Read Ebook: Psychologische Typen by Jung C G Carl Gustav
Font size:
Background color:
Text color:
Add to tbrJar First Page Next Page Prev Page
Ebook has 608 lines and 178294 words, and 13 pages
,,Aber in meinem Verm?genszustande ist mehr bei hundert wirklichen Talern, als bei dem blossen Begriffe derselben ."
,,Unser Begriff von einem Gegenstande mag also enthalten, was und wieviel er wolle, so m?ssen wir doch aus ihm herausgehen, um diesem die Existenz zu erteilen. Bei Gegenst?nden der Sinne geschieht dieses durch den Zusammenhang mit irgend einer meiner Wahrnehmungen nach empirischen Gesetzen; aber f?r Objekte des reinen Denkens ist ganz und gar kein Mittel, ihr Dasein zu erkennen, weil es g?nzlich a priori erkannt werden m?sste, unser Bewusstsein aller Existenz aber, geh?ret ganz und gar zur Einheit der Erfahrung, und eine Existenz ausser diesem Felde kann zwar nicht schlechterdings f?r unm?glich erkl?rt werden, sie ist aber eine Voraussetzung, die wir durch nichts rechtfertigen k?nnen."
Das ,,esse in anima" nun ist ein psychologischer Tatbestand, von dem einzig nur auszumachen ist, ob er einmalig, vielmalig oder universell in der menschlichen Psychologie vorkommt. Der Tatbestand, der Gott genannt und als ,,h?chstes Gut" formuliert wird, bedeutet, wie schon der Terminus zeigt, den h?chsten seelischen Wert oder, mit andern Worten, die Vorstellung, welcher die h?chste und allgemeinste Bedeutung hinsichtlich der Bestimmung unseres Handelns und unseres Denkens erteilt wird oder faktisch zukommt. In der Sprache der analytischen Psychologie f?llt der Gottesbegriff zusammen mit demjenigen Vorstellungskomplex, welcher entsprechend der vorigen Definition die h?chste Summe von Libido auf sich vereinigt. Demnach w?re der faktische Gottesbegriff der Anima bei verschiedenen Menschen durchaus verschieden, was auch der Erfahrung entspricht. Gott ist nicht einmal ein in der Idee feststehendes Wesen, viel weniger noch in Wirklichkeit. Denn der h?chste wirkende Wert einer menschlichen Seele ist, wie bekannt, sehr verschieden lokalisiert. Es gibt solche, ?? ? ???? ? ?????? , das Geld, die Wissenschaft, die Macht, die Sexualit?t etc. ist. Je nach der Lokalisation des h?chsten Gutes verschiebt sich die ganze Psychologie des Individuums, wenigstens in den Hauptz?gen, sodass eine psychologische ,,Theorie", die auf irgend einem Grundtrieb ausschliesslich basiert ist, wie z. B. auf Machtgier oder Sexualit?t, auf einen Menschen anderer Orientierung appliziert, immer nur die Z?ge nebens?chlicher Bedeutung ad?quat erkl?ren kann.
Obschon das Mittelalter grosse Worte von der Seele zu reden wusste, so hatte es doch keine Psychologie, welche eine der j?ngsten Wissenschaften ?berhaupt ist. H?tte es damals eine Psychologie gegeben, so h?tte Ab?lard das esse in anima zur vermittelnden Formel erhoben. Das hat R?musat klar erkannt, indem er sagt: ,,Dans la logique pure, les universalia ne sont que les termes d'un langage de convention. Dans la physique, qui est pour lui plus transscendante qu'exp?rimentale, qui est sa v?ritable ontologie, les genres et les esp?ces se fondent sur la mani?re dont les ?tres sont r?ellement produits et constitu?s. Enfin, entre la logique pure et la physique, il y a un milieu et comme une science mitoyenne, qu'on peut appeler une psychologie, o? Ab?lard recherche comment s'engendrent nos concepts et retrace toute cette g?n?alogie intellectuelle des ?tres, tableau ou symbole de leur hi?rarchie et de leur existence r?elle."
Wer ?ber die Existenz der psychologischen Typen und damit auch ?ber die Tatsache hinwegsieht, dass die Wahrheit des einen der Irrtum des andern ist, dem wird Ab?lards Bem?hung nichts weiter bedeuten als eine scholastische Spitzfindigkeit mehr. Insofern wir aber die Existenz der beiden Typen anerkennen, muss uns der Versuch Ab?lards doch sehr bedeutend vorkommen. Er sucht den mittleren Standpunkt im ,,sermo", worunter er weniger die ,,Rede", als den geformten, zu einem bestimmten Sinn gef?gten Satz versteht, also eine Definition, die sich zur Befestigung ihres Sinnes mehrerer Worte bedient. Er spricht nicht von ,,verbum", denn dies ist im Sinne des Nominalismus nichts weiter als eine ,,vox", ein ,,flatus vocis". Denn das ist eben die grosse psychologische Leistung des antiken wie des mittelalterlichen Nominalismus, dass er die primitive, magische oder mystische Identit?t von Wort und objektivem Tatbestand gr?ndlich aufgel?st hat, zu gr?ndlich f?r den Typus Mensch, der nicht im Anhalten an die Dinge, sondern in der Abstraktion der Idee ?ber die Dinge sein Fundament hat. Ab?lard war zu weiten Geistes, als dass er diesen Wert des Nominalismus ?bersehen h?tte. Das Wort allerdings war ihm eine ,,vox", der Satz hingegen, eben der ,,sermo" in seiner Sprache, war ihm mehr, denn er brachte festen Sinn mit sich, er beschrieb das Gemeinsame, das Ideelle, das Gedachte, denkend Wahrgenommene an den Dingen. Im sermo lebte das Universale und nur dort. Weshalb es begreiflich ist, dass Ab?lard auch unter die Nominalisten gez?hlt wurde, mit Unrecht allerdings, denn das Universale war ihm von gr?sserer Tats?chlichkeit als eine vox.
Der Ausdruck seines Konzeptualismus muss Ab?lard wohl schwer gefallen sein, denn er hatte sich notwendigerweise aus Contradictionen zusammenzusetzen. Ein in einem Oxforder Manuskript erhaltenes Epitaph auf Ab?lard gibt uns einen, wie mir scheint, trefflichen Einblick in das Paradoxale seiner Lehre:
Hic docuit voces cum rebus significare, Et docuit voces res significando notare; Errores generum correxit, ita specierum. Hic genus et species in sola voce locavit, Et genus et species sermones esse notavit.
-- -- -- -- -- -- -- --
Sic animal nullumque animal genus esse probatur. Sic et homo et nullus homo species vocitatur.
Mit dieser ?berlegung gelangen wir zur Schattenseite des Ab?lardschen Gedankens. Sein L?sungsversuch ist einseitig. Wenn es sich beim Gegensatz von Nominalismus und Realismus bloss um eine logisch-intellektuelle Auseinandersetzung handelte, so w?re nicht einzusehen, warum keine andere als eine paradoxale Endformulierung m?glich w?re. Da es sich aber um einen psychologischen Gegensatz handelt, so muss eine einseitig logisch-intellektuelle Formulierung im Paradoxon enden. -- Sic et homo et nullus homo species vocitatur. -- Der logisch-intellektuelle Ausdruck ist schlechthin unf?hig, auch in der Form des sermo, uns jene mittlere Formel zu geben, welche dem Wesen der zwei entgegengesetzten psychologischen Einstellungen gleichermassen gerecht wird, denn er ist ganz von der abstrakten Seite genommen und ermangelt v?llig der Anerkennung der concreten Wirklichkeit.
In der Phantasie allein sind die beiden Mechanismen verbunden.
Wann wollen doch die Propheten aufh?ren, die falsch weissagen, und ihres Herzens Tr?gerei weissagen.
und wollen, dass mein Volk meines Namens vergesse ?ber ihren Tr?umen, die einer dem andern erz?hlet? gleichwie ihre V?ter meines Namens vergassen ?ber dem Baal.
Ein Prophet, der Tr?ume hat, der erz?hle Tr?ume; wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen? spricht der Herr."
St. Antonius erz?hlt: ,,Einmal erschien mir ein Teufel von ganz besonders hochm?tigem und unversch?mtem Benehmen, und er trat vor mich mit dem tumultuarischen L?rm einer Volksmenge, und er wagte mir zu sagen: ,,Ich und gerade ich bin die Kraft Gottes; ich und gerade ich bin der Herr der Welten." Und er sprach weiter zu mir: ,,Was w?nschest du, dass ich dir geben soll? Verlange und du wirst empfangen." Da blies ich ihn an und wies ihn zur?ck im Namen Christi. -- Bei einer andern Gelegenheit, als ich fastete, erschien mir der Listige, in Gestalt eines Bruders, der Brot brachte, und er fing an, mir Ratschl?ge zu erteilen, indem er sagte: ,,Stehe auf und stille dein Herz mit Brot und Wasser und ruhe dich ein wenig aus von deinem ?berm?ssigen M?hen, denn du bist ein Mensch und so hoch du auch stehen magst, so bist du doch mit einem sterblichen Leibe bekleidet und du solltest ?ngstlich sein wegen Krankheiten und Tr?bsal." Darauf betrachtete ich seine Worte und bewahrte meine Ruhe und hielt mit der Antwort zur?ck. Und ich beugte mich in Ruhe nieder und tat Busse im Gebet und sagte: ,,O, Herr, mache du ein Ende mit ihm, wie du dies zu allen Zeiten zu tun gewohnt warest." Und als ich diese Worte gesprochen hatte, da kam er zum Ende und schwand dahin wie Staub und ging aus meiner T?re wie Rauch.
Diese Anf?hrungen zeigen, wie das Unbewusste des Individuums verworfen wurde mit Hilfe des allgemeinen Glaubens, obschon es in durchsichtiger Weise die Wahrheit sprach. Dass es verworfen wurde, hat seine besondern Gr?nde in der Geistesgeschichte. Es liegt uns hier nicht ob, diese Gr?nde n?her zu erl?utern. Wir m?ssen uns mit der Tatsache begn?gen, dass es unterdr?ckt wurde. Diese Unterdr?ckung besteht, psychologisch gesprochen, in einer Entziehung der Libido, der psychischen Energie. Die dadurch gewonnene Libido diente dem Aufbau und der Entwicklung der bewussten Einstellung, wodurch sich allm?hlich eine neue Weltanschauung herausbildete. Die dadurch erlangten unzweifelhaften Vorteile befestigen nat?rlicherweise diese Einstellung. Es ist daher kein Wunder, dass unsere Psychologie durch eine vorzugsweise ablehnende Einstellung gegen?ber dem Unbewussten gekennzeichnet ist.
Beide Theorien stehen dem Prinzip der Imagination insofern ablehnend gegen?ber, als sie die Phantasien reduzieren und nur als einen semiotischen Ausdruck behandeln. In Wirklichkeit aber bedeuten die Phantasien mehr als das: sie sind n?mlich zugleich auch die Repr?sentanten des andern Mechanismus, also beim Introvertierten der verdr?ngten Extraversion, beim Extravertierten der verdr?ngten Introversion. Die verdr?ngte Funktion aber ist unbewusst, daher unentwickelt, embryonal und archa?sch. Sie ist in diesem Zustand unvereinbar mit dem h?hern Niveau der bewussten Funktion. Das Unannehmbare der Phantasie r?hrt haupts?chlich her aus dieser Eigent?mlichkeit der zugrunde liegenden, nicht anerkannten Funktion.
F?r die extravertierte Auffassung ist die Lutherische Formulierung ein Vorteil, f?r den ideellen Standpunkt die Zwinglische. Obschon Zwinglis Formel dem Gef?hl und der Empfindung keine Gewalt antut, sondern bloss eine ideelle Auffassung gibt, so ist zwar anscheinend der Objektwirkung Raum gelassen. Aber es scheint, als ob der extravertierte Standpunkt sich nicht damit begn?ge, offenen Raum zu haben, sondern er verlangt auch eine Formulierung, wobei das Ideelle dem Empfindungswerte folgt, genau so, wie die ideelle Formulierung ein Nachfolgen des F?hlens und Empfindens erheischt.
Ich schliesse hier dieses Kapitel ?ber das Typenprinzip in der antiken und mittelalterlichen Geistesgeschichte mit dem Bewusstsein, eine blosse Fragestellung gegeben zu haben. Meine Kompetenz reicht bei weitem nicht aus, ein so schwieriges und umfangreiches Problem irgendwie ersch?pfend behandeln zu k?nnen. Wenn es mir gelungen sein sollte, dem Leser einen Eindruck vom Vorhandensein typischer Standpunktverschiedenheiten zu vermitteln, so ist meine Absicht erf?llt. Ich brauche wohl kaum beizuf?gen, dass ich weiss, dass keiner der hier ber?hrten Stoffe in abschliessender Weise behandelt ist. Ich muss diese Arbeit denjenigen ?berlassen, die ?ber reichere Kenntnisse auf diesem Gebiete verf?gen als ich.
?ber Schillers Ideen zum Typenproblem.
?ber Schillers Ideen zum Typenproblem.
Zuallererst besch?ftigt Schiller die Frage nach der Ursache und Herkunft der Trennung der beiden Mechanismen. Mit sicherm Griffe hebt er als Grundmotiv die Differenzierung der Individuen heraus. ,,Die Kultur selbst war es, welche der neuen Menschheit diese Wunde schlug." Schon dieser eine Satz zeigt das umfassende Verst?ndnis Schillers f?r unser Problem. Die Aufl?sung des harmonischen Zusammenwirkens der seelischen Kr?fte im instinktiven Leben ist wie eine stets offene und nie verheilende Wunde, eine wahre Amfortaswunde, weil die Differenzierung einer Funktion aus mehreren ein ?berwuchern dieser und eine Vernachl?ssigung und Verkr?ppelung jener unvermeidlich mit sich f?hrt.
,,Ich verkenne nicht die Vorz?ge," sagt Schiller, ,,welche das gegenw?rtige Geschlecht, als Einheit betrachtet, und auf der Wage des Verstandes, vor dem besten in der Vorwelt behaupten mag; aber in geschlossenen Gliedern muss es den Wettkampf beginnen, und das Ganze mit dem Ganzen messen. Welcher einzelne Neuere tritt heraus, Mann gegen Mann, mit dem einzelnen Athenienser um den Preis der Menschheit zu streiten? Woher wohl dieses nachteilige Verh?ltnis der Individuen bei allem Vorteil der Gattung?"
Schiller schiebt die Schuld an dieser Unterlegenheit der Neuern auf die Kultur, d. h. auf die Differenzierung der Funktionen. Zun?chst weist er darauf hin, wie in Kunst und Gelehrsamkeit sich der intuitive und der spekulative Verstand entzweit und ihre Anwendungsgebiete eifers?chtig gegeneinander abgeschlossen h?tten. ,,Und mit der Sph?re, auf die man seine Wirksamkeit einschr?nkt, hat man sich auch in sich selbst einen Herrn gegeben, der nicht selten mit Unterdr?ckung der ?brigen Anlagen zu endigen pflegt. Indem hier die luxurierende Einbildungskraft die m?hsamen Pflanzungen des Verstandes verw?stet, verzehrt dort der Abstraktionsgeist das Feuer, an dem das Herz sich h?tte w?rmen, und die Phantasie sich entz?nden sollen."
Und weiter: ,,Wenn das gemeine Wesen das Amt des Mannes zum Masstab macht, wenn es an dem einen seiner B?rger nur die Memorie, an einem andern nur den tabellarischen Verstand, an einem Dritten nur die mechanische F?higkeit ehrt; wenn es hier, gleichg?ltig gegen den Charakter, nur auf Kenntnisse dringt, dort hingegen einem Geiste der Ordnung und einem gesetzlichen Verhalten die gr?sste Verfinsterung des Verstandes zu gut h?lt -- wenn es zugleich diese einzelnen Fertigkeiten zu einer eben so grossen Intensit?t will getrieben wissen, als es dem Subjekt an Extensit?t erl?sst -- darf es uns da nicht wundern, dass die ?brigen Anlagen des Gem?tes vernachl?ssigt werden, um der einzigen, welche ehrt und lohnt, alle Pflege zuzuwenden?"
Wie die Antike die F?rderung einer obern Klasse hinsichtlich der Individualentwicklung durch die Unterdr?ckung einer Mehrheit gemeinen Volkes besorgte, so erreichte die nachfolgende christliche Sph?re den Zustand einer Collektivkultur dadurch, dass sie denselben Prozess soviel wie m?glich ins Individuum selber verlegte . Indem der Wert des Einzelnen durch das christliche Dogma einer unverlierbaren Seele proklamiert war, so konnte nun nicht mehr die minderwertige Mehrheit des Volkes in Wirklichkeit der Freiheit einer mehrwertigen Minderheit unterworfen werden, sondern es wurde im Einzelnen die mehrwertige Funktion den minderwertigen Funktionen vorgezogen. Auf diese Weise ergab sich eine Verlegung der Hauptbedeutung auf die eine wertvolle Funktion zu Ungunsten aller andern Funktionen. Damit wurde psychologisch die ?ussere soziale Form der antiken Kultur ins Subjekt verlegt, wodurch im Einzelnen ein innerer Zustand erzeugt wurde, der in der Antike ein ?usserer Zustand gewesen war, n?mlich eine herrschende bevorzugte Funktion, die auf Kosten einer minderwertigen Mehrheit sich entwickelte und differenzierte. Durch diesen psychologischen Prozess kam allm?hlich eine collektive Kultur zustande, welche zwar dem Einzelnen die ,,droits de l'homme" in ungleich h?herm Masse gew?hrleistet, als die Antike, daf?r aber den Nachteil hat, dass sie auf einer subjektiven Sklavenkultur beruht, d. h. also auf einer Verlegung der antiken Mehrheitsversklavung ins Psychologische, wodurch zwar die Collektivkultur erh?ht, die Individualkultur aber erniedrigt wird. Wie die Versklavung der Masse die offene Wunde der Antike war, so ist die Sklaverei der minderwertigen Funktionen eine stets blutende Wunde in der Seele des heutigen Menschen.
,,Einseitigkeit in ?bung der Kr?fte f?hrt zwar das Individuum unausbleiblich zum Irrtum, aber die Gattung zur Wahrheit," sagt Schiller. Die Bevorzugung der mehrwertigen Funktion dient wesentlich zum Vorteil der Societ?t, aber zum Nachteil der Individualit?t. Dieser Nachteil geht soweit, dass die grossen Organisationen unserer heutigen Kultur nach der v?lligen Ausl?schung des Individuums streben, indem sie ganz auf eine maschinelle Verwendung der einzelnen bevorzugten Funktionen des Menschen beruhen. Nicht die Menschen z?hlen, sondern ihre eine differenzierte Funktion. Der Mensch pr?sentiert sich in der Collektivkultur nicht als solcher, sondern er ist bloss durch eine Funktion repr?sentiert, ja er identifiziert sich sogar ausschliesslich mit dieser Funktion und verleugnet die Zugeh?rigkeit der andern, minderwertigen Funktionen. Damit sinkt das moderne Individuum zu einer blossen Funktion hinab, weil eben bloss diese Funktion einen Collektivwert repr?sentiert und daher auch allein eine Lebensm?glichkeit gew?hrt. Dass eine Differenzierung der Funktion aber anders auch gar nicht h?tte zustande kommen k?nnen, sieht Schiller deutlich ein: ,,Die mannigfaltigen Anlagen im Menschen zu entwickeln, war kein anderes Mittel, als sie einander entgegen zu setzen. Dieser Antagonismus der Kr?fte ist das grosse Instrument der Kultur, aber auch nur das Instrument, denn solange derselbe dauert, ist man erst auf dem Wege zu dieser."
Aber diese einseitige Entwicklung muss und wird zu einer Reaktion f?hren, weil die unterdr?ckten minderwertigen Funktionen nicht bis ins Endlose vom Mitleben und von der Entwicklung ausgeschlossen werden k?nnen. Einmal wird der Moment kommen, wo ,,die Trennung in dem innern Menschen wieder aufgehoben" werden muss, um dem Unentwickelten eine Lebensm?glichkeit zu gew?hren. Ich habe bereits angedeutet, dass die Differenzierung in der Kulturentwicklung in letzter Linie eine Dissociation der Grundfunktionen des psychischen Lebens schafft, gewissermassen ?ber die Differenzierung der F?higkeiten hinausgehend und ?bergreifend in das Gebiet der allgemeinen psychologischen Einstellung ?berhaupt, welche die Art und Weise der Verwendung der F?higkeiten regiert. Dabei bewirkt die Kultur eine Differenzierung jener Funktion, die wohl schon angeborenerweise sich einer bessern Ausbildungsf?higkeit erfreut. So ist bei dem einen das Denkverm?gen, beim andern das F?hlen einer weitern Entwicklung in besonderm Masse zug?nglich und darum wird er sich unter dem Dr?ngen der Kulturforderung in besonderm Masse mit der Entwicklung jenes Verm?gens besch?ftigen, dessen Anlage in ihm von Natur aus schon eine besonders g?nstige resp. ausbildungsf?hige ist. Die Ausbildungsf?higkeit bedeutet allerdings nicht, dass die Funktion a priori eine Anwartschaft auf besondere T?chtigkeit h?tte, sondern sie setzt -- man m?chte sagen: im Gegenteil -- eine gewisse Zartheit, Labilit?t und Formbarkeit der Funktion voraus, weshalb auch durchaus nicht immer der h?chste Individualwert in dieser Funktion zu suchen und zu finden ist, sondern vielleicht nur der h?chste Collektivwert, insofern n?mlich diese Funktion zu einem collektiven Wert entwickelt ist. Es mag, aber, wie gesagt, sehr leicht so sein, dass unter den vernachl?ssigten Funktionen viel h?here Individualwerte versteckt liegen, die zwar f?r das collektive Leben von geringer Bedeutung, f?r das individuelle Leben dagegen von gr?sstem Werte sind und daher Lebenswerte darstellen, welche dem einzelnen eine Intensit?t und Sch?nheit des Lebens zu verleihen verm?gen, welche er von seiner Collektivfunktion vergebens erwartet. Zwar verschafft ihm die differenzierte Funktion die M?glichkeit des collektiven Daseins, nicht aber die Befriedigung und Lebensfreude, welche bloss die Entwicklung der Individualwerte geben kann. Ihre Abwesenheit ist daher ein oft tief empfundener Mangel, der Abstand von ihnen aber eine innere Spaltung, die man mit Schiller einer schmerzhaften Wunde vergleichen k?nnte.
Die nahe Beziehung der Antike zur Natur schien jene M?glichkeit zu versprechen, welche das Christentum nicht gew?hrte. ,,Die Natur zeichnet uns in ihrer physischen Sch?pfung den Weg vor, den man in der moralischen zu wandeln hat. Nicht eher, als bis der Kampf elementarischer Kr?fte in den niedrigern Organisationen bes?nftigt ist, erhebt sie sich zu der edeln Bildung des physischen Menschen. Ebenso muss der Elementenstreit in dem ethischen Menschen, der Konflikt blinder Triebe, f?rs erste beruhigt sein, und die grobe Entgegensetzung muss in ihm aufgeh?rt haben, ehe man es wagen darf, die Mannigfaltigkeit zu beg?nstigen. Auf der andern Seite muss die Selbst?ndigkeit seines Charakters gesichert sein, und die Unterw?rfigkeit unter fremde despotische Formen einer anst?ndigen Freiheit Platz gemacht haben, ehe man die Mannigfaltigkeit in ihm der Einheit des Ideals unterwerfen darf."
Also nicht eine Losl?sung oder Erl?sung von der minderwertigen Funktion soll es sein, sondern eine Ber?cksichtigung von ihr, sozusagen eine Auseinandersetzung mit ihr soll es sein, welche auf nat?rlichem Wege die Gegens?tze vereint. Schiller f?hlt aber, dass das Annehmen minderwertiger Funktionen zu einem ,,Konflikt blinder Triebe" f?hren k?nnte, wie ebenso, aber umgekehrt, die Einheit des Ideals wieder jenen Vorrang der wertvollen Funktion vor den minderwertigen Funktionen herstellen und damit den alten Zustand wieder herbeif?hren k?nnte. Die minderwertigen Funktionen sind der wertvollen Funktion entgegengesetzt, nicht etwa ihrem tiefsten Wesen, sondern ihrer derzeitigen Gestalt nach. Sie wurden urspr?nglich vernachl?ssigt und verdr?ngt, weil sie dem Kulturmenschen hinderlich waren in der Erreichung seiner Ziele, welche n?mlich einseitige Interessen und nicht gleichbedeutend mit einer Vollendung der menschlichen Individualit?t sind. Dazu aber w?ren diese nicht anerkannten Funktionen unerl?sslich und widerstreiten ihrem Wesen nach auch gar nicht dem gedachten Ziele. Solange aber das Kulturziel nicht zugleich mit dem Ideal der Vollendung des menschlichen Wesens zusammenf?llt, werden diese Funktionen auch einer Mindersch?tzung unterliegen und darum einer relativen Verdr?ngung verfallen. Das Annehmen der verdr?ngten Funktionen ist gleichbedeutend mit innerm B?rgerkrieg, mit einer Entfesselung der vorher geb?ndigten Gegens?tze, wodurch die ,,Selbst?ndigkeit des Charakters" ohne weiteres aufgehoben ist. Diese Selbst?ndigkeit kann nur durch Schlichtung dieses Kampfes erreicht werden, was ohne Despotie ?ber die widerstreitenden Kr?fte unm?glich erscheint. Damit ist aber die Freiheit kompromittiert, ohne welche der Aufbau einer sittlich freien Pers?nlichkeit unm?glich ist. Gew?hrt man aber die Freiheit, so verf?llt man dem Konflikt der Triebe.
,,Von der Freyheit erschreckt, die in ihren ersten Versuchen sich immer als Feindin ank?ndigt, wird man dort einer bequemen Knechtschaft sich in die Arme werfen, und hier, von einer pedantischen Curatel zur Verzweiflung gebracht, in die wilde Ungebundenheit des Naturstandes entspringen. Die Usurpation wird sich auf die Schwachheit der menschlichen Natur, die Insurrektion auf die W?rde derselben berufen, bis endlich die grosse Beherrscherin aller menschlichen Dinge, die blinde St?rke, dazwischen tritt, und den vorgeblichen Streit der Prinzipien wie einen gemeinen Faustkampf entscheidet."
Gerade am eindrucksvollen Beispiel der franz?sischen Revolution, die damals eben den H?hepunkt des Schreckens erreicht hatte, konnte Schiller sehen, wie weit die Macht der G?ttin Vernunft reicht, und inwiefern die vernunftlose Bestie im Menschen triumphiert. Es waren gewiss auch diese Zeitereignisse, welche Schiller dieses Problem in besonderm Masse aufdr?ngten, wie es ja oftmals geschieht, dass ein im Grunde pers?nliches und darum anscheinend subjektives Problem mit einem Male zu einer allgemeinen, die ganze Societ?t umfassenden Frage emporw?chst, wenn es auf ?ussere Ereignisse st?sst, deren Psychologie dieselben Elemente enth?lt wie der pers?nliche Konflikt. Dadurch f?llt auch dem pers?nlichen Problem eine W?rde zu, die es vorher nicht besass, indem n?mlich das Uneinssein mit sich selber immer etwas Besch?mendes und Heruntersetzendes an sich hat, wodurch man in eine nach aussen und innen erniedrigte Lage ger?t, wie ein Staat, der durch einen B?rgerkrieg entehrt ist. Darum scheut man sich auch, einen rein pers?nlichen Konflikt vor einem gr?ssern Publikum auszubreiten -- vorausgesetzt, dass man nicht an einer allzu k?hnen Selbst?bersch?tzung leidet. Gelingt es aber, den Zusammenhang des pers?nlichen Problems mit gr?ssern zeitgen?ssischen Ereignissen aufzufinden und einzusehen, so bedeutet ein solches Zusammentreffen soviel als eine Erl?sung aus der Einsamkeit des rein Pers?nlichen, und das subjektive Problem erweitert sich zu einer allgemeinen Frage unserer Societ?t. Dies ist kein geringer Gewinn in Ansehung der M?glichkeit einer L?sung. Denn w?hrend dem pers?nlichen Problem nur jene sp?rlichen Energieen des bewussten Interesses f?r die eigene Person zur Verf?gung stehen, fliessen jetzt die collektiven Triebkr?fte ein und vereinigen sich mit den Interessen des Ich, und dadurch entsteht nunmehr eine neue Lage, welche neue M?glichkeiten einer L?sung gew?hrt. Was n?mlich die pers?nliche Kraft des Willens oder des Mutes nie vermocht h?tte, vermag die collektive Triebkraft; sie tr?gt den Menschen ?ber Hindernisse hinweg, die er mit seiner pers?nlichen Energie nie bew?ltigen k?nnte.
,,Celui qui dans l'ordre civil veut conserver la primaut? des sentiments de la nature ne sait ce qu'il veut. Toujours en contradiction avec lui-m?me, toujours flottant entre ses penchants et ses devoirs, il ne sera jamais ni homme ni citoyen; il ne sera bon ni pour lui ni pour les autres."
,,Est-ce la nature qui porte ainsi les hommes si loin d'eux-m?mes?"
Dieser weder im einzelnen noch allgemeinen zu leugnenden wohlbekannten Erfahrung entsprechend m?ssten also wohl jene Heroen der Vorzeit sich keines besonders sittlichen Lebenswandels erfreut haben, was ?brigens auch nicht ein einziger griechischer oder anderer Mythus behauptet. Denn alle jene Sch?nheit konnte sich doch nur darum ihres Daseins freuen, weil es damals noch kein Strafgesetz und keine Sittenpolizei gab. Mit der Anerkennung dieser psychologischen Tatsache, dass n?mlich lebendige Sch?nheit nur da ihren goldenen Schimmer ausbreitet, wo sie sich ?ber einer Wirklichkeit voll Finsternis, Qual und H?sslichkeit erhebt, entzieht Schiller seiner eigentlichen Absicht den Boden; er hat sich vorgenommen, zu zeigen, dass das Getrennte sich vereinigen lasse durch den Anblick, den Genuss und die Erschaffung des Sch?nen. Die Sch?nheit sollte zum Mediator werden, der die urspr?ngliche Einheit des menschlichen Wesens wiederherstellte. Demgegen?ber aber weist alle Erfahrung darauf hin, dass die Sch?nheit zu ihrem Dasein ihres Gegenst?ckes notwendig bedarf.
Auf Grund dieser ?berlegung gibt er den Rat: ,,Maintenez l'enfant dans la seule d?pendance des choses, vous aurez suivi l'ordre de la nature dans le progr?s de son ?ducation." -- ,,Il ne faut point contraindre un enfant de rester quand il veut aller, ni d'aller quand il veut rester en place. Quand la volont? des enfants n'est point g?t?e par notre faute, ils ne veulent rien inutilement."
Das Ungl?ck ist eben, dass die ,,lois des nations" niemals und unter keinen Bedingungen dermassen mit denen der Natur ?bereinkommen, dass der zivilisierte Zustand auch zugleich der nat?rliche Zustand w?re. Wenn eine solche ?bereinkunft ?berhaupt als m?glich gedacht werden soll, so kann sie nur als ein Kompromiss gedacht werden, bei welchem aber keiner der beiden Zust?nde sein eigenes Ideal erreichen k?nnte, sondern erheblich darunter bliebe. Wer aber das Ideal des einen oder andern Zustandes erreichen will, der wird bei dem von Rousseau selber formulierten Satz bleiben m?ssen: ,,Il faut opter entre faire un homme ou un citoyen; car on ne peut faire a la fois l'un et l'autre."
In uns sind beide Notwendigkeiten: Natur und Kultur. Wir k?nnen nicht nur uns selber sein, sondern wir m?ssen auch auf anderes bezogen sein. Es muss daher auch einen Weg geben, der nicht bloss ein rationaler Kompromiss ist, sondern auch einen dem lebenden Wesen durchaus entsprechenden Zustand oder Prozess, etwa wie der Prophet sagt: eine ,,semita et via sancta", eine ,,via directa ita ut stulti non errent per eam". Ich bin also geneigt, dem Dichter in Schiller, der den Denker in ihm in diesem Fall etwas gewaltt?tig in Anspruch genommen hat, auch seinen Teil an Recht zu geben, denn schliesslich gibt es nicht bloss rationale, sondern auch irrationale Wahrheiten. Und was auf dem Wege des Intellekts von menschlichen Dingen unm?glich erscheint, ist schon ?fters auf dem Wege des Irrationalen wahr geworden. Wirklich sind auch alle gr?ssten Wandlungen, die der Menschheit zugestossen sind, ihr nicht auf dem Wege des intellektuellen Calcul zugekommen, sondern auf Wegen, die der Zeitgenosse ?bersah, oder als unsinnig ausschloss, und die erst lange Zeit nachher in ihrer innern Notwendigkeit durchschaut wurden. Noch ?fter aber werden sie ?berhaupt nicht durchschaut, denn noch sind uns die allerwichtigsten Gesetze der menschlichen Geistesentwicklung ein Buch mit sieben Siegeln.
Dieser Regel entsprechend begibt sich auch Schiller nunmehr in eine vertiefte Untersuchung der wirkenden Gegens?tze. Auf was f?r ein Hindernis wir immer auch stossen m?gen -- wenn es nur ein sehr schwieriges ist -- so wird bald der Zwiespalt zwischen der eigenen Absicht und dem widerstrebenden Objekte auch ein Widerstreit in uns selber. Denn, indem ich mich anstrenge, das widerstrebende Objekt meinem Willen unterzuordnen, setzt sich allm?hlich mein ganzes Wesen mit ihm in Beziehung, n?mlich eben entsprechend der starken Libidobesetzung, welche einen Teil meines Wesens sozusagen ins Objekt hin?berzieht. Dadurch entsteht eine teilweise Identifikation gewisser ?hnlicher St?cke meiner Pers?nlichkeit mit dem Wesen des Objektes. Sobald diese Identifikation eingetreten ist, so ist der Konflikt in meine eigene Seele versetzt. Diese ,,Introjektion" des Konfliktes mit dem Objekt macht mich uneins mit mir selber, verursacht dadurch eine Ohnmacht gegen?ber dem Objekt und l?st damit auch Affekte aus, welche immer das Symptom eines innerlichen Uneinsseins sind. Die Affekte aber beweisen, dass ich mich selber wahrnehme, und dadurch in den Stand gelange -- wenn ich n?mlich nicht blind bin -- meine Aufmerksamkeit mir selber zuzuwenden und das Spiel der Gegens?tze in mir selber zu verfolgen.
Ziehen wir die ?usserung gewisser, f?r den Introvertierten charakteristischer Minderwertigkeitsgef?hle ab und rechnen wir dazu, dass die ,,grosse Ideenwelt" vom Extravertierten weniger regiert wird, als er selber Untertan in jenem Reiche ist, so gibt Schillers Darstellung ein treffendes Bild jener D?rftigkeit, die sich infolge einer wesentlich abstrahierenden Einstellung zu entwickeln pflegt.
,,Da unten aber ist's f?rchterlich, Und der Mensch versuche die G?tter nicht, Und begehre nimmer und nimmer zu schauen, Was sie gn?dig bedecken mit Nacht und mit Grauen."
Wegen dieser Ausschliessung der Sinnlichkeit vom Begriff und Umfang der Person kann Schiller zu der Behauptung kommen, die Person sei ,,absolute und unteilbare Einheit", ,,die mit sich selbst nie im Widerspruch seyn kann". Diese Einheit ist ein Desiderat des Intellektes, der sein Subjekt in idealster Integrit?t erhalten m?chte, und daher als hochwertige Funktion die ihm minderwertig erscheinende Funktion der Sinnlichkeit ausschliesst. Das Resultat ist die Verst?mmelung menschlichen Wesens, die eben gerade Motiv und Ausgangspunkt der Schillerschen Untersuchung ist.
,,Wo also der Formtrieb die Herrschaft f?hrt, und das reine Objekt in uns handelt, da ist die h?chste Erweiterung des Seyns, da verschwinden alle Schranken, da hat sich der Mensch aus einer Gr?ssen-Einheit, auf welche der d?rftige Sinn ihn beschr?nkte, zu einer Ideen-Einheit erhoben, die das ganze Reich der Erscheinungen unter sich fasst." ,,Wir sind nicht mehr Individuen, sondern Gattung; das Urteil aller Geister ist durch das unsrige ausgesprochen, die Wahl aller Herzen ist repr?sentiert durch unsere Tat."
Es ist unzweifelhaft, dass der Gedanke des Introvertierten nach diesem Hyperion strebt, nur schade, dass die Ideeneinheit das Ideal einer an Zahl beschr?nkten Menschenklasse ist. Das Denken ist nur eine Funktion, die, wenn v?llig entwickelt und ihrem eigenen Gesetze ausschliesslich gehorchend, nat?rlicherweise den Anspruch auf Allgemeing?ltigkeit erhebt. Es kann daher nur ein Teil der Welt durch das Denken erfasst werden, ein anderer nur durch das Gef?hl, ein dritter nur durch die Empfindung usw. Darum gibt es wohl auch verschiedene psychische Funktionen, denn das psychische System kann doch biologisch nur als ein Anpassungssystem verstanden werden, daher es vermutlich darum Augen gibt, weil es Licht gibt. Das Denken hat daher unter allen Umst?nden nur eine Drittels- oder Viertelsbedeutung, obschon es in seiner eigenen Sph?re ausschliesslich g?ltig ist, so wie das Sehen die ausschliesslich g?ltige Funktion f?r die Aufnahme der Lichtschwingungen, das H?ren f?r die Schallschwingungen ist. Wer daher die ,,Ideeneinheit" zuoberst setzt, und die Gef?hlsempfindung als einen Gegensatz zu seiner Pers?nlichkeit empfindet, ist einem Menschen zu vergleichen, der zwar gute Augen hat, daneben aber v?llig taub und an?sthetisch ist.
Es war Schiller eigentlich bewusst, was es heissen k?nnte, den ,,Spieltrieb" gewissermassen an oberste Stelle zu setzen. Wie wir bereits sahen, bewirkt die Aufhebung der Verdr?ngung ein Aufeinanderprallen der Gegens?tze und eine Ausgleichung, die notwendig mit einer Heruntersetzung der bisher h?chsten Werte endet. Es ist eine Katastrophe der Kultur, so wie wir sie heute noch verstehen, wenn die barbarische Seite des Europ?ers sich zum Worte meldet, denn wer b?rgt daf?r, dass der Mensch dieser Art, wenn er zu spielen anf?ngt, sich gerade die ?sthetische Stimmung und den Genuss ?chter Sch?nheit zum Ziel setzen wird? Das w?re eine Antizipation g?nzlich ungerechtfertigter Art. Vielmehr ist aus der notwendigen Erniedrigung der Kulturleistung zun?chst ganz anderes zu erwarten. Schiller sagt darum mit Recht: ,,Der aesthetische Spieltrieb wird also in seinen ersten Versuchen noch kaum zu erkennen sein, da der sinnliche mit seiner eigensinnigen Laune, und seiner wilden Begierde unaufh?rlich dazwischen tritt. Daher sehen wir den rohen Geschmack das Neue und ?berraschende, das Bunte, Abenteuerliche und Bizarre, das Heftige und Wilde zuerst ergreifen, und vor nichts so sehr als vor der Einfalt und Ruhe fliehen." Daraus muss man schliessen, dass Schiller die Gefahr dieser Verwandlung bewusst war. Aus diesem Umstand erkl?rt sich nun auch, dass er selber sich mit der gefundenen L?sung nicht zufrieden geben kann, sondern das dringende Bed?rfnis f?hlt, dem Menschen ein sichereres Fundament f?r seine Menschheit zu geben, als es der unsichere Grund einer ?sthetisch-spielerischen Einstellung sein kann. Das muss auch so sein. Denn der Gegensatz zwischen den beiden Funktionen oder Funktionsgruppen ist dermassen gross und ernsthaft, dass das Spiel wohl kaum gen?gen d?rfte, um all das Schwere und Ernsthafte dieses Konfliktes aufzuwiegen. Similia similibus curantur -- es bedarf eines Dritten, das es an Ernsthaftigkeit den beiden andern mindestens gleich tut. Bei der spielerischen Einstellung muss alle Ernsthaftigkeit wegfallen, und damit ist die M?glichkeit einer absoluten Bestimmbarkeit er?ffnet. Bald gef?llt es dem Triebe vom Empfinden, bald vom Denken angelockt zu werden, und das eine Mal mit Objekten, das andere Mal mit Gedanken zu spielen. Jedenfalls aber wird er nicht mit der Sch?nheit ausschliesslich spielen, denn dazu m?sste eben der Mensch kein Barbar mehr, sondern bereits ?sthetisch erzogen sein, w?hrend es sich doch eben darum handelt, wie er aus dem barbarischen Zustand herauskommen kann. Darum muss vor allen Dingen einmal festgestellt werden, wo der Mensch eigentlich in seinem innersten Wesen steht. Er ist a priori ebenso wohl Empfinden, wie Denken, er ist mit sich selber im Gegensatz, daher er auch irgendwie dazwischen stehen und im Innersten eigentlich ein Wesen sein muss, das zwar an beiden Trieben teilnimmt, jedoch von beiden Trieben auch unterschieden werden kann, dergestalt, dass er zwar die Triebe erleiden und sich ihnen gegebenenfalls beugen muss, oder sie auch anwenden kann, aber indem er sich selbst von ihnen unterscheidet, als wie von Naturkr?ften, denen er zwar unterworfen ist, mit denen er sich aber nicht identisch erkl?rt. Schiller spricht sich dar?ber folgendermassen aus: ,,Diese Inwohnung zweier Grundtriebe widerspricht ?brigens auf keine Weise der absoluten Einheit des Geistes, sobald man nur von beiden Trieben ihn selbst unterscheidet. Beide Triebe existieren und wirken zwar in ihm, aber er selbst ist weder Materie noch Form, weder Sinnlichkeit noch Vernunft."
Aus dieser begrifflichen Unfertigkeit und Unzul?nglichkeit erkl?rt sich auch der Umstand, dass es v?llig im Dunkeln bleibt, wie denn dieser vermittelnde Zustand hergestellt werden k?nnte. Es gibt zahlreiche Stellen, aus denen unzweideutig hervorgeht, dass es der ,,Genuss ?chter Sch?nheit" sei, der den mittlern Zustand hervorrufe. So sagt Schiller: ,,Was unsern Sinnen in der unmittelbaren Empfindung schmeichelt, das ?ffnet unser weiches und bewegliches Gem?t jedem Eindruck, aber macht uns auch in demselben Grad zur Anstrengung weniger t?chtig. Was unsere Denkkr?fte anspannt und zu abgezogenen Begriffen einladet, das st?rkt unsern Geist zu jeder Art des Widerstandes, aber verh?rtet ihn auch in demselben Verh?ltnis, und raubt uns ebenso viel an Empf?nglichkeit, als es uns zu einer gr?ssern Selbstt?tigkeit verhilft. Eben deswegen f?hrt auch das eine, wie das andere, zuletzt notwendig zur Ersch?pfung", etc. ,,Haben wir uns hingegen dem Genuss ?chter Sch?nheit hingegeben, so sind wir in einem solchen Augenblick unserer leidenden und t?tigen Kr?fte im gleichen Grade Meister und mit gleicher Leichtigkeit werden wir uns zum Ernst und zum Spiele, zur Ruhe und zur Bewegung, zur Nachgiebigkeit und zum Widerstand, zum abstrakten Denken und zur Anschauung wenden."
Schiller m?chte das sinnliche Wesen zu einem vern?nftigen machen, indem er es zuvor ?sthetisch macht, wie er selber sagt. Man muss die Natur des sinnlichen Menschen ver?ndern, sagt er, man muss das physische Leben ,,der Form unterwerfen", er muss ,,seine physische Bestimmung nach den Gesetzen der Sch?nheit ausf?hren", ,,auf dem gleichg?ltigen Felde des physischen Lebens muss der Mensch sein moralisches anfangen", er muss ,,noch innerhalb seiner sinnlichen Schranken seine Vernunftfreyheit beginnen", ,,schon seinen Neigungen muss er das Gesetz seines Willens auflegen", ,,er muss lernen, edler begehren".
Das ,,m?ssen", von dem unser Autor spricht, ist das wohlbekannte ,,sollen", das immer dann angerufen wird, wenn man keinen andern Weg sieht. Auch hier stossen wir an die unvermeidlichen Grenzen. Es w?re ungerecht, von einem einzelnen Geiste, und w?re er noch so gross, die Bew?ltigung dieses gigantischen Problems erwarten zu wollen, eines Problems, das nur Zeiten und V?lker, und auch diese nicht bewusst, sondern nur aus Schicksal l?sen k?nnen.
In derselben Abhandlung f?hren Schillers ?berlegungen zu einer Aufstellung zweier psychologischer Menschentypen. Er sagt: ,,Dieses f?hrt mich auf einen sehr merkw?rdigen psychologischen Antagonism unter den Menschen in einem sich cultivierenden Jahrhundert: einen Antagonism, der, weil er radical und in der innern Gem?tsform gegr?ndet ist, eine schlimmere Trennung unter den Menschen anrichtet, als der zuf?llige Streit der Interessen je hervorbringen k?nnte, der dem Dichter und K?nstler alle Hoffnung benimmt, allgemein zu gefallen und zu r?hren, was doch seine Aufgabe ist; der es dem Philosophen, auch wenn er alles getan hat, unm?glich macht, allgemein zu ?berzeugen, was doch der Begriff einer Philosophie mit sich bringt; der es endlich dem Menschen im praktischen Leben niemals verg?nnen wird, seine Handlungsweise allgemein gebilligt zu sehen: kurz einen Gegensatz, welcher Schuld ist, dass kein Werk des Geistes und keine Handlung des Herzens bey einer Klasse ein entscheidendes Gl?ck machen kann, ohne eben dadurch bey der andern sich einen Verdammungsspruch zuzuziehen. Dieser Gegensatz ist ohne Zweifel so alt als der Anfang der Cultur, und d?rfte vor dem Ende derselben schwerlich anders, als in einzelnen seltenen Subjekten, deren es hoffentlich immer gab und immer geben wird, beygelegt werden; aber obgleich zu seinen Wirkungen auch diese geh?rt, dass er jeden Versuch zu seiner Beylegung vereitelt, weil kein Teil dahin zu bringen ist, einen Mangel auf seiner Seite und eine Realit?t auf der andern einzugestehen, so ist es doch immer Gewinn genug, eine so wichtige Trennung bis zu ihrer letzten Quelle zu verfolgen und dadurch den eigentlichen Punkt des Streits wenigstens auf eine einfachere Formel zu bringen."
Die weitern Ausf?hrungen Schillers ?ber seine beiden Typen beziehen sich demgem?ss ausschliesslich auf die bekannten Ph?nomene realistischer und idealistischer Einstellung und interessieren daher unsere Untersuchung nicht.
Add to tbrJar First Page Next Page Prev Page