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Read Ebook: Botticelli by Schaeffer Emil Muther Richard Editor

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Ebook has 99 lines and 14999 words, and 2 pages

Editor: Richard Muther

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DIE KUNST ? SAMMLUNG ILLUSTRIERTER MONOGRAPHIEN ? HERAUSGEGEBEN VON ? RICHARD MUTHER ?

? SECHSZEHNTER BAND ?

DIE KUNST

SAMMLUNG ILLUSTRIERTER MONOGRAPHIEN

RICHARD MUTHER

Band I: LUCAS CRANACH von RICHARD MUTHER.

Band II: DIE LUTHERSTADT WITTENBERG von CORNELIUS GURLITT.

Band IV: MAX KLINGER von FRANZ SERVAES.

Band V: AUBREY BEARDSLEY von RUDOLF KLEIN.

Band VI: VENEDIG ALS KUNSTST?TTE von ALBERT ZACHER.

Band X: AUGUSTE RODIN von RAINER MARIA RILKE.

JULIUS BARD VERLAG. BERLIN W. 57.

? ? BUCHSCHMUCK VON GEORG TIPPEL ? ?

DIE KUNST

HERAUSGEGEBEN VON RICHARD MUTHER

BOTTICELLI

VON

EMIL SCHAEFFER

MIT ZWEI PHOTOGRAV?REN UND NEUN VOLLBILDERN IN TON?TZUNG

JULIUS BARD BERLIN

DIE ERSTEN F?NFZIG EXEMPLARE DIESES BANDES WURDEN AUF MIT DER HAND GESCH?PFTEM B?TTENPAPIER -- DIE ILLUSTRATIONEN AUF KAISERLICH JAPAN-B?TTEN -- ABGEZOGEN. DIE IN EINEN APARTEN, KOSTBAREN GANZLEDER-EINBAND GEBUNDENEN EXEMPLARE DIESER LIEBHABER-AUSGABE SIND VON 1 BIS 50 EINZELN MIT DER HAND NUMERIERT. DER PREIS EINES SOLCHEN EXEMPLARS BETR?GT ZEHN MARK.

AUCH DIESE LIEBHABER-AUSGABE DER >>KUNST<< KANN DURCH JEDE BUCHHANDLUNG BEZOGEN WERDEN

ALLE RECHTE VOM VERLEGER VORBEHALTEN

Jahrhunderte lang wurde in einer Kapelle der Kirche St. Maria Maggiore zu Florenz eine Darstellung der Himmelfahrt Mari? verwahrt, deren Entwurf man Sandro Botticelli dankt. In diesem anscheinend frommen Bilde hatte die heilige Inquisition ketzerische Greuel entdeckt und entzog es durch einen Vorhang den Blicken der Gl?ubigen. Botticelli war n?mlich in der Auffassung der Engel einer verdammungsw?rdigen Meinung des Origines gefolgt, der da behauptet hatte, die Seelen jener Engel, die bei Lucifers Emp?rung neutral geblieben, seien in menschliche K?rper gebannt und solcher Weise von Gott noch einmal versucht worden. Eigentlich h?tte eine gestrenge Inquisition s?mtliche Bilder von Botticellis Hand verdecken, verh?llen und verbrennen sollen; denn stets kann vor ihnen der n?mliche Tadel laut werden, all?berall gewahren wir Menschen mit engelhaften Seelen ...

Ich bin der Sonne ausgesetztes Kind, Das heim verlangt ...

So liest man in den schmerzlichen Blicken botticellesker Menschen, das k?nden ihre adligen Gesten, mehr noch ihre K?rper, die nichts vom Geiste der Schwere haben und wie Musik d?nken. Die christlichen Heiligen und die heidnischen Grazien schreiten fremd durch dieses Thal der Thr?nen und bangen in frierender Sehnsucht nach einer verlorenen Sonnenheimat.

Man muss sehr weit zur?ckdenken, um die Erscheinung Botticellis innerhalb der Florentiner Kultur als eine historische Notwendigkeit zu empfinden. Das ganze Mittelalter hindurch tobten bis zum Beginn des Quattrocento w?ste Parteik?mpfe in den Gassen der Arnostadt. Die H?user, gewaltig und zinnenbewehrt, wandelten sich oft genug in Festungen und ihre Inwohner liessen dem Schwert keine Zeit, Rost anzusetzen. Noch heute reckt, ein Wahrzeichen jener Tage, der Turm des Palazzo Vecchio sein Haupt ?ber die D?cher, als wollte er Ausschau halten nach einem Feinde; selbst die Chroniken des Trecento scheinen nicht mit der Feder, sondern mit dem Schwert geschrieben und ihre S?tze klingen zuweilen wie drohendes Panzergerassel. >>Freiheit<<, lautete das grosse Losungswort der Zeit; es enthielt alles, was die Florentiner auf Erden forderten; die Sch?nheit blieb dem Jenseits vorbehalten. Nur wenige jedoch waren so gelehrt, dass B?cher ihnen eine greifbare Vorstellung von himmlischer Seligkeit vermitteln konnten; darum sollte die Kunst durch goldschwere Gem?lde den >>uomini grossi, che non sanno lettera<< das wahre Leben im farbigen Abglanz zeigen. Nat?rlich mussten dabei Anlehen bei den Gebilden dieser Erde gemacht werden, aber von einem Nachahmen der Sinnenwelt um ihrer selbst willen war nie die Rede.

Allm?hlich verstummte der L?rm des Streitens und der Friede zog in Florenz ein. Das Auge des B?rgers war von keiner zornigen Leidenschaft mehr verdunkelt, heiter und willig haftete es an den Herrlichkeiten dieser Erde. Das neue Empfinden forderte eine neue Kunst; das sch?ne Diesseits wollte man nunmehr im Bilde schauen, den Menschen und die Dinge um ihn. K?nstler standen auf, die, gef?hrt von Donatello und Masaccio, die Herrschaft ?ber alle Ausdrucksmittel der Kunst sich zu eigen machten, dem Bereich des Darstellbaren neue Stoffgebiete angliederten. Jenen Grossen, deren Gebilde noch den ganzen finsteren Reckentrotz des Trecento atmeten, folgten J?ngere, die bereits ernten durften, wo ihre Vorg?nger ges?et. Das Irdische war der Kunst gewonnen und sie erz?hlten in frohen Gem?lden von den Reizen dieses Neulandes: Fra Filippo Lippis Fresko vom Gastmahl des Herodes im Dome zu Prato vereint alles, was Lust am Dasein bedeutet. Musik ert?nt in lichterf?llten Hallen, J?nglinge gewahren wir in festlicher Kleidung und ahnen durchs flatternde Gewand die Linien schlanker M?dchenk?rper. >>Weise M?nner<< erkl?rten dies Zeitalter, dem Cosimo de' Medici den Namen gab, >>f?r das beste, das Florenz je zu teil geworden,<< aber seiner zweiten Generation geh?rten bereits unweise Menschen an, die keine Lust mehr am Dasein, die Wirklichkeit schaal und h?sslich fanden, nach einer mehr vergeistigten Existenz verlangten, seltene und feinere Sensationen forderten. Der erste K?nstler nun, der anfangs nur leise und scheu, sp?ter immer leidenschaftlicher sein Nein zur Sinnenwelt sagte und ein Bild zum formgewordenen schmerzlichen Sch?nheitstraum gestaltete, war Sandro Botticelli. Von seinem Vater hatte er die aristokratische Natur nicht geerbt; denn der alte Mariano Filipepi betrieb das ehrsame Handwerk eines Lohgerbers und ?rgerte sich wohl genugsam ?ber seinen jungen Sandro. Dem gefiel das Lernen schlecht; in der Werkstatt eines Goldschmiedes hielt er auch nicht lange aus; da brachte der Alte den Knaben, der inzwischen -- man weiss nicht, warum -- den Beinamen Botticelli empfangen hatte, zu Fra Filippo, dem lustigen Maler-M?nch. Aber die genussfrohe Art des Meisters blieb Sandro zeitlebens fremd; er bewunderte die Kompositionen des Frate, mit seinen robust-gesunden Typen konnte er sich jedoch nicht befreunden. Nach Anmut und graziler Eleganz ging Botticellis Streben und gerade diese Eigenschaften liessen Fra Filippos Menschen vermissen; darum w?hlte sich Botticelli schon fr?h Antonio Pollaiuolo und Andrea del Verrocchio zu Vorbildern. In Antonio Pollaiuolos Werken gefielen ihm die plastischen scharfen Formen, die bestimmte sichere Art der Linienf?hrung und die Freude am feingliedrigen J?nglingsk?rper. Bei Verrocchio sch?tzte er den Sinn f?r alles Zierliche und Gleissende, der trotzdem niemals in Spielerei und Kleinkr?merei ausartete. Auch den rundlichen Gesichtstypus, dem man in Botticellis Fr?hwerken begegnet, die vorspringenden starkgew?lbten Stirnen seiner ersten Madonnen, ihre hochgezogenen Brauen und schweren Lider, all solche Einzelheiten setzt man heute gern auf Rechnung verrocchiesker Einfl?sse. Aber m?gen einem auch bisweilen vor Sandros ersten Bildern die Namen Filippo Lippi, Antonio Pollaiuolo und Andrea del Verrocchio einfallen, so enthalten jene Werke noch immer genug von Botticellis Eigenart und gerade dies bedingt ihren Zauber.

Da ist seine Allegorie der Tapferkeit, jene >>Fortezza<< der Uffizien, die voreinst mit f?nf anderen >>Tugenden<< Antonio und Piero Pollaiuolos eine Wand im florentiner Handelsgericht schm?ckte. Die Sch?pfungen der beiden Br?der kann man heute ebenfalls in den Uffizien betrachten. Unweiblich ernst und streng, den hieratischen Madonnen der Primitiven vergleichbar, thronen die >>Tugenden<< der Pollaiuoli in Marmornischen, deren fein ciselierte Ornamentik die ge?bte Hand des Goldschmieds verr?t. Die >>Hoffnung<< blickt hergebrachter Weise zum Himmel empor, die andern schauen hoheitsvoll und kalt geradeaus ins Weite. Auch der >>Fortezza<< Sandros bietet eine bunt leuchtende Marmornische den Hintergrund. Aber sie >>thront<< nicht, sondern sitzt, das Haupt tr?umend zur Seite geneigt, l?ssig darin. In den H?nden ruht ein Schwert; aber diese Frau, die nichts von einer Virago hat, k?nnte es niemals dr?uend erheben. An die Komposition der Pollaiuoli hielt sich Botticelli, an ihre Typen, selbst an ihre Handform, und malte ein sinnendes M?dchen. Sein Wesen war lyrischer Art. Ein Weib bedeutete ihm mehr, als eine stahlgepanzerte Abstraktion. Und doch liebte er das Schimmern der Waffen; aber nicht, wie Castagno und Uccello, als starke Form einer Lebensbejahung, sondern lediglich vom rein malerischen Standpunkt. Er zuerst empfand das K?nstlerbehagen am dunklen Blitzen eines blankpolierten Stahles, und das Leuchten des Metalls verbindet sich hier, beim ?rmel der Fortezza, mit Weiss und Blau zu einer delikaten Harmonie, die man in s?mtlichen Bildern der Pollaiuoli vergeblich suchen w?rde. Alle Welt feiert Sandro als Beherrscher der Linie; aber selten wird darauf hingewiesen, dass Botticelli auch das gr?sste Farbengenie, das bedeutendste Maltalent des Florentiner Quattrocento gewesen ist. In seinen Gem?lden kann man jeden beliebigen Teil, jeden Winkel, jede Ecke auf malerische Qualit?ten hin ansehen und wird stets reicheren Genuss dabei finden, als vor den meisten Bildern seiner Zeitgenossen.

Was Botticelli in jungen Tagen bereits als Maler vermochte, zeigen noch deutlicher zwei kleine Werke, die aus Bianca Capellos >>Studio<< in die Uffizien gelangten. Sie schildern zwei Episoden der Judith-Legende: die Heimkehr der j?dischen Heldin aus dem Lager der Assyrier und die Auffindung des toten Holophernes. Vernehmlicher, als in der >>Fortezza<< ?ussert sich hier, besonders im ersten Gem?lde, das specifisch Botticelleske. Mit dem Grau der Morgend?mmerung verbinden sich das Orange und Violett der Gew?nder zu einer Farbenstimmung, die kein anderer Florentiner ersinnen konnte; auch h?tte keiner die Gestalt der Judith so eigenartig aufgefasst. Sie galt im republikanischen Florenz als ein Symbol der b?rgerlichen Freiheit; aber die >>liberatix patriae suae<<, die Donatellos Bronze verk?rpert, ihr d?steres Pathos, ihre Zorngeb?rde liessen den jungen Botticelli kalt. Wiederum malte er ein tr?umendes Weib, das wie eine sanftere Schwester der >>Fortezza<< anmutet. Auch sie hat das blonde Haupt gesenkt und vor den versonnenen M?dchenaugen geistern noch die Schreckensbilder der verflossenen Nacht. Hinter ihr zerreisst Kampfesl?rm die Morgenstille. Sie h?rt und gewahrt es nicht. Weder Furcht, noch Freude befl?geln ihren Schritt. Langsam und z?gernd nur wandert sie, mit der Rechten das Schwert, in der Linken den ?lzweig des Friedens haltend, gen Bethulien. Botticelli wusste um den Reiz des Kontrastes. Darum gab er diesem Adelsgesch?pf eine stumpfsinnige Sklavin zur Gef?hrtin, die auf ihrem Kopfe gleichm?tig wie einen Krug Wassers, das Haupt des Holophernes tr?gt, und ihre unvornehme Art zu laufen hebt sich scharf von Judiths k?niglichem Schreiten ab. Auch die >>Auffindung des Holophernes<< birgt manche Z?ge, die, Wegweisern vergleichbar, auf die Pfade von Botticellis sp?terer Entwickelung deuten. So l?sst seine Angst vor >>toten Stellen<< sich klar erkennen: jeder einzelne der assyrischen Krieger, die den hauptlosen Leichnam umdr?ngen, scheint bis ins Mark ersch?ttert von dem grausigen Anblick; jeder ?ussert durch Geb?rden seine Ergriffenheit und jede Geste offenbart das besondere Wesen des Menschen, der sie vollf?hrt. Diese Tugend wird bei Sandro bisweilen zum Fehler. ?ber dem Bestreben, das Innenleben jedes Einzelnen m?glichst eindringlich zu schildern, verlor er den Blick f?r die Gesamtwirkung all dieser Mienen und Geb?rden. Die Geste des Einen beschr?nkt die Armfreiheit seines N?chsten; die K?pfe dr?cken einander, der Raum deucht ?berf?llt und die Composition verworren.

Wie eng sich Botticelli damals an den gr?ssten Meister des Nackten in Florenz, an Pollaiuolo, anschloss, zeigen der Leichnam des Holophernes und deutlicher noch seine Einzelfigur des heiligen Sebastian vom Jahre 1473 im Berliner Museum. Einstmals trug dieses Bild sogar Antonio Pollaiuolos Namen. Seltsam genug; denn es ist voll vom Geiste Botticellis. Man denke nur an den Sebastian Pollaiuolos der National-Gallery. Antonio, der Maler-Bildhauer, sah in dem Heiligen nur einen Akt, in den Henkern eine Kombination mehrerer Bewegungsmotive. F?r Sandro dagegen handelte es sich in erster Linie um Stimmung: die Schergen haben die Richtst?tte bereits verlassen und verlieren sich in der Ferne. Alles ist vor?ber. Niemand k?mmert sich mehr um den Heiligen, der pfeildurchbohrt an seinen Baum gefesselt blieb. Doch scheint er seiner Schmerzen nicht zu achten. Nur das edelgeschnittene Antlitz mit dem feinen Leidenszug um die Lippen hat er leicht gesenkt. An einen Epheben des Praxiteles wird man eher gemahnt, denn an einen christlichen M?rtyrer. Ein paar Schritte hinter dem Heiligen langen die laubleeren ?ste eines jungen Baumes wie klagend in die Luft. Einige Cypressen, ?des Gestein und das Meer bilden den Hintergrund des Bildes. Dies alles ergreift durch seine traurige Armut, aber >>Botticelli hatte kein inneres Verh?ltnis zur Natur und behandelte die Landschaft stets als Nebensache<<. Dieser Satz geh?rt zu jenen ewigen Krankheiten der Kunstgeschichte, die sich aus einem Buch ins andere forterben. Kein Wunder: denn im Malerbuch Leonardo da Vincis steht zu lesen ... >>So sagte unser Botticelli, das Studium der Landschaft sei eitel; wenn man nur einen Schwamm voll verschiedener Farben gegen die Wand werfe, so hinterlasse dieser einen Fleck auf der Mauer, in dem man eine solche Landschaft erblicke ... und jener Maler schuf sehr traurige Landschaften<< ... Ob Sandro diese Worte im Ernst oder aus Freude am Paradoxen gesagt, wer mag dies heute entscheiden? H?lt man sich aber nicht an S?tze Leonardos, dagegen an Botticellis Bilder, so erw?chst der Sch?pfer jener >>tristissimi paesi<< zum grossen K?nstler der Landschaft. Grazien und G?ttinnen schreiten ?ber einen Bl?tenboden, der in tausend Farben leuchtet; Veilchen, Anemonen, das junge Gras, das unterm Windhauch bebt, alles ist mit peinlichster Beobachtung der besonderen Einzelformen jeder Pflanze geschildert. Sandro malt >>im dunklen Laub die Goldorangen<<, der Duft weisser Lilien und farbiger Rosen weht aus manchen Bildern uns entgegen, und bereits vor vier Jahrhunderten wusste Botticelli um eine Entdeckung der Moderne, die Poesie der ?de, das heilige Grauen der Verlassenheit. Das Meer, bleifarben und reglos, den blaugrauen Himmel, zerkl?ftete Felsen und den braunen Strand, -- solche Symphonien des Schweigens, wie man heute sagt, hat Botticelli ?fter komponiert. Es ist etwas Grandioses und Vorweltliches, etwas Keusch-Geheimnisvolles um seine Landschaften; nur Heilige und G?tter d?rfen darin hausen, nicht die Schar der Staubgeborenen, mit denen man die topographisch aufgefassten Veduten der Baldovinetti und Pollaiuoli oder die Prospekte Ghirlandajos und seiner Sch?ler bev?lkern kann.

Botticelli starb unverm?hlt. >>Eines Tages,<< -- erz?hlt ein Florentiner Schriftsteller des Cinquecento -- >>dr?ngte ihn Messer Tommaso Soderini zur Heirat; aber Sandro antwortete: >>Ich will Euch sagen: vor einigen N?chten tr?umte mir, ich h?tte ein Weib genommen. Darob erfasste mich solcher Schmerz, dass ich aufwachte und, um nicht wieder einzuschlafen und das n?mliche noch einmal zu tr?umen, erhob ich mich und lief, einem Verr?ckten gleich, die ganze Nacht durch Florenz ...<<<<

Diese reizende Anekdote, die alles enth?lt, was von Botticellis Verh?ltnis zum Weibe ?berliefert ist, zeigt nur, wie Sandro, nach Art vieler Grossen, wohlmeinender Zudringlichkeit gegen?ber sich hinter trivialem Spott verschanzte. In Wahrheit mochte das Weib eine gr?ssere Rolle in seinem Leben spielen, und was seelische Scham ihm auszusprechen verbot, k?nden deutlich genug seine Werke, vor allem seine Madonnenbilder. Maria, die heilige Gebenedeite, steht im Mittelpunkte seines Schaffens; aber nicht die unnahbare, in starrer Herrlichkeit thronende regina coeli des Mittelalters, sondern die scheue ancilla Domini, die am tiefsten leiden musste unter allen Frauen dieser Erde und deshalb am besten weiss um alles Menschenweh ...

>>Vergine Madre, figlia del tuo Figlio<<

diesen Anfangvers jener Marienhymne, die Dante seinen heiligen Bernhard jubeln l?sst, schrieb Botticelli in einem grossen Altargem?lde der Florentiner Accademia auf den Sockel von Marias Thron. Er wurde mit der n?chsten Zeile

>>Umile ed alta pi? che creatura<<

zum Leitmotiv f?r alle Madonnenbilder Botticellis; Hoheit und Demut, Jungfr?ulichkeit und Mutterschaft, das geistige Sich-Hingeben an den heiligen Sohn, all dies gestaltete Botticelli zur unl?slichen Einheit. Lebte doch vom M?nch wie vom Troubadour etwas in seiner Seele; einem lyrischen Asketen gleicht Sandro in seinen religi?sen Bildern, glaubensernst und doch s?ssen Wohllautes voll. Der Lyriker wuchs mit den Jahren zum Pathetiker; seine Ausdrucksmittel wurden reicher und gewaltiger; was er vordem in halben T?nen nur geklagt, brauste nun wie Orgelfluten dahin; aber selbst diese letzten Sch?pfungen bergen kein andres Ziel als die ersten; die Verse Dantes schimmern, Leitsternen gleich, ?ber allen Wegen, die der Madonnen-Maler Botticelli wandelte ...

Die Kunst des Mittelalters kannte nur die ernste K?nigin, um deren Thron sich die >>baroni di Cristo<< wie heilige Paladine scharen. Fra Filippo, Sandros Lehrer, brach als erster mit dem strengen Schema des ceremoni?sen Andachtsbildes und malte eine junge Florentinerin, die ihr bambino liebkost, indes ein paar lustige Engelsknaben dem traulichen Spiel der beiden zusehen. Botticelli ?bernahm dies Motiv von seinem Lehrer, aber seiner innersten Natur gem?ss vergeistigte er's und wandelte das Familienidyll ins Tragische. Ein fr?hes Madonnenbild Sandros, das einst dem Principe Chigi geh?rte, offenbart den ganzen Wesensunterschied zwischen Botticelli und seinem Meister um so deutlicher, als in der Formgebung des Gem?ldes noch eine leise Erinnerung an die Art des Frate durchklingt. Fra Filippos frohgemuter Engel ist zu einem blassen Himmelspagen geworden. Traurig l?chelnd tritt er, die Augen halbgeschlossen, mit ?hren und Weintrauben, den Symbolen der Eucharistie, vor die Madonna und ihren g?ttlichen Sohn. Gedankenverloren ergreift Maria einen Halm, indes Jesus, der auf ihrem Schosse ruht, mit der Kinderhand die Zeichen seines Todesopfers segnet. Da ist jener schwerbl?tige Botticelli, der niemals lacht, kaum die Lippen zu melancholischem L?cheln verzieht! Seine Madonna und sein Jesusknabe haben immer das Kreuz von Golgatha vor Augen. Darum ist dies Kind so feierlich-ernst und in Mariens Antlitz nur hoffnungslose Resignation zu lesen; darum vermag die Madonna vor innerem Grauen ihr eigen Kind manchmal nicht anzublicken; darum presst sie es wieder in schmerzlichem Krampf an ihren Busen und h?lt es da mit beiden Armen fest, als wollte sie es gegen einen frevlen R?uber schirmen.

Auch die Engel, die, aus g?ttlichen H?hen niedersteigend, sich dem >>Sohne des Menschen<< verehrend nahen, diese morbiden Gesch?pfe mit den flackernden Blicken der Fieberkranken wissen um das Schicksal des Welterl?sers. Mit Blumen sind ihre Locken durchflochten, aber die blassen Lippen, die frohe Hymnen jubeln m?chten, zucken in verhaltenem Weh und man glaubt die dumpfen Kl?nge eines Sterbeliedes zu vernehmen. Dem Jesuskinde gab Botticelli den kleinen Johannes zum Spielgenossen, einen hysterischen Knaben mit krankhaft funkelnden Augen. Er ahnt ebenfalls die Pfade des Leidens, die Jesus und er selber wandern m?ssen. Denn zuweilen kniet er vor dem Gottgesandten, und legt, sich ihm angelobend, die Rechte ans Herz, kreuzt, -- das orientalische Zeichen willenloser Ergebenheit, -- die zarten Kinderarme ?ber der Brust, oder die beiden todgeweihten Knaben umarmen einander wie zum ewigen Abschied ...

Wir besitzen viel derartige Gem?lde, die meistens f?r h?usliche Andacht bestimmt waren. Aber nur ihre Anlage verr?t botticellesken Geist; die Ausf?hrung ?berliess Sandro, wie ?blich beim Werkstatt-Betrieb, den Gehilfen und so k?nnen solche Bilder nur als mehr oder minder bedeutendes Schulgut betrachtet werden. Eigenh?ndige Sch?pfungen dieser Art, in denen poetische Conception und feinste technische Ausf?hrung restlos ineinander aufgehen, haben wir leider nur wenige. Als sch?nstes darf man, ohne Widerspruch bef?rchten zu m?ssen, das sogenannte >>~Magnificat~<< der Uffizien r?hmen. Das Gem?lde ist ein Tondo d. h. in jener kreisrunden Form gehalten, die als charakteristisch f?r Botticelli und seine Sch?ler gelten kann. Sieht man von Plastikern ab, so war auch hierin Fra Filippo Botticellis Vorg?nger. Seine >>Madonna mit dem Kinde<< im Palazzo Pitti ist wohl das fr?heste religi?se Tondo der Florentiner Malerei. Aber der Frate sah in der Rundform nur eine zuf?llige ?usserlichkeit, die auf die Gesamt-Anlage des Gem?ldes ohne Einfluss blieb. Sandros Magnificat dagegen ist bereits als Tondo erdacht: die Haltung Mariens und des einen Engels, die Arme von zwei anderen wiederholen leise, doch nachdr?cklich die Rundlinie des Rahmens und ?berall herrscht eine seltsam weiche Formgebung. Dies alles sind ohne Zweifel hohe Vorz?ge des Gem?ldes; aber auch in dem Magnificat st?rt die obligate Schw?che botticellesker Tondi, jene un?bersichtliche und gedr?ngte Komposition, die ?berall, wo es um lebensgrosse Figuren sich handelt, merkbarer als z. B. in dem kleinen Holophernes-Bilde, hervortritt. Vor den grossen K?pfen, die f?rmlich aneinander kleben, gewahrt man kaum die K?rper; man sieht eine ge?ffnete Bibel, in die Maria den Hymnus an sich selber schreibt; aber niemand k?nnte angeben, wo sie eigentlich aufruht, und das Tintenfass m?sste dem Engel, der es Maria reicht, unfehlbar aus den H?nden gleiten. Die Krone ?ber dem Haupte der Madonna liegt auf den ausgestreckten Engelsfingern und diese machen nicht den leisesten Versuch, sie zu erfassen und festzuhalten. So h?rt man ?fter vor dem Bilde bemerken. Ob Botticelli aber -- in diesem letzten Fall -- nicht vielleicht von dem Rechte Gebrauch machte, das nur den Gr?ssten freisteht und bewusst >>verzeichnete<>beschreiben<<. Man kann pedantisch analysieren, ~was~ in ihnen wirkt, ihr Zauber selbst l?sst sich so wenig in Worte umsetzen wie eine Melodie oder ein Accord. Das liegt im Wesen von Botticellis Kunst begr?ndet.

Bisher hatte die Quattrocento-Malerei ihr Ziel in der Wiedergabe der Sinnenwelt gefunden; sie war, um eine Wendung Leone Battista Albertis zu gebrauchen, ein Abbild der >>cose vedute<<, der gesehenen und sichtbaren Dinge. Der Kunst Botticellis aber ist nichts gemein mit dieser episch-deskriptiven Art der anderen Florentiner; die Schilderung der Aussenwelt wird nie zum Selbstzweck, sondern ein reiches Gef?hlsleben ringt nach bildm?ssiger Form. Als Ausdrucksmittel diente Botticelli hierzu die ~Linie~. >>Unter Umriss<< -- sagt wiederum Alberti -- >>wird man in der Malerei die Umfangslinien eines K?rpers verstehen<< und in der objektiven florentinischen Malerei kommt der Linie auch keine andre Bedeutung zu. Botticellis Umriss jedoch ist mehr als eine blosse Begrenzungslinie. Der botticelleske Kontur f?hrt, wie eine Melodie, sein vom K?rperlichen losgel?stes Sonderdasein, nicht als >>Umfangslinie eines K?rpers<<, sondern wie etwas Immaterielles, wie einen Reflektor seelischer Stimmungen empfindet man ihn; Melancholie, Schwermut, die mystischen Schauer religi?ser Ekstasen und jede noch so scheue Gef?hlsnuance fanden in Botticellis Linie klaren und bestimmten Ausdruck. Die Ausdrucksf?higkeit der Linie suchte Sandro auf alle Weise zu steigern: Schweres und Massiges mied er, stellte am liebsten ?berschlanke K?rper dar, aus denen die Seele gleichsam von innen heraus leuchtet; bevorzugte spinnenwebhaft d?nne, weich anliegende Gew?nder, die den K?rper weder beschweren, noch ihm Bewegungsfreiheit rauben, liebte vor allem ~Bewegung~ als solche. Die blosse Freude an der Geb?rde, wie sie den Cinquecentisten eigen war, hat Botticelli jedoch nie besessen; die leiseste Geste entspringt ebenso wie jene Convulsionen, die den K?rper kr?mmen und auseinanderbiegen, einer seelischen Notwendigkeit; in allem spiegelt sich jenes ruhelose Innenleben, das vor Botticelli kein Florentiner K?nstler ins Bild zu bannen vermochte. Durfte er seinem Temperament nicht folgen, musste er, wie bei grossen Altarbildern, auf das Schildern von Bewegung verzichten, konnte er seinen Gef?hlen keinen ad?quaten Ausdruck geben, so scheint er leer und langweilig; die Sprache der Convention hatte keine Worte f?r Sandro Botticelli.

Trotzdem bieten auch die grossen Kirchenbilder Sandros genug des Neuen und Fesselnden. Sein Verst?ndnis f?r den Stimmungswert kostbarer Zierger?te und leuchtender Blumen, seine F?higkeit, den Eindruck des Feierlich-Religi?sen, des Vision?ren und Traumhaft-Fernen zu erzwingen, dies alles will im Einzelnen bewundert sein. Auf die fr?heste Vergangenheit greift Sandro in seinen Mitteln da zur?ck und scheint doch wieder manche Meister ferner und fernster Zukunft vorzuahnen. Wir besitzen nur vier umfangreiche Altargem?lde von Botticellis eigener Hand, aber jedes kennzeichnet den grossen Meister der Stimmung oder wenigstens den religi?sen Maler im strengsten Sinne des Wortes. Eine fr?he, durch ?berpinselung leider arg entstellte >>santa conversazione<< der Florentiner Accademia zeigt den jungen Sandro noch ?ngstlich in den Spuren der Pollaiuoli wandelnd: >>cose vedute.<< Ganz anders schon wirkt die sogenannte Palmen-Madonna vom Jahre 1485, die aus der Florentiner Kirche St. Spirito ins Berliner Museum gelangte. Maria hat auf einem stufenerh?hten Marmorthron Platz genommen. Ein wenig vor ihr stehen Johannes der T?ufer und Johannes der Evangelist. An diesem althergebrachten Kompositions-Schema f?r >>sante conversazioni<< durfte Botticelli nichts ?ndern. Und doch hat das Gem?lde kaum etwas gemein mit allen Bildern, die damals in Florenz den n?mlichen Stoff behandelten. Jede Farbe scheint zum Duft geworden. Als ob man in einem s?dlichen Hain atmete. Palmen und Binsen formen hinter der Madonna eine Nische; Myrthen und Cypressenzweige schlingen sich ineinander; auf der Marmorbalustrade stehen vier K?rbe voll Rosen; B?schel von Oliven gewahrt man in edelgeformten Vasen; aus ihrer schwarzgr?nen Pracht steigen hochgestielte weisse Lilien auf und von all dieser Herrlichkeit wird das nie entweihte Magdthum Marias umbl?ht. Ein K?nder unserer Sehnsucht deucht Botticelli in diesem Gem?lde und griff doch auf das gotische Mittelalter nur zur?ck, dessen sinnlich-?bersinnliche Hymnen manche Vergleiche zwischen Maria und den Blumen enthalten. Jener spitzfindigen scholastischen Vorstellung vom >>hortus conclusus<<, die kein Humanist seines Spottes mehr w?rdigte, gab Sandro in seinem Bilde k?nstlerische Form.

Tu rosa, tu lilium, Cuius dei Filium Carnis ad connubium Traxit odor ...

Die anderen Florentiner Maler im Quattrocento erstrebten die Illusion des Wirklichen, Sandro die des Unwirklichen. Darum verwandte er, gleich den Meistern des Trecento, h?ufig Gold als Stimmungselement. Blendender Strahlenglanz fliesst, wo es nur angeht, vom Himmel zur Erde nieder.

Veni, sancte spiritus Et emitte coelitus Lucis tuae radium ...

In der grossen Marienkr?nung der Accademia hat das himmlische Jerusalem seine Pforten aufgetan und in goldener Majest?t erblicken wir Maria, der Gottvater die Krone aufs Haupt setzt. Voll seliger Verz?cktheit schauert die Schmerzensreiche zusammen; jubelnd schwingen Engel den Reigen um die neue Herrin und werfen ihr Rosen zum freudigen Willkomm. Nie wieder hat Sandro so g?ttlich leichtes Tanzen gemalt, nie wieder Engel, so frei von Erdenlast. Ergreifend ist der Kontrast zwischen der goldenen Strahlenpracht des Jenseits und dem klippenreichen Strand, auf dem vier Heilige trauernd zur?ckbleiben. Auch ihre Schwere hat Sandro vielleicht in bewussten Gegensatz zur Grazie der Engel gestellt. Leider wirken diese Gestalten auffallend leer. Musste Sandro der Schilderung des Bewegten entsagen, den K?rper gar noch mit priesterlichen Gew?ndern, der Dalmatica, der Casula und dem Pluviale beh?ngen, so kam wenig mehr dabei heraus als ein >>m?chtiger<< Faltenwurf und ein paar malerische Sch?nheiten. Ein Haupt, das der Kardinalshut oder die Mitra decken, ist bei Sandro langweilig. Er wusste Menschen darzustellen, die ihres Gottes Antlitz suchen, keine W?rdentr?ger der Kirche.

Man betrachte daraufhin jenes grosse Altargem?lde der Accademia, wo sieben Heilige sich um die Madonna scharen. Der purpurdunkle Baldachin, mattgoldene Reliefs und eine feierliche Architektur ergeben als Ganzes eine Farbenwirkung, deren dekorativen Prunk erst die K?nstler des Barock wieder erstrebten; der Panzer des Erzengels Michael ist mit einer Freude am rein Malerischen behandelt, die den meisten italienischen Quattrocentisten fremd blieb, und der seltsam k?hlen Pracht eines Farbeneffektes, wie ihn der weisse Handschuh des heiligen Ambrosius, der blutrote Edelstein darauf und ein blauer Bucheinband hervorbringen, wird man erst in franz?sischen Bildern des neunzehnten Jahrhunderts begegnen. Die Figur des heiligen Johannes ist die m?nnlichste Gestalt, die Botticelli je geschaffen; kraftvoll und durchlodert von d?sterer Asketen-Glut. Und doch l?sst dies Gem?lde, dessen Raumverh?ltnisse durch eine dumme Anst?ckelung ?berdies verschoben sind, ziemlich kalt; das lediglich Repr?sentierende war, besonders in Verbindung mit lebensgrossen Figuren, eben niemals Botticellis Sache. Durfte er das Ceremonienbild in kleinerem Format halten, Feierlich-Starres in Bewegung aufl?sen, so konnte selbst auf diesem Gebiet, das den Lyriker Sandro fremd anmutete, ein Werk entstehen wie jene Anbetung der K?nige in den Uffizien, die, vom rein malerischen und zeichnerischen Standpunkt aus betrachtet, Botticellis h?chste Leistung bedeutet.

Die Anbetung der K?nige war im Quattrocento ein beliebter Vorwurf der Florentiner Malerei. Hier konnte sie leicht ihre Freude am Portr?t beth?tigen und hervorragende B?rger ins Gefolge der K?nige reihen. So weit aber wie Botticelli hatte sich keiner der fr?heren vorgewagt; er hat als erster selbst die Gestalten der K?nige in Bildnisse gewandelt. Diese Neuerung h?ngt aufs engste zusammen mit der Entstehungsgeschichte des Gem?ldes. Im Jahre 1469 war der Sohn Cosimos de' Medici, der gichtkranke Piero, gestorben, und seine Kinder Giuliano und der prunkende Lorenzo lenkten die Geschicke der Republik Florenz. Die beiden J?nglinge waren hochgesinnt, voll Kraft und Jugend, den Frauen hold; jedem Manne von Verdienst standen die Pforten ihres Palastes offen. Versk?nstler und sch?nheitsfrohe ?stheten, konnten sie trotzdem, wenn es not that, zu eiskalten Realpolitikern werden; das Ansehen des Staates nach aussen hin war bei ihnen wohl aufgehoben. Das niedere Volk liebte die beiden und Lorenzo, der ?ltere und anscheinend thatkr?ftigere, wusste diese Neigung zu erhalten. Er f?tterte den P?bel mit Schaustellungen aller Art. Das hielt einerseits vom Nachdenken ?ber den Verlust der politischen Freiheit ab und gab andrerseits den Medici Gelegenheit, ihren ?sthetendrang zu befriedigen, f?r eine kurze Spanne Zeit diese wahre Welt in ein sch?neres Traumland zu verwandeln. Ritten sie auf Piazza Santa Croce, geleitet von den edelsten J?nglingen, in die Turnierschranken ein, um zu Ehren ihrer Damen eine Lanze zu brechen, so entwarf Antonio Pollaiuolo den Schmuck der Rosse, in der blauen Luft flatterten seidene Fahnen, gemalt von Verrocchio oder Botticelli, und die t?nenden Stanzen der mediceischen Hausdichter verglichen ihre Grossthaten mit denen Scipios und Alexanders. Der goldene Glanz blendete aber nicht die Augen aller; viele betrachteten das Regiment der Br?der mit scheelen Blicken und gerade die vornehmste Familie n?chst den Medici, die Pazzi, verfolgten die Beiden mit unvers?hnlichem Hass. Sie gewannen die Unterst?tzung des Papstes und beschlossen, am Ostermorgen des Jahres 1478, w?hrend des feierlichen Hochamtes im Dom, Lorenzo und Giuliano zu ermorden. Aber nur das Blut des ungl?cklichen Giuliano floss >>aus unz?hligen Wunden<< ?ber den heiligen Boden; Lorenzo fl?chtete durch die Th?r der Sacristei, rief seine Getreuen zu den Waffen und nahm f?rchterliche Rache an den Gegnern. Botticellis Epiphanie, die ein unbedingter Parteig?nger der Medici malen liess, bekundet einen Freundesdank f?r Lorenzos wunderbare Rettung. Die toten Ahnen und die lebenden Gef?hrten huldigen mit Lorenzo der schirmenden Allmacht. Darum wurde, was vordem nur ein Mittel zur Wirklichkeitsillusion gewesen, bei Botticelli Selbstzweck des Bildes. Nur um seiner neunundzwanzig Portr?ts willen scheint es ?berhaupt gemalt. Maria, Joseph und das Kind nehmen zwar -- vielleicht im Anschluss an Leonardos Epiphanie vom Jahre 1478 -- nicht mehr, wie es bislang Sitte war, eine Ecke, sondern die Mitte des Gem?ldes ein; aber Botticelli hat -- zum ersten und letzten Male -- der heiligen Familie nicht den Hauptaccent geliehen. Man gewahrt sie kaum; denn unwillk?rlich haftet der Blick an den Bildnisgruppen des Vordergrundes, deren diskrete und reizvolle Art sich zu bewegen selbst dem in solchen Dingen anspruchsvollen, Cinquecento Respekt abn?tigte. Da ist der greise, damals schon l?ngst verstorbene Cosimo de' Medici mit dem prachtvollen Senatorenhaupt; er neigt sich ehrerbietig, aber nicht allzu inbr?nstig, den Fuss des Kindleins zu k?ssen; wie etwa ein m?chtiger Vasall seinem jungen K?nige huldigt. Hinter dem Vater knieen seine -- ebenfalls toten -- S?hne, Piero und der nicht minder sch?ne als lasterhafte Giovanni de' Medici. In der Ecke links vorne steht, seine Hand wie tr?umend am Schwerte haltend, der prunkende Lorenzo und dem vornehmsten Medici stellte, nicht allzuweit vom ermordeten Giuliano, sich Botticelli selber gegen?ber; er kannte seinen Wert und wusste sich richtig einzusch?tzen. An diese Hauptpersonen reiht sich zu beiden Seiten statistenartig das Gefolge. Freilich im >>Teatro del mondo<<, auf der B?hne des Lebens, hatte wohl jeder dieser M?nner eine gr?ssere Rolle durchzuf?hren; es w?re eine lockende Aufgabe, all diese Personen zu identificieren und, von Botticellis Bild ausgehend, die Geschichte der mediceischen Kultur zu schildern.

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