Read Ebook: Segen der Erde: Roman by Hamsun Knut Klaiber Pauline Translator
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Ebook has 862 lines and 81068 words, and 18 pages
Die Mannsleute waren nun jeden Tag eifrig beim Steinausbrechen f?r die neue Grundmauer. Sie waren einander jetzt ungef?hr gleich bei dieser Arbeit; der eine frisch und fest in seinem jungen K?rper und rasch im Erfassen der g?nstigsten Lage, im Erkennen der passendsten Steine, der andere alternd und z?h, mit langen Armen und das Brecheisen mit ungeheurem Gewicht einsetzend. Und wenn sie einmal so ein richtiges Kraftst?ck ausgef?hrt hatten, schnauften sie gerne eine Weile aus und hielten einen scherzhaften und zur?ckhaltenden Schwatz miteinander.
Brede will ja verkaufen, sagte der Vater. -- Ja, versetzte der Sohn. -- M?chte wissen, wieviel er verlangt. -- Ja, wieviel wohl? -- Du hast nichts geh?rt? -- Nein, doch, zweihundert. -- Der Vater ?berlegte eine Weile, dann sagte er: Was meinst du, gibt das hier einen Eckstein? -- Es kommt darauf an, ob wir ihn zuhauen k?nnen, antwortete Sivert und stand augenblicklich auf, reichte dem Vater den Setzhammer und nahm selbst den Vorhammer. Er wurde rot und heiss, richtete sich in seiner ganzen Gr?sse auf und liess den Vorhammer niedersausen, richtete sich wieder auf und liess ihn abermals niederfallen -- zwanzig gleiche Schl?ge, zwanzig Donnerschl?ge! Er schonte weder das Werkzeug noch sich selbst, er leistete t?chtige Arbeit, das Hemd kroch ihm ?ber die Hose heraus und entbl?sste ihm den Bauch, bei jedem Schlag richtete er sich auf die Zehenspitzen auf, um dem Hammer noch gr?ssere Wucht zu verleihen. Zwanzig Schl?ge!
Nun wollen wir sehen! rief der Vater. -- Der Sohn hielt inne und fragte: Hat er einen Sprung bekommen? -- Alle beide legten sich nieder und untersuchten den Stein, untersuchten den Kerl, den Halunken, nein, er hatte keinen Sprung bekommen. -- Jetzt will ich es einmal mit dem Vorhammer allein probieren, sagte der Vater und richtete sich auf. Noch gr?bere Arbeit, einzig und allein mit Kraft, der Vorhammer wurde heiss, der Stahl gab nach, die Feder, mit der Isak schrieb, wurde stumpf. Er geht vom Stiel ab, sagte er von dem Vorhammer und h?rte auf zu schlagen. Ich kann auch nicht mehr, sagte Isak. Oh, das meinte er nicht, dass er nicht mehr k?nne!
Dieser Vater, dieser Prahm, unansehnlich, voller Geduld und G?te, er g?nnte es dem Sohn, den letzten Schlag zu tun und den Stein zu spalten. -- Da lag er nun in zwei Teilen. Ja, du hast einen kleinen Kniff dabei, sagte der Vater. Hm. Aus Breidablick k?nnte man schon etwas machen. -- Ja, das sollte ich meinen. -- Ja, wenn das Moor mit Gr?ben durchzogen und umgegraben w?rde. -- Das Haus m?sste hergerichtet werden. -- Ja, selbstverst?ndlich, das Haus m?sste hergerichtet werden, oh, es w?rde viel zu arbeiten geben dort, aber ... Wie war es, hast du geh?rt, ob die Mutter am Sonntag in die Kirche will? -- Ja, sie hat davon gesprochen. -- So. Aber komm, nun m?ssen wir uns ordentlich umschauen, damit wir eine sch?ne Steinschwelle f?r den Anbau finden. Du hast wohl noch nichts Passendes dazu gesehen? -- Nein, antwortete Sivert.
Dann arbeiteten sie weiter.
Ein paar Tage sp?ter meinten beide, nun h?tten sie genug Steine zu der Mauer. Es war an einem Freitagabend, sie setzten sich, um auszuschnaufen, und plauderten wieder eine Weile.
Hm. Nun, was meinst du, sagte der Vater, wollen wir ein wenig an Breidablick denken? -- Warum? fragte Sivert. Was sollen wir damit? -- Ja, das weiss ich nicht. Das Schulhaus ist auch dort, und Breidablick liegt mittendrin. -- Ja, und? fragte der Sohn. -- Ich w?sste gar nichts damit anzufangen, denn man kann es zu nichts verwenden. -- Hast du daran gedacht? fragte Sivert. -- Der Vater antwortete: Nein. Ich denke an Eleseus, ob er wohl darauf arbeiten m?chte? -- Eleseus? -- Ja, aber ich weiss nicht. -- Lange ?berlegung auf beiden Seiten. Dann sammelte der Vater das Handwerkszeug zusammen, lud es sich auf und wendete sich heimw?rts. -- Ich meine, du solltest mit ihm dar?ber reden, sagte Sivert schliesslich. Und der Vater schloss das Gespr?ch mit den Worten: Nun haben wir auch heute keinen sch?nen Stein zu der T?rschwelle gefunden.
Der n?chste Tag war ein Samstag, und da mussten sie schon sehr fr?h aufbrechen, um mit dem Kinde rechtzeitig ?bers Gebirge zu kommen. Jensine, die Magd, sollte auch mit, da hatten sie die eine Patin, die andern Gevattern mussten jenseits des Gebirges unter Ingers Verwandten aufgetrieben werden.
Inger war sehr h?bsch, sie hatte sich ein besonders kleidsames Kattunkleid gen?ht und trug ?berdies weisse Streifen um den Hals und an den Handgelenken. Das Kind war ganz in Weiss, nur unten am Saum war ein neues blauseidenes Band durchgezogen; aber es war ja auch ein ganz besonderes Kind, es l?chelte und plauderte schon und horchte auf, wenn die Stubenuhr schlug. Der Vater hatte den Namen ausgew?hlt. Ihm kam dies zu, er wollte hier eingreifen -- lasst uns nur meinem Rat folgen! Er hatte zwischen Jakobine und Rebekka, die beide etwas mit Isak zusammenhingen, geschwankt, schliesslich war er zu Inger gegangen und hatte ?ngstlich gesagt: Hm. Was meinst du zu Rebekka? -- O ja, antwortete Inger. -- Als Isak dies h?rte, wurde er ordentlich m?nnlich und sagte barsch: Wenn sie etwas heissen soll, so soll sie Rebekka heissen. Daf?r stehe ich ein!
Und nat?rlich wollte er mit in der Kirche sein, der Ordnung halber und auch, um das Kind zu tragen, der kleinen Rebekka sollte ein gutes Taufgeleite nicht fehlen. Er stutzte sich den Bart, zog wie in j?ngeren Jahren ein frisches rotes Hemd an; es war zwar in der gr?ssten Hitze, aber er hatte einen sch?nen neuen Winteranzug, den legte er an. ?brigens war Isak nicht der Mann, der sich Verschwendung und Flottheit zur Pflicht machte, deshalb zog er zu der Wanderung ?bers Gebirge ein Paar von seinen m?rchenhaften Siebenmeilenstiefeln an.
Sivert und Leopoldine mussten bei den Haustieren daheim bleiben.
Sie ruderten im Boot ?ber den Gebirgssee, und das war eine grosse Erleichterung gegen fr?her, wo sie immer aussen herum hatten wandern m?ssen. Aber mitten auf dem Wasser, als Inger der Kleinen die Brust geben wollte, sah Isak etwas Gl?nzendes an einem Faden um ihren Hals h?ngen. -- Was konnte das sein? In der Kirche bemerkte er, dass sie den goldenen Ring am Finger trug. Oh, diese Inger, sie hatte sich es nicht versagen k?nnen!
Eleseus kam nach Hause.
Er war jetzt mehrere Jahre fort gewesen und war gr?sser als der Vater geworden, mit langen weissen H?nden und einem kleinen dunklen Schnurrbart. Er spielte sich nicht auf, sondern schien sich ein nat?rliches, freundliches Wesen zur Pflicht zu machen; die Mutter war verwundert und froh dar?ber. Er bekam mit Sivert zusammen die Kammer, die Br?der waren gut Freund miteinander und spielten einander manchen Schabernack, an dem sie sich h?chlich erg?tzten. Aber nat?rlich musste Eleseus beim Zimmern des Anbaus helfen, und da wurde er bald m?de und ersch?pft, weil er k?rperlicher Arbeit ganz ungewohnt war. Ganz schlimm wurde es, als Sivert die Arbeit aufgeben und sie den beiden andern ?berlassen musste -- ja, da war dem Vater eher geschadet als gedient.
Und wohin ging Sivert? Ja, war nicht eines Tages Oline ?bers Gebirge dahergekommen mit der Botschaft von Oheim Sivert, dass er im Sterben liege! Musste da nicht Klein-Sivert hingehen? Das war ein Zustand! -- Niemals h?tte das Verlangen des Oheims, Sivert jetzt bei sich zu haben, ungelegener kommen k?nnen; aber da war nichts zu machen.
Oline sagte: Ich hatte gar keine Zeit, den Auftrag zu ?bernehmen, nein, ganz und gar nicht, aber ich habe nun einmal die Liebe zu allen den Kindern hier und f?r Klein-Sivert besonders, und so wollte ich ihm zu seinem Erbe verhelfen. -- Ist denn der Oheim Sivert sehr krank? -- Ach du lieber Gott, er nimmt mit jedem Tag mehr ab! -- Liegt er zu Bett? -- Zu Bett! Herr des Himmels, ihr solltet nicht so freventlich herausreden. Sivert springt und l?uft nicht mehr auf dieser Welt.
Nach dieser Antwort mussten sie ja annehmen, dass es mit dem Oheim Sivert stark auf das Ende zugehe, und Inger trieb Klein-Sivert noch t?chtig zur Eile an; sofort sollte er gehen.
Aber der Oheim Sivert, der Halunke, der Schelm, lag durchaus nicht im Sterben, er lag nicht einmal best?ndig zu Bett. Als Klein-Sivert ankam, fand er eine f?rchterliche Unordnung und Vernachl?ssigung auf dem kleinen Hofe vor, ja, die Fr?hjahrsarbeit war nicht einmal ordentlich getan worden, nein, nicht einmal der Winterdung war hinausgefahren, aber der Tod schien nicht augenblicklich bevorzustehen. Der Oheim Sivert war allerdings ein alter Mann, ?ber siebzig, er war hinf?llig und trieb sich halb angezogen im Hause umher, lag auch oft zu Bett und musste f?r verschiedenes notwendig Hilfe haben; zum Beispiel musste das Heringsnetz, das im Bootsschuppen hing und da schlecht aufgehoben war, ausgebessert werden. O ja, aber der Oheim war durchaus nicht so am Ende, dass er nicht noch gep?kelte Fische essen und sein Pfeifchen rauchen konnte.
Nachdem Sivert eine halbe Stunde dagewesen war und gesehen hatte, wie alles zusammenhing, wollte er gleich wieder heim. -- Heim? fragte der Alte. -- Ja, wir bauen eine Stube, und dem Vater fehlt meine Hilfe. -- So, sagte der Alte, ist denn nicht Eleseus daheim? -- Doch, aber der ist diese Arbeit nicht gewohnt. -- Warum bist du dann gekommen? -- Sivert erkl?rte, welche Botschaft Oline gebracht habe. -- Im Sterben? fragte der Alte. Meinte sie, ich liege im Sterben? Zum Teufel auch! -- Hahaha! lachte Sivert. -- Der Alte sah den Neffen gekr?nkt an und sagte: Du machst dich ?ber einen Sterbenden lustig, und du bist nach mir getauft worden! -- Sivert war zu jung, um eine betr?bte Miene aufzusetzen, er hatte sich nie etwas aus dem Oheim gemacht, und jetzt wollte er wieder heim.
Na, und du hast also auch gemeint, ich liege im Sterben und bist da gleich hergerannt, sagte der Alte. -- Oline hat es gesagt, beharrte Sivert. -- Nach kurzem Schweigen machte der Oheim ein Angebot: Wenn du mein Netz im Bootsschuppen flickst, darfst du etwas bei mir sehen. -- So, sagte Sivert, und was ist es? -- Ach, das geht dich nichts an, versetzte der Alte m?rrisch und legte sich wieder zu Bett.
Die Verhandlungen brauchten offenbar Zeit. Sivert wusste nicht recht, was tun. Er ging hinaus und sah sich um, alles war unordentlich und vernachl?ssigt, die Arbeit hier in Angriff nehmen zu sollen, w?re ein Unding gewesen. Als er wieder hereinkam, war der Oheim auf und sass am Ofen.
Siehst du dies? fragte er und deutete auf einen eichenen Schrein, der zwischen seinen F?ssen auf dem Boden stand. Das war der Geldschrein. In Wirklichkeit war es einer von jenen Flaschenkasten, mit vielen Abteilungen, den Beamte und andere vornehme Leute in alten Tagen auf ihren Reisen mit sich gef?hrt hatten; es waren jetzt keine Flaschen mehr drin, der alte Bezirkskassierer bewahrte Rechnungen und Gelder darin auf. Oh, diese Flaschenkiste, die Sage ging, dass sie den Reichtum der ganzen Welt berge, die Leute im Dorfe pflegten zu sagen: Wenn ich nur das Geld h?tte, das der Sivert in seinem Schrein hat!
Der Oheim Sivert entnahm dem Schrein ein Papier und sagte feierlich: Du kannst doch wohl Geschriebenes lesen? Lies dies Dokument! -- Klein-Sivert war durchaus nicht ?berlegen im Lesen von Schriftst?cken, nein, das war er nicht, aber jetzt las er, dass er zum Erben der ganzen Hinterlassenschaft des Oheims eingesetzt sei. -- Und nun kannst du tun, was du willst, sagte der Alte und legte das Dokument wieder in den Schrein.
Sivert f?hlte sich nicht besonders ger?hrt, das Dokument berichtete ihm eigentlich nicht mehr, als was er vorher gewusst hatte, schon von Kind auf hatte er ja nichts anderes geh?rt, als dass er den Oheim einmal beerben werde. Etwas anderes w?re es gewesen, wenn er in dem Schrein Kostbarkeiten h?tte zu sehen bekommen. -- Es ist wohl viel Merkw?rdiges in dem Schrein, sagte er. -- Mehr als du denkst, versetzte der Oheim kurz.
Er war so entt?uscht und ?rgerlich ?ber den Neffen, dass er den Schrein zuschloss und wieder zu Bett ging. Da lag er dann und gab verschiedene Mitteilungen kund: Dreissig Jahre lang bin ich hier im Dorf Bevollm?chtigter und Herr der Gelder gewesen, ich habe es nicht n?tig, jemand um eine Handreichung anzuflehen. Woher wusste denn Oline, dass ich am Sterben sei? Kann ich nicht, wenn ich will, drei Mann zum Doktor fahren lassen? Ihr sollt nicht euren Spott mit mir treiben. Und du, Sivert, kannst nicht warten, bis ich meinen Geist ausgehaucht habe. Ich will dir nur eins sagen: Jetzt hast du das Dokument gelesen, und es liegt in meinem Geldschrein; mehr sag ich nicht. Aber wenn du von mir fortgehst, dann richte deinem Bruder Eleseus aus, dass er hierherkommen soll. Er heisst nicht nach mir und tr?gt nicht meinen irdischen Namen -- aber er soll nur kommen!
Trotz der Drohung, die in diesen Worten lag, ?berlegte Sivert sich die Sache und sagte dann: Ich werde Eleseus deinen Auftrag ausrichten.
Oline war noch auf Sellanraa, als Sivert zur?ckkam. Sie hatte Zeit gehabt, einen Gang durch die Gegend zu machen, ja sogar bis zu Axel Str?m und Barbros Ansiedlung, dann kam sie wieder zur?ck und tat ?usserst wichtig und geheimnisvoll. Die Barbro ist dicker geworden, sagte sie fl?sternd, das wird doch nichts zu bedeuten haben? Aber sagt es niemand! Was, da bist du ja wieder, Sivert, da brauche ich ja wohl nicht erst zu fragen, ob dein Oheim entschlafen ist? Ja, ja, er war ein alter Mann und ein Greis am Rande des Grabes. Was -- er ist also nicht tot? Gott sei Lob und Dank! Was, ich h?tte nur ein leeres Geschw?tz verf?hrt, sagst du? Wenn ich nur bei allem so frei von Schuld w?re! Konnte ich denn wissen, dass dein Oheim Gott ins Angesicht log? Er nimmt ab, das waren meine Worte, und diese werde ich einmal vor Gottes Thron wiederholen. Was sagst du, Sivert? Ja, aber lag nicht dein Oheim zu Bett und rauchte und faltete beide H?nde auf der Brust und sagte, nun liege er da und k?mpfe es aus?
Mit Oline konnte man sich unm?glich in einen Streit einlassen, sie ?berw?ltigte ihren Gegner mit ihrem Geschw?tz und machte ihn mundtot. Als sie h?rte, dass der Oheim Sivert Eleseus zu sich rief, ergriff sie auch diesen Umstand sofort und verwendete ihn zu ihrem Vorteil. Da k?nnt ihr h?ren, ob ich ein leeres Geschw?tz im Munde gef?hrt habe. Der alte Sivert ruft seine Verwandten herbei und schmachtet nach seinem Fleisch und Blut, es ist am letzten bei ihm. Du musst ihm das nicht abschlagen, Eleseus, geh nur gleich, damit du deinen Oheim noch am Leben triffst. Ich muss auch ?bers Gebirge, da k?nnen wir zusammen gehen.
Oline verliess indes Sellanraa nicht, bis sie Inger auf die Seite gezogen und ihr noch ?ber Barbro zugefl?stert hatte: Sag es niemand, aber sie hat die Anzeichen! Und nun meint sie wohl, sie werde die Frau auf der Ansiedlung. Manche Leute kommen obenauf, ob sie auch von Anfang an so klein sind wie Sandk?rner am Meeresstrand. Wer h?tte nun das von Barbro geglaubt! Axel ist sicher ein fleissiger Mann, und so grosse G?ter und H?fe wie hier im ?dland gibt es nicht auf unserer Seite des Gebirges, das weisst du auch, Inger, du stammst ja aus unserer Gemeinde und bist dort geboren. Barbro hatte ein paar Pfund Wolle in einer Kiste, es war lauter Winterwolle, ich habe keine davon verlangt, und sie hat mir auch keine davon angeboten; wir sagten nur Gr?ssgott und Gutentag, obgleich ich sie von Kindesbeinen an gekannt habe, damals, als ich hier auf Sellanraa war, und du, Inger, fort in der Lehre --
Jetzt weint die kleine Rebekka, warf Inger rasch ein, und dann steckte sie Oline noch eine Handvoll Wolle zu.
Grosse Dankesbezeugung von Oline: Ja, ist es nicht, wie ich eben zu der Barbro gesagt habe, so freigebig wie die Inger gibt es niemand mehr, sie schenkt sich wahrhaftig lahm und wund und murrt nie dar?ber. Ja, geh nur hinein zu dem kleinen Engel, noch nie hat ein Kind seiner Mutter so ?hnlich gesehen wie die kleine Rebekka dir. Ob sich Inger erinnern k?nne, was sie einmal gesagt habe, dass sie keine Kinder mehr bekomme? Da k?nne sie nun sehen! Nein, man solle auf die Alten h?ren, die selbst Kinder gehabt h?tten, denn Gottes Wege sind unerforschlich, sagte Oline.
Dann trabte sie hinter Eleseus durch den Wald aufw?rts, vor Alter geb?ckt, fahl und grau und neugierig, immer dieselbe. Nun w?rde sie zum alten Sivert gehen und zu ihm sagen, sie -- Oline -- sei es gewesen, die Eleseus bestimmt habe, zu ihm zu kommen.
Aber Eleseus hatte sich durchaus nicht n?tigen lassen, es war nicht schwer gewesen, ihn zu ?berreden. Seht, im Grunde genommen war er besser, als es den Anschein hatte, er war wirklich auf seine Art ein guter Bursche, gutm?tig und freundlich von Natur, nur ohne grosse k?rperliche Kr?fte. Dass er aus der Stadt nur ungern aufs Land zur?ckkehrte, hatte seinen guten Grund, er wusste ja wohl, dass die Mutter wegen Kindsmord in der Strafanstalt gewesen war, in der Stadt h?rte er nichts davon, aber da auf dem Lande wussten es wohl alle. War er nun nicht mehrere Jahre lang mit Kameraden zusammen gewesen, die ihm ein feineres Empfinden beigebracht hatten, als er fr?her gehabt hatte? War nicht eine Gabel ebenso notwendig wie ein Messer? Hatte er nicht alle Tage da drinnen nach Kronen und ?re gerechnet, und hier rechnete man immer noch nach dem alten Talerfuss. O ja, er wanderte sehr gern ?bers Gebirge in eine andere Gegend, daheim auf dem v?terlichen Hofe musste er ja jeden Augenblick seine ?berlegenheit im Zaume halten. Er gab sich M?he, sich den andern anzupassen, und es gelang ihm auch, aber er musste auf der Hut sein, zum Beispiel, als er vor ein paar Wochen nach Sellanraa heimgekommen war. Er hatte ja einen hellgrauen Fr?hjahrs?berzieher mitgenommen, obgleich man mitten im Sommer war; als er ihn an einem Nagel in der Wohnstube aufh?ngte, h?tte er gut das silberne Schild mit seinen Buchstaben darauf nach aussen drehen k?nnen, aber er hatte es nicht getan. Ebenso war es mit dem Stock, dem Spazierstock! Es war allerdings nur ein Regenschirmstock, von dem er den Stoff und die Stahlschienen abgemacht hatte, aber auf Sellanraa hatte er ihn nicht getragen und lustig geschwungen, weit entfernt, er hatte ihn verborgen am Schenkel angelegt getragen.
Nein, es war nicht verwunderlich, dass Eleseus ?bers Gebirge ging. Er taugte nicht zum Hausbauen, er taugte dazu, Buchstaben zu schreiben, das konnte nicht der erste beste, aber in seiner Heimat war niemand, der seine Gelehrsamkeit und seine Kunst zu sch?tzen wusste, ausgenommen vielleicht die Mutter. So wanderte er fr?hlichen Herzens vor Oline her den Wald hinauf, er wollte weiter oben auf sie warten, er lief wie ein Kalb, hetzte ordentlich vorw?rts. Eleseus hatte sich gewissermassen vom Hofe weggestohlen, er hatte Angst, gesehen zu werden, jawohl, denn er hatte den Fr?hjahrs?berzieher und den Spazierstock mitgenommen. Jenseits des Gebirges konnte er ja hoffen, bessere Leute zu treffen und auch selbst gesehen zu werden, vielleicht sogar in die Kirche zu kommen. Deshalb plagte er sich in der Sonnenhitze mit dem ?berfl?ssigen ?berrock.
Und er hinterliess keine L?cke, wurde nicht vermisst beim Hausbau, im Gegenteil, nun bekam ja der Vater den Sivert wieder, der Sivert war von viel gr?sserem Nutzen und hielt vom Morgen bis Abend aus. Sie brauchten auch nicht viel Zeit zum Aufrichten des Geb?udes, es war nur ein Anbau, drei W?nde; sie brauchten auch die St?mme nicht zuzuhauen, das wurde im S?gewerk gemacht. Die Schwartenbretter kamen ihnen dann gleich beim Dachbau zugute. Eines sch?nen Tages stand wirklich die Stube vor ihren Augen fertig da, gedeckt, mit gelegtem Boden und eingesetzten Fenstern. Weiter konnten sie vor der Ernte nicht mehr damit kommen. Das Verschalen und Anstreichen musste auf sp?ter warten.
Da kam pl?tzlich Geissler mit grosser Gefolgschaft ?bers Gebirge daher! Und das Gefolge war zu Pferde, auf gl?nzenden Pferden mit gelben S?tteln; es waren wohl reiche Reisende, sie waren sehr schwer und dick, die Pferde bogen sich unter ihnen durch. Mitten unter diesen grossen Herren ging Geissler zu Fuss. Es waren im ganzen vier Herren und Geissler, dazu noch zwei Diener, von denen jeder ein Lastpferd f?hrte.
Auf dem Hofplatz stiegen die Reiter ab, und Geissler sagte: Da haben wir Isak, den Markgrafen selbst. Guten Tag, Isak! Du siehst, da komme ich wieder, wie ich gesagt habe.
Geissler war noch ganz der alte; obgleich er zu Fuss kam, schien er sich keineswegs geringer zu f?hlen als die andern, ja, sein abgetragener Rock hing ihm lang und leer ?ber seinen eingefallenen R?cken hinunter, aber sein Gesicht zeigte einen ?berlegenen und hochm?tigen Ausdruck. Er sagte: Diese Herren und ich haben die Absicht, ein St?ck weit den Berg hinaufzuwandern; sie sind zu dick und m?chten ein wenig Speck loswerden.
Die Herren waren ?brigens freundlich und gutm?tig; sie l?chelten zu Geisslers Worten und entschuldigten sich, dass sie wie im Krieg ?ber den Hof hereinbr?chen. Sie h?tten Mundvorrat bei sich, w?rden ihn also nicht arm fressen, w?ren aber dankbar, wenn sie f?r die Nacht ein Dach ?ber den Kopf bekommen k?nnten. Vielleicht d?rften sie in dem neuen Geb?ude da ?bernachten.
Als sie eine Weile ausgeruht hatten und Geissler bei Inger und den Kindern drin gewesen war, gingen alle die G?ste auf den Berg und blieben bis zum sp?ten Abend weg. Am Nachmittag hatten die Leute auf dem Hofe ab und zu ganz unerkl?rliche Laute, Sch?sse, geh?rt, und bei der R?ckkehr brachten die Herren neue Gesteinsproben in S?cken mit. Schwarzkupfer, sagten sie und nickten ?ber den Steinen. Es entspann sich eine lange, gelehrte Unterredung, und sie guckten dabei in eine Karte, die sie in groben Strichen gezeichnet hatten. Unter den Herren waren ein Sachverst?ndiger und ein Ingenieur, einer wurde Landrat genannt, einer H?ttenbesitzer. Luftbahn, sagten sie, Seilbahn, sagten sie. Geissler warf ab und zu ein Wort ein, und das schien die Herren jedesmal richtig aufzukl?ren; es wurde grosses Gewicht auf seine Worte gelegt.
Wem geh?rt das Land s?dlich vom See? fragte der Landrat Isak. -- Dem Staat, antwortete Geissler flugs. Er war wachsam und klug, in der Hand hielt er das Dokument, das Isak einst mit seinem Namenszeichen unterschrieben hatte. -- Ich habe ja schon gesagt, dass es dem Staat geh?rt, warum fragst du noch einmal danach? sagte er. Wenn du mich kontrollieren willst, bitte!
Sp?ter am Abend nahm Geissler Isak allein mit sich hinein und sagte: Wollen wir den Kupferberg verkaufen? -- Isak antwortete: Aber der Herr Lensmann hat mir ja den Berg schon einmal abgekauft und bezahlt. -- Richtig, sagte Geissler, ich habe den Berg gekauft. Aber du sollst doch auch Prozente vom weiteren Verkauf oder vom Betrieb haben; willst du diese Prozente verkaufen? -- Das verstand Isak nicht, und Geissler musste es ihm erkl?ren. Isak k?nne keine Grube in Betrieb setzen, er sei ein Landmann, er mache Land urbar; er, Geissler, k?nne aber auch keine Grube betreiben. Aber Geld, Kapital? Oh, soviel er wolle! Aber er habe keine Zeit, er habe gar so vielerlei vor, sei st?ndig auf Reisen, m?sse f?r seine G?ter im Norden und im S?den sorgen. Nun wolle er -- Geissler -- an diese schwedischen Herren verkaufen, sie seien alle Verwandte seiner Frau und reiche Leute, Fachleute, sie k?nnten die Grube er?ffnen und in Betrieb nehmen. Ob Isak es nun verstehe? -- Ich will, wie Sie wollen, sagte Isak.
Merkw?rdig -- dieses grosse Zutrauen tat dem armen Geissler wohl: Ja, ich weiss nun nicht, ob du gut dabei f?hrst, sagte er und ?berlegte. Doch pl?tzlich wurde er sicher und fuhr fort: Aber wenn du mir freie Hand gibst, werde ich jedenfalls besser f?r dich handeln, als du es selbst tun k?nntest. -- Isak fing an: Hm. Ihr seid von der ersten Stunde an hier ein guter Herr f?r uns gewesen ... Geissler runzelte die Stirn und unterbrach ihn: Also, es ist gut!
Am n?chsten Morgen setzten sich die Herren hin, um zu schreiben. Sehr ernsthafte Sachen schrieben sie; zuerst einen Kaufkontrakt auf vierzigtausend Kronen f?r den Kupferberg, dann ein Dokument, worin Geissler zugunsten seiner Frau und seiner Kinder auf jeden Heller von diesen vierzigtausend verzichtete. Isak und Sivert wurden hereingerufen, um diese Papiere als Zeugen zu unterschreiben. Als dies getan war, wollten die Herren Isak seine Prozente f?r eine Bagatelle abkaufen, f?r f?nfhundert Kronen. Aber Geissler unterbrach sie mit den Worten: Scherz beiseite!
Isak verstand nicht viel vom Ganzen, er hatte einmal verkauft und seine Bezahlung daf?r erhalten, und im ?brigen, Kronen -- das war gar nichts, es waren keine Taler. Sivert dagegen dachte sich mehr dabei, der Ton der Verhandlungen war ihm auffallend: das war gewiss eine Familiensache, die hier beigelegt und abgemacht wurde. So sagte einer der Herren: Lieber Geissler, du brauchtest wirklich nicht so rote R?nder um die Augen zu haben! Worauf Geissler scharfsinnig aber ausweichend antwortete: Nein, das brauche ich wirklich nicht. Aber es geht eben nicht nach Verdienst in dieser Welt.
War es so, dass Frau Geisslers Br?der und Verwandte ihren Mann abfinden, sich vielleicht mit einem Schlag von seinen Besuchen befreien und die widerw?rtige Verwandtschaft loswerden wollten? Nun war ja der Kupferberg wahrscheinlich nicht wertlos, das wurde von keinem behauptet, aber er war sehr abgelegen, die Herren sagten geradezu, sie kauften ihn jetzt, um ihn weiterzuverhandeln an Leute, die viel leichter eine Grube in Betrieb setzen und ausbauen k?nnten als sie. Darin lag nichts Unnat?rliches. Sie sagten auch offen, sie w?ssten nicht, wieviel der Berg eintragen k?nnte. Wenn eine Grube er?ffnet w?rde, seien vielleicht vierzigtausend Kronen keine Bezahlung; wenn aber der Berg so liegen bleibe, wie er jetzt sei, dann sei es hinausgeworfenes Geld. Aber jedenfalls wollten sie reinen Tisch machen, und deshalb b?ten sie Isak f?nfhundert Kronen f?r seinen Anteil.
Ich bin Isaks Bevollm?chtigter, sagte Geissler, und ich verkaufe sein Recht nicht unter zehn Prozent der Kaufsumme.
Viertausend! sagten die Herren.
Viertausend! beharrte Geissler. Der Berg ist Isaks Eigentum gewesen, er erh?lt viertausend. Mir hat er nicht geh?rt, ich bekomme vierzigtausend. Wollen sich die Herren wohl die M?he nehmen und das bedenken.
Ja, aber viertausend!
Geissler stand auf und sagte: Jawohl oder gar kein Verkauf.
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