Read Ebook: Südliche Reise by Benrath Henry
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Ebook has 623 lines and 51423 words, and 13 pages
Vielleicht werden einmal die gelben Rosen, die sich am eisernen Treppengel?nder emporziehen, ?ber die Kuppel bis in die G?rten weiterwachsen. Dann wird die Seele des Fremden tiefer ergriffen werden, wenn die Natur das Allzudeutliche verh?llt. Man wird nicht mehr nachdenken, man wird nur schauen und von den Rosen erz?hlen, die das Grabmal eines fr?hen deutschen K?nigs zudecken: Rosen von Ravenna .. so wie man sagt: die Veilchen von Parma, die Zypressen von Tivoli ..
Ich fuhr in die Stadt zur?ck. Im Wagen lag ein Strauss von Jasminbl?ten, den eine alte Frau mir gereicht hatte. Ich nahm ihn mit zu dem dritten Totendenkmal, dem meine Sehnsucht galt: Zum Sarkophage Guidarellis, des jungen ravennatischen Kriegers, der in der Schlacht von Imola den Tod fand.
Die H?nde wagen nicht, Bl?ten hinzustreuen. Der dort in seiner vollen R?stung auf dem Sarge ausgestreckt liegt -- Tullio Lombardi meisselte den Stein -- scheint noch zu atmen. Er k?nnte f?hlen, wenn er die Blumen sieht, dass wir ihn schon gestorben w?hnen. Wie bitter ist sein Mund. Die obere Lippe, ein wenig zur?ckgezogen, l?sst die Z?hne sehen. Oder ist es ein L?cheln, das diesen Mund ge?ffnet h?lt? die Ahnung eines L?chelns, das in seiner Geburt starb? Welche Bilder d?mmern noch hinter dieser Stirn? Pl?tzlich f?hlst du: er lebt nicht mehr, er ist schon tot .. und atmest auf, wie wenn du mitten im Hin?bergleiten gewesen w?rst. Du legst deine Blumen ?ber seine gefalteten H?nde -- und schreckst zur?ck: er lebt noch .. er hat das K?hle der weissen Sterne an seinem Arme gesp?rt, sein rechtes Auge hat die Blumen noch erkannt, indes im linken schon das Licht erloschen ist. Da redest du zu ihm, du beugst dich ?ber ihn, als ob du noch einen Zug seines Atems erhaschen m?sstest, Worte quellen im matten Glanz von Tr?nen, leise, s?sse Worte, wie man sie tausendmal denen sagt, die sterben m?ssen und nicht sterben wollen ..
>O nur Geduld, nur ein paar Atemz?ge lang Soviel Geduld, dass sich nicht Bitternis In diesen Hingang mischt .. Wir lieben dich, Wir helfen dir .. Ja, draussen ist der Wind, Und auf dem Rasen l?uft das goldne Gras .. Der Duft? Von Rosen .. Alle Rosen bl?hn .. Die Helle dort? Die Sonne in den Wipfeln Des alten Erlenbaumes .. Nun wirst du eines Mit alle dem .. Die Fl?gel? Grosse Fl?gel Sind veilchenblau gespannt zu deinen H?upten .. Blau .. nichts als Blau .. Leb wohl .. Zum letztenmal Leb wohl .. Der Vogel rauscht ..<
?ber dem sp?ten Nachmittag lag eine M?digkeit. San Apollinare Nuovo und San Giovanni in Fonte sah das Auge wie durch bunte Schleiert?cher: Nachspiele einer lodernden Glut .. Dann aber verlangten die Sinne nach der offenen Ebene, nach der Ahnung des Meeres.
Ich liess mich hinausfahren in das Land, in das einf?rmige, kranke Land. Die Wolken waren schon bis an den Saum der weiten Fl?che zum Regnen geschlossen, die Felder lagen wartend, leblos ergeben an alles, was ihnen geschah. Irgendwo musste man schon das Heu geschnitten haben. Breitgeladene Wagen, mit K?hen bespannt, zogen im hellen Staub der Landstrasse. Wieder starrten mich die gelben, durchfurchten Gesichter an, die kein Lachen kannten .. ?ber Sumpfgr?ben gingen meine Augen: immer wieder sahen sie das gleiche Bild: aufgeschossenes Schilfgras, gelbe oder braune Wasserlachen, auf denen die M?cken tanzten, dann ein kurzes St?ck trockengelegtes Land, einen Kleeacker, ein Feld voll wilder Lilien .. und wieder Morast, schm?lere und breitere Rinnsale, zu Vierecken ausgezogen, oft abbrechend, und weiter hinaus wieder bleiern aufgl?nzend. Einmal ging es ?ber eine Br?cke, an der ein Ulmenbaum stand, dann hob sich die Strasse ein wenig, und an dem Rand einer niederen B?schung zur Linken wurde die Pineta sichtbar: Dantes Pinienwald, breite, schwarze Wipfel vor dem Perlgrau der langgezogenen Wolkenw?nde. Dante: Name, den ich nicht mehr mit irgend einem Ort der Erde zu verkn?pfen weiss: nur noch Symbol, in dem das Wunder schl?ft, Luft, die wir atmen, ohne zu f?hlen, dass sie da ist. Und dennoch ergriff mich der Anblick des ?brig gebliebenen Waldes. Ich musste an Guido Polenta denken, der den grossen florentinischen Fl?chtling in seinem Hause aufnahm, und an jene Francesca Polenta, Malatesta von Riminis ungl?ckliche Gemahlin, f?r deren Liebe Paolo starb. Schatten, s?sse, traurige Schatten, nur angedeutet in der Sehns?chtigkeit ihres Lebens .. und darum ewig gegenw?rtig.
Vor San Apollinare-in-Classe liess ich den Wagen halten. Die Einsamkeit des Ortes bestrickte mich. Mitten im Feld, zwei Schritte von der Landstrasse, lag das Wunder einer christlichen Basilika. Unscheinbar aussen, wie alle Bauten aus der gleichen Zeit, doch gross und vornehm in ihrer Einfachheit. Das Tor stand offen. Der Eintritt aus der freien Luft in die Halle blieb ohne ?bergang. Wie tief nimmt dieser Raum den Nahenden auf .. Etwas von Pfingsten weht in der feierlichen Klarheit, Freude spielt im Ebenmass der S?ulen von Bogen zu Bogen und klingt am Hochaltar zusammen, hinter dem das Mosaik der Apsisw?lbung aufsteigt. Hell gl?nzt das Kreuz auf goldnem Grund inmitten lichter Bl?ue, zwischen Blumen und weissen L?mmern steht verk?ndend der Heilige. Man m?chte niedersitzen und lange ausruhen, man m?chte die Augen in das flache Feld hinauswenden, das langsam im Abend versinkt. Aber die Fieber wachsen in den S?mpfen, wenn die Nacht kommt. Das Land kennt nicht die Lust der D?mmerung. Die Fenster m?ssen sich schliessen, der Mond wirft giftige D?nste auf.
Der Wagen wendete. Aus den nordwestlichen Himmeln, von Ferrara her, quoll schmutziges Abendrot. Die Ebene lag in leisem Gl?hen. Kein Lufthauch wehte. Die ersten Tropfen fielen, laues Blut. Dann losch das Feuer. Noch z?gerte der Regen. Die Stadt war grau an die Erde hinabgedr?ckt, sinkend .. sinkend. Es kam kein Rauschen in den Wipfeln, es fegte kein Wind ?ber die Strassen und warf die klaffenden Fenster zu: aus lahmen Kiefern sp?lte das Dunkel die tr?be Br?he des Regens auf die D?cher nieder. Die D?cher gaben sie weiter an die zerbrochenen Rinnen, aus denen sie in breiten G?ssen auf die Strasse st?rzte. Erde, Stadt und Himmel waren nur noch eines: ein brauner und gr?nlicher Morast, der nach dem W?ten der Julisonne schrie, um einmal aus sich selbst befreit zu werden. Dann musste der Staub kommen, Staub und Sand, und die Stadt w?rde gelb wie frischgebrannter Lehm .. gelb wie die ausgedorrte Steppe: dicht neben dem unerbittlich fliehenden Meer.
FLORENZ
Den Nachmittag und Abend des n?chsten Tages verbrachte ich in Florenz. Still bl?hend lag die Stadt in der Sonne, Anmut und Leichtigkeit. Heimatlich begr?sst sie jedesmal den wiederkehrenden Freund, obwohl sie stets voll Geheimnis bleibt, und sei es nur im Wechsel der Lichter, im ewig neuen Wandern ihrer Wolken. Wolken von Florenz! milde D?mpfer zu ?ppigen Goldes, selbst mit Gold gef?ttert, das sich in breiten S?umen ?ber die R?nder neigt: euch folgt der Flug der Seele wie keiner eurer Schwestern, ihr gebt den Bergen das unersch?pflich feuchte Blau, den Hainen das fliessende Gr?n, aus dem es k?hl her?berwinkt in den Brand der kornblumenfarbenen Tage.
Ich fuhr nach einem alten, kleinen Schloss, in dem ich einmal helle, s?sse Tage verlebt hatte. Es liegt in den H?geln von San Miniato, hoch ?ber der Stadt. Ich liess den Wagen auf Umwegen ?ber den Viale Petrarca und durch die Porta Romana zur H?he des Torre del Gallo hinaufgehen. Langsam wurde das Bild der Stadt geboren, ?ber hohen, grauen Gartenmauern, Villend?chern und unbewegten Pinienkronen. Zwischen blass-blauen Glycinenranken stand das goldbraune Gew?hl der H?user. Den herrischen Wuchs der Zypressen besiegend, ragte der Turm der Signoria. Fensterscheiben blinkten in der Sonne, Arkaden gr?ssten ?ber dunklem Lorbeer. Schon stieg der leichte Rauch eines verfr?hten Herdfeuers aus wenigen Schornsteinen. Unwillk?rlich lauschte das Ohr nach einem Angelus .. Noch war es zu fr?h. Die W?rme, die aus den G?rten aufwehte, wies noch auf Nachmittag. Bilder kamen und gingen im Vor?berfahren ..
Niemand erwartete mich im Castello Acciajoli. Vielleicht war niemand zu Hause. Ich zog die Schelle. Es dauerte eine Weile, bis der Diener ?ffnete. Er erkannte mich wieder und f?hrte mich in das Empfangszimmer. Wenige Minuten sp?ter sass ich im Gespr?ch mit dem Hausherrn. Jahre waren vergangen, seit wir uns gesehen hatten. Er war der einzige, der um ein Erleben wusste, das hier seinen Anfang gefunden und fern, in einer nordischen Stadt, sein Ende genommen hatte. Noch lag der Schein der Liebe auf allen Dingen, zart, heimlich, wie ihn das ergriffene Herz damals hingezaubert hatte. Ich ging zu jedem Baum, zu jedem Strauch, der noch wie damals stand, wie damals bl?hte. Wie fr?hlich war alles gewesen, wie frei und einfach! Besonders die Abende waren sch?n. Die Mahlzeiten in dem kleinen Speisezimmer, die vielen hellen Blumen auf dem Tisch, der rote Wein in schlanken Henkelkannen und das Hin- und Herflittern der leichten Worte zwischen Menschen, die zusammengeh?rten, so wie sie waren, gebunden durch die gleichen Gewohnheiten, vertraut in der gleichen Anbetung der Sch?nheit -- und nur geschieden durch jenes feinste Gef?hl innerer Besonderheit, wie es die grosse ?bung des Erlebens entfaltet. Nichts war laut, nichts war ein ?bergriff. Was hier geschah, war selbstverst?ndlich. Es gab viele gemeinsame Spazierg?nge in den Wiesen und Baumst?cken, die zum Schloss geh?rten, an kleinen B?chen entlang, die hastig niederst?rzen, sich manchmal in uralten Steinbecken fangen und weiterfliegen, dem Arno zu. Dann ein Ausruhen auf einer leichten Anh?he in hohem Gras, bei Lorbeerb?schen und Gaisblattranken. Wohin das Auge schweifte, standen die milden ?lb?ume, deren wundervoll belebte Seele der Nordl?nder so schwer versteht. Die Akazien bl?hten hoch in der stillen Bl?ue oder im Bernsteinglanz der Abendhimmel, die Nachtigallen sangen in jedem Gestr?uch. Und ?ber allem lag die Liebe. Aus der Gemeinsamkeit des Geniessens l?ste sich die Sonderheit dieses Gl?ckes, jenes Aufgel?stsein in Schweigen, das wortlose Untertauchen in jeder beseelten Sch?nheit. Im Wehen eines Olivenzweiges, im Atmen eines Rosenbeetes lag die Vertauschung der Seele und das Auswechseln der Sinne. Milde war in allem: Toskanas Milde .. und eine reine, scheue S?sse, wie Duft von Veilchen oder Teerosen.
Der Diener hatte den Tee im Speisezimmer aufgetragen. Die Unterhaltung kam auf deutsche Dinge und hielt sich lange dort. An den Namen gemeinsamer Freunde spann sich das Gespr?ch weiter, leicht und fast k?hl, da es einfachen Wirklichkeiten galt, bis sich unmerklich ein leises Heimweh einschlich. Denn im Reden ?ber so viele, die vor Jahr und Tag mit uns hier oben zusammengesessen hatten, wurde die Zeit lebendig, die trennend zwischen heute und damals stand, die Schwere alles Zwischenerlebens schob sich ?ber das Spiel der Erinnerung, die fast Gedicht geworden war. Wir verstummten. Wir schauten durch das Gitter des offenen Fensters in die Ebene hinunter, den Baumwipfeln der gr?nen Bandita entlang. Dann kamen pl?tzlich die Fragen: Entsinnen Sie sich noch jenes Vormittags, als wir zu Gino gingen? Wie hiess die Frau mit den Rubinohrringen, welche die Arie der Armida sang? Spielt Octavio noch so sch?n Klavier? Was ist an der Geschichte wahr, die man von dem Abbate Celli las? Ohne Aufh?ren fiel Frage auf Frage, Antwort auf Antwort, w?hrend wir in dem Haus umhergingen. Wir stiegen die Treppen in das Obergeschoss empor, wo die Schlafr?ume lagen. Da war mein altes Zimmer! Nichts war ver?ndert: dieselben alten Bilder, dieselben Leuchter, und dasselbe dunkle Himmelbett. Wie stiegen die Morgende des Erwachens auf, wenn der Diener eintrat und die L?den zur?ckstiess, wenn pl?tzlich das ganze, in helles Sonnenlicht getauchte Land in den Fensterrahmen trat: die Wipfel der Pappeln, die im frischen Morgenwind schwankten und ihr fl?sterndes Blattwerk spielen liessen, die schweren wiegenden Zypressen ?ber den D?chern von San Miniato, die ganze ?stliche Stadt, die im d?nnen blauen Dunst des Sommertages zu dem H?gelkranz von Fiesole emporwuchs. An der Mauerwand aber schlug der warme Duft der Erde empor, und wehte bis auf die Kissen ..
Wir gingen zur?ck in das untere Stockwerk. Ich war traurig geworden, und f?hlte mich erst leichter, als wir in dem grossen Arbeitsraum des Hausherrn sassen, wo so viele ausgelassene Gespr?che und Erz?hlungen die Abende verk?rzt hatten. Als ob der Freund meine Gedanken erraten h?tte, fragte er, indem er sich in einen hohen, roten Seidensessel setzte:
>>Haben Sie manches Mal an die Gr?fin d'Ys gedacht?<<
Da war mit einem Male das Lachen geboren -- und mit ihm jener g?ttlich-leichte Fr?hlingsabend, als uns Octavio Poggiolini die reizende Geschichte erz?hlte ..
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Wir sassen im Kreis um den Kamin. Ein kleines Feuer brannte auf dem eisernen Rost, denn der helle Mondabend war k?hl und etwas feucht. Die Champagnergl?ser waren aus dem Speisezimmer her?bergetragen worden und standen neugef?llt, die Damen zerlegten Orangen auf d?nnen Glastellern, einige der Herren rauchten. Man hatte nur ein paar gelbe Wachskerzen angez?ndet, da der Schein der Flamme reichlich Helle gab und ausserdem durch das Fenster ein breiter Streifen Mondlicht in blassgr?nem Dreieck ?ber den Boden fiel. Octavio Poggiolini sass nahe am Feuer und hatte die Beine ?bereinandergeschlagen. Auf seinem Gesicht stand die Vorfreude des Erz?hlens. Vielleicht gab dies Marita Branconi einige Bedenken, denn sie sagte, als er eben beginnen wollte:
>>Ist die Geschichte sehr unanst?ndig?<<
>>Was denken Sie? fiel ihr Octavio ins Wort, sehr unanst?ndig! Im Gegenteil! Sie ist ganz einfach das Loblied auf die Klugheit!<<
Aber Marita liess sich nicht beirren:
>>Haben Sie die Geschichte selbst erlebt?<<
>>Nein, ich berichte, was man mir gesagt hat.<<
>>Dann ist es vielleicht doch besser, wir Frauen gehen solange ins Musikzimmer.<<
>>Um Gottes Willen, rief Octavio, nein! Ich h?tte keine Freude mehr am Erz?hlen. Es ist durchaus eine Geschichte f?r Frauen, zumal f?r solche, die leider nur als fl?chtige G?ste in meiner sch?nen Vaterstadt weilen.<<
Damit wandte er sich zu der jugendlichen Gr?fin Voss und ihrer noch jugendlicheren Schwester Katarina von Pless, die ihn l?chelnd ansah und mit dem langen Blick ihrer blauen Augen ermutigte:
>>Es ist nat?rlich die Geschichte einer Frau, die Sie erz?hlen wollen?<<
>>Gibt es ?berhaupt Geschichten ohne Frauen?<<
Marita lehnte sich tiefer in ihren Sessel zur?ck, um sich einen besseren Halt zu geben, w?hrend Katarina sich ein wenig b?ckte und aus dem getriebenen Messingeimer ein neues Holzscheit in die Flammen warf, so dass einen Augenblick lang das schmale Diamantband aufleuchtete, das sie ziemlich tief am Hals ?ber dem Ausschnitt des Kleides trug.
Octavio begann:
>>Vor etwa sieben Jahren verlobte sich Isabella Giramonte ziemlich unerwartet mit dem Grafen d'Ys. Es war eigentlich niemandem klar, warum das sch?ne, noch sehr junge M?dchen diesem Manne ihre Hand reichte: er sah nicht schlecht aus, war ebenfalls noch nicht viel ?ber die Mitte der zwanzig hinaus und hatte reiche und ausgedehnte Besitzungen in der Normandie. Isabella war wenig verm?gend, man sagte, die Spiellust des Vaters habe den gr?ssten Teil des m?tterlichen Verm?gens verschlungen. Nun ist es ja wahr, dass die Giramonte von jeher leidenschaftliche Spieler mit Geld und Schicksalen waren, ich glaube aber , dass die Mitgift von Isabellas Mutter -- Sie wissen doch, dass sie die Tochter eines gewissen Herrn von Didier aus Rouen war -- bei weitem nicht die H?he erreichte, die Giulio Giramonte erwartet hatte .. und dass er also wahrscheinlich das Verm?gen nicht f?r gross genug hielt, um es vor den M?glichkeiten des Spieltisches zu schonen. Kurz, wie dem auch sei: den beiden Eltern konnte Isabellas Verm?hlung mit dem Grafen Roger d'Ys nur angenehm sein, ganz Eingeweihte wollen sogar wissen, die Verlobung sei ein lange vorbereiteter und gut berechneter Schachzug der Mutter gewesen, die aus Rache gegen gewisse italienische Entt?uschungen ihres eigenen Ehelebens die halbfranz?sische Tochter unter allen Umst?nden gegen jeden italienischen Bewerber an ihr eignes Vaterland zur?ckspielen wollte. Dass Isabella in Wahrheit aber viel mehr zu der Art des italienischen Mannes neigte, wurde als belanglos ?bergangen: blonde und schwarze Mischung hatte noch immer die besten Ehen gegeben, und ausserdem geh?rten die Grafen von Ys und Dieuleveuille zum franz?sischen Uradel, w?hrend die Giramonte weit weniger vornehm waren, die Didier aber sogar nur zur napoleonischen Aristokratie z?hlten. Die Frage des Blutes aber hatte jederzeit Isabellas Mutter tief bewegt. Nun w?re dies alles eigentlich vollkommen gewesen, wenn nicht Roger d'Ys einen so grossen Fehler besessen h?tte , dass das Gl?ck der Ehe dadurch ernstlich bedroht werden konnte. Er war n?mlich von einer Schlichtheit des Verstandes, wie sie sich eigentlich nur der Uradel gestatten darf: und das Schlimme war, dass seltsamerweise der Ausdruck seines Gesichtes davon gar nichts verriet. Sein Gesicht war h?bsch, in seinen blauen Augen lag viel feine G?te, und sein Mund war einer der edelsten Frankreichs. Die Nase war wohlgebildet und durchaus nicht zu klein , vor allem aber erschien die feingemeisselte Stirn unter der seidnen Welle goldnen Haares als das deutlichste Merkmal sehr vornehmer Geburt. Nun h?tte ja Isabella, die stets in ?usseren Vorz?gen ziemlich viel Ersatz f?r gewisse innere M?ngel zu finden wusste vielleicht das geringe Mass an Geistigkeit an ihrem Gemahl noch ertragen: zumal sie ein offenes Haus f?hrte, so dass ihr gar nicht einmal allzuviel Zeit blieb, in dem geistigen Reich des Grafen zu Gast zu sein: aber es gab eine noch tragischere Frage in dieser Ehe, die ich allerdings nicht ohne Bedenken aufzurollen wage. Ich werde mich sehr vorsichtig ausdr?cken, vor allem werde ich zu erkl?ren versuchen. Roger d'Ys war der letzte seines Stammes, unweigerlich. Wenn er ohne Nachkommen blieb, fielen Verm?gen und G?ter an eine Seitenlinie niederer Gattung, die sich besonders dadurch im hohen Adel missliebig gemacht hatte, dass sie einige S?hne ohne Bedenken als Offiziere in das republikanische Heer hatte eintreten lassen. Roger d'Ys gab sich nun ohne Zweifel auch redlich M?he, dieser entsetzlichen M?glichkeit vorzubeugen .. und Isabella zeigte ein selbst bei Frauen nicht gew?hnliches Verst?ndnis f?r die Politik ihres Gatten, obwohl sie kraft eines gesunden Sp?rsinnes f?r Dinge, in denen sie nur eine einmalige Erfahrung besitzen konnte, l?ngst und schmerzlich erkannt hatte, dass die Natur in ihrem Verfeinerungsbed?rfnis an der M?nnlichkeit des letzten Grafen d'Ys und Dieuleveuille entschieden zu weit gegangen war. Sie hatte geradezu eine S?nde begangen. Sie hatte kaum noch einen Menschen, sondern eine vollkommen sch?ne Statue gebildet: die ganz erf?llt in dem Wunder ihres eigenen Ebenmasses lebt und kaum noch etwas davon weiss, dass das Leben nicht die edle Beschr?nkung, sondern die leidenschaftliche F?lle, nicht die k?hle Vornehmheit des l'art pour l'art: sondern die zielbewusste Arbeit des l'art pour l'oeuvre verlangt!
Aber Isabella war schon im dritten Jahr ihrer Ehe angelangt, ohne dass eine Hoffnung auf Nachkommenschaft bestanden h?tte. Die Gr?fin-Mutter war auf das Schloss gekommen und hatte ihr ernsthaft ins Gewissen geredet, auch der Pfarrer war einige Male bei ihr gewesen, und selbst der uralte Erzbischof, dessen Rufe zu dem Heiligen Geist in der franz?sischen Aristokratie eine nicht unberechtigte Ber?hmtheit genossen, hatte ihr sagen lassen, dass er Gott den Herrn bitten werde .. Ihre eigene Mutter aber, weniger gl?ubig und mit einem st?rkeren Sinn f?r die Wirklichkeit begabt, war mit ihr zu einigen grossen ?rzten gefahren, von denen nicht ein einziger verfehlt hatte, ihr die Versicherung einer geradezu musterg?ltigen Vollkommenheit zu geben -- -- und sie war genau so klug, als sie gekommen, nach Ch?teau d'Ys zur?ckgekehrt. Es ging auf den Winter zu, und sie begann zu kr?nkeln. Wie viele Edelleute aus der Normandie hatte Roger die Gewohnheit, wegen gewisser Jagden, die er geben musste, weil es die Sitte seiner Familie so verlangte, ziemlich lange auf dem Schloss zu bleiben und die Wohnung in Paris erst im November zu beziehen. Er w?re ja gerade in diesem Jahre gerne geneigt gewesen, seiner Frau zuliebe schon Ende Oktober in die Stadt ?berzusiedeln, aber die Gr?fin-Mutter fand den Grund nicht ausreichend, zumal gewisse klerikale Wahlen bevorstanden, deren Ergebnis ausserordentlich durch den Erfolg der Feste und Gelage auf Ch?teau d'Ys bedingt war.
Da erkl?rte Isabella ohne jeden Umschweif, dass sie sich gewiss diesen geheiligten Sitten nicht widersetzen wolle, dass sie aber die Rolle, die sie bei solchen Gelegenheiten zu spielen habe, der wesentlich gewandteren Gr?fin-Mutter zur?ckgeben und ohne jeden Widerspruch Anfang Oktober auf einige Wochen nach Florenz fahren werde. Diese Reise scheine ihr die einzige M?glichkeit zu bieten, ihr Gleichgewicht wieder zu erlangen, das sie bei den herrschenden Umst?nden ein wenig verloren habe. Die Gr?fin-Mutter war ausser sich und trug von diesem Tage an bis zu einem gewissen anderen Tag, der aber in dieser Geschichte erst viel sp?ter vorkommt, eine offene Feindschaft zur Schau, ja sie soll allen Ernstes die Frage erwogen haben, im ?ussersten Falle bei dem Heiligen Vater eine Ung?ltigkeitserkl?rung der Ehe zu erlangen. Es steht nicht fest, ob sie ihrem Sohne gegen?ber einen ?hnlichen Gedanken ge?ussert hat: wenn sie es aber getan h?tte, w?re sie ohne Zweifel auf den heftigsten Widerstand gestossen. Denn Roger liebte seine Gemahlin ?ber alle Massen, und es war eigentlich nur die obenerw?hnte allzugrosse Schlichtheit seines Geistes, die es ihm unm?glich machte, Isabella geb?hrend gegen die Oberhoheit seiner Mutter in Schutz zu nehmen. So fand er auch -- trotz seines wirklichen Schmerzes ?ber Isabellas Vorhaben -- in diesen bedeutungsvollen Tagen weder das richtige Wort noch die richtige Haltung, er sagte sich nur, dass es das beste sei, Isabella ohne Widerspruch gehen zu lassen und es ganz ihrem eigenen Gef?hl anheimzugeben, wann sie sich wieder an der Seite ihres Gatten einfinden w?rde. Er teilte diesen Entschluss, den er in einer ziemlich schlaflosen Nacht gefasst hatte, seiner Mutter mit, die sich in Voraussicht der kommenden Dinge schon von Paris nach Ch?teau d'Ys begeben hatte. Aber sie warf nur einen Blick gegen den Himmel und f?hrte ihre weisse, schmerzliche Hand nach der gefesselten F?lle des Busens, als wolle sie sagen, dass sie sich zwar vollkommen unschuldig an einem solchen Sohne f?hle, sich aber mit der Demut einer wahren Christin auch in diese Pr?fung Gottes f?ge wie schon in so viele andere, von denen sie mehr ahnen liess als verriet. Am meisten aber litt Isabella. Doch h?tete sie sich, dies merken zu lassen, sie schien vielmehr ganz erf?llt von dem Gedanken ihrer R?ckkehr und fast schon ihrer Umgebung entr?ckt. W?hrend sie jedoch scheinbar eifrig und sorgf?ltig die Vorbereitungen zu ihrer Abreise traf, ging sie tief mit sich zu Rate und ?berlegte, wie sich ihr zuk?nftiges Leben gestalten w?rde. Gerade weil sie ein wirklich ehrliches Gef?hl f?r ihren Gemahl hegte, war es nicht leicht, das Rechte zu erkennen. Sie war nun einmal die Gr?fin d'Ys und Dieuleveuille, und sie musste es unter allen Umst?nden bleiben. Aber sie f?rchtete sich vor dem Augenblick, wo vielleicht in ihren Empfindungen f?r den Gatten etwas wie eine Windstille eintreten w?rde, weil er .. nun ja, einmal weil er sich in seiner unschattierten Geistigkeit so unerh?rt gleich blieb, sodann aber auch, weil .. ja, wie soll ich dies nun wieder sagen .. weil das rein Bildm?ssige seiner Erscheinung, das allzustrenge Verharren in seiner Sch?nheit, das allzugeringe Aus-sich-Herausgehen eines Tages eine empfindliche L?hmung ihrer Freude an ihm mit sich bringen w?rde. Und sie folgerte ganz richtig, dass etwas ?hnliches ja eigentlich schon eingetreten sein m?sse, da sie so ausserordentlich klare Vorstellungen von dieser Verschiebungsm?glichkeit des Gef?hles hatte. Sie w?rde nicht einen Augenblick lang solchen Gedanken nachgegangen sein, wenn sie ein Kind gehabt h?tte. Sie sehnte sich leidenschaftlich nach einem Kind, nicht, weil sie damit gewissermassen ihre Pflicht gegen das Geschlecht des Grafen d'Ys erf?llt h?tte: sondern weil sie zu den Frauen geh?rte, die auch in der Mutterschaft eine Erf?llung ihres eigenen Lebens zu sehen verm?gen. Und wie es ja fast immer zu geschehen pflegt, dass gerade Frauen mit starkem Sinnenleben die besten M?tter werden, weil ihre Liebe nur das sichtbar zu Greifende, bedingt Wirkliche zu fassen vermag und unbestimmten Inhalten abhold ist: so h?tte Isabella in einem Kinde einen gewissen Ersatz gefunden f?r manches, das ihrem ehelichen Leben fehlte. Aber selbst an diesen heissgehegten Wunsch legte ihr grosser Verstand eine Bresche: Wie w?rde ein Kind von Roger d'Ys geworden sein? Noch weiter in ihrer Verfeinerung konnte die Natur nicht gut gehen, und wenn Isabella auch der gesunden Art ihres eigenen Blutes Kraft genug zutraute, bei der letzten Entscheidung ?ber ?ussere und innere Gestalt des werdenden Wesens ein sehr bedeutsames Wort mitzureden: so fasste sie trotz dieser Zuversicht zuweilen eine grosse Furcht an, sobald sie an die Verwirklichung ihres Wunsches dachte: denn es waren ihr zu viele Beispiele bekannt geworden -- und ganz besonders seit ihrem Aufenthalt im Schosse derer von Ys und Dieuleveuille -- dass das Unbegabte ?ber das Begabte den Sieg davonzutragen pflegt. Ja, diese Erfahrung schien ihr manchmal in so hohem Masse ein allgemein g?ltiges Gesetz einzuschliessen, dass es Stunden gab, wo sie ihre Kinderlosigkeit als ein Werk der Vorsehung empfand. Aber was sollte dann aus ihrem Leben werden? Sie war noch nicht einundzwanzig Jahre alt! Welche Zeiten lagen vor ihr!
Eben in diesen Tagen, als die Qual zu gross in ihr wurde und allein der Gedanke an den Stumpfsinn der nahenden Jagdgesellschaften sie fast tr?bsinnig machte, beschloss sie, nach Florenz zu fahren. Wie der ?berm?dete Schwimmer, der nicht mehr gegen den Strom ankann, die erste Weidengerte des Ufers erfasst, so klammerte sie sich an diesen Namen: Florenz -- und an einem der ersten Oktobertage traf sie in unserer geliebten Vaterstadt ein. Ihr Gemahl hatte sie nat?rlich nach Paris begleitet und ihr als Zeichen seiner Liebe einen grossen Rosenstrauss mitgegeben, zu dem er selbst jede einzelne sp?te Bl?te im Schlosspark zusammengesucht hatte: Als sie aber nun im offenen Wagen an der Seite ihrer strahlenden Mutter, die nat?rlich von den inneren Zusammenh?ngen keine Ahnung hatte, durch die Via Tornabuoni ?ber den Ponte Santa Trinit? hinauf nach dem Boboli fuhr, hinter dem die Villa der Eltern lag, hatte sie vollkommen vergessen, warum sie aus Frankreich entflohen war. Sie fand es ganz selbstverst?ndlich, dass sie in ihrer Vaterstadt weilte, ja, sie konnte es kaum noch begreifen, dass sie weit ?ber zwei Jahre die Trennung von der heimatlichen Erde ertragen hatte, zumal in der Umgebung, in die sie ihre Heirat gestellt hatte. Und noch ehe der Wagen vor der Haust?r hielt, war sie sich klar dar?ber, dass kein Herbst und kein Fr?hling mehr vergehen w?rde, ohne dass sie einige Wochen in der Heimat zubrachte. Mochte die Gr?fin-Mutter wegen der missratenen Schwiegertochter jede Woche zweimal zum Erzbischof laufen: sie w?rde sich nicht daran kehren. Sie w?rde sich ?berhaupt nicht mehr an all diese l?cherlichen Zust?nde in Ch?teau d'Ys kehren. Sie w?rde sich durchsetzen, ganz unzweideutig. Vor allem w?rde sie sehr viel auf Reisen gehen. Drei Monate auf dem Schloss und drei in der Stadt m?ssten vollkommen gen?gen, ?ber die andere H?lfte des Jahres w?rde sie selbst bestimmen. All diese Dinge wurden ihr im Fluge klar und mit einer Entschiedenheit, wie sie nur die klare, helle Luft unserer Stadt zu erzeugen vermag.
Sie schrieb noch am selben Abend einen gl?ckseligen Brief an ihren Gemahl, in dem zu lesen stand, dass der Mond im gl?nzenden Laube der Pappeln spiele, dass aus dem Garten der Duft sp?ter La Francerosen in ihr Zimmer dringe, und dass zwischen den d?nnen, wehenden ?lbaumzweigen das Wasser des Arno silbern aufleuchte. Allein schon der Anblick der ?lb?ume habe ihre Seele gel?st, schrieb sie gegen den Schluss hin, und sie sei des festen Glaubens, dass sie in der Heimat so weit genesen werde, um gesund und hoffnungsfroh zu ihm zur?ckkehren zu k?nnen.
Dass aber am gleichen Abend der wundersch?ne Graf Primoli sich unversehens bei ihren Eltern als Gast angesagt hatte und bis gegen Mitternacht geblieben war : das schrieb sie nicht. Sie schrieb auch nicht, dass dieser Primoli gefragt hatte, ob er seine Schwester mit ihr bekannt machen d?rfe, die gerade bei ihm zu Besuch sei. Vor allem aber schrieb sie nicht, dass eine geradezu ?bersinnliche Erleuchtung sich pl?tzlich ihres ganzen Wesens bem?chtigt hatte, als dieser Primoli ihr die Hand beim Abschied k?sste .. eine Erleuchtung, so gewaltsam und divin, dass sie pl?tzlich an den alten Erzbischof und die Macht seiner hierarchischen Gebete denken musste.
Nach etwa drei Wochen aber schrieb sie den l?ngsten und sch?nsten Brief, den ihr Gemahl jemals von ihr bekommen hatte. Der Brief war so sch?n, dass Roger d'Ys die Wahlen und die Jagden und seine vom nahen Weltuntergang ?berzeugte Mutter im Stich liess und geradeswegs nach Florenz fuhr, wo er in dem kleinen Mauergarten der Villa seiner Gemahlin zu F?ssen sank und ihr fast unter Tr?nen gestand, er habe seit ihrer Abreise keine frohe Stunde mehr gehabt, und er f?hle, dass ihre N?he ihm teurer und wertvoller sei als alles andere auf der Welt. W?hrend er dies aussprach, hatten seine Wangen sich ger?tet, und seine hyazinthblauen Augen hatten einen innerlichen Glanz bekommen. Sein feiner Mund stand ein wenig ge?ffnet, die weissen, gleichm?ssigen Z?hne wurden sichtbar -- und er sah so sch?n aus, dass Isabella gerne ihre Lippen l?nger auf den seinen ruhen liess, als sie sonst zu tun pflegte. Sie hatte nun wirklich keinen Zweifel mehr, dass an jenem Abend, als Diomede Primoli ihr so lange die Fingerspitzen und die zarten blauen Adern des Handgelenkes gek?sst hatte, der heilige Geist ?ber sie gekommen war und ging mit dem gl?ckseligen L?cheln einer M?rtyrerin durch die herbstliche Sonne am Arm ihres Gatten dem Hause zu. Roger wich fortan nicht von ihrer Seite, und es verbreitete sich allenthalben die Kunde ihres Gl?ckes. Kinderlose Ehepaare nahmen sie sich zum Muster, und einmal, als Monsignore Zacconi in der Annunziata eine lange Predigt damit geschlossen hatte, dass es kein wahres eheliches Gl?ck ohne Kinder gebe stellten ihn bei einem Abendessen, das die Marchesa Prioressa gab, einige Damen und Herren sehr unverbl?mt zur Rede ?ber diese seltsame mittelalterliche Ansicht und verwiesen frohlockend auf Isabella und Roger, die Arm in Arm an einer S?ule standen und aufmerksam mit zuh?rten, wie der Graf Primoli von der Einrichtung seines Hauses erz?hlte. Ich muss hier zuf?gen, dass er sich geradezu eines Rufes als Renaissancekenner erfreute, und dass selbst aus entlegenen L?ndern Besucher zu ihm kamen und seine sch?nen M?bel- und Schmuckst?cke betrachteten. Seltsamerweise war Graf d'Ys noch nicht bei ihm gewesen, was eben gerade den Anlass dazu gegeben hatte, die Teestunde des n?chsten Nachmittags zu einem Besuche festzusetzen. Isabella wurde in demselben Augenblick, als Roger sie um ihre Ansicht fragte, von der Herzogin von Levanto in ein Gespr?ch ?ber franz?sische Gefl?gelzucht gezogen und somit einer Antwort ?berhoben. Roger indessen zweifelte nicht eine Minute daran, dass seine Gemahlin einverstanden sei und sagte zu.
Diomede hatte alle Zimmer mit Blumen schm?cken lassen, insbesondere aber sein Schlafgemach, das sch?ner als alle anderen R?ume war. Das k?stlichste Geb?ck der Pasticceria Giuco wurde aufgetragen, alle Messer und L?ffel wiesen die bezauberndsten Goldschmiedearbeiten der Fr?hrenaissance auf, in einer R?ucherpfanne, die aus dem Nachlass der P?pstin Johanna stammte, verpuffte in goldenen Wolken ein wenig W?rze von Rosmarin: Kurz, der Graf d'Ys musste zugeben, dass er niemals zuvor in einer Umgebung so ausgew?hlten Geschmackes von einem so liebensw?rdigen Gastgeber empfangen worden sei. Ja, er ?usserte lebhaft und mehrere Male hintereinander den Wunsch, doch noch des ?fteren w?hrend seines florentinischen Aufenthaltes den Grafen besuchen zu d?rfen, worauf dieser entgegnete, er w?sste nichts, was ihm angenehmer w?re. Auch Isabella meinte, es g?be ja nichts Sch?neres als das Verweilen in diesem Hause, wo jeder Winkel den Kunstsinn und die feine Gesittung seines Bewohners verrate. Diomede wandte l?chelnd ein, dass sie ?bertreibe, aber Roger wiederholte w?rtlich, was seine Gemahlin gesagt hatte und verlangte auch, die oberen Gem?cher zu sehen, w?hrend Isabella, eine Erm?dung vorsch?tzend, sich im Garten ausruhte. Wohl eine halbe Stunde lang verweilten die Herren im Schlafgemach. Roger, dem es zum ersten Mal in seinem Leben klar wurde was dieser Raum einem Menschen bedeuten konnte, wollte sich nicht trennen von den unz?hligen Sch?nheiten, die hier das Auge erg?tzten, sei es, dass er vor einem Engel der Verk?ndigung stehen blieb und and?chtig in die verheissungsvollen Z?ge emporstarrte, sei es, dass er in den kostbaren alten Brokatb?nden bl?tterte, die auf dem Nachttisch lagen, sei es, dass er staunend und neidisch das Bett betrachtete, von dem eine seltsame Macht auf ihn auszustr?men schien. Diomede trat zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter:
>>Ist es nicht wundervoll?<<
>>Wundervoll, erwiderte Roger wie im Traum, und so breit, so bequem, beinahe feierlich. Ich w?nschte, es w?re mein.<<
>>Nichts leichter als dies, mein Teurer, entgegnete Diomede, genau das gleiche Bett ist noch bei Rondinelli zu haben. Wenn Sie es kaufen wollen, werde ich Ihnen gerne behilflich sein.<<
>>Tausendmal Dank, rief Roger entz?ckt, Sie ?bersch?tten mich mit Freundlichkeiten. Ich werde es kaufen!<<
In den n?chsten Tagen konnte der Graf d'Ys keinen anderen Gedanken mehr fassen, als M?bel zu kaufen, alte, echte Renaissancem?bel f?r sein norm?nnisches Schloss. Und er war bitter entt?uscht, als Primoli den Kopf sch?ttelte und etwas nachl?ssig sagte, w?hrend er sich in dem Schaukelstuhl zur?cklehnte und die Beine ?bereinanderschlug:
>>Lieber Graf d'Ys, das w?rde ich an Ihrer Stelle doch nicht tun. Man muss die Dinge der Umgebung anpassen, in die sie geh?ren. Da Sie mir ja selbst erz?hlten, dass der Donjon Ihres Schlosses aus dem zw?lften Jahrhundert und der Rest des Bauwerkes aus dem dreizehnten stammt, da ausserdem dieses Schloss in der Normandie und nicht s?dlich des Apennin liegt, so d?rften florentinische Renaissancem?bel doch nicht ganz das Richtige sein.<<
>>Sie haben vollkommen recht, mein lieber Diomede, sagte Roger, und ich kann Ihnen versichern, dass ich selbst schon einen ?hnlichen Gedanken gehabt habe. Aber sehen Sie: es dreht sich ja nur darum, Isabella eine Freude zu machen. Ich merke es an allem, wie gl?cklich sie hier unten in ihrer Heimat ist, in der heiteren, geistvollen Gesellschaft dieser Stadt, die man um so lieber gewinnt, je l?nger man darin weilt: und ich dachte, vielleicht w?rde sie das allerdings ganz andere Leben in der Normandie leichter ertragen, wenn sie m?glichst viel Dinge um sich s?he, die sie an Florenz erinnern!<<
>>Ganz im Gegenteil, fiel Primoli ein. Sie kennen die Seele der Frauen schlecht! Ganz im Gegenteil! Da ja die T?uschung doch nur oberfl?chlich bleiben kann, wird ihr Heimweh nicht gemildert, sondern nur verst?rkt werden. Und Sie werden genau das Entgegengesetzte von dem erreichen, was Sie anstreben. Aber -- f?gte er hinzu, und er gab diesem Aber einen ganz besonderen Nachdruck, ohne jedoch das leicht Hingeworfene seiner Rede deswegen aufzuheben -- wenn Sie der Gr?fin eine Freude machen wollen, die einen wirklich tiefen Sinn hat: so kaufen Sie doch eine von den unz?hligen kleinen Villen hier in den Colli und richten Sie sie so ein, wie es zur Umgebung passt.<<
Der Graf d'Ys fuhr von seinem Sessel auf:
>>Wundervoll! wundervoll! rief er laut, indem er die H?nde Primolis ergriff, Sie haben doch immer die besten Gedanken ..<<
>>Aber dieser Gedanke lag doch so nahe, so uns?glich nahe ..<<, beschwichtigte jener.
>>Gewiss, gewiss .. Wenn ich es jetzt ?berdenke .. Nat?rlich lag er sozusagen auf der Hand. Aber es geht ja bekanntermassen oft genug so, dass man vor lauter B?umen den Wald nicht sieht.<<
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