Read Ebook: Landesverein Sächsischer Heimatschutz — Mitteilungen Band X Heft 1-3 by Landesverein S Chsischer Heimatschutz Editor
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Ebook has 193 lines and 27080 words, and 4 pages
Die Staatsstrasse Rochlitz--Rochlitzer Berg, in Rochlitz kurzweg die Bergstrasse genannt, wird in ihrem ersten, hier nur in Frage kommenden Teil von Feldern begrenzt, w?hrend auf eine Strecke von etwa 500 Meter L?nge an der einen Seite auch der Wald an sie herantritt, der ihr auch sonst nicht fern bleibt und an den weitesten Stellen kaum viel ?ber 500 Meter von ihr weg liegt. Der regelm?ssigen Beobachtung unterstanden in den Jahren 1913 und 1914 eine Strecke von etwa 500 Meter, 1919 und 1920 aber von gegen 1500 Meter L?nge, von der ein kleiner, etwa 200 Meter langer Teil von Kirschb?umen ges?umt, der gr?ssere aber beiderseits von Apfelb?umen bestanden ist.
An der kleineren, nur apfelbaumbestandenen Strassenstrecke wurden
insgesamt also 9 bzw. 12 Brutpaare einwandfrei festgestellt, von einigen weiteren, zweifellos auch noch genisteten Meisen- und Rotschwanzpaaren die Nisth?hlen aber nicht aufgefunden, w?hrend dann in dem gr?sseren Strassengebiet
insgesamt also 24 bzw. 20 Brutpaare sicher best?tigt und ebenfalls wieder von einigen weiteren die H?hlen nicht aufgefunden werden konnten.
Von den 1919 und 1920 beobachteten Brutpaaren entfallen auf die kleinere, 1913 und 1914 unter Beobachtung gestandene Strassenstrecke
-- 2 Paar Gartenrotschw?nzchen, 5 4 " Kohlmeisen, 3 2 " Blaumeisen, 1 1 " Kleiber und 4 4 " Stare
zusammen sonach 13 bzw. 13 Paare, von denen sich 1919 elf, 1920 aber neun Paare auf eine Strassenl?nge von nur etwas ?ber 200 Meter verteilten, so dass hier auf etwa 20 Meter L?nge bereits ein Brutpaar kam! -- Hervorgehoben soll dabei noch werden, dass in den Jahren 1913 und 1914 noch nicht der grosse Wert auf die Feststellung m?glichst aller Nisth?hlen gelegt wurde und dass schliesslich im letzten Jahre eine nur noch beschr?nkte Zeit auf die Beobachtungen verwandt und eine Strassenl?nge von gegen 500 Meter ?berhaupt nicht voll begangen werden konnte.
Eine Anzahl der hier beobachteten nat?rlichen H?hlen erf?llt ihren Zweck schon seit Jahren. So war die eine derselben , die etwas ungew?hnlicher Natur und recht wenig wettergesch?tzt war, weil die Eingangs?ffnung direkt von oben hineinf?hrte, 1913--1915 von Kohlmeisen und w?hrend der Kriegsjahre 1916--1918, in denen ich die Beobachtungen allerdings nicht pers?nlich machen konnte, ebenfalls wieder von Kohlmeisen und einmal auch von Gartenrotschw?nzchen bewohnt gewesen, bis dann 1919 und 1920 Stare sie sich als Nistst?tte erkoren hatten. Eine andere, vom Buntspecht angelegte und mehrere Jahre von diesen bewohnt gewesene H?hle hatte sich 1914 ein Kleiberpaar als Wohnung eingerichtet, eine Art, die auch 1919 und 1920 wieder in ihr br?tend festgestellt werden konnte. In einer dritten, in der 1913 ein Feldsperlingspaar genistet hatte, dessen Besitzrechte im folgenden Jahre auf ein Blaumeisenp?rchen ?berging, wurden 1919 und 1920 wiederum Blaumeisen beobachtet. Auch eine etwas eigenartige Nisth?hle unter einem Wegweiser, die durch die ?berwallung des letzteren durch den st?rker gewordenen Stamm, an dem er befestigt, entstanden ist, hat Jahre hindurch Nistzwecken gedient. Im Jahre 1914 stellte ich in ihr zum ersten Male Blaumeisen fest und fand die gleiche Art -- nachdem ich w?hrend des Krieges ja nur selten und dann immer auch nur fl?chtig w?hrend des rasch vor?bergehenden Urlaubes beobachten konnte -- dann 1919 von neuem als Bewohner der H?hle. Ebenso sollen, wie mir nachtr?glich ein f?r unsere Vogelwelt interessierter Herr mitgeteilt hat, auch w?hrend des Krieges Blaumeisen in ihr genistet haben, so dass im Hinblick auf die ungew?hnliche Art der Nisth?hle vielleicht der Schluss auf das gleiche oder V?gel des gleichen Paares nicht ganz unwahrscheinlich erscheint.
Ornithologische Monatsschrift 1916, S. 356 fl.
Ornithologische Monatsschrift 1921, S. 13 fl.
Ist der hier geschilderte, ungew?hnlich gross erscheinende Vogelreichtum nur dem der Beobachtung unterworfen gewesenen Strassengebiet eigen, vielleicht, weil hier ganz besonders g?nstige Umst?nde ihn beeinflussen, oder k?nnen wir ihn ?hnlich reich auch anderw?rts beobachten? Ich glaube diese Frage bejahen zu k?nnen, sobald es sich um obstbaumbestandene Strassen handelt, die alte, h?hlenbergende B?ume aufweisen. Bereits fr?her konnte ich in Westsachsen in der Frohburg-Kohrener Gegend schon bei nur fl?chtiger Begehung auf oft recht kurzen Strassenl?ngen h?hlenbr?tende Kleinv?gel: neben dem Gartenrotschwanz vor allem Kohl- und Blaumeisen und etwas vereinzelter den Bauml?ufer, in Mengen feststellen, die einen Schluss auf einen ?hnlichen Reichtum, wie ich ihn an der Rochlitzer Bergstrasse beobachten konnte, durchaus begr?ndet erscheinen lassen. Und 1919 hatte ich dann wieder Gelegenheit, einmal in der Altenhainer Gegend bei Wurzen, wo ich auch den schmucken Trauerfliegenf?nger als einen in Obstb?umen nistenden >>Strassenvogel<< feststellen konnte, und zum anderen in der Oberlausitz zwischen Kamenz und K?nigswartha den Rochlitzern ganz ?hnliche Verh?ltnisse festzustellen. Der Reichtum einer obstbaumbestandenen Strasse an h?hlenbr?tenden Kleinv?geln ist wohl ?berall noch ein ?hnlich grosser, wenn in ?lteren, h?hlenreichen Strassenb?umen oder in aufgeh?ngten Nistk?sten nur die Bedingungen zur Entfaltung eines reicheren Vogellebens gegeben sind. Am ?rmsten an einem eigenen Vogelleben bleiben nach meinen Erfahrungen die Kirschalleen, wahrscheinlich, weil diese weniger Kostg?nger aus der Insektenwelt besitzen, als wie dies mit Apfel- und anderen Obstalleen der Fall ist. Der Einfluss eines angrenzenden oder nahegelegenen Waldes ?ussert sich, soweit ich dar?ber Beobachtungen anstellen konnte, nur in einer Erh?hung der Artenzahl, indem dann einzelne, sonst waldbewohnende H?hlenbr?ter den Alleen zuziehen, scheint dagegen aber auf die St?ckzahl, die auch in waldfernen Alleen eine grosse sein kann, sobald in diesen die schon erw?hnten Bedingungen im Vorhandensein reicher Nistgelegenheiten gegeben sind, von nur untergeordneter Bedeutung zu sein. --
Besonderen Wert legte ich bei meinen Beobachtungen auf die Feststellung der Nahrungsquellen der in unseren Obstalleen nistenden H?hlenbr?ter und damit auch auf die Frage ihrer Bedeutung f?r diese letzteren ?berhaupt. Ich konnte derartige Beobachtungen vor allem an der Rochlitzer Bergstrasse in weitgehendstem Masse machen, weil ich hier -- besonders in den Jahren 1913, 1914 und 1919 -- f?r photographische Aufnahmen oft tagelang ansass und dabei manches einzelne Brutpaar viele Stunden hindurch, oft auch mit dazwischen liegenden mehrt?gigen Pausen, unter den Augen hatte. Ihren Nahrungsbedarf deckten die V?gel teils in der Allee selbst, teils aber auch im n?heren oder ferneren Walde, wobei die verschiedensten Arten aber auch ein recht verschiedenes Verhalten zeigten. In jenem Teile des Beobachtungsgebietes, in dem die Strasse von Kirschb?umen bestanden war und an dem beiderseits der Wald bis auf Entfernungen von 50 Meter an die Strasse herantrat, bevorzugten die hier nistenden Arten als Nahrungsquelle allerdings fast ausschliesslich den Wald und nur ausnahmsweise einmal suchte ein 1919 hier genistetes Blaumeisenp?rchen einen der Alleeb?ume nach Insektenkost ab. Die so grosse N?he des Waldes und dessen zweifellos bedeutenderer Nahrungsreichtum ?usserten eben ihre Wirkungen, wozu dann auch noch das schon erw?hnte geringere Insektenleben auf Kirschb?umen kommen mochte.
In den ?brigen Teilen des Beobachtungsgebietes waren es zun?chst die Meisen und unter diesen wieder ganz besonders die Blaumeisen, die ihren Nahrungsbedarf in erster Linie in der Allee selbst deckten, und nur dort, wo der Wald in gr?sserer N?he war oder gar an die Strasse selbst herantrat, h?ufiger und wohl selbst einmal auch in ?berwiegendem Masse in diesem die Nahrung suchten. Dabei liess sich wiederholt mit aller Deutlichkeit feststellen, dass sie zu Beginn der Jungenpflege zun?chst die Strassenb?ume bevorzugten und den Wald als Nahrungsquelle erst in Anspruch nahmen, als mit dem fortgeschritteneren Wachstum der Jungen auch deren Nahrungsbedarf ein gr?sserer geworden war und die bisher fleissig abgesuchten Strassenb?ume anscheinend nicht mehr in der Lage waren, ihn restlos zu decken. In den verschiedenen Jahren traten darin auch mehr oder weniger deutliche Abweichungen ein, die wahrscheinlich auf einen wechselnden Insektenreichtum der Strassenb?ume zur?ckzuf?hren sind. Nur im Walde, die wenigen F?lle, in denen er auch einmal auf Alleeb?umen zu Gaste ging, ?ndern an dem Bilde nichts, sammelte der Kleiber die Nahrung, wobei er freie Feldfl?chen von 100--500 Meter ?berflog. Im Gegensatz zu ihm schien dagegen wieder der Bauml?ufer den Obstb?umen an der Strasse den Vorzug zu geben; bei den allerdings etwas sp?rlichen Beobachtungen 1919 an der Rochlitzer Bergstrasse, die aber durch ?hnliche in Westsachsen und in der Oberlausitz erg?nzt werden, sah ich unsere Art nur Alleeb?ume absuchen, nie aber auch einmal das freie Feld in der Richtung des Waldes ?berfliegen. Ebenso entnahm auch der Gartenrotschwanz seinen Nahrungsbedarf in erster Linie den Strassenb?umen und verlegte die Jagdgefilde erst dann in den Wald, als ihm die Strassenb?ume nicht mehr die n?tigen Nahrungsmengen zu liefern im Stande zu sein schienen. Darauf deutet ganz besonders die 1913 gemachte Beobachtung eines P?rchens, das zun?chst auf den der Bruth?hle am n?chsten gelegenen B?umen die Nahrung sammelte, dann sein Jagdgebiet immer mehr auch auf die entfernteren ausdehnte und schliesslich kurz vor dem Fl?ggewerden der Jungen fast nur noch im Walde die Nahrung suchte. Eine ?beraus grosse insektenvertilgende T?tigkeit entfaltete auch der sonst so l?stige Feldsperling, dessen zur Brutzeit hier erlangte Bedeutung in der Lage ist, einen Teil seiner sonstigen Untugenden aufzuheben. Ich sah ihn ausschliesslich die Nahrung auf den Strassenb?umen einsammeln und ihn dabei eine T?tigkeit entfalten, die kaum der emsiger Meisen nachstand. Mehr als die anderen Vogelarten ber?cksichtigte er dabei die unmittelbarste Umgebung des Nistortes und sammelte auf deren B?umen die Nahrung f?r seine Brut. Nie sah ich ihn das freie Feld nach dem Walde zu ?berfliegen, und nie auch andere, als tierische Nahrung herbeibringen. Im Gegensatz zu ihm deckte der Star seinen Nahrungsbedarf ausschliesslich im Walde -- das gelegentliche Zugastegehen auch auf einem Obstbaum ist kaum der Erw?hnung wert --, und ?berflog dabei das freie Feld auf meistens recht weite Entfernungen. -- Zusammenfassend, m?chte ich inbezug auf die Insektenvertilgung in den Obstalleen durch deren h?hlenbr?tende G?ste den Meisen, die ja auch die h?ufigsten und regelm?ssigsten Bewohner sind, die gr?sste Bedeutung zusprechen und ihnen den meistens ja gleichfalls h?ufigen Gartenrotschwanz an die Seite stellen. Auch der Bauml?ufer wird ?berall dort, wo er sich als Brutvogel h?ufiger einstellt, eine hinter den Meisen kaum zur?ckbleibende T?tigkeit zu entfalten in der Lage sein. Des Feldsperlings Bedeutung endlich, die ihm in der Zeit der Jungenpflege wenigstens ohne Zweifel zukommt, vermag, wie schon gesagt, manche seiner sonstigen Untugenden abzuschw?chen, d?rfte aber kaum gen?gen, alle seine vielen Schw?chen ganz auszugleichen.
?ussert sich die insektenvertilgende T?tigkeit der hier erw?hnten h?hlenbr?tenden Strassenv?gel nun aber auch in einer praktisch ins Gewicht fallenden Weise? Ich glaube diese Frage, die ich aber nur ungern stelle, weil mir die Verkn?pfung von Vogelschutz und N?tzlichkeitsstandpunkt im allgemeinen wenig sympathisch ist, ohne die wir aber nicht auskommen k?nnen, wenn wir der grossen Masse den Vogelschutz begreiflich machen wollen, entschieden bejahen zu m?ssen. In der von meinen Knabenjahren an bis in das sp?te J?nglingsalter hinein fallenden Zeit, in der an der Rochlitzer Bergstrasse die Zahl der hier nistenden H?hlenbr?ter eine nur kleine war, war auch das Insektenleben der B?ume ein viel gr?sseres. Wenn der Strassenw?rter die Allee mit der Baumschere durchgegangen war, lagen die herausgeschnittenen Raupennester zu Tausenden am Boden. Dieser Reichtum an Insekten -- es handelt sich dabei ja auch vorwiegend um sch?dliche Arten, die ohne allen Zweifel den Obstertrag gemindert h?tten --, liess aber sofort nach, als mit dem Aufh?ngen von Nistk?sten die Wirkungen dieser Massregel in einer gr?sseren Zahl der die Strasse bewohnenden V?gel sich ?usserten, und die Menge der Raupennester, die heute noch von dem W?rter der Strasse entfernt werden muss, bildet nur noch einen verschwindend kleinen Bruchteil der fr?her beseitigten. Es ist das eine Erscheinung, die nicht etwa nur von mir beobachtet worden, sondern auch anderen schon aufgefallen ist und die ganz besonders der die Strasse betreuende W?rter empfindet. Eins verdient dabei noch Beachtung, n?mlich der geringe Einfluss, den die Vogelwelt des an die Strasse angrenzenden oder doch in ihrer N?he bleibenden Waldes auf das Insektenleben der letzteren auszu?ben scheint. W?re er ein gr?sserer, so h?tte er sich ja damals schon anders ?ussern m?ssen, als infolge der geringeren Zahl der Strassenv?gel der Insektenreichtum der Allee ein noch gr?sserer war. Es ergibt sich aus dieser Erscheinung daher wohl auch die f?r den praktischen Vogelschutz recht beachtenswerte Folgerung, dass zu einer wirksamen Bek?mpfung der Sch?dlinge in Obstalleen durch die Vogelwelt auch in vogelreichen Gegenden es unbedingt der Heranziehung eines den Alleen selbst eigenen Vogellebens bedarf. M?chten daher die Besitzer von Obstalleen -- als solche kommen in erster Linie ja wohl der Staat und die verschiedenen Ortsgemeinden in Frage -- diesem Umstande k?nftig auch Rechnung tragen und einmal durch das Aufh?ngen von Nistk?sten, zum anderen aber durch die Duldung einzelner alter, h?hlenreicher B?ume, die Vogelwelt dieser Alleen nach M?glichkeit zu vermehren trachten. Die darauf verwandten Kosten werden ja bald in einer Verminderung derjenigen f?r die Sch?dlingsbek?mpfung auf der einen, in einer Erh?hung des Obstertrages aber auf der anderen Seite ihre Wirkungen zeigen. --
Meine Ausf?hrungen beschliesse ich mit einer Liste der von mir bisher festgestellten h?hlenbr?tenden Alleev?gel und f?ge dabei den einzelnen Arten noch die Ergebnisse meiner bisherigen Feststellungen bei.
Nachdem in der vorstehenden Zusammenstellung vorwiegend die wirtschaftliche Bedeutung unserer Alleev?gel betont worden ist, sei wenigstens am Schlusse kurz auch noch auf ihre ideellen, der wirtschaftlichen Bedeutung durchaus nicht nachstehenden Werte hingewiesen. Unsere Vogelwelt vor allem ist es ja, die in das mitunter grosse Einerlei vieler unserer Strassen erst den belebenden Ton tr?gt, und sie wird das in einer um so gr?sseren Weise tun, je artenreicher und mannigfaltiger sie sich hier entfalten kann. Darum wollen wir uns auch ?ber die Anwesenheit der Arten freuen, deren wirtschaftliche Bedeutung hinter der der anderen zur?ckbleibt.
Das T?nnichttal im Tharandter Wald
Lange hatte w?hrend des Krieges und im b?sen Jahr darauf mein treues Rad gerastet. Heute lacht so frisch der Sonnenstrahl des taufrischen Sommermorgens und lockt hinaus, dass ich nicht widerstehen kann.
Hinaus aus den alten Mauern und dr?ckender Enge, hineinfliegen auf fl?chtigem Rade in die blaue Sonnenwelt, als w?re ich ein Vogel mit jungen Schwingen, der sein Lied jubelnd zur strahlenden H?he tr?gt. Die wuchtige Stadtmauer Alt-Freibergs mit ihren T?rmen und der Graben mit seinen gr?nen B?umen, das alte, m?chtige Bollwerk des Donatsturmes gleiten an mir vor?ber. Leb wohl, du alter, fester Kumpan mit deinem spitzen Kegeldach, heute treibt's in die Ferne mich m?chtig hinaus. Und ihr Dohlen dort oben, die ihr dort flattert und schwebt, und mit hellem Rufe freudig im Schwarme in dem blauen ?ther euch schwingt, heute neide ich euch nicht, heute bin ich selbst ein freier, wilder Vogel! Meine Seele ist ein Vogel, der ?ber allen Tiefen schwebt und tief das Gl?ck eines freien Sonnentages sp?rt. -- Die Strasse ins Muldental hinab fliegt das Rad, dass ein Jauchzen aus der Brust wie ein lachender, springender Brunnen emporsteigt. Halli und Hallo! Die Sommerwelt ist mein, die rechts und links an mir vor?berst?rmt, die gr?nen H?nge, die saftigen Wiesen, und dort der rauschende Fluss im tiefen Grunde, mit seinen weissen Schaumflocken auf dunklem, sprudelndem Wasser, die Heimat ist mein, denn meine Seele ist ihr offen, sie ist mein, denn sie gibt sich mir, weil ihrem Zauber sich meine Seele gibt.
Jenseits geht es steil bergauf. Steinig und heiss ist der Pfad, das Ger?ll rutscht unter dem Fuss und die glimmerblinkenden Gneisplatten flimmern wie Silber. R?tlich bl?ht schon das Heidekraut in dichten Polstern am Wege. Auf der H?he sch?pft die Brust tief Atem und dann wandern die Augen hinab ins tiefe Tal und dort nach den H?hen, wo die Halden und Bergwerke, Alt-Freibergs Wahrzeichen und H?nenmale des Bergbaues, sich t?rmen, und weit in die blaue Ferne, wo die duftigen Linien der Berge in unendlicher Zartheit sich am Horizonte dehnen. Doch nun wieder vorw?rts, dem Walde entgegen, in dessen gr?nem Meere ich untertauchen will. ?ber breitem H?henr?cken geht die Fahrt. Die Felder reifen der Ernte entgegen. Wie lange noch, dann klingt die Sense und die Pracht sinkt vor dem Schnitter dahin. -- Hast du Frucht gebracht? -- --
Die Vogelbeerb?ume schm?cken sich schon mit roten Beeren. Wie lange noch, und die Drosseln ziehen, die Beeren fallen und liegen wie Blutstropfen am Strassenrande, und dann schnaubt der Schnee in m?chtigen Wehen und Wirbeln gleich wilden, weissen Rossen ?ber die Felder und hinter ihnen der eisige Ost mit scharfen Peitschenschl?gen. -- Wohl dem, der eine Heimat hat! -- Doch heute weht ein s?sser Duft wie Honig her?ber. Ein bl?hendes Kleefeld str?mt des Sommers ganze Lieblichkeit in Duft und Farbe in die blaue Luft. Ich steige vom Rade und lausche dem Liede des gl?henden, bl?henden Klees. Millionen von Bienen und anderen Insekten singen und summen in dem purpurnen Bl?tenmeer ihr Lebenslied, und taumeln von Kelch zu Kelch. Schwer und wonnig steigt der Duft des Feldes empor und ich trinke ihn mit tiefen Z?gen, als w?re es ein alter, k?stlicher Wein. Ein purpurner Teppich aus Duft und Licht, Farbe und Leben gewoben, auf dem nur die Sonnenstrahlen mit leichten, schwebenden F?ssen dahingleiten d?rfen. Ein Teppich, wie ein dunkler, purpurner Orgelton, den der Sommerwind leise dahintr?gt, dass die Herzen stille werden. Als ob das heilige Herz der Mutter Erde unter ihnen schl?gt, so geht geheimnisvolles Leben durch die Millionen Bl?tenk?pfe. -- O, du Heimatflur! -- --
Dort dr?ben gr?sst das gr?ne Meer des Tharandter Waldes. Mein Rad fliegt wie ein Vogel hinab ins Bobritzschtal. Sanfter sind die H?nge hier als im Muldentale. Malerische H?fe und H?uschen klimmen auf und ab, dr?ngen sich am Bach und dr?cken sich in die Talwinkel. Naundorf ist es, dessen Kirchturm auf der H?he wie ein Hirte ?ber seine Herde wacht. Die Strasse f?hrt talaufw?rts, am Bach entlang. Die Wellen h?pfen mit Murmeln und Plaudern ?ber die runden Steine, und flinke Forellen schiessen blitzschnell daher. Einst war dieser k?stliche Fisch so h?ufig hier, wie ein altes Naundorfer Kind erz?hlt, dass f?r wenige Groschen eine ganze Sch?ssel voll im Fuhrmannsgasthof an der Strasse geliefert wurde. Die zahlreichen G?nse, Enten und H?hner auf der Strasse sind dem Rade nicht gewogen. Mit Flattern, Fauchen und Geschrei entr?sten sie sich oder suchen durch ?ngstliches hin und her laufen dem allzuraschen gef?rchteten Feinde zu entkommen. Heil uns, dass wir ohne unfreiwillige T?tung eines >>Rassehuhnes<< -- ?berfahrene H?hner sind immer >>Rasseh?hner<< -- am Ausgange des Dorfes anlangen. Dort macht die Bobritzsch eine starke Kr?mmung, fast im rechten Winkel. Ein stattlicher Hof liegt im Winkel und m?chtige alte B?ume beschatten den Platz. Dort m?ndet der Colmnitzbach, und eine Br?cke f?hrt ?ber die Bobritzsch, von der aus du in das Strudeln der klaren Wasser hinabschauen und die ganze Lieblichkeit dieses stillen Winkels mit seinem Wasserrauschen und Vogelsang unter gr?nem Bl?tterdach empfinden kannst. Wie Sonntag, durch den leise der Harfenton der Andacht klingt, liegt es immer hier unter sonnenstrahlendurchflochtener Laubkuppel. --
Auf schmalem Wege ?ber dem Wiesengrunde des Colmnitzbaches geht es aufw?rts. Wie ein leuchtend gr?ner Teppich ist der Grund zwischen die H?nge eingespannt. Doch bald verwehren uns hohe, dichte Hecken den Blick auf diese gr?ne Herrlichkeit. Zwei H?fe am Hange liegen vor uns, die Gippenh?user. Eine bleiche Dame sitzt am Wiesenrande, ein Kind spielt in der N?he. Sommerfrischler! Ja, hier k?nnt ihr gesunden und wie Joseph Viktor von Scheffel, der leider Halbvergessene und doch so echt deutsche Mann, in seinen Bergpsalmen singen und sagen:
>>Du hast eine Ruhe, ein Obdach gefunden, Hier magst du gesunden, Hier magst du die ehrlich empfangenen Wunden Ausheilen in friedsamer Stille.<<
Zwischen duftendem, rauschendem Wald und saftgr?ner, blumiger Wiese, in der die Margareten mit weissen Sternen leuchten, fern vom Staub der Strassen der Welt, den Blick auf sanft geschwungene edle H?henlinien, abgeschlossen doch nicht eingeschlossen, so recht ein Ort friedsamer Stille! --
Nun tauchen wir ein in den herrlichen Wald, dies gr?ne Kleinod zwischen Freiberg und Dresden, den Tharandter Wald. Wie viele Stunden tiefster Freude danke ich dir, du deutscher Wald, und deinen stillen Wundern.
>>Wer einmal diesen Jungbrunn' fand, Der sch?pft aus keinem andern! Denn das ist deutschen Waldes Kraft, Dass er kein Siechtum leidet, Und alles, was gebrestenhaft, Aus Leib und Seele scheidet. Dass ich wieder singen und jauchzen kann, Dass alle Lieder geraten, Verdank ich nur dem Streifen im Tann, Den stillen Hochwaldpfaden.<<
Solch ein stiller Hochwaldpfad, ?ber den die knorrigen Wurzeln laufen, f?hrt mich in die harzduftige, gr?ne Tiefe, und ein Singen und Jauchzen geht mir durch die Seele, doch es schweigen meine Lippen und leise ist mein Gang. Nur ab und zu knistern die Nadeln oder ein ?stlein unter den Reifen des Rades, welches ich f?hre.
>>Willst du dein Herz mir schenken, so fang' es heimlich an,<< das gilt auch vom Walde, dessen Seele man nur findet, wenn leise unsre Seele sich an seine schmiegt. Dann ?ffnen sich uns seine gr?ngoldnen Augen und schauen uns an voll unergr?ndlicher Tiefe, dann spricht sein Mund im geheimnisvollen Raunen, und wir h?ren im stundenlangen leisen Wipfelrauschen wie des Waldes Seele mit uns spricht und ihre Wunder uns offenbart. Dann darfst du nur lauschen, schauen und vergessen, was draussen ist. Was er dir zeigt und sagt, was er deiner Seele gibt, das wird dich reich und froh machen. Der Wald ist dein geworden, weil er dir seine tiefsten Geheimnisse gab und du seiner wundersamen Kr?fte kund wurdest.
Eine im Sonnenschein flimmernde Bl?sse ?ffnet sich. Ein kr?ftiger, warmer Harzduft steigt empor und f?llt die Brust, als sollten die Lungen besonders in Waldeskraft gebadet werden! Die Grillen zirpen ihr heisses Sonnenlied und ?ber den Halmen und den Spitzen der Schonung zittert die Luft, als w?re sie durch das schwirrende, unendliche Grillenlied zum Schwingen gebracht. Ein Blick in die Weite auf blauferne H?henlinien, dann ein dunkler, gr?ner, kurzer Waldpfad, und pl?tzlich gibt es mir einen Riss durch die Seele. Wie eine ungeheure rote, offene Wunde in der Felsenflanke des Berghanges liegt es vor mir, von rauher, r?cksichtsloser Hand geschlagen, dort eine Schutthalde von kleingeschlagenem Porphyrgestein, das aus dem Abhange herausgeschlagen und gesprengt ist. Hier hatte ein Steinbrecher mit gierigen Z?hnen gearbeitet. Und weiter strecken sich Schienen eines Bahnneubaues, der sich mitten durch eine Felsengruppe voll malerischer Wucht eine klaffende L?cke gebrochen hat. Bitterkeit steigt dir auf, dass Sch?nheit und Friede nicht mehr heilig sind, sondern wehrlos der R?cksichtslosigkeit und ehernen Notwendigkeit unterliegen m?ssen! Schillers N?nie klingt schmerzvoll durch die Seele:
>>Auch das Sch?ne muss sterben. Siehe, da weinen die G?tter, Es weinen die G?ttinnen alle, Dass das Sch?ne vergeht, Dass das Vollkommene stirbt.<<
Doch wie zum Troste senkt sich der Blick rechts durch St?mme und ?ber schwankende Wipfel hinab in einen Talgrund, der noch wie ein stilles M?rchenland des Friedens und der Sch?nheit gr?n heraufleuchtet. Es ist das T?nnichttal. Das T?nnichttal, um dessen Sch?nheit, Poesie und ungest?rten Frieden der Heimatschutz im letzten Augenblick sich m?hte und den Weg der Rettung fand. Der Bahnbau war leider unvermeidlich und wurde mit leidlicher Schonung und Anpassung an den Waldabhang gelegt. Dass er, wenn jetzt auch die Wunden noch bluten, mehr und mehr im Laufe der Jahre verschwinden und in das Bild sich einordnen wird, daf?r wird der Wald selbst schon sorgen und seine Wunderkraft heilend offenbaren, wenn Flechten und Moose, Heidekraut und Ginster, Gras und Waldkr?uter, Birken und schliesslich die ragenden St?mme des Hochwaldes sich das Werk des Ingenieurs zu eigen machen. Doch Schlimmeres als der Bahnbau sollte dem T?nnichttale geschehen. Steinbr?che sollten angelegt werden, welche Wunde auf Wunde tiefer und tiefer geschlagen h?tten und die gr?nen H?nge zerst?rt und mit dem Rasseln und St?hnen, dem L?rmen und Kreischen der Maschinen die selige Waldesstille, die V?gel und das Wild des Waldes vertrieben und diesem lieben M?rchenwinkel v?llige Vernichtung gebracht h?tten. Eine Schwebebahn mit hohen Bockger?sten sollte das Tal ?berqueren. Das Rollen und R?tteln der Wagen und Schienen und das Knirschen der Steinbrecher, sowie die ganze l?rmende Industriearbeit sollten die tiefmelodischen Stimmen der wilden Tauben, des Pirols Fl?tenrufe und der Finken schmetternden Schlag f?r immer verstummen lassen. Die malerischen Felsklippen, die wie T?rme und Mauern aus den gr?nen Wipfeln des Waldes emporsteigen, sollten von dem Moloch des Industrialismus gefressen werden!
Nicht mehr als alles w?re dadurch dem Tale genommen worden! Doch stolz und freudig darf der Heimatschutz seines Erfolges denken: Diese Gefahr ist gebannt durch seine Bem?hungen und die dankbar zu r?hmende verst?ndnisvolle F?rderung des Finanzministeriums, welches in letzter Stunde die Genehmigung der Steinbruchanlage versagte. Doch wir blicken jetzt mit frohem, innerem Gl?cksgef?hl ins T?nnichttal hinab, wie es uns nun erhalten bleiben soll und noch viele stille Wanderer entz?cken wird. Dort unten blitzen die Wellen des Colmnitzbaches aus dem Smaragdgr?n des Wiesenbodens herauf. Er kommt weit von draussen her, aus der waldarmen Gegend, um hier zwischen Wald und Felsen seines Daseins sch?nste Strecke zu durchlaufen. Wie die andern B?che der Freiberger Gegend hat er sich schon draussen ein tiefes Bett gegraben und windet sich in vielen Kr?mmungen durch die h?gelige Landschaft. Die begleitenden H?henkuppen des Gneismassivs von breitgelagerter, rundlicher Art, welche mit ihren langen, sch?ngeschwungenen Linien ungeheuren Wogen gleichen, haben an der Quelle rund 500 Meter, an der M?ndung in die Bobritzsch rund 400 Meter H?he. Draussen im freien Lande haben sich im Colmnitzbachtal in der langgestreckten, dem Wasserlaufe folgenden Siedelungsweise des Kolonistendorfes die D?rfer Pretzschendorf, Ober- und Niedercolmnitz angesiedelt. Ihre Wiesen und Felder mit ihren besonderen Reizen von Saat, Ernte und Wiesenduft geben der ganzen weiten Gegend draussen einen ausgesprochen landwirtschaftlichen Charakter, aber auch mit ihrer ausgesprochenen Kahlheit, welche ausser den B?umen an den Strassen, am murmelnden Bach und in den G?rten des Dorfes kaum einen Baum duldet, der nur der Sch?nheit nicht aber besonders dem Nutzen dient. F?nf Sechstel seines Laufes hat so der Colmnitzbach kahles Gel?nde durchstr?mt, bis er hier im waldigen, engen, malerischen T?nnichttal sich heimfindet zu Bergeshang mit dunklen Fichten, zu Wiesengr?nden mit leuchtendem Gr?n. Der schluchtartige Charakter dieses Tales mit seinen steilen bewaldeten Abh?ngen, im Gegensatz zu den sanfteren H?gelwogen des freien Landes, ist ?berraschend und gibt malerische Bilder, gleichviel ob man von oben hineinschaut in die saftigen Gr?nde einer stillen, smaragdnen M?rchenwelt, oder ob man von unten zu den H?hen hinaufschaut, die mit ihren W?nden einzelne Kessel abschliessen und bei einer neuen Kr?mmung neue Bilder friedsamer Stille ?ffnen. Der Talboden hat nur f?nfzig bis sechzig Meter Breite. Die anschliessenden steilen H?nge steigen rund hundert Meter auf, zum Teil mit hohen Felsw?nden, Zacken und ragenden roten Porphyrklippen, die wie zinnengekr?nte Burgmauern aufsteigen. Dieser schluchtartige Charakter des Tales im Gegensatze zur breiten Landschaft draussen, ist das Ergebnis urgewaltiger Kr?fte aus der Werdezeit unserer Erde, und insofern ein Naturdenkmal von besonderer Bedeutung f?r die Freiberger Gegend.
Das flachgeschichtete, im Laufe der Jahrmillionen rundlich abgeschliffene Urgebirge des Gneises der Freiberger Landschaft ist hier mit ungeheurer vulkanischer Gewalt von Porphyr durchbrochen. Durch dieses harte Porphyrmassiv hat sich der Bach hindurchgenagt und die schmale Talenge hineingefressen. Dort dr?ben, mitten in dieser malerischen Talenge, an ihrem sch?nsten Punkte, ragen die zackigen Spitzen und K?mme der gewaltigen roten Porphyrklippen in den blauen Himmel vom gr?nen Waldhange empor, die Diebskammer. Diese Felsgruppe ist die Kr?nung der Sch?nheit des ganzen Tales, das urgewaltige, zu Stein erstarrte Denkmal gigantischer Naturkr?fte. Wir stellen das Rad in das Dickicht und klettern n?her heran durch Fichtengezweig und Ginstergestr?pp, die trotzigen Zacken zu betrachten. Da sehen wir und erleben es fast an der eigenartigen Faltung und Schichtung der Gesteinsformationen, wie einst in ungeheuren Wehen und Ringen lebendiger Kr?fte die Massen emporstiegen, sich zusammenpressten und neigten, sich kristallisierten und zu besonderer Lagerung und Schichtung versteinten.
>>An dieses liebliche St?ckchen Erde, im besonderen an die ?ber der >>Diebskammer<< sich aufbauenden Felsenpartien kn?pfen sich f?r mich die angenehmsten Erinnerungen aus meiner Jugend. Als Naundorfer Pfarrerssohn habe ich dort von meiner Tertianerzeit an bis in meine ersten akademischen Semester , in welch' letzterem Jahre nach des Vaters Tode unsere Familie den Ort verlassen musste, in den Ferienzeiten zahlreiche gl?ckliche Stunden verlebt. Mit Hilfe eines mir befreundeten jungen, f?r Romantik empf?nglichen Lehrers hatte ich hier in etwa halber H?he des Felsens ein Pl?tzchen f?r l?ngeren Aufenthalt hergerichtet, einen Felsblock als Tisch, einen anderen moosbedeckten als Sessel, und in diese durch keine Strasse gest?rte Weltabgeschiedenheit fl?chtete ich mich so oft wie m?glich mit meinen Freunden aus dem altklassischen Altertume, Homer, Sophokles, Horaz usw. oder mit unseren deutschen Dichterheroen. Hier besch?ftigte ich mich mit ersten poetischen Versuchen, ?bersetzte ich in das Deutsche einen Teil von Ovids Metamorphosen, und ich hatte immer die Empfindung, dass mir hier alles leichter vonstatten ging. Auch vertr?umte ich manche Stunde unter dem Rauschen der Tannen, dem Gesange der damals noch zahlreichen Vogelwelt, unter dem Murmeln des zwischen saftig gr?nen Wiesen durch den Grund fliessenden, kristallhellen, von Forellen und Krebsen dicht bev?lkerten Colmnitzbaches. Der Felsen senkte sich winkelf?rmig in die Erde und schien in eine H?hle zu f?hren, die von Steinen versch?ttet war, in deren Geheimnis ich aber nie eingedrungen bin. Ob der ber?chtigte, 1715 in Dresden hingerichtete Lips Tullian auch hier sein Wesen getrieben hat, weiss ich nicht, w?re aber bei der versteckten Lage der Diebskammer nicht unm?glich. Es wurde zu meiner Zeit von diesem Tale nur mit einer gewissen Scheu von den Dorfbewohnern gesprochen. Ich habe seiner Zeit bei den Freiberger allgemeinen Gymnasialspazierg?ngen, die gew?hnlich ?ber Niederbobritzsch nach Naundorf f?hrten, nie vers?umt, meine Freunde an diesen meinen Lieblingsort zu f?hren, ihn auch sp?ter ab und zu aufgesucht.<<
O Klang der Jugendromantik und deutscher Tr?umerei aus diesem Tal heraus, der wie von fernen s?ssen Glocken noch durch das Greisenalter t?nt! --
Und diese Felsen, dieser Ort, die so noch klingen und Tausenden noch klingen werden, sollten dem Steinknacker ausgeliefert werden!? Damit einige geschickte Gesch?ftsleute gute Gesch?fte machten, sollten die Felsen zu Strassenschotter verarbeitet werden und allm?hlich der Meissel sich hineinfressen in die Talw?nde, bis alles weggefressen ist, was an Sch?nheit und h?heren Werten Tausenden zur Freude und Erquickung diente!?
Wir freuen uns mit dankbarem Herzen, dass diese Gefahr gebannt ist und schauen mit besonderer Liebe der stillen St?tte des Friedens in die tiefen Augen und versenken uns ganz in die Stimmung der Einsamkeit, des Alleinseins, Geborgenseins vor dem Tosen und Staub der Welt dort draussen.
>>Selig, wer im stillen Lauschen Einsam hier die Waldrast h?lt, Wer beim fl?sternd milden Rauschen Das Get?s vergisst der Welt.<<
Langsam steigen wir nun die Strasse ins Tal hinab. Hier ist es zu sch?n, um auf dem Rade vorbeizufliegen, hier m?chte man weilen und tr?umen, und warten, ob nicht irgend ein liebliches Wunder geschehen m?chte, dass dr?ben aus dem Waldesdunkel die Elfen auf die leuchtende Wiese schweben oder dass die Elfenk?nigin auf schlankem weissen Reh aus dem Dickicht kommt, an dir vor?berstreift und aus wundersamen M?rchenaugen dir tief in die Seele schaut.
Dort steht der Fels wie ein W?chter am Wege, dicht am Bach, wo die Br?cke in die Wiese f?hrt. Will er h?ten, dass kein Unberufener, kein Feind hier eindringe? Ist er der Riegel, der die Welt und den L?rm abschliesst vom stillen Lande der Poesie?
Den Wipfel hoch die Tanne hebt, Im Winde schwankt die Birke, Und Gottes goldne Sonne schwebt Still ?ber dem Bezirke. Ein harziges Ged?fte Durchwogt die warmen L?fte.
Wie ein silberner Steg f?r ?berirdische F?sse schimmert der Bach im Gr?n und windet sich durch die saftige Aue, als wollte er diese St?tte nicht verlassen, sondern immer noch einmal umkehren und bleiben. Einzelne Baumgruppen von herrlicher Gestalt stehen hier und da mitten in der Wiese, und im weichen Dufte d?mmern die fernen Abh?nge des Tales.
Dann fliegt unser Blick noch einmal hinauf zu den Felsschroffen, die dort oben rot in der Sonne leuchten, aus dem Waldesdunkel schimmernd emporsteigend. Wir schreiten weiter am Wiesengrund. Weiss gl?nzen die St?mme der Birken am Wege, und die Felsen entwickeln sich zu einer langen gewaltigen Mauer, die mit schroffen Seiten, scharfen Spitzen und Kanten nackt und kahl, nur mit dem bunten Gewande der Farbe bekleidet, aus dem Walde aufragt. Der Reichtum der Farben, der je nach Beleuchtung wechselt, je nachdem die Schatten der Wolken den Wald, die Wiese oder die ernsten Felsenstirnen streifen, gibt dem Bilde einen besonderen ?berraschenden Reiz. Wie ein tiefes, tiefes, weiches buntgesticktes Kissen ist die Wiese mit ihrem Duft und ihren Blumen, in das man sich hineinschmiegen m?chte. Es plaudert der Bach an unserer Seite, und Birken und Erlen streuen ihren Schatten auf Weg und Wiese und fl?stern im weichen Sommerwinde von den alten Geschichten, die hier geschehen. Denn dort dr?ben ragt aus dem Walde der Lips-Tullian-Felsen, der gar vieles erz?hlen k?nnte. Er ist aber ein rauher, schweigsamer Geselle, der seine Geheimnisse wohl h?tet und das junge Volk der Pflanzen und B?ume raunen und fl?stern l?sst. In seine Felsenstirne zogen die Jahrhunderte und Jahrtausende ihre tiefen Runen. Was ist da Menschenleid und Menschentat, was sind da die Geschlechter der Menschen, die hier vor?berschritten, was ist da Jugend und Alter? Gras, das zu seinen F?ssen w?chst, B?ume, die an ihm wurzeln und abgehauen werden, wieder kommen und wieder vergehen in unendlicher Folge! Er schweigt und l?sst die Sagen und Geschichten, welche aus Dickicht und H?hlen und L?chern hervorkriechen, wie Spukgestalten ihres Weges ziehen, schweben und zerflattern in Wind und Nebel und dem Rauschen des Waldes, dass niemand sie fassen kann, sondern nur ein unnennbares, unbestimmbares Grausen unheimlich um den Felsen schleicht.
Wir wandern weiter und n?hern uns dem oberen Ausgange des Tales. Der Weg steigt wieder an und l?st sich vom Talgrund. Unter sch?nen alten Fichten, aus dunklem Schatten hervor, blicken wir weit ?ber die gr?nen Gr?nde, die im Sonnenlichte flimmern, hinaus in die duftige Ferne, wo blauende H?henz?ge sich zart vom Himmel abzeichnen. Der Bach ist ein silberner Spiegel im Vordergrunde, in dem sich Wolken und B?ume spiegeln.
>>Ich stehe in Waldesschatten Wie an des Lebens Rand, Die L?nder wie d?mmernde Matten, Der Strom wie ein silbern Band.<<
Ein langer Blick dann zur?ck in das stille Tal Eden, das wir nun verlassen, und es geht uns durch die Seele ein Klang der Sehnsucht:
>>Du bist Orplid, mein Land, Das ferne leuchtet!<<
Bald treten wir aus dem Walde auf kahle H?he mit weitem Fernblick, und dann fliegt das Rad hinab in das Dorf Colmnitz, dessen H?fe sich rechts und links von Bach und Strasse, unter Eschen und Birken, oft in malerischer Lage und Gruppe siedeln. Doch wir sind noch wie im Traume. Wir achten nicht viel, nicht so wie sonst, auf jedes Haus und jede Gruppe von B?umen und Bauten, auf jede Eigenheit der Bauart oder neckischer Laune. Wir sind im Leben draussen, aber unsere Seele weilt noch dort dr?ben im stillen Tale, wo die Welt schweigt, sie wandert noch auf dem silbernen Steg in den Elfenwiesen, an deren Rand die dunklen Fichten M?rchen tr?umen und wo um die Felsen geheimnisvoll die Sage raunt.
Colmnitz liegt hinter uns. Von der H?he schauen wir noch einmal lange ?ber den weiten Acker, ?ber das Dorf hinweg, das sich mit seinen H?usern fast versteckt und tief in das Tal duckt. Dort dr?ben liegt der Wald im blauen Dufte, dort dr?ben, das Tal, dort dr?ben -- dort dr?ben --
>>Und meine Seele spannte Weit ihre Fl?gel aus!<<
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