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Read Ebook: Der Trinker: Roman by Botsky Katarina

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Ebook has 934 lines and 34446 words, and 19 pages

Katarina Botsky

Der Trinker

Roman

Albert Langen, M?nchen

Erstes Kapitel

Rodenberg, der alte Kutscher, streckte seinen rothaarigen Kopf aus der dritten Etage des Ziegelspeichers heraus und fragte, was es g?be.

Alsbald br?llte John, dass es ?ber den ganzen Hof schallte: >>Wissen Sie, was der Doktor gesagt hat, Rodenberg?! Meine Leber ist kaputt, hat er gesagt. Ich hab's durch die T?r geh?rt.<<

>>Glauben Se doch das nich!<< t?nte es von oben zur?ck, und bald klapperten ein Paar Holzpantoffeln hurtig die letzte Treppe herunter, und gleich darauf tauchte ein h?nenhafter alter Germane mit einem langen, fuchsroten Bart im Rahmen der n?chsten Speichert?r auf. >>Was hat'r jesacht, der Schafskopp?<< fragte der Kutscher.

>>Kaputt, hat'r jesacht,<< kicherte John, sich auf den Bauch t?tschelnd.

Rodenberg entbl?sste sein Pferdegebiss und lachte, dass es dr?hnte. Dabei h?pften die grossen, kugelrunden Warzen, die wie Erbsen ?ber sein ger?umiges Gesicht verstreut waren, munter hin und her. >>Nei sowas! Nei sowas!<< schrie er, sich aufs Knie schlagend. >>Wie will so'n Schafskopp das wissen?!<<

John l?chelte so listig und so kindisch, wie einst vielleicht Caligula gel?chelt hatte. >>Hier,<< sagte er, dem Alten verstohlen eine Flasche reichend, >>holen Sie mir meine Mischung. Auf sowas muss man einen trinken. Meinen Se nich auch?<<

Rodenberg meinte auch. Er war immer dabei, wenn es galt, Johns Mischung zu holen, denn er liebte sie selbst leidenschaftlich.

>>Mama!<< riefen die beiden Jungen am Fenster wie aus einem Munde, >>jetzt l?sst er sich schon wieder von Rodenberg Schnaps holen.<<

>>Mein Gott,<< sagte eine larmoyante Frauenstimme im Nebenzimmer, >>lass er schon trinken! Jetzt ist ja doch schon alles gleich!<<

Der blondlockige j?ngere der beiden Br?der sah wie ein eingebildeter Engel aus, der ?ltere glich John. Der Engel ?ffnete seine roten Lippen und sagte, w?hrend seine grossen blauen Augen vertr?umt durchs Fenster blickten: >>Wenn er doch erst tot w?re!<<

>>Pfui, Leo, wie kannst du nur, es ist doch immer dein Bruder!<< verwies ihn dieselbe larmoyante Stimme in traurigem Tone.

>>Ich muss ihn mir doch schon immer als Leiche vorstellen,<< murmelte der ?ltere Junge.

Ein Teil der Familie meinte, dass man ihm zu oft und zu viel zu trinken gegeben, als er zart, fett und weich wie ein kleines Schwein mit einem Gesichtchen wie vom Konditor in der Wiege lag und von allen angebetet wurde. John schien schon damals best?ndig an Durst zu leiden; er konnte nie genug zu trinken bekommen. Die halbe Familie Zarnosky stand oft in heller Begeisterung um die Wiege, wenn das >>Marzipanschweinchen<<, halb entbl?sst, mit einer grossen Milchflasche im Arm, den Lutschpfropfen wie eine Zigarre in seinem purpurroten kleinen Mundschlitz, sog und sog, bis die Flasche leer war und dann, wie ein junger L?we br?llend, nach mehr verlangte.

John wollte trinken oder zerbrechen, zerreissen, zerst?ren; sein Zerst?rungsdrang war ebenso gross wie seine Trinkgier. Schon in der Wiege verdarben seine kraftvollen kleinen F?uste alles, was sie zu fassen bekamen. Sp?ter nahm er die Uhren herunter, sah gierig in sie hinein und zertr?mmerte sie dann. Seinem ersten Schaukelpferde riss er schon am Weihnachtsabend das Fell ab. >>So sieht es gerade fein aus,<< sagte er befriedigt. Doch was war der K?rper eines Schaukelpferdes gegen seinen eignen, den er bald mit dem Eifer eines hungrigen Raubtieres zu zerst?ren begann. Mit seinem ersten Taschenmesser brachte er sich lange, heftig blutende Risse an beiden Armen bei. >>Da seht!<< Blut und Stolz auf dem Gesicht, stellte er seine Wunden zur Bewunderung aus. John war vielleicht wirklich dazu imstande, sich ein Auge auszureissen, >>wenn es ihn ?rgerte<<. Er st?rzte sich mit Wollust in die schwersten Gefahren; denn seine Phantasie berauschte sich am Anblick von Blut, Fetzen und Tr?mmern.

Als er sechzehn Jahre alt war, spielte er mit F?nfzigpfundgewichten wie mit Gummib?llen. Sein K?rper war so weiss wie der eines M?dchens, von der St?rke und Elastizit?t eines Tigers. Lernen wollte er nichts wie alle Zarnoskys. Anstatt zu lernen, ging er eiserne Z?une verbiegen, durchgehende Pferde aufhalten, armen Leuten Holz kleinmachen, trinken und l?gen. Ein ?berschuss an Kraft und Phantasie, brachliegend und ungez?gelt, trieb ihn mit Gewalt dem Verderben entgegen.

Es n?tzte nichts, dass man John sowohl mit neunzehn wie mit einundzwanzig in eine Anstalt schickte, in der er von der Trunksucht geheilt werden sollte; er verfiel seinem Laster immer wieder. Doch wollte er lieber sterben, als noch ein drittes Mal in diese Anstalt gehen. Mit der Geschwindigkeit eines Bergrutsches ging es nun moralisch und physisch mit ihm herab. Sein Umgang wurden die Arbeiter seines Vaters, zum Lieblingsaufenthalt erw?hlte er sich die Kneipe, in der sie einen Teil ihres Lohnes zu vertrinken pflegten. Er sprach ihre Sprache und nahm ihre Sitten an. Man konnte ihn nicht l?nger im Familienkreise ertragen. Er bekam eine kleine Wohnung im Hofgeb?ude und eine W?rterin, die ihn gew?hnlich am Abend zu Bett bringen musste. Er begann an Kr?mpfen zu leiden, und Krankheit und Laster entstellten ihn nach und nach bis zur Unkenntlichkeit. Einer Vogelscheuche ?hnlich, die im Winde schwankt, so schwankte er ?ber den Hof, wenn er morgens nach der Kneipe ging, wenn er abends von dort kam. Und er hatte den Gang eines jungen Triumphators, als er sechzehn Jahre alt war. Es war wirklich schade um ihn. Besser, er w?re nie geboren worden; denn weder sein Vater noch seine Mutter geh?rten zu denen, die ihn auf seinem absch?ssigen Wege h?tten aufhalten k?nnen. Der Vater war viel zu ungebildet und zu tr?ge dazu, und die Mutter, eine schw?chliche und ?beraus nerv?se Pfarrerstochter, verstand nur, die H?nde zu falten und alles dem lieben Gott anheimzustellen. Sie brachte noch mehr Phantasie in die Familie Zarnosky, dazu Melancholie und Sentimentalit?t, die zusammen mit der Roheit ihres Mannes bei den Kindern eine sonderbare Mischung ergaben. All der ?berschuss in Johns Natur war viel st?rker als Vater und Mutter und sein eigner unerzogener Wille. John folgte nur seiner Natur, John gehorchte nur dem St?rksten, wenn er seinen Lebensweg herunterraste wie ein w?tender Stier.

Es war ein Fr?hlingsnachmittag voll Melancholie und Windesraunen, so recht geeignet f?r tr?be Gedanken. John lehnte noch immer an dem Lastwagen, voller Sehnsucht auf Rodenberg wartend, der ihm den Schnaps besorgte. Mit einem tr?ben Imperatorenl?cheln auf seinem gelben, bartlosen Gesicht wiegte er den Kopf hin und her nach einer inneren Melodie und nach dem Rhythmus des Windes. Als er den Kutscher kommen sah, verliess er schwerf?llig seinen Platz und ging ihm voraus in den Pferdestall. Dort setzte er sich auf den Futterkasten, die Augen wie ein Verschmachtender auf die T?r gerichtet.

>>Her, Rodenberg, her damit!<<

>>Ich werd erst Licht machen, jung' Herr.<<

>>Ach, geben Sie schon her! Ich kann nicht mehr warten!<< Und er setzte die volle Flasche an den Mund und leerte sie gleich bis zur H?lfte.

Aus einem Winkel des Stalles kam jetzt ein niedliches Meckern. Dort stand ein kleiner schwarzer Ziegenbock mit weissen Beinen und weisser Kehle, den John f?r f?nfzig Pfennige von einem Bauern gekauft hatte. Das Tierchen wollte zu ihm, als es seine Stimme erkannt hatte. Rodenberg musste es losmachen.

Wie der Wind st?rzte es nun zu seinem Herrn, legte die Vorderhufe auf seine Knie und sah ihm lieb und einf?ltig ins Gesicht. Von Rodenberg unterst?tzt, zog John es auf den Schoss. >>Mein trautster Junge,<< sagte er z?rtlich, das B?ckchen an sich dr?ckend.

In John war trotz aller Verkommenheit der Vater erwacht, ein sehr z?rtlicher, sehr f?rsorglicher, verliebter junger Vater. Den Frauen gegen?ber war er zur?ckhaltend und jungenhaft geblieben. Er mied sie nicht gerade, aber er suchte sie auch nicht; sie fl?ssten ihm zuviel Scheu ein. >>Es geht ja auch ohne Weiber,<< erz?hlte er Rodenberg. Und doch war trotz seiner Verdorbenheit der Vater in ihm erwacht, er hatte sich mit Inbrunst ein S?hnchen erkoren, und das war Peter, der kleine Ziegenbock. John hegte Zuneigung zu allem, was Tier war, und Abneigung vor den meisten Menschen. Man muss sehr hoch oder sehr tief stehen, um das zu empfinden. John stand recht tief, und das Laster machte ihn scheu, darum waren ihm die Tiere lieber als die Menschen. Er nannte ein Tier >>mein S?hnchen<<. Und der kleine Ziegenbock hatte einen guten Pflegevater in ihm gefunden. John f?tterte ihn mit Leckerbissen, er machte ihm ein weiches Bettchen, er k?mmte ihn, er b?rstete ihn und hielt ihn wie ein Kind auf dem Schoss.

Rodenberg hatte die n?chste von der Decke herabh?ngende alte Stallaterne angez?ndet und brachte nun eine zweite Flasche zum Vorschein. >>Prosit!<< sagte das V?terchen auf dem Futterkasten, und Herr und Kutscher taten einen tiefen Zug, jeder aus seiner Flasche. >>Se m?ssen auch mal absetzen, jung' Herr,<< bemerkte Rodenberg v?terlich, da John dies zu vergessen schien.

John hielt die geleerte Flasche gegen das Licht. Es war auch nicht ein Tropfen mehr darin. John liess die Unterlippe h?ngen und sah Rodenberg wie ein bittendes Kind an. >>Holen Sie mir mehr!<< stotterte er.

>>Ich trau mir nich,<< wandte der Kutscher ein, die hingehaltene Flasche aus seiner nachf?llend.

>>Sie haben wohl Angst vor den beiden am Fenster, vor Paul und Leo, was?<<

>>Na ja, die petzen doch immer jleich.<<

>>Ich hasse sie,<< stammelte John mit zuckendem Gesicht. >>Ich hasse sie! Weisst du, Rodenberg,<< fuhr er fort, >>sie w?rden sich freun, wenn ich st?rbe -- morgen -- heute. Was dieser Leo f?r Augen hat! Hast du schon mal solch gr?ssliche Augen gesehen, Rodenberg? Ich k?nnte sie ihm ausreissen, denn sie jagen mich von ?berall fort. Ich soll machen, dass ich vom Erdboden verschwinde. Ich soll krepieren. Gleich auf der Stelle.<< Er weinte.

>>Regen Se sich nich auf, jung' Herr, regen Se sich doch man bloss nich auf,<< bat der Kutscher erschreckt. Aber John hub an, Schimpfworte und Verw?nschungen gegen seine Br?der auszustossen, indem er unaufh?rlich die F?uste ballte. Doch pl?tzlich packte ihn ein Krampfanfall, und er glitt st?hnend mit seinem Ziegenbock zur Erde.

Rodenberg kniete bei ihm nieder und hielt ihm wie gew?hnlich Arme und Beine fest, w?hrend Peter seinem Herrn das Gesicht leckte. Die beiden jungen Rappen, Johns Lieblinge, die allein im Stall standen, wandten unruhig die K?pfe herum, und ihre grossen sch?nen Augen schienen voll Tr?nen zu gl?nzen. Unser Johnche, dachte Rodenberg, die Pferde anblickend, das wird wohl auch bald jewesen sein. Als der Krampf vor?ber war, hob er den ganz Ersch?pften auf und trug ihn, seufzend und st?hnend, denn er war noch ziemlich schwer, in seine Wohnung. Peter folgte ernst und gravit?tisch wie ein Leidtragender.

>>Kr?mpfe hat'r doch jehabt,<< blubberte der Alte, John auf das Sofa bettend. Dann trollte er sich mit einem b?sen Blick und einem ganz betretenen >>'n Abend<<.

John lag mit geschlossenen Augen da und wackelte rhythmisch mit einer Hand. >>Wollen Se was, junger Herr?<< fragte die W?rterin.

>>Peter,<< fl?sterte John.

>>Oa,<< seufzte sie, >>der is auch wieder da! Neineinei, is das hier 'ne Wirtschaft! Lassen Se ihn doch man jetzt im Stall jehen, junger Herr, Sie m?ssen doch jetzt ins Bett.<< Dabei suchte sie den Bock nach dem Ausgang zu dr?ngen; aber John stiess ein zischendes >>nein!<< hervor, und Peter senkte seinen schmalen Kopf und stiess mit seinen jungen H?rnern gegen Dores spitze Knie.

Das schlug dem Fass den Boden aus. Die W?rterin hielt den Angreifer fest und verabreichte ihm eine Reihe wohlgezielter und gutsitzender Maulschellen.

John drehte seine Augen mit Gewalt nach der Szene. >>Dore,<< fl?sterte er heiser, >>wenn du nicht gleich mit Schlagen aufh?rst, so verk?rze ich dein Leben.<<

Frau Kalnis lachte sp?ttisch auf, und dann sagte sie malizi?s: >>Wenn Se mich duzen, junger Herr, dann sind Se doch wie jewehnlich betrunken.<<

Das V?terchen auf dem Sofa schien vor Zorn bersten zu wollen. Pl?tzlich zerrte es die Uhr aus der Westentasche und warf sie nebst der schweren Kette nach Dores d?nnbehaartem Kopf. Aber die W?rterin machte nur einen ironischen Knicks und fing das Ganze mit den H?nden auf. >>Was nun?<< fragte sie, ?rgerlich lachend. Und dann in eine andre, gem?tliche Tonart ?bergehend: >>Was wollen Herr Johnche zu Abendbrot essen?<<

Herr Johnche war bes?nftigt. Er faltete die H?nde, liess die Daumen umeinander schwirren und sah nachdenklich zu der verr?ucherten Decke auf. >>Heringssalat,<< entschied er hoheitsvoll.

>>Scheen,<< nickte Dore mit einem giftigen Blick nach dem Ziegenbock. Darauf schritt sie hurtig zum Fenster, ?ffnete es und rief: >>Ama--lie ... Ama--lie<< ... Da keine Antwort erfolgte, bewaffnete sie sich mit einem Teppichklopfer und schlug damit feierlich auf das Fensterblech.

Im Vorderhause tat sich jetzt ein Fenster auf, und langsam kam ein kugelrunder dunkler Frauenkopf zum Vorschein. >>Wa--as wollen Se, Frau Kalnis?<<

Dore bestellte den Heringssalat und ausserdem belegtes Brot und Bratkartoffeln.

>>Wa--as fir Jetr?nke?<< rief Amalie durch den Fr?hlingswind.

>>Tee,<< erwiderte Dore hurtig, obgleich John etwas andres sagte.

>>Scheen,<< kam die langgezogene Erwiderung, und das Fenster wurde phlegmatisch geschlossen.

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