mit den Fingern wie Christus und seine J?nger, denn die Israeliten behielten gar manche Sitten des alten Nomadenlebens bei, auch als sie in Pal?stina sesshaft geworden, nannten sie doch f?r immer ihr Heim ~ohel~ d. h. Zelt. Die Ger?te m?ssen dauerhaft sein, weil man sie nicht so oft beim H?ndler erneuern kann; aus h?lzernen, wom?glich mit Metallreifen gesch?tzten Schalen trinkt der Mongole seinen gem?seartig gekochten Thee mit reichlicher Zuthat von Hammeltalg. Geringer gesch?tzt als der Mann ist das Weib; es verrichtet niedere Dienste, bleibt ausgeschlossen vom Mahl der M?nner. Sobald abends das Zelt aufgeschlagen, begiebt sich Frau oder Tochter zum Wasserholen, und damit sie den oft nicht so kurzen Weg nicht mehrmals zur?cklege, muss der th?nerne Wasserkrug recht umfangreich sein, darum wieder l?sst er sich nur auf der Schulter oder auf dem Kopf tragen, was zu straff aufrechter Haltung des K?rpers viel beitr?gt. Das Bild der Rebekka am Brunnen kehrt allabendlich im Orient hundertf?ltig wieder. Es fesselt stets durch die Verbindung von Anmut und Kraft?bung; wie spielend hebt die Wassertr?gerin den schweren Krug empor und tr?gt ihn elastischen Schritts von dannen. Mitten in der syrischen W?ste begegnete unser Wetzstein einer wassertragenden Beduinenfrau, die unterwegs geboren hatte in menschenleerer ?de, und nun r?stig dahinschritt, den Wasserkrug auf dem Haupt, das Neugeborene im Arm. Auch die Pr?rie-Indianerin wird zuweilen wohl auf dem Ritt durch die meer?hnliche totenstille Grasflur von ihrer schweren Stunde ?berrascht; sie bindet dann ihr Pferd etwa an einen einsamen Baumstamm und schwingt sich nach ein paar Stunden Rast heldenhaft mit dem S?ugling auf ihr Ross.

K?rperliche Ausdauer und R?stigkeit sind diesen Nomaden in jahrtausendelangem Daseinskampf anerzogen worden. Die Patagonier, allerdings wohl die langbeinigsten aller Menschen, unternehmen Erholungsspazierg?nge von mehr als 60 ~km~. Der Tubu legt seine heroischen W?stenm?rsche mit der notd?rftigsten Tagesration weniger Datteln zur?ck; im ?ussersten Fall ?ffnet er dem Kamel eine Ader an der Schl?fe, formt sich aus den zerstossenen Knochen am Weg bleichender Skelette von verschmachteten Menschen, h?ufiger von gefallenen Kamelen und aus den paar Tropfen Kamelblut eine Paste zur Fristung seines Lebens; Wasser kann er, falls er tags?ber regungslos im Schatten ruht und nur nachts mit seinem treuen Tier weiterzieht, vier Tage lang entbehren, dann erst bindet er sich todesmatt auf das Kamel, seine Rettung dem unvergleichlich scharfen Sp?rsinn desselben ?berlassend. Der Kalm?cke vermag auf Karawanenreisen wenigstens drei Tage lang zu hungern und zu dursten; findet er dann noch kein Trinkwasser, so rupft er Haare aus der M?hne des Pferdes und kaut daran.

Langes Fastenk?nnen und erstaunliche Gefr?ssigkeit entspricht vollkommen dem auf Mangel an Speise oft folgenden ?berfluss des J?gers, der entbehrungsvollen Wanderung und sp?ten Abendrast des Hirten-Nomaden. Der Mongole kann mehrere Tage ohne Speise bleiben, jedoch einen viertel Hammel sieht er als gew?hnliche Tagesration des Mannes an, ja er vertilgt bei festlichem Gelage einen Hammel mittlerer Gr?sse an einem einzigen Tage f?r sich allein. Zu starkes Essen gilt ?brigens bei diesen V?lkern oft als des Mannes unw?rdig. Auf Fehdez?gen l?sst sich der Kalm?cke an ein paar Bissen Fleisch gen?gen oder er kaut ger?stete Tierhaut; am Tage der Schlacht pflegt er nur die Br?he vom Fleisch zu trinken. Nordamerikanische Steppenindianer vermeiden selbst bei reichlichen Vorr?ten ?berm?ssiges Essen , um sich straff zu halten f?r Mannesthaten bei Waffenspiel oder ernster Gegenwehr.

Zum Spiel ist dem Nomaden viel Zeit ?brig, und er liebt auch im Spiel K?rperkraft nebst Gewandtheit zu zeigen. Zum Bogenschiessen oder Ballspiel lockt die baumleere Weite; letzteres erfreut den Teke-Turkmenen wie den Dakota und Tehueltschen. Im Zelt wird leidenschaftlich gew?rfelt; der Gaucho schl?gt die Faulheitsstunden mit Kartenspiel tot, w?hrend der Araber lieber in lauer Abendluft, nachdem im Purpur des westlichen Himmels die Sonne niedergesunken, dem M?rchenerz?hler oder dem S?nger der Ruhmesthaten seines Stammes lauscht. Nicht von ungef?hr tr?gt das Schachspiel einen persischen Namen. Herrlich gelingen den M?nnern ?berall die Reiterkunstst?cke und das Wettrennen; im Morgenland befeuern die zuschauenden Frauen durch ihren Zuruf, jauchzen den Siegern zu, wehklagen ?ber das Zur?ckbleiben der Ihren. Es sind das segensreiche Volksfeste, in denen unentbehrliche Tugenden durch den Sporn des Ehrgeizes ihre Pflege finden. Aus den s?drussischen Grasfluren kamen die wagehalsigen Bereiterst?ckchen in die Kosakenregimenter der russischen Reiterei; Baschkiren, in Ostturkistan selbst w?rdige Priester vergn?gen sich daran, im rasenden Galopp einen Stein vom Boden aufzuheben, ohne den B?gel loszulassen; die Turkmenen rennen auf 160 ~km~ um die Wette und stiften dem ersten Sieger den ansehnlichen Preis von zw?lf Kamelen. Das malerischeste Schauspiel bietet aber ein Renntag in der syrisch-arabischen W?ste oder eine Falkenbeize, sei es auf Reiher, sei es auf Gazellen am Hauran. Da bricht die Jagd- und Reitlust der Beduinen am feurigsten aus; wie toll st?rmen sie ins Weite, und wenn dann die silberweissen Jagdfalken im blauen ?ther mit den Reihern im Kn?uel sich verschlingen, da schauern sie wild empor, und jede Fiber zuckt den bronzefarbenen M?nnern, die trotz aller Nervenst?hlung hochgradig nerv?s sind, wie so oft die Menschen, die dauernd in elektrisch gespannter, trockener Luft leben.

Manche Eigent?mlichkeiten treffen wir in diesen Landen, die nicht aus ihrer Eigenart hervorgegangen, sondern hier nur besonders treu erhalten sind, weil eben der Zeiger auf dem Zifferblatt der Kulturgeschichte dort so viel langsamer vorr?ckt als bei uns. Dahin z?hlt u. a. der vielfach noch nicht eingeb?rgerte Gebrauch des Kochsalzes. Man k?nnte zwar meinen, Fleisch und Blut der W?stentiere sei durch deren salzreiches Futter schon salzig genug; in der That schmeckt trocknes Kamelfleisch wie gesalzen. Die Str?ucher und Kr?uter des so selten benetzten Bodens, in dessen Kruste die verdunstenden Tropfen von Tau oder Regen ausgelaugte Salzteile aufspeichern, sind oft nicht minder salzhaltig, folglich geniesst z. B. der Namahottentotte, wenn er sich Knollen oder Zwiebeln zur bescheidenen Kost ausgegraben, schon etwas salzreichere Nahrung als wir, wenn wir Brot oder Kartoffeln verzehren. Indessen so viele von der Ber?hrung mit unserer Kulturentfaltung bisher ausgeschlossen gebliebene V?lker, darunter auch unsere Schutzbefohlenen auf Neuguinea und den Karolinen, wissen nichts vom Salzen der Speisen, dass wir gleichfalls bei den uns besch?ftigenden V?lkern hierin nur einen Nachhall der Urzeit erblicken m?chten, in der unser Geschlecht sein stets vorhandenes, aber recht m?ssiges Salzbed?rfnis mit dem geringen Salzgehalt seiner Nahrung im ungesalzenen Zustand befriedigte, hingegen Zugabe von ?berfl?ssigem Salz als blossem Gew?rz zur Speise, an die wir uns nun als an eine Notwendigkeit so gew?hnt haben, noch nicht kannte.

Andere Einzelz?ge haben jedoch die Bewohner der Trockenr?ume offenbar erst diesen in n?herer oder weiterer Vermittlung entlehnt. So zeigen sie gern ihre Waffen, um feindlichen Angriff schon durch die Furcht vor diesen wom?glich im Keim zu ersticken. Meist in offener Ebene dahinziehend, f?hren sie daher in weite Ferne drohende Waffen, mit Vorliebe Lanzen, die Kurden z. B. 8 bis 10 ~m~ lange Bambuslanzen, die Beduinen die l?ngsten Flinten der Welt, w?hrend die Tuareg bei Speer und altert?mlichem Schwert mit Kreuzgriff verharren, die Schusswaffe mit Pulver und Blei als Schutzmittel des Feigen von sich weisend. Die Waldlosigkeit ladet sonst gerade zur Verwendung weit tragender Schusswaffen ein. Mit der Sicherheit ihrer Pfeilsch?sse bei jagendem Ritt machten sich Hunnen, Awaren, Magyaren unseren Vorfahren furchtbar, als sie aus den Steppen des Ostens nach Deutschland einfielen. Der Tubu bringt mit seinem wagerecht geworfenen zackigen Wurfeisen dem Gegner gleichwie mit einer Zackensense am Riesenstiel gef?hrliche Wunden bei. Die Schleuder spielt seit alters in den Trockengebieten der alten Welt eine ?hnlich grosse Rolle wie Lasso und Bolas in denen der neuen.

Eine gl?ckliche Sondererfindung der Saharav?lker ist der sogenannte Gesichtsschleier oder Litham, ein blaubaumwollener Shawl, der so um den Kopf gewunden wird, dass er nur einen schmalen Schlitz f?r die Augen frei l?sst. Wie wir uns im Winter mittels des ~cache-nez~ durch die eigene Atmung wieder W?rme zuf?hren, ebenso erwirken Tuareg wie Tubu durch ihren Litham, dass die schmachtend trockene W?stenluft durch die selbstausgeatmete Feuchtigkeit, die sich im Litham verf?ngt, durchfeuchtet wird, ehe sie sie einatmen. Die Araber scheinen einen gleichen Schutz nicht zu kennen, pflegen aber bei Smum wohl nicht bloss gegen den W?stensand, sondern zu dem n?mlichen Zweck einen Zipfel ihres Mantels vor Mund und Nase zu ziehen.

Den Kopf tragen viele der V?lker zum Schirm gegen die schroffen Temperaturwechsel, oft auch gegen den Regen, bedeckt: die Kirgisen mit einem buntgestickten K?ppchen, die Iranier mit der hohen, schwarzen Lammfellm?tze, andere Morgenl?nder mit turbanartigem Kopftuch oder Fez, die Hottentottin mit der Fellhaube. Letztere abzulegen ?ffentlich gilt bei den Hottentotten als schamlos, wie auch der Morgenl?nder vor dem H?herstehenden oder gar im Gotteshaus nie die Kopfbedeckung abthut, wohl aber der Schuhe oder Sandalen sich entledigt. Christus stets barh?uptig abzubilden ist ganz unhistorisch. Der dicke Burnus des nordafrikanischen Kabilen sowie des Beduinen ist als schlechter W?rmeleiter gegen Tageshitze ein ebenso guter Schutz wie gegen Nachtk?lte. Beinkleider treffen wir nur, wo Steppen und W?sten von kalten Wintern heimgesucht werden, so in den Pr?rien, in Patagonien und Innerasien; der Mongole legt sie sogar nur im Winter an. Hohe Stiefel sind eine beliebte Zuthat zu den Beinkleidern bei Reiterv?lkern; manchen V?lkern sind Hosen nebst hohen Stiefeln bei beiden Geschlechtern eigen; daher reiten auch Frauen und M?dchen, z. B. bei den Ostturkistanern, den Tanguten am Kuku-Nor, rittlings nach M?nnerart. Die Tehueltschen ziehen ?ber ihre hohen Reitstiefel noch ?berschuhe, um den Fuss auch im Schmelzwasser des Schnees trocken zu halten. Auf dem bis ?ber 70? ~C~ ergl?henden Fels- und Sandboden der Sahara zieht die nackte Fusssohle leicht Brandblasen, daher das dortige Bed?rfnis, Fellschuhe oder Sandalen aus Kamelleder zu tragen, obwohl der sparsame Tubumann, wo es irgend geht, seine Sandalen an die Spitze des ?ber der Schulter getragenen Speers kn?pft, mit dem er leichtf?ssig ?ber den gl?henden Boden dahinschreitet, ohne dass seine nackten, freilich horn?berzogenen Sohlen auf dem scharfen Gestein zerschnitten werden, w?hrend die Stiefel des Europ?ers auf demselben in Fetzen zerreissen.

Die allgemeine Seltenheit des Wassers hat die Neigungen der V?lker geradezu gegens?tzlich beeinflusst. Dem Araber ist der Anblick grosser Massen von S?sswasser eine ersehnte Augenweide, das Pl?tschern eines Springquells die liebste Musik; die Font?ne geh?rt deshalb als Hauptst?ck in den Mittelpunkt seines gartenartig ausgeschm?ckten Innenhofs, ohne Baumesschatten und rauschende Quellen kann er sich das Paradies nicht denken. In Centralasien hat dagegen die Seltenheit des Anblicks von fliessendem Wasser eine v?llige Idiosynkrasie gegen alles kalte Wasser herbeigef?hrt. Der Mongole schl?gt seine Jurte niemals dicht bei der Wasserstelle auf, so n?tig er f?r sich und seine Tiere das Wasser braucht; er trinkt nur gekochtes Wasser, und es wird ihm ?bel, wenn er den Fremden etwa eine Wildente verspeisen sieht, weil diese zum Wassergefl?gel geh?rt. Die Chinesen sind wahrscheinlich aus der Takla-Makan Innerasiens erst nach China eingewandert. Daraus wird es sich erkl?ren, dass sie nur abgekochtes Wasser zu sich nehmen. So wurden sie die Erfinder des Theetrinkens, und man darf schon die Behauptung wagen: Wir trinken Thee, weil die Chinesen aus Centralasien stammen.

Wo das Wasser so kostbar, wird es nicht leicht zum Waschen benutzt. Daher starren die Menschen oft von Schmutz. Herodots Ausspruch ?ber die Skoloten ,,Sie waschen sich nie" gilt auch von den heutigen Mongolen, die sich sogar stolz hierauf ~kara hunn~, d. h. schwarze Menschen, nennen. Die Sitte der Skolotinnen, die, um zu gefallen, sich nachts ?ber eine aus zerriebenen wohlriechenden H?lzern hergestellte Paste auflegten, so dass sie des Morgens als duftige Huldinnen erschienen, ausnahmsweise auch ohne Schmutzkruste im Gesicht, erinnert uns an eine bisher ganz ?bersehene Geschmacksrichtung, die unseren V?lkern offenbar durch ihre Heimat zu teil ward. In allen Trockenlanden n?mlich walten, wie wir schon bemerkten, aromatische Gew?chse zufolge nat?rlicher Z?chtung auffallend viel mehr vor als anderw?rts; ist doch Arabien, zu deutsch das W?stenland, von jeher durch seine Aromata ber?hmt gewesen. Dieser Umstand machte die also stets von solchen Wohlger?chen umhauchten Steppen- und W?stenv?lker zu leidenschaftlichen Freunden derselben; auch ihren G?ttern schrieben sie nat?rlich diese Vorliebe zu. Aus dem Morgenland empfingen wir selbst die Sitte des Parf?mierens; Mohammed trug stets ein Etui mit Wohlger?chen bei sich, wir k?nnten sagen ein Schnupftabaksd?schen; wenn die braune Nubierin das Entz?cken ihres Gatten sein will, nimmt sie ein f?rmliches Rauchbad aus lauter aromatischen Stoffen. Mit nichts wurde im salomonischen Tempel so viel Geld verprasst, als um Jahve die k?stlichsten Spenden von Myrrhen und Weihrauch zum Himmel empor zu senden; ganz ebenso z?ndeten die mittelalterlichen Tataren Asiens ihrem Gott duftige Opfer und bringen noch immer die Indianer der Pr?rie ihrem ,,grossen Geist" Salbeiopfer. Der Weihrauchduft der christlichen Kirchen ist mithin ein echt geographischer Hinweis auf den Orient als Ursprungsst?tte des Christentums.

Ein gewisser schwerm?tiger Zug geht durch diese V?lker; er entspricht wohl dem vereinsamten Weilen in einer einf?rmigen, schweigenden Natur. Bis zu finsterster Stimmung steigert sich der freudlose Ernst, wenn der karge Boden wie im Tubuland Tibesti selbst an Quellorten nur wenige Datteln und kaum weich zu klopfende Dumpalmenfr?chte tr?gt. Da macht der nagende Hunger die Herzen hart wie die Steine der W?ste. Sonst jedoch verkl?rt ein freundlichstes Erbe uralter Vorzeit auch das d?rftigste Nomadenzelt: die sogar vom R?uber in Ehren gehaltene selbstlose Gastfreiheit. Handel und Wandel, Verf?hrung durch Kulturgen?sse hat Biederkeit und ritterlichen Sinn meist noch nicht angetastet. ,,Griechische Treue" ist Satire, ,,t?rkische Ehrlichkeit" hingegen Wahrheit. Dazu st?hlt N?chternheit Leib und Seele; sie nicht zum letzten f?hrte die Khalifenheere wie die Osmanen von Sieg zu Sieg. Trockenr?ume geben aus ihrem Gew?chsreich wenig Zuckerstoff zur Herstellung berauschender Getr?nke; das bewahrte ihre S?hne vor dem Trunklaster, impfte ihnen Verachtung ein gegen die Weichlinge, die sich nicht gen?gen lassen am ?ltesten und gesundesten Getr?nk der Menschheit, Wasser und Milch, oder dem heissen Labetrunk von Kaffee oder Thee, die sich berauschen wie die verachteten Knechte der Ackerarbeit. ,,In ein Haus, unter dessen Dach ein Pflug steht, kehrt der Engel Gottes nicht ein" heisst es nomadenstolz im Koran. Mohammed, dieser Lykurg der W?ste, hat die Abscheu gegen Trunksucht nicht erst eingef?hrt, nein er fand sie vor und weihte sie nur wie so viele andere uralte W?stensitten als aus Allahs heiligem Willen geboren.

Wald- und Seev?lker pflegen Polytheisten zu sein, Steppen- und W?stenv?lker neigen vielmehr zum Monotheismus. Vom Sinai, aus Pal?stina und Arabien empfing die Welt die drei wirkungsreichsten Lehren vom +einen+ Gott. Dschingiskhan gebot, als w?re er ein Prophet des alten Bundes: ,,Du sollst glauben an den alleinigen Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat, den Herrn ?ber Leben und Tod." Nicht anders denkt der Mandan-Indianer der Pr?rie von dem ,,grossen Geiste, der im Himmel wohnt". Wir alle suchen die Einsamkeit, wenn wir unsere Gedanken sammeln wollen. Das n?mliche Streben trieb Johannes den T?ufer und Christus in die Stille der Jordanw?ste, Mohammed in die W?stenklippen abseits von Mekka. Nur wenige, aber gewaltige Eindr?cke sind es, mit denen die W?ste in feierlichem Schweigen das sinnende Gem?t des Menschen erf?llt. ?ber der starren Gesteinsfl?che schaut das Auge nur eine, aber eine stetige, ruhig gleichm?ssige Bewegung: die der Gestirne. Nicht Menschenhand lenkt sie, es muss eine ?bermenschliche, jedoch einheitliche Macht sein, die das erwirkt; und was der Forschung das Naturgesetz der Gravitation, ist dem kindlichen Sinn der einige Gott, ,,der die Sterne lenket am Himmelszelt", der die ganze Welt regiert, z?rnend daher fahrend im Gewittersturm, vernichtende Blitze schleudernd, dann aber mild l?chelnd seine Sonne wieder scheinen lassend ?ber Gerechte und Ungerechte.

Die Freude der Orientalen, gedankenvoller Rede zu lauschen, nicht bloss bei abendlicher Rast im Nomadenzelt, nein auch am hellen Tag, etwa auf der gr?nen Matte am See Genezareth gelagert, wie bei der Bergpredigt, das war der rechte Boden, solche erhabene Lehren volkst?mlich werden zu lassen, aus ihnen menschenbegl?ckende Religionen zu gestalten.

Der Mensch als Sch?pfer der Kulturlandschaft.

Die Entwicklung der Erdkunde w?hrend der letzten drei Jahrzehnte, wo sie bei uns in Deutschland nach so langem Harren endlich ?berall unter die Universit?tswissenschaften Aufnahme fand und somit auf ihre Methode und ihre Abgrenzung gegen andere Gebiete des Wissens gr?ndlicher gepr?ft wurde, lief einmal wirklich Gefahr auf einen Abweg zu geraten. Hatte Karl Ritter in seinem monumentalen Werk ,,Die Erdkunde im Verh?ltnis zur Natur und zur Geschichte des Menschen", wie schon diese Titelworte verk?nden, das physisch-historische Doppelantlitz der Wissenschaft von der Erde von neuem enth?llt, wie es im engeren Umkreis antiker L?nderkenntnis 18 Jahrhunderte vor ihm bereits Strabo gethan, hatten manche J?nger der Ritterschen Schule in dem Interregnum der deutschen Erdkunde, wie es 1859, mit Humboldts und Ritters Tod, einsetzte, das historische Element dieser Wissenschaft sogar ?berwuchern lassen, so erreichte die naturgem?ss folgende Reaktion eines umgekehrt etwas einseitig naturwissenschaftlichen Betriebs der Geographie ihren Gipfelpunkt, als Georg Gerland in Strassburg die Losung ausgab: die Erdkunde ist reine Naturwissenschaft, die Werke des Menschen darf man nicht in sie hineinziehen, denn sie sind Sondergegenstand der historischen Disziplinen.

Es darf wohl ein Gl?ck genannt werden, dass dieser revolution?re Weckruf, der f?r den ersten Augenblick viel Bestrickendes hat und ernsthaft methodologischer Erw?gung entstammt, keine allgemeinere Nachachtung in Deutschland und, d?rfen wir stolz dazuf?gen, somit auch in der ?brigen Welt erfuhr. Selbst unser f?hrender Geograph, F. v. Richthofen, unter dessen Banner die Geologie die ihr geb?hrende Stellung gewann, der Erdkunde als Fundament zu dienen, erkl?rte sich r?ckhaltlos gegen Ausschluss des Menschen aus der Geographie.

Gerland hatte freilich vollkommen Recht mit seinem mahnenden Hinweis darauf, dass die Erdkunde gleichsam ihre methodische Sauberkeit, bloss mit Naturkr?ften und Naturgesetzen zu rechnen, preisgebe, sobald sie den Menschen in ihr Bereich ziehe, denn unrettbar tritt dann sogleich menschliche Willk?r in die Betrachtung ein, man muss dann bald mit den Methoden des Naturforschers, bald mit denen des Historikers oder des Volkswirtschaftlers operieren. Aber liegt das nicht eben in der eigenartigen Natur der Erdkunde begr?ndet? Nicht von ungef?hr hat ihr der Altmeister Ritter die centrale Stellung zugewiesen mitten inne zwischen den naturwissenschaftlichen und den geschichtlichen F?chern. W?re die Erde nichts weiter als ein Naturk?rper, so w?re selbstverst?ndlich die Erdkunde thats?chlich reine Naturwissenschaft; weil wir uns jedoch namentlich das landerf?llte Viertel der Erdoberfl?che gar nicht vorstellen k?nnen ohne die ihm tief eingepr?gten menschlichen Z?ge, so wird es wohl bei dem Schiedsspruch verbleiben: die Erdkunde ist eine wesentlich naturwissenschaftliche Disziplin, indessen mit integrierenden historischen Elementen.

Auch die Meere sind jetzt s?mtlich eingesponnen in das Thun und Treiben der Menschheit. N?hme der Mensch seine Hand von ihnen, so w?ren sie nicht mehr, was sie sind, nicht mehr lebenerf?llte R?ume, auf denen die Flaggen aller seefahrenden Nationen sich entfalten, damit das Adersystem, wie es erst seit kurzem die Wirtschaftsth?tigkeit unseres Geschlechts zu einem Ganzen zusammenschliesst, unabl?ssig seinen Segensdienst leiste. Ohne den Menschen w?rden die Ozeane wieder r?ckf?llig werden in jenen Zustand, da Ichthyosauren und Plesiosauren zur Jurazeit ihr Wesen in ihnen trieben, sie w?rden wieder w?stenhafte ?dungen, auf denen an Stelle von Schiffen nur noch Eisberge ihre kalten Pfade z?gen.

Freilich hinter dem Kiel selbst der m?chtigsten Kauffahrer, der gewaltigsten Panzer verwischen die zusammenschlagenden Wogen stets wieder die Spur der Wasserstrasse. So allgemein f?hlbar die Wirkungen des Verkehrs in jenem Ge?der der grossen Seestrassen auch sind, in dem die Schiffe gewissermassen die Blutk?rperchen vertreten, -- diese Strassen selbst bleiben unsichtbar, nur der Kartograph zieht sie in Liniengestalten auf seinen Weltbildern aus. Anders das Netz der Landverkehrswege! Wie zeigt es uns in seinen engeren oder weiteren Maschen, in der G?te des Strassenbaus, im Vorhandensein von Eisenbahnen neben glatten Kanallinien den Massstab f?r Beurteilung der Gesittungsh?he des bewohnenden Volkes! Welch ein Abstand zwischen solchen Bildern des wimmelnden Menschen- und G?terverkehrs auf den nach einem Punkt zusammenstrahlenden Land- und Wasserwegen, wie sie sich um unsere Handels- und Industrie-Metropolen allt?glich darbieten, gegen?ber den bloss vom Menschenfuss ausgetretenen zitterigen Wegen durch die unabsehbaren Grasfluren des tropischen Afrika, auf denen die schwarzen Tr?ger in langem Karawanenzug nur einzeln hintereinander ihre armseligen Warenb?ndel dahinschleppen, oder gar gegen?ber den Urwaldgr?nden im Gebiet des Amazonenstroms, wo sich noch heute wie seit grauer Vorzeit der braune J?ger seinen Weg immer von neuem m?hsam durch das Dickicht bricht!

Je mehr sich die wirtschaftliche Kultur eines Volkes hebt und je mehr sich dessen Zahl steigert, desto vielseitiger spiegelt das von ihm bewohnte Land seine Th?tigkeit wieder, indem zuletzt wenig mehr ?brig bleibt von dessen urspr?nglichem Antlitz als das Relief des Bodens. Das grossartigste Schauspiel fast urpl?tzlicher Umwandlung von Wildland in Kulturland haben uns im Laufe der Neuzeit Nordamerika und Australien geboten. W?hrend noch im vorigen Jahrhundert das grosse Viereck der Vereinigten Staaten von heute im Ostdrittel bis ?ber den Mississippi hinaus von prachtvollen, bunt gemischten W?ldern rauschte, im ebenen Mitteldrittel, das allm?hlich zum hochgelegenen Fuss des Felsengebirges ansteigt, ein Gr?sermeer sich ausbreitete, das nur dem Wild zu statten kam, donnerartig durchdr?hnt vom tausendf?ltigen Hufschlag der B?ffel, und dann die kahle Hochlandw?ste, die St?tte der ungehobenen Gold- und Silbersch?tze, folgte, bis an das pazifische K?stengebirge mit seinen riesigen Mamutb?umen und der noch v?llig toten herrlichen Hafenbai am Goldenen Thor, -- da ist jetzt der Wald ungef?hr wie bei uns in Deutschland auf etwa ein Viertel der Gesamtfl?che eingeschr?nkt worden. Goldene Weizenfelder wogen an Stelle der Steppengr?ser, die gr?ssten Mais- und Baumwollenernten der Welt spendet der n?mliche Boden, der vordem ?de Wildnis war; aus zahllosen Gruben f?rdert man Eisenerz und Kohlen samt Erd?l an den Alleghanies, in deren Umgebung wahre W?lder von rauchenden Schornsteinen die Industriebezirke kennzeichnen; der centrale Riesenstrom ist geb?ndigt, dass er bis zum Meer die gr?ssten Flussdampfer gehorsam auf seinem R?cken dahingleiten l?sst, das grossartigste Netz von Eisenbahn- und Kanallinien verflicht das Mississippithal mit der atlantischen K?ste wie mit den kanadischen Seen, wo Chicago als ein Seehafen mit Weltverkehr mitten im Kontinent zu einer Millionenstadt erwuchs; selbst durch die vorher in Todesschweigen liegenden Jagdgr?nde der Indianer des fernen Westens zieht das Dampfross schrillen Pfiffs seine transkontinentale Eisenstrasse zum wirtschaftlichen Zusammenschmieden der fr?her kaum sich kennenden atlantischen und S?dseefront; die weisse Kalkw?ste am blauen Salzsee von Utah ist durch k?nstliche Bew?sserung in ein gr?nes Gartengefilde verwandelt, Nevada nebst Kalifornien sch?tten ihre Milliarden aus, wo vorher kaum ein paar streifende Horden von Roth?uten ein k?mmerliches Dasein fristeten; San Francisco erstand in 50 Jahren aus dem Nichts zur stolzen K?nigin der Westk?ste, ein strahlendes Gegen?ber zu New York, der merkantilen Beherrscherin des Ostens, dieser volkreichsten Stadt der Welt n?chst London, wo vormals an der Hudsonm?ndung die Wigwams eines Indianerd?rfchens standen. Noch rascher, erst seit 1788, ist Australien aus einer gottvergessenen Armutsst?tte des Hungers und Durstes, ohne einen Getreidehalm, ohne Fruchtb?ume und Melktiere, ja bis auf die sp?rlichen K?nguruherden fast auch ohne jagdbares Wild, durch englische Thatkraft umgestaltet worden zu einer beneidenswerten Schatzgrube von Reicht?mern aller drei Naturreiche. Klassisch wurde daselbst die graue Theorie, der zufolge die Gesch?pfe vom Sch?pfer selbst ?berall da heimisch gemacht seien, wo sie fortzukommen verm?chten, durch die frische That der Versuchs widerlegt. Alle unsere Getreide- und Obstarten wie unsere Nutztiere gedeihen vortrefflich unter dem australischen Himmel; an Stellen, die dem Australschwarzen nicht mit einem Tropfen Wasser die Zunge lechzten, hat Moseskunst Quellen angeschlagen oder sammeln tief ausgebrochene Felscisternen die Regenwasser umgebender H?hen, um jene ungeheuern Schafherden zu tr?nken, deren Vliess im Trockenklima Australiens so seidenweich ausw?chst, dass die Squatter bereits heute dort vom Schafesr?cken eine gr?ssere, vor allem aber eine ungleich dauerndere Einnahme sich gesichert haben als Goldw?scher und Goldgr?ber. Dieser einzige Erdteil, der bis vor etwa 113 Jahren keine Stadt, ja kein Dorf trug, ist nun mit bl?henden Ortschaften ?bers?t, ja sein Melbourne ist analog, aber noch schneller und h?her emporgekommen wie San Francisco, denn diese vornehme Kapitale der S?dhemisph?re gleicht Rom an Bewohnerzahl und wird Dank seiner unvergleichlichen Hafenbai die Haupthandelspforte Australiens bleiben, wenn l?ngst auch die letzte Goldader Viktorias ausgebeutet worden.

Hatte der europ?ische Ansiedler dem amerikanischen Boden vieles von daheim mitgebracht, vornehmlich den Weizen und das Pferd, dazu Rind, Schaf, Schwein, Esel, Ziege, aus Asien den Kaffeebaum, so bekam also Australien ?berhaupt erst durch die Kolonisten sein Kulturgewand angethan, und zwar ein so gut wie ganz europ?isches. Doch auch unsere Ostfeste hat nicht ganz un?hnliche Verwandlungswunder in seiner Kulturscenerie erlebt. Javas Bedeutung f?r den Welthandel beruht fast allein auf dem Massenertrag an urspr?nglich ihm fremden Erzeugnissen; der immergr?ne Pflanzenteppich seines Kulturlandes, wie er sich ?ber die Niederungen zu F?ssen seiner alpenhohen Vulkane und ?ber die Unterstufe seiner Gebirge ausbreitet, besteht neben dem seit alters einheimischen Reis aus Zuckerrohr vom indischen Festland, aus Tabakstauden von der Habana, aus dem Theestrauch Ostasiens, dem urspr?nglich nur afrikanischen Kaffeebaum und den herrlichen Cinchonen Perus, die uns in ihrer Rinde das fieberbannende Chinin schenken. Die n?chst Java ertragreichste Tropeninsel Asiens, Ceylon, b?sste unter der Hand seiner englischen Herren das pr?chtige Urwaldkleid seines S?dgebirges grossenteils ein, um in unseren Tagen sogar zweimal umgekleidet zu werden: zuerst ?berzog man den gerodeten Waldboden mit lauter Kaffeepflanzungen und nun aus Furcht vor dem verheerenden Blattpilz mit lauter Theepflanzungen. Wer k?nnte sich die Sahara heute ohne das Kamel denken? Gleichwohl ist dieses f?r die grosse W?ste wie geschaffene Tier erst durch den Menschen dorthin eingef?hrt worden; man erblickt es nirgends unter den mannigfaltigen Tierbildern ?gyptens aus der Pharaonenzeit, es scheint vielmehr den ?gyptern bis zur Ptolem?erzeit ganz fremd geblieben zu sein und hat seinen das Verkehrswesen Nordafrikas umgestaltenden Einzug in die ganze Sahara und dar?ber hinaus sicher erst im Gefolge der Ausbreitung des Islam bis in den Sudan gehalten. Religionen sind auch sonst bei der Metamorphose des landschaftlichen Kulturbildes mehrfach mit beteiligt gewesen, nicht allein durch bauliche Anlagen wie Moscheen mit schlanken Minarts, Pagoden und Buddhistenkl?stern, die geradeso wie christliche Wallfahrtskirchen und Kl?ster aus einem tief im Menschenherzen begr?ndeten Zug die Berggipfel suchen, wo sie dann landschaftlich um so bedeutender wirken; und was w?re uns die Ebene am Niederrhein ohne den K?lner Dom, die oberrheinische Ebene ohne Strassburgs M?nster? Um uns aber bewusst zu werden, wie Religionen z. B. unmittelbar eingriffen in die vegetativen Landschaftstypen, brauchen wir nur dessen zu gedenken, dass die Weinpflanzungen ?berall zur?ckwichen, wo Mohammeds puritanisches N?chternheitsgebot erschallte, selbst in dem einst so weinreichen Kleinasien, das Christentum hingegen den Anbau der Rebe nach M?glichkeit f?rderte, schon um den Weihekelch des Abendmahls rituell zu f?llen. Mit dem Athenakultus war der der G?ttin heilige ?lbaum untrennbar verbunden; mit dem Apollodienst wanderte der Lorbeerbaum um das Mittelmeer. Die Verdienste gewisser M?nchsorden um den Wandel des finstern Waldes in lichtes, fruchttragendes Gefilde w?hrend des Mittelalters sind hoch zu preisen. Ja wir haben geradezu den urkundlichen Beleg eines solchen Wandels immer vor uns, sobald uns nur bezeugt wird, dass zu bestimmter Zeit an dem betreffenden Ort ein Cistercienserkloster gegr?ndet sei; denn das durfte nach der Ordensregel gar nicht wo anders geschehen als da, wo noch bare Wildnis den Anblick der Urzeit bot, damit alsbald dort mit Rodung, Entsumpfung, Anbau begonnen werde. Wo jetzt die Th?ringer Eisenbahn uns so gem?chlich durch die gr?nen Fluren des Saalthals an Weingel?nden und hochragenden Burgruinen bei Schulpforta vorbei dem inneren Th?ringen zuf?hrt, kann beispielsweise im 12. Jahrhundert nur eine versumpfte Thalsperre bestanden haben, die zu umgehen die Fahrstrassen auf benachbarten H?henr?cken hinzogen, denn -- die ~Porta Coeli~ ward damals als Cistercienserabtei angelegt. Gerade von ihr ist uns k?rzlich durch einen h?bschen geschichtlichen Fund die g?rtnerische Bedeutung der alten M?nche in helles Licht ger?ckt werden; man verstand fr?her nie, warum in Frankreich der auch dort weit und breit gesch?tzte Borsdorfer Apfel ~pomme de porte~ heisst, -- nun wissen wir den Grund: die fleissigen M?nche von Pforta hatten auf ihrem Klostergut Borsdorf unweit von Kamburg an der Saale eine neue feine Geschmacksvariet?t einer kleineren Apfelsorte entdeckt und verteilten alsbald Pfropfreiser derselben an ihre Ordensbr?der weit ?ber Deutschland hinaus, und nur die Franzosen bewahren zuf?llig durch den ihnen selbst nun unklar gewordenen Herkunftsnamen pomme de porte die Erinnerung daran, dass die rotb?ckigen Borsdorfer alle Nachkommen sind von Stammeltern, die in einem stillen Klostergarten an der th?ringischen Saale gewachsen.

Ganz Europa ?hnelt einem Versuchsfeld, auf dem n?tzliche Gew?chs- und Tierarten gez?chtet wurden, um sie dann mit dem alle ?brigen Erdteile durchflutenden europ?ischen Kolonistenstrom nach systematischer Auslese auch dort einzub?rgern, wo es die geologische Entwicklung nicht hatte geschehen lassen. Nicht +ein+ Erdteil wird vermisst unter den Darleihern von Zuchttieren, Nutz- oder Ziergew?chsen an Europa. Am schw?chsten ist Afrika vertreten, n?mlich bloss mit Schmuckpflanzen wie Calla und Pelargonien; Australien schenkte uns in seinem Eucalyptus einen kostbaren raschw?chsigen Baum, der durch die energische Saugth?tigkeit seines m?chtig ausgreifenden Wurzelwerks u. a. in den pontinischen S?mpfen Wunder thut zur Austrocknung des Bodens, zur Vernichtung des Fiebermiasmas; Amerika verdanken wir den Truthahn, die Tabakpflanze, den Mais, vor allem aber die Kartoffel, ferner die eigenartig fremdl?ndische Staffage der Mittelmeerl?nder: Agave nebst Opuntie; am meisten jedoch spendete uns Asien, mit dem Europa zufolge seines breiten Landanschlusses im Osten sowie der bequemen Schiffahrt ?ber das Mittelmeer stets im engsten Bunde gestanden hat durch Wanderungen der V?lker und durch Warenaustausch. Jeder H?hnerhof stellt eine asiatische Gefl?gelkolonie dar, innerhalb deren nicht selten der Pfau eine echt indische Farbenpracht entfaltet. In vor- oder doch fr?hgeschichtliche Zeitfernen reicht die Einf?hrung des Weizens und der Gerste aus Asien, noch w?hrend des Altertums folgten Walnuss und Kastanie, Mandel, Pfirsiche und Aprikose, erst durch Lucullus die Kirsche. Oberitalien, vormals ein sumpfiges Urwaldgebiet rein europ?ischer Baumformen, ward zu einem prangenden Fruchtgefilde, wo hier asiatischer Reis, dort amerikanischer Mais bl?ht und aus China gekommene Seidenzucht tausend emsige H?nde besch?ftigt; nur die Weinrebe, die im Poland so reizend sich von Ulme zu Ulme schlingt, darf als alteurop?isches Eigengut gelten. Der B?ffel, so heimisch er sich jetzt in den Donaus?mpfen Rum?niens wie in den Mor?sten am tyrrhenischen Gestade Italiens f?hlt, ist doch erst im fr?hen Mittelalter durch Nomadenst?mme aus Westasien zu uns gelangt. Das Land, ,,wo die Citronen bl?hn, im dunkeln Laub die Goldorangen gl?hn", ist Italien noch in C?sars Tagen nicht gewesen, ja die Apfelsine, die schon durch ihren Namen ,,Apfel von Sina" ihre chinesische Heimat verr?t, wurde sogar erst durch die portugiesische Kauffahrtei des 16. Jahrhunderts ?ber S?deuropa ausgebreitet.

Allein, um den Landschaftswandel durch Menschenhand zu gewahren, brauchen wir uns gar nicht im Geist ans blaue Mittelmeer zu versetzen, etwa nach Sizilien, dieser Lieblingsst?tte der Ceres, wo man nun nicht mehr bloss Weizen, Wein und Oliven wie vor Alters erntet, sondern ganze Schiffsladungen von Hesperiden?pfeln von Palermo nach Nordamerika und halb Europa verfrachtet, den Opuntienkaktus die Etnalava in fruchtbaren Humusboden verwandeln und gleichzeitig dem armen Volk eine billige, labende Frucht schaffen l?sst, -- nein, unser eigenes Vaterland offenbart uns das eindringlich genug.

Als Tacitus seine Germania verfasste, gab es zwar im r?mischen Provinzialgebiet links vom Rhein, an Donau und Inn, auch im Zehntland zwischen Donau und s?ddeutschem Rhein schon mannigfachen Anbau; auf den Schieferfelsen l?ngs der Mosel und des norddeutschen Rheins pflegte man bereits die Rebe, auf Donau und Inn schwammen Getreideschiffe, wenn auch der Bodenanbau sich mehr an die Thalweitungen der Str?me hielt, sonst meist nur eine lichte Oase im Dunkel des Waldes bildete, etwa um ein einsames R?mergeh?ft, angeschmiegt an einen sonnigen Thalhang mit Auslage gen S?den. Dort im Donaus?den und im rheinischen Westen bewegte sich schon reger Verkehr auf den f?r den festen Tritt der Legionen solid gebauten R?merstrassen; auf dem Markt der vindelicischen Augusta, des heutigen Augsburg, trafen sich die verschiedensten Volksst?mme, man redete in germanischer, keltischer, r?mischer Sprache; Mainz war ein wichtiger Waffenplatz, im freundlich mit Weing?rten und Obsthainen umschm?ckten Thalkessel von Trier schlugen gelegentlich r?mische Kaiser ihren Sitz auf, um von wohlgeschirmter Stelle aus die Rheingrenze gegen Freigermanien zu ?berwachen. Aber eben dies Land der freien Germanen lag noch ?berwiegend im Waldesschatten, der nur von weiten Moorfl?chen und wohl auch stellenweise von offenem Wiesenland unterbrochen wurde, wo leicht austrocknender L?ssboden den Waldwuchs weniger beg?nstigte als den von Gras und Kraut. St?dte sah man gar keine, kaum geschlossene Dorfschaften, gew?hnlich bloss verstreute Blockh?user, um sie her wohl etwas Feld, grasende K?he, Schafe oder Ziegen, ein grunzendes Schwein, von Eichelmast gen?hrt, aber keinen Baumgarten. Holz?pfel und Holzbirnen brach man sich aus dem nahen Wald, der in malerischem Durcheinander Laub- mit Nadelholz mischte; die sch?ne Eibe war an ihrem dunkelgr?nen Wipfel schon von weitem erkennbar neben dem helleren Gr?n der Fichte oder der Kiefer; Eichen und Buchen walteten unter den nur sommergr?nen Waldb?umen vor, aber auch Lindenbest?nde mengten sich ein, auf den Gebirgsh?hen turmhohe Edeltannen. B?r und Luchs lauerten im Dickicht, in dem die wilde Taube gurrte und ?ber dem kr?chzende Raubv?gel ihre Kreise zogen; der Wolf ging auf Beute aus, fiel auch wohl weidende Wildpferde an; Wildschweine durchw?hlten das Erdreich, neben Hirsch und Reh sah man das Elen mit seinem Schaufelgeweih das Ge?st der B?ume und das Gestr?pp des Unterholzes ger?uschvoll zur Seite dr?ngen, um sich Bahn zu schaffen; in kleinen Gruppen durchzog das Geschwister des amerikanischen Bison, der Wisent, Niederungs- wie Bergwald, in gr?sseren Herden weideten Renntiere die grauen Flechten des Waldbodens ab; an den morastigen Flussufern f?hrten Biber ihre Wasserbauten auf im Schatten von Erlen, Eschen und Zitterpappeln.

Heute w?rde Tacitus sein Germanenland kaum wiedererkennen. Der Deutsche ist nicht mehr bloss J?ger und Viehz?chter mit nebens?chlichem Feldbau, seine weit intensiver gewordene Arbeit geh?rt dem Ackerbau und der innig mit ihm verkn?pften Viehhaltung, dem Gewerbe bis zur Grossindustrie, dem Bergwerksbetrieb, dem Handel und der Schiffahrt. Das k?ndet Deutschlands Antlitz mit der nahezu die H?lfte der Bodenfl?che einnehmenden Feldflur, den zur menschlichen Nutzung regulierten Fl?ssen, der F?lle von St?dten, den Fabrikschornsteinen und Hoch?fen, den See- und Stromh?fen, den Leuchtt?rmen und Deichbauten l?ngs der K?stenlinie, dem umfassendsten Eisenbahnnetz in ganz Europa. Nur ann?herungsweise haben sich Reste altgermanischer Landschaft noch erhalten auf den h?chsten Zinnen unserer Gebirge und in den Mooren, soweit diese noch nicht der Brandkultur unterworfen wurden, oder durch Abtragen des Torfes bis zum festen Untergrund einer am Kanalgezweig in sie eindringenden Fehnkolonie den Platz r?umten. Der Urwald ist, wo man ihn nicht durch Feuer oder Axt zerst?rte, zum Forst geworden, also zum Kunstwald, der in eint?nig gleichm?ssigen Best?nden solche Holzarten enth?lt, die rasch wachsen und gut bezahlt werden. Darum hat besonders auf unseren Gebirgen die Fichte die Vorherrschaft erlangt, die haupts?chlich unser Bauholz liefert; selbst die stolzen Edeltannen, von denen einige Patriarchen am obersten Schwarzathal noch aus der Stauferzeit stammen m?gen, finden wegen ihres langsamen Aufwuchses keine Gnade bei der Forstverwaltung. Die Eibe treffen wir sogar meist nur noch als seltenes Relikt der Vorzeit an schwerer zug?nglichen Stellen, so an der j?hen Granitwand des Harzes, die vom Hexentanzplatz zur Bode abf?llt; sie w?chst erst recht langsam nach und erlag daher, allzu viel geschlagen wegen ihres f?r Schnitzerei trefflich geeigneten Holzes, bei uns wie in Skandinavien fr?hzeitig allm?hlicher Ausrottung. Renntier und Wisent verschwanden aus Deutschland schon w?hrend des Mittelalters, das Elen h?lt sich nur noch in ein paar preussischen Forsten unseres ?ussersten Nordostens, das m?ssig grosse Wildpferd wird zuletzt in der Reformationszeit am Th?ringerwald erw?hnt, Wolf und B?r wurden in den Folgejahrhunderten ausgerottet, vom Biber f?hrt ein kleines H?uflein an der untersten Mulde und in dem benachbarten St?ck des Elbthals oberhalb Magdeburg ein beschauliches Dasein, anderw?rts sind dem merkw?rdigen Nager unsere Gew?sser durch Befahrung und industrielle Anlagen zu unruhig geworden.

Unsere fl?chtige ?berschau hat ergeben, dass sich der umgestaltende Eingriff des Menschen in die Naturwildnis teils richtet auf Ver?nderung der Pflanzen- und Tierwelt je nach dem Bedarf seiner vornehmlichen Besch?ftigung, teils auf Ausf?hren von Wege-, Wasser- und Hochbauten. In beiden Richtungen stellt sich die Wasser- und die Waldfrage in den Vordergrund. Bei beiden wollen wir noch einen Augenblick verweilen.

In der W?ste schafft sich der Mensch Kulturboden, indem er den in lichtloser Tiefe schlummernden Wasservorrat durch artesische Bohrung an die Oberfl?che herauff?rdert, um bald im Schatten von Dattelhainen zu wandeln, wo sonst der Verschmachtungstod drohte. Im amphibischen Sumpfgel?nde gilt es im Gegenteil des ?bermasses von Wasser sich zu entledigen, um dann mitunter den allerfruchtbarsten Boden zu gewinnen. Letzteres war der Fall in ?gypten; in der Deltaflur des Nil war nicht zu leben als Fischer, J?ger oder Hirt, nur als sesshafter Ackerbauer, dann aber auch in hohem Wohlstand und wachsendem Volksgewimmel, das zur Arbeitsteilung, folglich zu hoher Kultursteigerung f?hrte. So zogen die Alt?gypter den Kulturboden durch Entw?sserung und Dammbauten aus dem Nilschlamm empor und schufen die eine Hauptwurzel der nachmals in Europa ausgestalteten Weltkultur. Die andere Hauptwurzel leitet weiter hinaus in das M?ndungsland des Euphrat und Tigris. Hier ward in ganz ?hnlicher Weise Kulturboden als Grundlage erstaunlich fr?h gesteigerter Menschheitsgesittung dem Sumpfdelta der beiden Zwillingsstr?me enthoben. Aber der ?ltere, darum h?her an den Fl?ssen hinauf gelegene Deltaboden lag doch schon zu hoch ?ber dem Stromspiegel, er wurde deshalb nicht mehr vom Hochwasser erreicht wie der am ?gyptischen Nil, man musste das Wasser durch Sch?pfwerke emporheben und in zahlreiche Kan?le leiten, die zugleich der Schifffahrt wie der Felderbefruchtung dienten. Das war es, was das uralte Sumeriervolk und seine Nachfolger in diesem Deltaland, die Chald?er, zu weit m?hevollerer Leistung stachelte als die ?gypter. Indessen eben weil dieser Kulturboden von keinem Nil allj?hrlich von selbst getr?nkt und ged?ngt wird, verlor er seine Erzeugungskraft, als der gedanken?de, die Thatkraft l?hmende Kismetglaube des Islams das Leichentuch ?ber das Land breitete. Babylonien versank in den W?stenzustand; trauernd blickt der Birs Nimrud, der einzige turmartige Tr?mmerrest Babels, dieser gr?ssten Stadt des Altertums, auf eine sonnendurchgl?hte Ebene, der nun das Wasser fehlt, das einst die Heidenv?lker so schaffensfroh heraufholten. Hier also harrt eine seit mehr denn tausend Jahren erstorbene Kulturlandschaft ihrer Auferstehung, sobald nur das rechte Volk kommt. Glorreicher erscheint darum die Bezeugung menschlicher Macht ?ber rohe Naturgewalt in den Niederlanden, weil da noch zur Stunde das Siegeswort Wahrheit spricht: ,,Gott schuf das Meer, der Bataver aber den festen Wall der K?ste." Wo einst die nordwestlichsten Deutschen, die Chauken, ein kaum menschenw?rdiges Dasein fristeten, t?glich zweimal zur Flutzeit vom einbrechenden Meer umgarnt, dass sie wie Schiffbr?chige in ihren auf k?nstlichen H?geln erbauten H?tten als Fl?chtlinge lebten, da hat der goldene Reif des Deichbaus, den ihre Nachkommen auff?hrten, fette Wiesen, besten Ackerboden in dessen Schutz gewinnen lassen, und Hunderte von Kan?len durchziehen wie weiland Babylonien zur Be- und Entw?sserung das gesegnete Gefilde, aus dem man k?nstlich das Wasser zum Meer geleiten muss, denn reichlich ein Viertel der Niederlande, der ganze Raum von der S?dersee bis zur Schelde, liegt tiefer als der Meeresspiegel. Dies ganze Land ist mithin echtester Kulturboden sogar seinem Ursprung nach, ihn hat der Mensch nicht meliorierend umgeschaffen, sondern erschaffen, dem Meere abgerungen.

Schulter an Schulter mit den Niederl?ndern haben wir auch auf deutschem Boden den Deichbau zur Wehr gegen die anst?rmende Nordsee ausgef?hrt, am Dollart unterseeische Polder erworben und innere Landeroberungen durch Urbarmachen der Moore, Trockenlegung von Sumpfstrecken erzielt; ja Friedrichs des Grossen Trockenlegung des Oderbruchs steht auf ?hnlicher H?he wie diejenige des Haarlemer Meeres, die neuerdings 18000 Hektar ausgezeichneten Fruchtbodens lieferte, die Heimst?tte von zur Zeit 14000 zu ansehnlichem Wohlstand gelangten Holl?ndern. In den deutschen Mittelgebirgen, deren Begehung vielfach durch Torfmoore erschwert wurde, hat der Abstich letzterer freilich die Wasserkraft der aus ihnen gespeisten B?che beeintr?chtigt, denn jene gaben vorz?gliche Reservoire ab f?r den Niederschlag: Regen- wie Schmelzwasser speicherte sich in ihnen wie in einem Schwamm auf und erhielt die Gew?sser selbst bei Trockenheit und Hitze stark. Mancher unserer Gebirgsb?che, der jetzt zur Sommerzeit nur als d?nner Wasserfaden durch sein Felsenthal niederrieselt, hat noch vor wenigen Jahrhunderten selbst unweit seines Ursprungs rastlos die R?der von S?gem?hlen getrieben.

Eben in dieser Wasser?konomie haben wir nun auch die Hauptbedeutung des Waldes zu erkennen. Dass Entwaldung stets zum Niedergang eines Landes f?hren m?sse, kann man allerdings nicht zugeben. Das h?ngt ja ganz von seiner Naturbegabung ab. Die britischen Inseln sind durch ihre Bewohner zum wald?rmsten Glied des europ?ischen K?rpers geworden und trotzdem eins der regenreichsten geblieben, weil ihnen der S?dwest vom Golfstrom her Regenwolken in F?lle zutreibt, gleichviel ob diese W?lder antreffen, oder irische Viehtriften, englische Feldflur und Parklandschaft. Waldrodung ist in jedem Waldland die unerl?ssliche erste Kulturthat des Ansiedlers, denn er braucht gekl?rten Boden zu Hausbau wie Aussaat. Indessen wehe dem Volk, das ohne Verst?ndnis f?r die Eigenart seiner Heimat vermessen antastet dessen Waldmitgift! Wie wir jetzt in Deutsch-S?dwestafrika dazu schreiten, das Beispiel der Australengl?nder zu befolgen, den bisher nutzlos verlaufenden Wasserschatz sommerlicher Platzregen vorsorglich zu sammeln in Cisternen oder Stauteichen, dass er der Viehzucht wie dem Landbau zu gute komme, so beschirmt die Mutter Natur in gl?cklicher ausgestatteten Erdr?umen das als Regen oder Schnee vom Himmel bescheerte Wasser durch das gr?ne Dach des lieben Waldes gegen zu rasche Verdunstung, gegen verheerenden Ablauf zumal im Gebirge. Frankreich, noch weit schlimmer die s?dlicheren L?nder ums Mittelmeer, bezeugen, was geschieht, wenn zufolge fahrl?ssiger Waldverw?stung das Nass nicht mehr im schattigen Wald niedertropft auf moosigen Boden, um entlang den Baumwurzeln wie in tausend Kan?lchen ins Erdreich zu sickern, Quellen n?hrend. Wo sind sie hin die schiffbaren Fl?sse der Apenninen-Halbinsel zur R?merzeit? Im S?den vielfach zu tobs?chtigen Fiumaren geworden, liegen sie in der regenarmen Sommerzeit trocken, reissen dagegen bei winterlichen Gewitterg?ssen wie mit den Krallen eines Ungeheuers immer neue, immer tiefere Risse in die nackten Felsw?nde, von denen die f?r den Pflanzenwuchs so n?tige Verwitterungskruste krumiger Erde durch das n?mliche Unwetter hastig in ihr Bett entf?hrt wird, bloss zur Versumpfung der Niederung, zur Verstopfung der Flussm?ndung. So ist aus dem Land, da Milch und Honig floss, das skelettartig kahle Pal?stina geworden; das Fett des Bodens, besonders die kostbare Roterde, die aus der oberfl?chlichen Aufl?sung des pal?stinensischen Kreidekalks durch den Regen zur?ckblieb und in der Terrassenkultur der Israeliten sparsamst bewahrt blieb, musste beim Verfall pflegsamer Bodenbehandlung, beim Abhieb der immergr?nen Eichenhaine, von denen die B?cher des alten Bundes melden, der bleichen Steinw?ste weichen.

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