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Read Ebook: Segen der Erde: Roman by Hamsun Knut Klaiber Pauline Translator

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Ebook has 862 lines and 81068 words, and 18 pages

gen, dann kam Barbro. Ja, Axel war nun schon mitten in der Heuernte, er musste bei Nacht m?hen und bei Tag wenden und hatte alles allein zu leisten; aber nun kam Barbro. Sie kam wie ein wirkliches Geschenk. Es zeigte sich auch, dass sie arbeiten konnte; sie scheuerte das Geschirr, wusch die Kleider und kochte das Essen, sie melkte die Tiere und half draussen beim Heurechen, jawohl, sie war mit draussen beim Heu und trug es mit herein, es fehlte nichts. Axel entschloss sich, ihr einen guten Lohn zu geben, er gewann doch noch dabei.

Hier war sie nicht nur die Photographie einer feinen Dame. Barbro war gross und schlank, sie hatte eine etwas heisere Stimme, zeigte Reife und Erfahrung in vielem und war durchaus keine Neukonfirmierte. Axel begriff nicht, warum ihr Gesicht so mager und elend aussah: Ich sollte dich eigentlich vom Ansehen kennen, aber du gleichst deiner Photographie gar nicht. -- Das kommt von der Reise, erwiderte sie. Ja und von der Stadtluft. -- Es dauerte auch nicht lange, da wurde sie wieder rund und h?bsch, und sie sagte: Glaub mir, so eine Reise und so eine Stadtluft, die zehren t?chtig an einem! Sie spielte auch auf die Versuchungen in Bergen an -- da m?sse man sich in acht nehmen! Aber w?hrend sie sich weiter unterhielten, sagte sie, Axel solle sich auf eine Zeitung, eine Bergener Zeitung abonnieren, damit sie auch sehen k?nne, was in der Welt vorgehe. Sie sei jetzt ans Lesen, an Theater und Musik gew?hnt, hier sei es sehr einsam, sagte sie.

Da Axel Str?m mit seiner Sommeraushilfe so Gl?ck gehabt hatte, abonnierte er auf die Zeitung und ertrug auch die Familie Brede, die recht oft auf seine Ansiedlung kam und da ass und trank. Er wollte seiner Dienstmagd Freude machen. Nichts konnte behaglicher sein als die Sonntagabende, wenn Barbro die Saiten ihrer Gitarre schlug und mit ihrer etwas heiseren Stimme dazu sang; Axel war ?ber die fremden h?bschen Lieder und dar?ber, dass wirklich jemand auf der Ansiedlung bei ihm war und sang, ger?hrt.

Im Laufe des Sommers lernte er Barbro allerdings auch von anderen Seiten kennen, aber im grossen und ganzen war er zufrieden. Sie war nicht ohne Launen, und sie konnte rasche Antworten geben, etwas zu rasche. An jenem Sonnabend, als Axel notwendig ins Dorf hinunter zum Kaufmann musste, h?tte Barbro das Vieh und die H?tte nicht verlassen und auch alles andere nicht einfach im Stich lassen d?rfen. Die Ursache dazu war ein kleiner Streit gewesen. Und wo war sie hingegangen? Nur nach Hause, nach Breidablick, aber trotzdem. Als Axel in der Nacht zur?ckkam, war Barbro nicht da, er versorgte die Tiere, ass und ging schlafen. Gegen Morgen erschien Barbro. -- Ich wollte wieder einmal f?hlen, wie es einem in einem Haus mit einem Bretterboden zumut ist, sagte sie recht h?hnisch. -- Darauf konnte Axel eigentlich nichts erwidern, denn er hatte ja nur eine Torfh?tte mit einem Lehmboden, aber er antwortete, er habe immerhin auch Bretter und werde wohl auch einmal ein Haus mit einem Bretterboden haben! -- Da war es, als gehe sie in sich; nein, schlimmer war Barbro nicht, und obgleich es Sonntag war, ging sie rasch in den Wald, holte Wacholderzweige f?r den Lehmboden und machte ihn h?bsch.

Aber da sie so ausgezeichnet und von Herzen gut war, musste ja auch Axel mit dem h?bschen Kopftuch herausr?cken, das er am vorhergehenden Abend f?r sie gekauft hatte; er hatte eigentlich gedacht, er wolle es aufheben, um ordentlich etwas von ihr daf?r zu erreichen. Aber nun gefiel es ihr sehr gut, sie probierte es sofort auf, ja, sie fragte ihn, ob es ihr nicht gut stehe. O doch, sehr gut, aber sie k?nnte gerne sein Felleisen auf den Kopf setzen, es w?rde ihr auch stehen. Da lachte sie und wollte auch recht liebensw?rdig sein, deshalb sagte sie: Ich gehe lieber mit diesem Kopftuch in die Kirche und zum Abendmahl als im Hut. In Bergen trugen wir ja alle H?te, ja, ausgenommen gew?hnliche Dienstm?dchen, die vom Lande hereinkamen.

Wieder lauter Freundschaft!

Und als Axel mit der Zeitung herausr?ckte, die ihm auf der Post mitgegeben worden war, setzte sich Barbro hin und las die neuesten Nachrichten von der Welt draussen: von einem Einbruch bei einem Goldschmied in der Strandstrasse, von einer Schl?gerei zwischen Zigeunern, von einer Kindsleiche, die in den Stadtfjord hereingetrieben und in ein altes, unter den Armen quer abgeschnittenes Hemd eingewickelt gewesen war. Wer kann nur das Kind ins Wasser geworfen haben? fragte Barbro. Aus alter Gewohnheit las sie auch noch die Marktpreise.

Und die Zeit verging.

Auf Sellanraa gab es grosse Ver?nderungen.

Ja, nichts war von der ersten Zeit her wiederzuerkennen. Hier waren nun verschiedene Geb?ude, ein S?gewerk und eine M?hle, und die ?den Strecken waren wohlbebautes Land geworden. Und noch mehr stand bevor. Aber Inger war vielleicht noch am merkw?rdigsten, ganz anders wieder und ?beraus t?chtig.

Die Krise vom letzten Sommer hatte wohl nicht auf einmal ihren Leichtsinn besiegen k?nnen, im Anfang hatte sie mehrere R?ckf?lle; sie ertappte sich darauf, dass sie von der Anstalt und von Drontheims Domkirche sprechen wollte. Ach, so kleine unschuldige Dinge! Ihren Ring zog sie vom Finger, und ihre so freim?tig kurzen R?cke machte sie l?nger. Sie war nachdenklich geworden, es wurde stiller auf dem Hofe, die Besuche nahmen ab, die fremden M?dchen und Frauen aus dem Dorf kamen seltener, weil sie sich nicht mehr mit ihnen einliess. Niemand kann im ?dland leben und nur immer lachen und scherzen, Freude ist nicht Lustigkeit.

Droben im ?dland hat jede Jahreszeit ihre Wunder, aber immer und unver?nderlich sind die dunklen, unermesslichen Laute von Himmel und Erde, das Umringtsein nach allen Seiten hin, die Waldesdunkelheit, die Freundlichkeit der B?ume. Alles ist schwer und weich zugleich, kein Gedanke ist da unm?glich. N?rdlich von Sellanraa lag ein ganz kleiner Teich, eine Lache, nur so gross wie ein Aquarium. Da tummelten sich winzige Fischkinder, die nie gr?sser wurden; sie lebten und starben und waren zu nichts n?tze, lieber Gott, zu rein gar nichts! Eines Abends stand Inger da und horchte auf die Kuhglocken. Sie h?rte nichts, denn alles war totenstill ringsum, aber pl?tzlich vernahm sie Gesang aus dem Aquarium. Er war sehr schwach und beinahe nicht vernehmlich, nur wie hinsterbend. Das war das Lied der kleinwinzigen Fische.

Sellanraa lag so g?nstig, dass die Bewohner jeden Herbst und Fr?hjahr die Wildg?nse, die ?ber das ?dland hinflogen, sahen und ihr Rufen und Locken in der Luft droben h?ren konnten, es klang wie verwirrtes Reden. Und dann war es, als stehe die Welt stille, bis der Zug vor?ber war. F?hlten sich die Menschen da nicht von einer Art Schw?che ?berfallen? Sie nahmen ihre Arbeit wieder auf, aber zuvor taten sie einen tiefen Atemzug, ein Hauch aus dem Jenseits hatte sie gestreift.

Grosse Wunder umgaben sie zu allen Zeiten. Im Winter die Sterne und auch die Nordlichter, ein flammendes Firmament, eine Feuersbrunst droben bei Gott. Hier und da, nicht oft, nicht f?r gew?hnlich, aber hier und da vernahmen sie auch donnern. Das war haupts?chlich im Herbst, und es war d?ster und feierlich f?r Menschen und Tiere. Die Haustiere, die auf der nahen Wiese weideten, dr?ngten sich zusammen und blieben beieinander stehen. Worauf horchten sie? Warteten sie auf das Ende? Und worauf warteten die Menschen im ?dland, wenn sie beim Grollen des Donners mit gesenktem Kopfe dastanden?

Der Fr?hling -- jawohl, dessen Eile und Ausgelassenheit und Entz?cken; aber der Herbst! Der stimmte die Leute anders. Da f?rchteten sie sich oft in der Dunkelheit, und sie nahmen ihre Zuflucht zum Abendgebet, sie wurden hellseherisch und h?rten Vorboten. Manchmal gingen sie an einem Herbsttag hinaus, um etwas hereinzuholen, die M?nner vielleicht Holz, die Frauen das Vieh, das jetzt wie unsinnig nach Pilzen suchte -- und sie kehrten zur?ck, das Herz von geheimnisvollen Dingen erf?llt. Waren sie unversehens auf eine Ameise getreten und hatten deren Hinterleib auf dem Pfad festgetreten, so dass der Vorderk?rper nicht mehr loskommen konnte? Oder waren sie einem Schneehuhnnest zu nahe gekommen und war ihnen eine Mutter zischend entgegengeflattert? Und nicht einmal die grossen Kuhpilze waren ohne Bedeutung. Der Mensch wird nicht starr und bleich, wenn er sie nur ansieht. Ein Kuhpilz bl?ht nicht und r?hrt sich nicht von der Stelle, aber es ist etwas ?berw?ltigendes an ihm, und er ist ein Ungeheuer, er gleicht einer Lunge, die nackt und ohne h?llenden K?rper ein eigenes Leben f?hrt.

Inger wurde schliesslich recht schwerm?tig, das ?dland bedr?ckte sie, sie wurde fromm. H?tte sie dem entgehen k?nnen? Niemand im ?dland kann dem entgehen, da gibt es nicht nur irdisches Streben und Weltlichkeit, da ist Fr?mmigkeit und Gottesfurcht und viel Aberglauben. Inger meinte wohl, sie habe mehr Grund als andere, der Z?chtigung des Himmels gew?rtig sein zu m?ssen, diese w?rde wohl nicht ausbleiben; sie wusste, dass Gott an den Abenden durch das ganze ?dland streifte und fabelhaft gute Augen hatte, er w?rde sie schon finden. In ihrem t?glichen Leben war nicht so sehr viel, was sie h?tte anders machen k?nnen. Oh, sie konnte den goldenen Ring zuunterst in ihrer Truhe verbergen, und sie konnte an Eleseus schreiben, er solle sich auch bekehren; aber ausserdem blieb wohl nichts anderes ?brig, als selbst gute Arbeit zu leisten und sich nicht zu schonen. Ja, eines konnte sie doch noch tun! Sich in dem?tige Kleider h?llen und nur am Sonntag ein schmales blauseidenes Band um den Hals tragen, um einen Unterschied vom Werktag zu machen. Diese unechte und unnotwendige Armut war der Ausdruck f?r eine Art Philosophie, f?r Selbsterniedrigung, Stoizismus. Das blauseidene Band war nicht mehr neu, war von einer M?tze abgetrennt, die Leopoldine zu klein geworden war, es war da und dort verblichen und geradeheraus gesagt auch etwas schmutzig -- nun gebrauchte es Inger als einen dem?tigen Sonntagsstaat. Jawohl, sie ?bertrieb und machte die Armut in der H?tte nach, sie trug eine falsche Armut zur Schau -- w?re ihr Verdienst gr?sser gewesen, wenn sie zu einem so geringen Staat gezwungen gewesen w?re? Lasst sie in Frieden, sie hat ein Recht auf Frieden!

Sie ?bertrieb grossartig und tat mehr, als sie musste. Es waren zwei M?nner auf dem Hofe, aber Inger passte wohl auf, bis sie fort waren, und s?gte dann Holz; wozu sollte nun diese Qual und Z?chtigung gut sein? Sie war ein ganz unbedeutender, ganz geringer Mensch, ihre F?higkeiten waren recht gew?hnlich, ihr Tod oder ihr Leben w?rde nirgends im Lande gemerkt werden, ausser hier im ?dland. Hier war sie beinahe gross, jedenfalls war sie die gr?sste, und sie meinte, sie sei aller der Z?chtigung, die sie auf sich selbst verwendete, wohl wert. -- Ihr Mann sagte: Sivert und ich haben dar?ber gesprochen, wir wollen nichts davon wissen, dass du unser Holz s?gst und dich ?berschaffst. -- Ich tue es um meines Gewissens willen, entgegnete Inger.

Um des Gewissens willen? Das stimmte Isak wieder nachdenklich; er war jetzt ein Mann in Jahren, langsam im ?berlegen, aber gewichtig, wenn er schliesslich seine Ansicht sagte. Das Gewissen musste doch recht kr?ftig sein, wenn es Inger so vollst?ndig hatte umwenden k?nnen. Und was es nun auch sein mochte, aber Ingers Bekehrung wirkte auch auf ihn ein, sie steckte ihren Mann an, er wurde gr?blerisch und zahm. Das war ein sehr schwerer, fast un?berwindlicher Winter; Isak suchte die Einsamkeit, suchte Verborgenheit. Um seinen eigenen Wald zu schonen, hatte er nun im Staatswald an der schwedischen Grenze einige Dutzend gute St?mme gekauft -- er wollte beim F?llen dieser B?ume niemand zu Hilfe haben, er wollte allein sein; Sivert wurde befohlen, daheim zu bleiben und auf die Mutter aufzupassen, damit sie sich nicht zu sehr anstrenge.

In den kurzen Wintertagen ging also Isak noch in der Dunkelheit zum Wald und kam erst bei Dunkelheit wieder heim. Nicht immer schienen Mond und Sterne, manchmal waren seine eigenen Fussstapfen vom Morgen wieder zugeschneit, dann konnte er sich nur schwer zurechtfinden. Und an einem Abend hatte er ein Erlebnis.

Er hatte schon den gr?ssten Teil des Wegs zur?ckgelegt, und bei dem hellen Mondschein sah er Sellanraa schon dr?ben auf der Halde liegen; da lag es h?bsch und wohl gebaut, aber klein, fast wie ein unterirdisches Geh?ft anzusehen, weil es so tief eingeschneit war. Aber jetzt bekam er wieder Bauholz, und Inger sowie die Kinder w?rden sich sehr verwundern, wozu er das Holz verwenden wollte, an was f?r ein ?berirdisches Geb?ude er dachte. Er setzte sich in den Schnee und wollte ein wenig ausruhen, um nicht ersch?pft heimzukommen.

Ringsum ist es ganz still, und Gott sei Dank f?r diese Stille und seine eigene nachdenkliche Stimmung, sie ist nur vom Guten! Isak ist ja ein Ansiedler, und er schaut nach seinem Grundst?ck hin?ber, wo er noch mehr ?dland umgraben muss. Er bricht in Gedanken grosse Steine aus, er hat ein entschiedenes Talent zum Entw?ssern. Und er weiss, dort dr?ben liegt noch eine recht tiefe Sumpfstrecke auf seinem Eigentum. Dieser Sumpf ist voller Erz, eine metallische Haut steht auf jeder Lache, den will er jetzt trockenlegen. Mit den Augen teilt er den Boden in Vierecke ein, er hat Pl?ne und Absichten mit diesen Vierecken, er will sie recht gr?n und fruchtbar machen. Oh, ein urbar gemachtes Feld war etwas sehr Gutes, es wirkte auf ihn wie Ordnung und Recht und dazu wie Genuss ...

Er stand auf und fand sich nicht mehr ganz zurecht. Hm! Was war geschehen? Nichts, er hatte nur ein wenig ausgeruht. Jetzt aber steht etwas vor ihm, ein Wesen, ein Geist, graue Seide -- nein, es war nichts. Es wurde ihm sonderbar zumut, er machte einen kurzen unsicheren Schritt vorw?rts und ging geradeswegs auf einen Blick zu, einen grossen Blick, zwei Augen, gleichzeitig fangen die Espen in der N?he zu rauschen und zu raunen an. Nun weiss jedermann, dass die Espe eine ganz infame, unbehagliche Art zu rauschen hat, jedenfalls hatte Isak noch niemals ein widerlicheres Rauschen geh?rt als jetzt, und er f?hlte, wie ihm ein Schauer ?ber den R?cken lief. Er griff auch mit der Hand nach vorne, aber dies war vielleicht die hilfloseste Bewegung, die diese Hand je gemacht hatte.

Aber was war nun das da vor ihm, und hatte es eine Gestalt oder nicht? Isak hatte ja seiner Lebtag darauf geschworen, dass es eine h?here Macht gebe, und einmal hatte er sie auch gesehen, aber das, was er jetzt sah, glich Gott nicht. Ob der Heilige Geist wohl so aussah? Aber warum stand er dann jetzt hier -- auf dem weiten Feld zwei Augen, ein Blick und sonst nichts? War es, um ihn zu holen, um seine Seele zu holen, dann mochte es so sein, einmal w?rde es ja doch geschehen, dann wurde er selig und kam in den Himmel.

Isak war gespannt, was geschehen w?rde, ein Schauder durchrieselte ihn, die Gestalt str?mte ja K?lte und Frost aus, es musste der Teufel sein. Hier betrat Isak sozusagen bekannten Boden, es war nicht unm?glich, dass es der Teufel war; aber was wollte er hier? Auf was hatte er Isak jetzt eben ertappt? Auf dem Gedanken, ?dland umzubrechen, aber das konnte ihn doch unm?glich ge?rgert haben. Von einer anderen S?nde, die er begangen haben konnte, wusste Isak nichts, er war nur auf dem Heimweg vom Walde, ein m?der und hungriger Arbeiter, er wollte nach Sellanraa, alles in guter Absicht.

Wieder machte er einen Schritt vorw?rts, aber es war kein langer Schritt, und er wich ?berdies sofort wieder ebenso weit zur?ck. Da die Erscheinung nicht weichen wollte, runzelte Isak wahrhaftig die Stirne, als traue er der Sache nicht mehr recht. Wenn es der Teufel war, so mochte es der Teufel sein, der hatte jedoch nicht die h?chste Macht. Luther hatte ihn einstmals beinahe umgebracht, und es gab viele, die ihn mit dem Kreuzeszeichen und Jesu Namen verscheucht hatten. Nicht, dass Isak die Gefahr herausgefordert und sich dann hingesetzt und dar?ber gelacht h?tte, aber das Sterben und Seligwerden, das er zuerst im Sinne gehabt hatte, diesen Gedanken gab er jedenfalls auf, und jetzt machte er zwei Schritte auf die Erscheinung zu, bekreuzigte sich und rief: Im Namen Jesu!

Hm? Als er seine eigene Stimme h?rte, war es, als komme er pl?tzlich wieder zu sich, und er sah Sellanraa auf der Halde liegen. Die Espen rauschten nicht mehr, die beiden Augen waren aus der Luft verschwunden.

Er z?gerte nicht l?nger auf dem Weg und forderte die Gefahr nicht heraus. Aber als er auf seiner eigenen T?rschwelle stand, r?usperte er sich kr?ftig und erleichtert, und er ging erhobenen Hauptes in die Stube hinein wie ein Mann, ja, wie ein Held.

Inger stutzte und fragte, warum er so leichenblass auss?he.

Da leugnete er nicht, dass er dem Teufel begegnet sei.

Wo? fragte sie.

Dort dr?ben. Uns gerade gegen?ber.

Inger zeigte keinen Neid. Ja, sie lobte ihn nicht gerade deshalb, aber in ihrer Miene lag nichts, was einem b?sen Wort oder einem Fusstritt geglichen h?tte. Ach, Ingers Gem?t hatte sich im Gegenteil in den letzten Tagen etwas aufgehellt, und sie war freundlicher geworden, woher es auch kommen mochte; nun fragte sie nur:

Ist es der Teufel selbst gewesen?

Isak nickte und sagte, soweit er habe sehen k?nnen, sei er es selbst gewesen.

Wie bist du ihn losgeworden?

Ich ging im Namen Jesu auf ihn los, antwortete Isak.

Inger wiegte ?berw?ltigt den Kopf hin und her, und es dauerte eine Weile, bis sie das Essen auftragen konnte. Jedenfalls darfst du aber jetzt nicht mehr ganz allein in den Wald gehen, sagte sie.

Sie zeigte sich besorgt um ihn, das tat ihm wohl. Er tat, als sei er noch gleich mutig und als k?mmere er sich durchaus nicht um irgendeine Begleitung in den Wald, aber er tat nur so, um Inger mit seinem unheimlichen Erlebnis nicht mehr als notwendig zu erschrecken. Er war ja der Mann und das Oberhaupt des Hauses, der Schutz aller.

Inger durchschaute ihn auch und sagte: Ja, ja, du willst mich nur nicht ?ngstlich machen, aber du musst Sivert mitnehmen. -- Isak l?chelte nur ver?chtlich. -- Du kannst im Walde krank und elend werden, und ich glaube, du bist auch in der letzten Zeit nicht so recht gesund gewesen. -- Wieder l?chelte Isak ver?chtlich. Krank? Abgeschunden und m?de, jawohl; aber krank? Inger solle ihn nicht l?cherlich machen, er sei und bleibe gesund, er esse, schlafe und arbeite, er sei ja geradezu unheilbar gesund. Einmal sei ein gef?llter Baum auf ihn gest?rzt und habe ihm das Ohr abgerissen, er habe das Ohr aufgehoben und es mit der M?tze Tag und Nacht an seinem Platz festgehalten, und da sei es wieder angewachsen. F?r innere Unp?sslichkeiten nehme er S?ssholzsaft in kochender Milch und komme dadurch in Schweiss, Lakritze also, die er beim Kaufmann hole, ein erprobtes Mittel, das Theriak der Alten. Wenn er sich in die Hand haue, lasse er sein Wasser ?ber die Wunde laufen und salze sie ein, dann sei es in wenigen Tagen geheilt. Der Doktor sei noch nie nach Sellanraa geholt worden.

Nein, Isak war nicht krank. Eine Begegnung mit dem Teufel konnte schliesslich der Ges?ndeste haben. Isak f?hlte auch von dem gef?hrlichen Abenteuer keine Nachwehen, im Gegenteil, es war, als sei er dadurch gest?rkt worden. Als sich der Winter seinem Ende zuneigte und der Fr?hling nicht mehr so ewig weit entfernt war, f?hlte sich der Mann und das Oberhaupt allm?hlich als eine Art Held: Ich verstehe mich auf solche Dinge, wir m?ssen nur meinem Rat folgen, zur Not kann ich sogar bannen.

Im ganzen genommen waren ja die Tage l?nger und heller, Ostern war vor?ber, die gef?llten B?ume waren heimgefahren, alles leuchtete, die Menschen atmeten nach dem ?berstandenen Winter auf.

Inger war wieder die erste, die sich aufrichtete, sie war jetzt schon lange in guter Laune. Woher das kam? Hoho, es hatte seine guten Gr?nde, sie war wieder dick geworden, sollte wieder ein Kind bekommen. Alles ebnete sich in ihrem Leben, nichts versagte. Aber das war ja die gr?sste Barmherzigkeit nach all dem, was sie verbrochen hatte, sie hatte Gl?ck, das Gl?ck verfolgte sie! Isak wurde wahrhaftig eines Tages aufmerksam und musste sie fragen: Ich glaube wirklich, es wird wieder etwas, wie ist das m?glich? -- Ja, gottlob, es wird gewiss etwas! antwortete sie. -- Beide waren gleich ?berrascht. Nat?rlich war Inger nicht zu alt; Isak kam sie nicht zu alt vor, aber trotzdem, wieder ein Kind, ja, ja! Die kleine Leopoldine war ja schon mehrere Male im Jahr f?r l?ngere Zeit in der Schule auf Breidablick, da hatten sie keine Kleinen mehr zu Hause, und ausserdem war Leopoldine jetzt auch schon ein grosses M?dchen.

Einige Tage vergingen, aber am n?chsten Samstag machte sich Isak energisch auf den Weg ins Dorf, und er wollte erst am Montagmorgen zur?ckkommen. Er wollte nicht sagen, was er im Sinne hatte, aber siehe da, er kam mit einer Magd zur?ck. Sie hiess Jensine. -- Du bist wohl nicht recht klug, sagte Inger, ich brauche sie nicht. -- Isak erwiderte, jawohl, jetzt brauche sie eine Magd.

Und jedenfalls war das nun ein so h?bscher und gutherziger Einfall von Isak, dass Inger ganz besch?mt und ger?hrt war; das neue M?dchen war die Tochter des Schmieds; sie sollte vorerst den Sommer ?ber dableiben, sp?ter werde man weitersehen.

Und ausserdem, sagte Isak, habe ich an Eleseus telegraphiert.

Inger zuckte zusammen. Telegraphiert? Wollte Isak sie rein umbringen mit seiner Gutherzigkeit? Seht, es war ja seit langer Zeit ihr grosser Schmerz, dass Eleseus in der Stadt war, in der ruchlosen Stadt! Sie hatte an ihn vom lieben Gott geschrieben und ihm ausserdem auch erkl?rt, der Vater werde allm?hlich alt, der Hof aber immer gr?sser, Klein-Sivert k?nne nicht alles leisten, und er solle ja auch den Oheim Sivert einmal beerben -- und sie hatte ihm f?r alle F?lle einmal auch das Reisegeld geschickt. Aber Eleseus war ein Stadtmensch geworden und sehnte sich nicht ins Bauernleben zur?ck, er erwiderte, was er denn daheim ungef?hr tun solle? Ob er auf dem Hofe schaffen und all sein Wissen und seine Gelehrtheit wegwerfen solle? Und tats?chlich habe ich keine Lust dazu, schrieb er. Und wenn du mir wieder etwas Stoff zu W?sche schicken kannst, dann brauche ich deshalb keine Schulden zu machen, schrieb er. -- O ja, die Mutter schickte Stoff zu W?sche, sandte merkw?rdig oft Stoff zu W?sche; aber als sie erweckt und fromm geworden war, da war es ihr wie Schuppen von den Augen gefallen, und sie begriff, dass Eleseus den Stoff unter der Hand verkaufte und das Geld zu anderem benutzte.

Dasselbe begriff auch der Vater. Er sagte nie ein Wort dar?ber, denn er wusste, dass Eleseus der Augapfel der Mutter war, dass sie ?ber ihn weinte und den Kopf sch?ttelte; trotzdem aber verschwand ein St?ck doppelseitiges Tuch nach dem andern. Dar?ber war sich Isak ganz klar, dass kein Mensch auf der weiten Welt soviel W?sche auftragen k?nnte. Wenn er also alles in allem betrachtete, so musste Isak deshalb als Mann und Oberhaupt wieder eingreifen. So ein Telegramm durch den Kaufmann kostete allerdings unverh?ltnism?ssig viel, aber teils w?rde das Telegramm sicher eine ungeheure Wirkung auf den Sohn aus?ben, teils war es ja f?r Isak selbst etwas ganz Aussergew?hnliches, wenn er bei seiner R?ckkehr Inger von dem Telegramm mitteilen konnte. Als er heimw?rts wanderte, trug er sogar noch den Koffer der Magd auf dem R?cken; und er f?hlte sich ebenso stolz und so geheimnisvoll wie an jenem Tage, als er Inger den goldenen Ring mitgebracht hatte ...

Es kam eine herrliche Zeit, Inger wusste gar nicht, was N?tzliches und Gutes sie nun alles tun sollte. Wie in alten Tagen sagte sie oft zu ihrem Mann: Du kannst alles zustande bringen! Und ein anderes Mal: Du schaffst dich zu Tode! Und abermals: Nein, jetzt musst du hereinkommen und essen, ich habe Waffeln f?r dich gebacken! Um ihm eine Freude zu machen, fragte sie: Ich m?chte nur wissen, was du mit diesen Balken vorhast und was du eigentlich bauen willst? -- Nein, das weiss ich noch nicht recht, antwortete er und tat sehr wichtig.

Es war jetzt wieder ganz wie in den alten Tagen. Und nachdem das Kind geboren war -- es war ein M?dchen, ein grosses, wohlgestaltetes M?dchen --, h?tte Isak ein Stein oder ein Hund sein m?ssen, wenn er nicht Gott dankbar gewesen w?re. Aber was wollte er bauen? Das w?re etwas f?r Oline, dar?ber k?nnte sie klatschen: einen Anbau ans Haus, noch eine Stube. Seht, die Familie auf Sellanraa war nun sehr zahlreich geworden: sie hatten eine Magd, sie erwarteten Eleseus nach Hause, und ein funkelnagelneues kleines M?dchen war angekommen -- die alte Stube musste nun Schlafkammer werden, anders ging es nicht.

Und nat?rlich musste Isak das Inger eines Tages erz?hlen; sie war ja so neugierig darauf, es zu erfahren, und obgleich Inger das ganze Geheimnis vielleicht schon von Sivert geh?rt hatte -- sie tuschelten ja oft miteinander --, so tat sie ordentlich ?berrascht, liess die Arme sinken und sagte: Das ist doch wohl nicht dein Ernst? -- Aber zum Platzen voll von innerem Gl?ck erwiderte er: Du kommst mit so vielen neuen Kindern daher, wie soll ich sie denn unterbringen?

Die Mannsleute waren nun jeden Tag eifrig beim Steinausbrechen f?r die neue Grundmauer. Sie waren einander jetzt ungef?hr gleich bei dieser Arbeit; der eine frisch und fest in seinem jungen K?rper und rasch im Erfassen der g?nstigsten Lage, im Erkennen der passendsten Steine, der andere alternd und z?h, mit langen Armen und das Brecheisen mit ungeheurem Gewicht einsetzend. Und wenn sie einmal so ein richtiges Kraftst?ck ausgef?hrt hatten, schnauften sie gerne eine Weile aus und hielten einen scherzhaften und zur?ckhaltenden Schwatz miteinander.

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