Read Ebook: Botticelli by Schaeffer Emil Muther Richard Editor
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Ebook has 99 lines and 14999 words, and 2 pages
Die Anbetung der K?nige war im Quattrocento ein beliebter Vorwurf der Florentiner Malerei. Hier konnte sie leicht ihre Freude am Portr?t beth?tigen und hervorragende B?rger ins Gefolge der K?nige reihen. So weit aber wie Botticelli hatte sich keiner der fr?heren vorgewagt; er hat als erster selbst die Gestalten der K?nige in Bildnisse gewandelt. Diese Neuerung h?ngt aufs engste zusammen mit der Entstehungsgeschichte des Gem?ldes. Im Jahre 1469 war der Sohn Cosimos de' Medici, der gichtkranke Piero, gestorben, und seine Kinder Giuliano und der prunkende Lorenzo lenkten die Geschicke der Republik Florenz. Die beiden J?nglinge waren hochgesinnt, voll Kraft und Jugend, den Frauen hold; jedem Manne von Verdienst standen die Pforten ihres Palastes offen. Versk?nstler und sch?nheitsfrohe ?stheten, konnten sie trotzdem, wenn es not that, zu eiskalten Realpolitikern werden; das Ansehen des Staates nach aussen hin war bei ihnen wohl aufgehoben. Das niedere Volk liebte die beiden und Lorenzo, der ?ltere und anscheinend thatkr?ftigere, wusste diese Neigung zu erhalten. Er f?tterte den P?bel mit Schaustellungen aller Art. Das hielt einerseits vom Nachdenken ?ber den Verlust der politischen Freiheit ab und gab andrerseits den Medici Gelegenheit, ihren ?sthetendrang zu befriedigen, f?r eine kurze Spanne Zeit diese wahre Welt in ein sch?neres Traumland zu verwandeln. Ritten sie auf Piazza Santa Croce, geleitet von den edelsten J?nglingen, in die Turnierschranken ein, um zu Ehren ihrer Damen eine Lanze zu brechen, so entwarf Antonio Pollaiuolo den Schmuck der Rosse, in der blauen Luft flatterten seidene Fahnen, gemalt von Verrocchio oder Botticelli, und die t?nenden Stanzen der mediceischen Hausdichter verglichen ihre Grossthaten mit denen Scipios und Alexanders. Der goldene Glanz blendete aber nicht die Augen aller; viele betrachteten das Regiment der Br?der mit scheelen Blicken und gerade die vornehmste Familie n?chst den Medici, die Pazzi, verfolgten die Beiden mit unvers?hnlichem Hass. Sie gewannen die Unterst?tzung des Papstes und beschlossen, am Ostermorgen des Jahres 1478, w?hrend des feierlichen Hochamtes im Dom, Lorenzo und Giuliano zu ermorden. Aber nur das Blut des ungl?cklichen Giuliano floss >>aus unz?hligen Wunden<< ?ber den heiligen Boden; Lorenzo fl?chtete durch die Th?r der Sacristei, rief seine Getreuen zu den Waffen und nahm f?rchterliche Rache an den Gegnern. Botticellis Epiphanie, die ein unbedingter Parteig?nger der Medici malen liess, bekundet einen Freundesdank f?r Lorenzos wunderbare Rettung. Die toten Ahnen und die lebenden Gef?hrten huldigen mit Lorenzo der schirmenden Allmacht. Darum wurde, was vordem nur ein Mittel zur Wirklichkeitsillusion gewesen, bei Botticelli Selbstzweck des Bildes. Nur um seiner neunundzwanzig Portr?ts willen scheint es ?berhaupt gemalt. Maria, Joseph und das Kind nehmen zwar -- vielleicht im Anschluss an Leonardos Epiphanie vom Jahre 1478 -- nicht mehr, wie es bislang Sitte war, eine Ecke, sondern die Mitte des Gem?ldes ein; aber Botticelli hat -- zum ersten und letzten Male -- der heiligen Familie nicht den Hauptaccent geliehen. Man gewahrt sie kaum; denn unwillk?rlich haftet der Blick an den Bildnisgruppen des Vordergrundes, deren diskrete und reizvolle Art sich zu bewegen selbst dem in solchen Dingen anspruchsvollen, Cinquecento Respekt abn?tigte. Da ist der greise, damals schon l?ngst verstorbene Cosimo de' Medici mit dem prachtvollen Senatorenhaupt; er neigt sich ehrerbietig, aber nicht allzu inbr?nstig, den Fuss des Kindleins zu k?ssen; wie etwa ein m?chtiger Vasall seinem jungen K?nige huldigt. Hinter dem Vater knieen seine -- ebenfalls toten -- S?hne, Piero und der nicht minder sch?ne als lasterhafte Giovanni de' Medici. In der Ecke links vorne steht, seine Hand wie tr?umend am Schwerte haltend, der prunkende Lorenzo und dem vornehmsten Medici stellte, nicht allzuweit vom ermordeten Giuliano, sich Botticelli selber gegen?ber; er kannte seinen Wert und wusste sich richtig einzusch?tzen. An diese Hauptpersonen reiht sich zu beiden Seiten statistenartig das Gefolge. Freilich im >>Teatro del mondo<<, auf der B?hne des Lebens, hatte wohl jeder dieser M?nner eine gr?ssere Rolle durchzuf?hren; es w?re eine lockende Aufgabe, all diese Personen zu identificieren und, von Botticellis Bild ausgehend, die Geschichte der mediceischen Kultur zu schildern.
Nicht nur den Triumph der Sieger, auch die Schmach der Gegner musste Botticelli aller Welt verk?nden und nach alt-toscanischer Sitte auf die Mauern des Palazzo del Podest? einige Mitglieder der Pazzi-Familie und ihre Anh?nger als Verr?ter malen, d. h. mit den F?ssen nach oben. In der Sammlung Bonnat erinnert eine Zeichnung Leonardos an jenes Schand-Fresko, das Botticelli selber noch -- gewiss ohne Schmerz -- zerst?ren sah; heute besitzt Florenz nur mehr eine einzige Probe seiner Art >>al muro<< zu malen, jenen heiligen Augustin, den er f?r einen Vespucci in der Ognissanti-Kirche schuf. >>Das Werk gelang ihm vorz?glich<<, -- meint Vasari -- >>weil das Haupt des Heiligen tiefes Nachdenken und jene h?chste Feinheit des Geistes offenbart, wie sie klugen Menschen eigen ist, die sich best?ndig mit dem Ergr?nden sehr hoher und schwieriger Probleme befassen.<< An der Wand gegen?ber sieht man die Einzelgestalt des heiligen Hieronymus, die Domenico Ghirlandajo -- ebenfalls f?r einen Vespucci -- dort al fresco malte. Ein Blick auf dieses Werk gen?gt, um Botticellis Wesen und Vasaris Lob zu begreifen. Ghirlandajos Hieronymus, ist, was das K?nstlerische anlangt, ein missgl?ckter Versuch, die Feinmalerei flandrischer Meister mit dem monumentalen Freskostil zu vereinen. Und was hat, hinsichtlich des Geistigen, dieser phlegmatisch dreinschauende alte Herr mit dem einsamen B?sser von Bethlehem gemein; wer traut ihm das Pathos der >>Briefe<< zu? Der Heilige Botticellis gleicht dagegen aufs Haar dem Bischof von Hippo, wie er in seinen >>Bekenntnissen<< so prachtvoll lebendig uns entgegentritt, jenem Mann, dessen Seele alle St?rme durchbrausten, der die Leidenschaften kannte und selbst vor seinem Intellekt auf der Hut sein musste. An die satten und zufriedenen Renaissance-Heiligen wird niemand vor dieser in grossen Z?gen hingestrichenen Gestalt denken; wie die meisten Heiligen Botticellis, der Johannes Evangelista der Palmenmadonna oder der Eligius der Marienkr?nung, geht auch der Agostino im Typus auf die finsteren und wilden Asketen trecentistischer Altarwerke zur?ck. Denn Botticelli liebte die damals so verachtete gotische Malerei, die er vielleicht als christliche Kunst an sich empfinden mochte. Nannte man ihn doch sogar den >>letzten K?nstler des Mittelalters<<. Gewiss mit Unrecht. Er wollte -- in jenen Tagen wenigstens -- nur das Ewige der Kunst des Trecento von allem losl?sen, was an ihr historisch-bedingt und verg?nglich war, oder, wie man heute sagt, den lebendigen Duft der toten Dinge in sein Werk her?ber retten. Botticellis Verh?ltnis zum Mittelalter ist rein ?sthetischer Natur geblieben und gleicht jenem, das vierhundert Jahre sp?ter Rossetti und Burne Jones zu seiner eignen Kunst fanden.
Papst Sixtus w?rdigte Sandros Werk, indem er -- laut Vasari -- Botticelli reiche Geldsummen auszahlen liess; aber >>dieser lebte, seiner Gewohnheit nach, in den Tag herein, verwirtschaftete alles noch w?hrend des r?mischen Aufenthaltes und kehrte, nachdem er vollbracht, was ihm aufgetragen worden, gleich nach Florenz zur?ck<< ... Hier konnte er sich bald wieder als Meister des Freskos erweisen. Diesmal galt es, die Verm?hlung Lorenzos Tornabuonis mit der sch?nen Giovanna degli Albizzi zu verherrlichen. Auf dem einen Fresko wird der junge Lorenzo in den Kreis der sieben freien K?nste eingef?hrt: Voll edler Sch?chternheit blickt er die weisen Schwestern an, indes ihn die >>Dialectica<< zur Philosophie, einer betagten Matrone geleitet. In dem andern Fresko begr?ssen die vier Kardinaltugenden Giovanna degli Albizzi. Es ist ein ungemein delikater Zug Botticellis: gelassen und pr?fenden Auges erwarten die Wissenschaften den J?ngling, der um ihre Gunst erst werben soll. Die Tugenden aber schreiten auf Giovanna zu, als wollten vier Schwestern eine f?nfte umarmen, die lange fern geweilt. Heute gibt ein Treppenhaus im Louvre den halbzerst?rten Fresken Obdach. Voreinst schm?ckten sie Chiasso Macerelli, eine Villa der Tornabuoni unweit den Bergen von Fiesole, und hier, unter Cypressen und wilden Rosen, in stiller Sonnen-Einsamkeit muss die erdenferne Poesie dieses Werkes unendlich ergriffen haben.
In strengen geraden Linien fliesst Giovannas rotes Kleid den hochgewachsenen K?rper entlang. Orangenfarbige, weisse, gelbe und gr?ne Gew?nder umh?llen die schlanken M?dchen, bei deren Anblick man sich erinnert, dass Alberti in seinem Malerbuch sagt: >>Wenn man Diana malen wollte, wie sie den Chor der Nymphen anf?hrt, so th?te man gut, die eine Nymphe in Gr?n, die andere in Weiss, die dritte in Rosa, die vierte in Gelb zu kleiden und so eine jede in eine andere Farbe.<< Leone Battista Alberti, der grosse Theoretiker der Fr?hrenaissance, hatte sein Malerbuch bereits im Jahre 1435 vollendet; aber erst Botticelli, der ganze elf Jahre sp?ter zur Welt kam, machte seine Anregungen sich zu nutze. Dass er's ?berhaupt that, h?ngt mit seiner Sonderstellung innerhalb der Florentiner Malerei zusammen. Die Nachahmung des Wirklichen, die den andern das Endziel aller Kunst schien, war f?r Botticelli nur ein Mittel; denn er glaubte mit Alberti: >>man m?sse darstellen, was dem Geist zu denken giebt; nicht, was die Augen sehen<<. Sandro besass den feinsten Sinn f?r das Wesen der Form, den Gef?hlswert der Farbe, mit selbstsch?pferischer Phantasie war er begnadet, und all diese Maler-Eigenschaften gingen mit einem sterilen Gelehrtentum eine ebenso fesselnde als komplicierte Verbindung ein. Er war ein >>letterato<<, hatte den Respekt der Halbgebildeten vor Gedrucktem und Geschriebenem und nur sein K?nstler-Genie besch?tzte ihn davor, der erste academische Maler, Ahnherr einer Professoren-Malerei zu werden. Dass gerade Botticelli zu solcher Geistesrichtung neigte, l?sst sich begreifen. Im gastlichen Palazzo Lorenzos de' Medici, wo er als Freund verkehren durfte, begegnete er Dichtern und Gelehrten und diese grossen Herren sprachen so menschlich mit dem gesellschaftlich tiefer stehenden Maler, wiesen ihm Pfade in versunkene Welten, die ihr Zauberwort eben neu belebte, und gaben dadurch seiner Kunst manche Themata.
Sein Gelehrtentum bedingte auch Botticellis eigenartiges Verh?ltnis zur Antike. Die Maler neben ihm, die Pollaiuoli, Ghirlandajo und seine Sch?ler f?llten ihre Gem?lde mit mehr oder minder freien Copien antiker Bauten an. Das war -- im allgemeinen -- Botticellis Sache nicht. Wohl nimmt auf dem Fresko von dem Untergang der Rotte Korah Constantins Triumphbogen die Mitte der Scene ein; aber die lateinische Inschrift, die seine Vorderfront tr?gt, >>Nemo sibi assumat honorem nisi vocatus a deo tanquam Aron<< mildert diesen Anachronismus und verbindet das altr?mische Bauwerk mit dem alttestamentarischen Inhalt des Freskos. Ein gedankenloser Kopist antiker Kunst ist Sandro nie gewesen; er dankt ihr entscheidende Anregungen; nur f?hrte ihn -- das ist bezeichnend -- Leon Battista Albertis Traktat zur alten Kunst. In dieser ?sthetischen Bibel Sandros steht zu lesen: >>Es gef?llt, im Haare der Menschen und Tiere, in den Zweigen, im Laub, in der Gewandung eine gewisse Bewegung zu sehen<< und f?r derartige >>Bewegungen<< der Haare und besonders der Gewandung, aber auch nur f?r solche, wurden ihm die Reliefs sp?t-r?mischer Sarkophage zum Vorbild. Seine Unabh?ngigkeit gegen?ber der Antike hat Sandro jedoch -- bewusst oder unbewusst -- stets gewahrt. Dies zeigt sehr deutlich ein weibliches Idealportr?t im Staedelschen Institut zu Frankfurt. Vom Individuellen ausgehend, n?herte Sandro die Z?ge des Modells der strengen Regelm?ssigkeit antiker Gemmenk?pfe und gab dem blonden Haar, das erst zu Z?pfen aufgebunden ist, dann lose ?ber die Wangen rieselt, durch B?nder, Reiherfedern und eingeflochtene Perlen jene von Alberti gew?nschte >>Bewegung<<.
Ein besseres Schulbeispiel noch, Botticellis Art zu >>erkl?ren<<, bietet jene Pallas, die -- lange verschollen -- heute ein Gemach in den Wohnr?umen des Palazzo Pitti schm?ckt. Auch dies Gem?lde verherrlicht die Unterdr?ckung der Pazzi und bezeichnend f?r das rein ?sthetische Verh?ltnis der mediceischen Kreise zu Christentum und Antike ist: der n?mliche Botticelli feierte die Errettung Lorenzos de' Medici in einem christlichen Votivbilde, der Epiphanie, und durch eine antikisierende Allegorie, eben diese Pallas mit dem Centauren. Voll Symbolik steckt das Gem?lde. Der Centaur, dem Pallas mit der Rechten b?ndigend ins Haar greift, war seit Dantes Zeiten ein Sinnbild der Zwietracht. Die Linke der G?ttin h?lt eine Hellebarde und einen ?lzweig, der sich in einzig sch?nen Linien um ihr Gewand ranken will; das bedeutet Kraft und Frieden; ihrer Vereinigung entspriesst eine segensreiche Herrschaft: nur die Medici k?nnen mit einer solchen die Arnostadt begl?cken; darum durchwirken, eine Impresa Lorenzos, drei Ringe, die sich ineinander schlingen, das Kleid der Olympierin. Das klingt pedantisch und schulmeisterhaft; aber Botticelli war ein K?nstler, dem alles, was er schuf, selbst eine politische Allegorie, zum inneren Erlebnis wurde; er war ein Maler, und das will sagen: jedem, auch dem kleinsten Fl?chenst?ck in seinen Bildern kommt, lange vor seiner symbolischen, eine bestimmte sinnliche Bedeutung zu; alles ist, bevor es Allegorie wurde, als Form und Farbe erdacht gewesen. Darum wird man stets das Pathos des Centauren, den malerischen Reiz der hellen Frauenhand im dunklen Haar des Unholdes bewundern und kann, auch ohne literarische und culturgeschichtliche Vorkenntnisse, von der traurigen Sch?nheit der Pallas ergriffen sein.
Nicht anders ist es mit der herrlichsten Allegorie Botticellis, dem >>Fr?hling<< der Florentiner Accademia. In einem menschenfernen Haine webt der Lenz und tausend farbenbunte Blumen spriessen empor; Grazien in goldges?umtem Schleiergewand reichen einander die H?nde zum Reigen; auf zarten F?ssen eilt eine Bl?tenfee durch all die Fr?hlingspracht, in der selbst der rastlose Hermes gern verweilt; seiner Mutter zu H?upten gaukelt Amor faltergleich in L?ften und mit sinnendem L?cheln blickt Venus auf ihr ewiges Reich ... >>ridegli intorno tutta la foresta<< ... Wer je empfand, wie die Einzelsch?nheiten der Formen und Farben beim Betrachten sich zur dichterischen Einheit zusammenschlossen, mag bewundert haben, wie hier ein Poet zum Maler, ein Maler zum Poeten geworden; die Frage, ~was~ ist hier gemalt, m?gen sich nur wenige gestellt haben. Und doch sind dar?ber Aufs?tze und B?cher geschrieben worden, in letzter Zeit sogar erbitterte Fehden entbrannt, und die Pforten zum Reich der Venus sind von hadernden Gelehrten umlagert, die uns durch Citate aus Ovid und Horaz, aus Alberti und Polizian, durch Hinweise auf die Revers-Seite von Medaillen und mail?ndische Holzschnitte den wahren Sinn eines Gem?ldes offenbaren wollen, das sich allen Ungelehrten anscheinend von selbst erkl?rt. Man streitet ums Ganze wie ums Einzelne, m?chte die Entstehung des Bildes mit einem Ereignis der Florentiner Zeitgeschichte in Verbindung setzen, weiss aber nicht, ob mit dem Tode der bella Simonetta Vespucci, der Muse des mediceischen Kreises oder mit der Hochzeit Lorenzo Tornabuonis; dass Botticelli mancherlei Anregungen den prunkenden Stanzen von Angelo Polizianos >>Giostra<< schuldet, wurde sehr scharfsinnig und ?berzeugend nachgewiesen; Alberti mag ihm eingegeben haben, die Grazien zu schildern, wie sie >>l?chelnd, mit ungeg?rteten und durchsichtigen Gew?ndern angethan, einander an den H?nden halten<<; verweist man jedoch, um die Anwesenheit des Hermes im Reiche der Venus zu >>rechtfertigen<<, auf eine horazische Ode an Venus, wo nichts weiter zu lesen ist, als >>Amor und Hermes geleiten dich<<, so heisst das, einen grossen K?nstler nicht verstehen. Dass Botticelli ins Reich der Venus auch einem g?ttlichen J?ngling Einlass gew?hrt, musste er sich dazu erst von einer klassischen >>Belegstelle<< die Erlaubnis holen, und l?sst sich die Wahl dieser vielgedeuteten Figur nicht vom rein k?nstlerischen Standpunkt aus begreifen? Vielleicht h?tten diese Frauengestalten, ohne den Kontrast zu einem m?nnlichen Akte, nicht so eindringlich gewirkt; wie k?nnte jene Bewegung, die, allm?hlig leiser werdend, das Bild von rechts nach links durchzieht, edler ausklingen, als in der geraden Linie des j?nglinghaften Hermesk?rpers, und glaubt man wirklich, dass nebeneinander gestellte Illustrationen zu f?nf oder sechs Autoren als Summe eine unvergessliche Stimmungseinheit ergeben?
Dem n?mlichen Gef?hlskreise wie der >>Fr?hling<<, -- >>Reich der Venus<< w?re ein besserer Titel f?r das Gem?lde -- der n?mlichen mediceischen Antike geh?rt auch die >>Geburt der Venus<< in den Uffizien. Zu Vasaris Zeiten schm?ckten beide Bilder ~einen~ Raum und als Gegenst?ck zum >>Fr?hling<< ist dies k?nstlerisch nicht ganz so hoch stehende Bild zweifellos von Botticelli erdacht worden. Rosenbl?ten gaukeln durch sonnenvolle Luft und Windg?tter hauchen die Schaumgeborene, die aufrecht in einer blanken Muschel steht, ?ber das blaugr?ne Meer zum Strand. Eine goldhaarige Nymphe im Blumengewande harrt, die leuchtende Nacktheit der Gebieterin mit dem K?nigsmantel zu bergen. Die Herrscherin betritt ihr Reich: vergebens sucht Flora, sich der st?rmenden Glut des Zephirs zu entwinden, in dumpfer M?dchensehnsucht schlingen die Grazien den Reigen; alle treibenden S?fte und Kr?fte des Fr?hlings werden lebendig, -- >>vereint sind Liebe und Lenz<< ... Anregungen von seiten Polizians und Albertis lassen sich auch in diesem zweiten Bilde nachweisen; aber Sandro wahrte doch seine K?nstlerfreiheit. So wird, um ein pr?gnantes Beispiel einzuf?hren, Venus bei Polizian, gem?ss dem Homerischen Hymnus an Aphrodite, von drei Nymphen empfangen; Botticelli malte nur eine und vielleicht braucht man das nicht, wie ein wohlmeinender Kunsthistoriker that, mit >>Vergesslichkeit<< von seiten Sandros zu entschuldigen. Jenen Glanztagen botticellesken Schaffens entstammt auch das wundersame Idyll von Mars und Venus in der National-Gallery. Wiederum erkennt man leise Ankl?nge an manche Reime der >>Giostra<<; aber niemandem werden vor diesem Gem?lde Homerische Verse einfallen: die hellenischen G?tter lachen, Sandros Olympier verziehen kaum den Mund zu tr?umendem L?cheln. Um den schlafenden Kriegsgott, -- den besten m?nnlichen Akt, den Botticelli je geschaffen, -- treiben mit den Waffen des Schlachtenerregers bocksbeinige Satyrknaben ihr tollgrazi?ses Spiel. Aber das schmerzverzogene Antlitz des Gottes steht in seltsamem Kontrast zu ihrem Thun, und Aphrodite, die von golddurchwirktem Pf?hl mit l?chelndem Ernst auf den Schlummernden blickt, ist zwar sch?n, aber nicht, gleich ihrer Homerischen Schwester, >>unb?ndigen Herzens<< ... Jene antike Sinnlichkeit, die untrennbar ist von gesunder und kraftvoller Sch?nheit, hat Sandro in seiner Venus nicht geschildert; sie hat auch mit der vampyrhaften >>Frau Venus<< des Mittelalters nichts gemein. Als Bewunderer der Antike schaut Sandro ehrf?rchtig zum Olymp empor; selbst die entthronte Aphrodite bleibt ihm eine hoheitsvolle G?ttin. Sie gleicht der nazarenischen Maria, und niemand k?nnte einen Heiligenschein um ihr Haupt st?rend empfinden. Die keuscheste nackte Frauengestalt schuf Sandro in seiner Venus; aber der >>naive alte Meister<< wusste auch um s?sse Teufelinnen, um Weiber, die nichts als geschlechtliche Wesen sind. Da ist die >>Salome<< der Accademia; rostrote Haare, gierige Augen und Lippen, die verruchter S?nde entgegenzittern. Von dieser kleinen und leider nur wenig beachteten Predella f?hrt kein Pfad zur Vergangenheit. Botticellis Salome ist nicht das >>M?gdlein<< der Bibel, kein Zug gemahnt an die kirchlich strenge Prinzessin Giottos, an Filippo Lippis fr?hlich tanzendes Kind; aber man findet von dieser Salome einen Weg in die fernste Zukunft, zur perversen Erotik der Oscar Wilde und Aubrey Beardsley. Auf einer andern Predella naht dem heiligen Eligius die Versuchung; aber metallisch funkelnde H?rner im goldigen Zauberhaar verraten die Herkunft der D?monin; ihre lachenden Augen und der blutrote Dirnenmund werden den Mann Gottes nicht verf?hren; denn er weiss: >>Mulier est confusio hominis, bestia insanabilis ... fetens rosa, tristis paradisus, dulce venenum<< ...
Als Botticelli seine Geburt der Venus malte, dachte er vielleicht, ein im Altertum viel gefeiertes Bild des Apelles gleichsam neu zu schaffen; ganz deutlich offenbart dies Streben nach Rekonstruktion eines verlorenen Kunstwerkes seine >>Verl?umdung des Apelles<< in den Uffizien. Lucian gab in den Dialogen ?ber die Verl?umdung eine genaue Beschreibung von dem Bilde des Apelles. Alberti nahm diese Schilderung in sein Malerbuch auf, und aus diesem wird sie Botticelli gekannt haben. Hier, wo es in seiner k?nstlerischen Absicht liegen musste, folgte Sandro genau den Worten Lucian-Albertis. Man vergleiche: >>Es zeigt jenes Bild einen Mann mit sehr grossen Ohren, zu dessen Seiten zwei Frauen standen, deren eine man >>~Unwissenheit~<<, die andere >>~Argwohn~<< nannte. Dann kam die >>~Verl?umdung~<<; dies war ein Weib, pr?chtig von Ansehen, doch zeigte ihr Antlitz allzuviel Verschlagenheit; ihre Rechte hielt eine brennende Fackel; mit der Linken schleppte sie an den Haaren einen J?ngling herbei, der seine H?nde zum Himmel emporstreckte. Dann war ein bleicher Mann da, h?sslich, schmutzbedeckt, von schaurigem Ansehen ... Dieser f?hrte die Verl?umdung und man nannte ihn den >>~Neid~<<. Zwei andre Frauen versehen die >>Verl?umdung<< mit Schmuck: >>~List~<< und >>~T?uschung~<< waren ihre Namen. Ihnen folgte die >>~Reue~<<, eine Frau im Trauergewande, die sich selbst zerfleischt. Endlich kam ein M?dchen, zag und sch?chtern, -- die >>Wahrheit<< ...<< Nur diese eine Gestalt hat Botticelli -- gewiss zum Vorteil des Bildes -- ge?ndert. Eine h?llenlose Frau hebt ihre Rechte wie anklagend und beschw?rend zu den ewigen G?ttern auf. Zum Schauplatz der antiken Scene bestimmte Sandro eine sonnendurchflutete Renaissance-Halle, wo in goldenen Nischen ungemein plastisch empfundene Statuen stehen, deren manche geradezu Motive Castagnos und Donatellos kopieren. Vasari preist dies Gem?lde in wenigen aber begeisterten Worten; ob jedoch Leon Battista Alberti seinem J?nger Beifall genickt h?tte? >>Alle Bewegungen<< -- konnte man im Malerbuch lesen -- >>sollen, immer aufs neue weise ich darauf hin, massvoll und lieblich sein<< ... >>Denn heftige Geb?rden rauben nicht nur der Malerei jegliche Anmut , sondern lassen auch den Geist des K?nstlers allzu wild und feurig erscheinen.<< Und in Sandros Bild ist jede einzelne Figur durchschauert von inneren St?rmen, die sich nach aussen in heftige und leidenschaftliche Gesten umsetzen. Botticelli wusste um diese Vorschrift Albertis und hat sie viele Jahre treulich erf?llt. Aber die Zeiten, da W?nsche von ?sthetikern ihm Gesetze bedeuteten, lagen hinter Sandro. Gerade in jenen Tagen, wo er die Verl?umdung malte, vollzog sich die entscheidende Wandlung seiner Seele: der mediceische Sandro, der nur vollendete Kunstwerke schaffen, mit feinen Fingern die Sch?tze toter Kultur heben wollte, -- er starb; und an seiner Statt erblicken wir einen s?ndbewussten Menschen, der nicht mehr >>sch?ne<<, sondern inbrunstvolle Bilder malt, den Pinsel in sein eigenes Herzblut zu tauchen scheint. Der Mann, dem Botticelli diese Erleuchtung seiner Seele, die Neubekehrung zum Christentum dankte, hiess ~Girolamo Savonarola~.
Das Florentiner Volk war -- auch in den Tagen der Renaissance -- immer fromm gewesen, oder, mit Vespasiano da Bisticci zu reden, >>dem Weg der Wahrheit zugethan<<; lange vor Savonarola errichtete Fra Bernardino da Massa auf Piazza Santa Croce einen Scheiterhaufen, woselbst >>die falschen Haare der Frauen, Spielwerk und eitle Dinge<<, verbrannt wurden. Die Medici geh?rten religi?sen Bruderschaften an und sogar dem frivolen Polizian dienten das Leiden und die Demut Christi gelegentlich zu lateinischen Stil?bungen. In Wahrheit hatten jene Freunde Lorenzos de' Medici, die im Palazzo der via larga und in den Hainen von Careggi sich zusammenfanden, nur ein sehr ?usserliches Verh?ltnis zu Gott und seinen Dienern. Der Prediger bedeutete ihnen, was dem antiken Menschen der Rhetor war, dem modernen ein Schauspieler ist. Was er sagte, kam nicht in Betracht; das wie allein entschied. Ob der Mann auf der Kanzel an seine Worte glaubte, danach frug niemand. Angelo Poliziano spricht einmal ungemein charakteristisch vom Eindruck, den ein Sermon Fra Marianos da Genazzano ihm bereitete. >>Ich bin ganz Ohr f?r den Wohlklang der Stimme, die gew?hlten Worte, die grossen Sentenzen. Ich unterscheide die Abs?tze, den Bau der Perioden, bin im Bann harmonischer Kadenzen<< ... Savonarola verschm?hte die Mittelchen solcher Kanzelvirtuosen: >>Eleganz und aller Wortschmuck<< -- meinte er einmal -- >>m?ssen zur?cktreten, wenn man die Lehre des Heils einfach k?ndet<< ... Auch Botticelli mag der ersten Predigt Savanarolas beigewohnt haben, um klingende Perioden oder elegante Gesten zu bewundern und fand einen M?nch, -- der ~glaubte~. Die M?nner um Lorenzo de' Medici >>konnten<< alles, waren gl?nzende Artisten der Sprache, geschmackvolle Histrionen von Gef?hlen und Empfindungen; ihre Seele aber hatte keinen Teil an dem Thun ihres Geistes. Aus Savonarolas Worten flammte heilige ?berzeugung und darum schufen sie ?berzeugte; weil er selber glaubte, machte er Gl?ubige. Dass aber gerade Sandro, der K?nstler, so gl?hend jenem Priester anhing, der alle Kunst nur als Dienerin des Glaubens gelten liess? In jedem K?nstler lebt die Heldensehnsucht, am willigsten bewundert er die grosse Pers?nlichkeit, selbst eine antik?nstlerische. So mochte das festumrissene Charakterbild des Priors von San Marco dem K?nstler Botticelli Verehrung abzwingen; die Massen-Suggestion, der leicht erregbare Menschen sich selten entziehen, ?bte ihren Einfluss; und -- die Hauptsache -- es war pl?tzlich einsam geworden um Sandro Botticelli. Er hatte Lorenzo de' Medici begraben sehen, und zwei Jahre sp?ter -- anno 1494 -- war Polizian seinem M?cen gefolgt; bald darauf st?rmte der heulende P?bel den Palazzo Medici und sein Besitzer Piero, Lorenzos Sohn, musste schimpfbeladen aus der Stadt fl?chten; aufrecht aber und gewaltig stand der Dominikaner auf der Kanzel, und wenn er dem zitternden Volke das Crucifix entgegenstreckte, knieten Tausende nieder und schluchzten: Miserere Domine ... Auch Botticelli hatte viel zu b?ssen. >>Was soll ich ?ber euch, ihr Maler, sagen, die ihr halbnackte Figuren hinstellt<<, z?rnte Fra Girolamo und Botticelli wusste: >>viele Bilder nackter Frauen<<, die jetzt >>die H?user der B?rger<< verunzierten, waren aus seinem Atelier hervorgegangen. >>Kein Kaufmann veranstaltet eine Hochzeit,<< -- donnerte wiederum Savonarola -- >>dessen Tochter ihre Ausstattung nicht in eine Truhe legt, die mit heidnischen Fabeln bemalt ist; so dass eine christliche Braut fr?her den Betrug des Mars und die Listen Vulcans, als die Thaten der heiligen Frauen beider Testamente kennt<< ... Sandro hatte die buhlerische Liebe von Mars und Venus gefeiert und -- als erster -- heidnischen G?ttern lebensgrosse Bilder geweiht; aber >>sollen wir Ovid hier predigen oder christlichen Glauben< Da verwies Botticelli den frohen Fabelwesen sein Haus, schm?ckte >>die Truhen f?r die Neuverm?hlten<< mit den Wunderthaten des heiligen Zenobius und dem keuschen Opfertod Virginias oder Lucretias, ging hin und predigte christlichen Glauben, nicht mehr nach Albertis Vorschriften, sondern wie sein gl?hendes Herz es ihm eingab. Schien er bis nun ein Lyriker, ein Troubadour g?ttlicher Minne, so wurde er jetzt zum Pathetiker und kleidete sich in die h?rene Kutte des Busspredigers. Man vergleiche in den Uffizien die beiden Darstellungen der Epiphanie mit einander: die eine, jene Verherrlichung der Medici, malte ein K?nstler um der Kunst willen; die andre, leider stark ruinierte, ist das Werk eines Fanatikers, der die s?ndige Welt zum Glauben bekehren m?chte. Wie gepeitscht von unsichtbaren Geisseln, ekstatisch aufgeregt, st?rmen von allen Seiten die V?lker zu dem Sohne Marias, werfen sich aufs Knie, beugen, brennenden und seligen Auges, sich zum Christkinde vor, deuten mit freudebebendem Arm auf die heilige Gruppe, winken andere herbei in die braune Felsen?de, wo der Menschheit ihr Erl?ser geschenkt worden. Hie Fra Mariano -- hie Savonarola! Das religi?se Fieber, das mit Botticelli ganz Florenz erfasst hatte, verflog; die politischen Gegner des Priors gewannen die Oberhand, und Botticelli musste erleben, wie am 23. Mai des Jahres 1498 Savonarola, der >>zweite Heiland<<, seine Lehre mit seinem Tode besiegeln musste. Sandro hat es nie verwunden. In der Chronik seines Bruders Simone Filipepi kann man unterm Allerseelentag des Jahres 1499 lesen: >>... Als wir gegen drei Uhr nachts in meinem Hause ums Feuer sassen, erz?hlte mein Bruder Sandro di Mariano Filipepi, einer der guten Maler, die damals in unsrer Stadt lebten, wie er in seiner Werkstatt mit Doffo Spini ?ber Fra Girolamos Schicksal gesprochen. Und weil Sandro wusste, dass Doffo einer der Eifrigsten bei seinem Verh?r gewesen, so bat er um reine Wahrheit, ob Fra Girolamo einer S?nde schuldig befunden worden, die so schmachvollen Tod verdient hatte. Und Doffo antwortete ihm: >>Sandro, soll ich dir die Wahrheit sagen? Wir fanden ihn nicht nur keiner Tods?nde, sondern nicht einmal einer l?sslichen schuldig.<< Worauf Sandro sprach: >>Warum liesset ihr ihn dann so elendigen Todes sterben?<<<< ...
Wie treu der J?nger Sandro seinem hingeopferten Meister anhing, bekundet auch das einzige signierte und datierte Gem?lde Botticellis, jene kleine, unsagbar feierliche Darstellung von Christi Geburt in der National-Gallery, vielleicht das letzte eigenh?ndige Bild, das Sandro geschaffen. Heftig bewegt und doch von schmerzlichem Frieden, christlichen Geistes und dunkler Symbolik voll, deucht dies Gem?lde wie ein Werk aus seiner mediceischen Epoche, ?bertragen in die Formensprache der Savonarola-Zeit: die Niedrigsten und die H?chsten, K?nige und Hirten werden, den ?lzweig des Friedens im Haar, von Engeln zur heiligen H?tte geleitet, auf deren Strohdach andere Engel das >>Gloria in excelsis<< jubeln. Ihnen zu H?upten schlingen, von goldenem Glanz umleuchtet, wieder andere Engel den Reigen; aber das ist nicht mehr jenes selige Schweben, wie es vordem Sandro in der Marienkr?nung mit so einziger Kunst gemalt; eine religi?se Orgie, ein Bacchanal des Glaubens k?nnte man diesen j?h dahin wirbelnden Tanz nennen. Drei goldene Kronen schimmern im strahlenden Lichtmeer, bestimmt, die H?upter dreier Pilger zu schm?cken, die gerade von drei Engeln z?rtlich umarmt und gek?sst werden, indes ein paar Teufel, Maulw?rfen gleich, sich in den Boden verkriechen; -- diese drei Pilger sind Savonarola und die beiden Genossen seines Martyriums. Eine griechische Inschrift, deren geheimnisvoller Ton bewusst an die Offenbarung Johannis anklingt, zeugt ersch?tternd von Sandros Verzweifeln und Hoffen: >>Dieses Bild malte ich, Alessandro, am Ende des Jahres 1500, w?hrend der Wirren Italiens, in der halben Zeit nach der Zeit, gem?ss des elften Kapitels S. Johannis, im zweiten Wehe der Apokalypse, in der dreiundeinhalbj?hrigen Loslassung des Teufels; dann aber wird dieser gefesselt werden, gem?ss des zw?lften und wir werden ihn erblicken, zu Boden getreten, wie auf diesem Bilde.<<
Weit hinter Sandro lagen nunmehr jene Tage, da er am >>Betrug des Mars und den Listen Vulcans<< sich erfreute. Der Born antiker Herrlichkeit rauschte ihm nicht mehr; daf?r erschloss sich eine christliche Sch?nheitsquelle dem Gl?ubigen, -- Dantes g?ttliche Kom?die. Sechsundneunzig jener Federzeichnungen, mit denen er f?r Lorenzo di Pierfrancesco de' Medici ein Exemplar der Divina commedia schm?ckte, sind uns erhalten; acht davon bewahrt die Vaticana; die ?brigen bilden einen stolzen Besitz des Berliner Kupferstich-Kabinets. Vielleicht begann Sandro dies Riesenwerk vor seiner Romfahrt; aber es zog sich viele Jahre hin, wahrscheinlich noch ?ber den Tod des Medici heraus, und das Beste daran geh?rt den Zeiten, da Botticelli dem Glauben neu gewonnen war. Sandro widmete -- mit einer einzigen Ausnahme -- jedem Gesang ein Blatt. Aber die F?lle des Darzustellenden erdr?ckte ihn; das Nacheinander der Schilderung l?st sich nicht immer gut zum Nebeneinander auf und so kranken besonders die fr?hen Zeichnungen zum Inferno an einer unklaren und verworrenen Anordnung. Doch darf man, in Umkehrung eines Goetheschen Wortes, sagen: Wo starker Schatten, ist auch viel Licht. Seine Zeichnungen enthalten, gleichsam im Extrakt, alle Vorz?ge seiner Gem?lde: die plastische Formgebung, den beseelten Contur, und die Gesten werden hier, noch unmittelbarer als im Bilde, zum Ausdruck eines ?berquellend reichen Innenlebens. Die finsteren Giganten der H?lle wirken ebenso ?berzeugend wie die Holdseligkeit der Engelsreigen; wenn Sandro mit ein paar Strichen die Unendlichkeit des ?thers oder eine unermessliche Weite ahnen l?sst, so scheint der Florentiner zum Japaner geworden und wie endlich, in den Zeichnungen zum Paradies, Dantes Augen Angst, Verwirrung, das Gef?hl der eignen Unw?rdigkeit, Hoffnung und heiligste Ergriffenheit wiederspiegeln, -- solcher Kunst ist nur wenig, vielleicht gar nichts vergleichbar.
Botticelli konnte den Abend seines Lebens g?nzlich den Dante-Studien widmen; denn in seinem Atelier dr?ngten sich die Besteller nicht mehr. Die Florentiner brachten dem Maler, den ein Papst berufen hatte, noch immer Respekt entgegen, baten ihn zuweilen um ein Gutachten in Kunstdingen, -- aber Sandros Art schien ?berholt. Seine Kunst wurzelte nicht im n?hrendem Erdreich des Florentiner Volkstums; sie glich einer aristokratischen Zierpflanze Careggis, jenes Mediceer-Haines wo die K?nstler gelehrt und die Gelehrten K?nstler waren. Sandros Sch?pfungen bedeuteten die bildgewordene Sehnsucht jener Estheten, die hier, unter Cypressen, zu F?ssen eines marmornen Hellenengottes, den ewigen Traum einer versunkenen Sch?nheitswelt tr?umten. Als Lorenzo de' Medici starb und seine humanistischen Freunde dem Florenz Savonarolas den R?cken kehrten, verlor Sandro alle Verehrer seiner Kunst. Auch der Geschmack hatte sich gewandelt: einem Geschlecht, das die pomp?sen, aber seelenarmen Gem?lde Fra Bartolommeos bewunderte, konnten Botticellis Werke nichts mehr sagen. Die jungen K?nstler schworen auf Michelangelo; und die Banausen, -- es wird an solchen auch in der Renaissance nicht gemangelt haben, -- was konnte ihnen die scheue Poesie des >>Fr?hlings<< oder des >>Magnificats<< sein? So schleppte Sandro arm und einsam seine letzten Jahre, und als er am 17. Mai des Jahres 1510 in der Kirche Ognissanti begraben wurde, mochten manche staunend erfahren, dass er ?berhaupt noch gelebt hatte. Man vergass ihn rasch. In der Florentiner Kunst der Hochrenaissance und des Barocks versp?ren wir seines Geistes nicht den leisesten Hauch und selbst die feinsten Amateure des Rokoko gingen achtlos an Sandros Werken vor?ber. Erst das neunzehnte Jahrhundert entdeckte die Kunst Botticellis und fand in der sehns?chtigen Sch?nheit seiner Bilder den Wiederschein der eigenen Tr?ume.
VERZEICHNIS DER WERKE SANDRO BOTTICELLIS.
BERGAMO.
BERLIN.
Judith.
Madonna mit Engeln. Tondo.
BOSTON .
Tod der Lucretia. Madonna mit Kind und Engel.
DRESDEN.
FLORENZ.
Pallas mit dem Centauren.
Der heilige Augustin .
FRANKFURT A. M.
LONDON.
Darstellungen aus dem Leben des heiligen Zenobius.
MAILAND.
Madonna mit Kind.
PARIS.
ROM.
Die Reinigung des Auss?tzigen } und Versuchung Christi. } Die Thaten des Moses. } 1481--1482. Die Vernichtung der Rotte Korah. } Fresken. Einzelne Figuren von P?psten. }
Das Weib des Leviten.
ST. PETERSBURG.
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN
Fortezza, 8
Der heilige Sebastian, 12
Kopf der Madonna aus dem >>Magnificiat<< 20
T?chter Jethros. Detail aus dem Fresco: Die Thaten des Moses, 36
Mars und Venus, 40
Fr?hling, 44
Geburt der Venus, 48
Verl?umdung des Apelles, 52
Salome, 56
Geburt Christi, 60
GEDRUCKT ZU WITTENBERG BEI HERROS? & ZIEMSEN
Weitere Anmerkungen zur Transkription
Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Die Darstellung der Ellipsen wurde vereinheitlicht. Die Abbildungen wurden zwischen Abs?tze verschoben, die Seitenzahlen im Abbildungsverzeichnis aber wie im Original beibehalten.
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