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Read Ebook: Der geistliche Tod: Roman. Zehnte Auflage. by Marriot Emil

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Ebook has 1489 lines and 68246 words, and 30 pages

r weiss der Himmel, wie es kam, ... ich vergass sie ganz und gar.<<

Mittlerweile war es sechs Uhr geworden; die Stunde des Gebetes. Um die Unterlassungss?nde halbwegs gut zu machen, beschloss Harteck, jetzt, bevor die Messe begann, in die Kirche zu gehen und schlug mit seinem Hunde den Weg nach dem Gotteshause ein. Er hiess C?sar draussen warten und trat, das ge?ffnete Brevier in den H?nden, in die Kirche.

Das Innere derselben war, wie es bei vielen Dorfkirchen der Fall ist, ?berreich an Vergoldungen, kleinen Engeln und Heiligenbildern. ?ber dem Altar, mittels eines Drahtes an der Decke befestigt, schwebte eine grosse, weisse, aus Holz geschnitzte Taube, den heiligen Geist vorstellend. Neben dem Altar stand ein vergoldeter Armstuhl, auf dem eine blaugekleidete h?lzerne Figur sass, die ein Kind in den Armen hielt. Mutter und Kind, die Jungfrau mit dem Jesuknaben, trugen goldene Kr?nlein auf den H?uptern. An den W?nden hingen die in allen katholischen Kirchen ?blichen vierzehn Leidensstationen Jesu Christi. Das Altarblatt stellte die heiligste Dreifaltigkeit dar, und ?ber den Seitenalt?ren rechts und links waren Bilder eines Christus am Kreuze und einer schmerzhaften Maria angebracht. Die Landesheilige, die fromme Notburg, war ebenfalls vertreten, und der Maler hatte sie in dem Augenblicke festgehalten, wo sie die Sichel in die Luft geworfen hat und diese in der Luft h?ngen bleibt, zum Zeichen, dass Gott Vater es vorziehe, wenn Menschen am Feierabend beten, anstatt zu arbeiten, was die heilige Notburg, der ?berlieferung gem?ss, auch getan hat.

Der junge Priester machte einen Rundgang durch die Kirche, betrachtete alles mit gleichg?ltigem Blick und ging dann wieder ins Freie. Bemerkenswertes bot die Kirche nicht; er hatte schon viele gesehen, die dieser auf ein Haar glichen.

Aber er stellte sich in der N?he des Kirchleins auf, denn er sah von allen Seiten Leute nahen, die der Glocke Gel?ut zur Fr?hmesse rief, und er wollte diese Menschen, zu deren Seelenheil er bestellt war, von Angesicht kennen lernen. Zuerst kamen die Klosterfrauen aus dem Spital, gefolgt von alten Pfr?ndnern beiderlei Geschlechtes und den weiblichen Schulkindern. Der Geistliche zog vor den Schwestern den Hut ab, und sie dankten seinem Gruss, indem sie dem?tig das Haupt neigten, und die Kinder, die Greise und Greisinnen gr?ssten ihn und alle schauten ihn neugierig an. Dann kamen auch die Schulknaben, h?bsche, fr?hliche Jungen mit hellen Augen, und B?uerinnen in der Landestracht, darunter manche bildh?bsche Dirne, und er musste jedem einzelnen danken, denn alle riefen oder nickten ihm einen Gruss zu, und wenn sie an ihm vorbei waren, steckten sie die K?pfe zusammen und fl?sterten sich ein paar Worte ins Ohr. Endlich wurde es still, niemand mehr kam, die Glocke schwieg; die Messe hatte begonnen. Langsamen Schrittes schlenderte der Geistliche die Kirche entlang und trat durch ein Hinterpf?rtchen in die Sakristei, um sich f?r die Messe anzukleiden. Der Messner, ein etwas schiefgewachsener, grauk?pfiger Mensch, bewillkommnete ihn mit einem tiefen B?ckling und zeigte ihm nicht ohne Stolz die geistlichen Ornate, die in den Schr?nken aufbewahrt lagen. Dann half er ihm beim Ankleiden und stellte ihm einen kleinen Buben, der sich einstweilen eingefunden hatte und dem Priester die Hand k?sste, als seinen Ministranten vor. Harteck richtete an den Jungen einige Fragen; da jedoch aus diesem nichts anderes als Ja oder Nein herauszubringen war, verstummte das Gespr?ch sehr bald. ?brigens war dazu auch keine Zeit mehr. Die T?r, die nach der Kirche f?hrte, wurde aufgestossen und herein trat ein anderer Ministrant, gefolgt vom Herrn Dekan. So also sah sein neuer Gebieter aus! Der junge Priester erhob sich rasch und machte eine tiefe Verbeugung. Ohne ihm die Hand zu reichen und ohne zu l?cheln, schaute der Dekan ihn an, nickte mit dem Kopfe und liess sich von dem Messner das Messgewand vom Leibe ziehen.

>>Zum Begr?ssen ist jetzt keine Zeit,<< sagte er. >>He! Kleiner! Gib das Glockenzeichen zur zweiten Messe.<<

>>Was f?r ein Priester ich bin!<< dachte er und sch?ttelte das Haupt ?ber sich selbst.

Er atmete gleichsam auf, als er wieder ausserhalb der Kirche stand und mit seinem C?sar, der vor der T?r auf ihn gewartet hatte, in den Pfarrhof zur?ckkehrte.

Drittes Kapitel

Von Uschei h?rte Harteck, dass das Fr?hst?ck bereits aufgetragen w?re. Hastig vertauschte er den langen Priestertalar mit einem schwarzen Rocke, b?rstete sorgf?ltig sein ungl?cklicherweise nat?rlich gelocktes Haar und trat also ger?stet in das Speisezimmer.

Der Dekan sass am Tische und las in einer Zeitung. Den Platz ihm gegen?ber nahm der junge M?nch ein und in dessen N?he stand eine Dame, die sich gerade anschickte, den Kaffee in die Tassen zu giessen. Sie verrichtete das h?usliche Gesch?ft mit zimperlicher Geziertheit, ihr blasses Gesicht sah ziemlich verschlafen aus und ihre Toilette verriet, dass sie erst vor kurzem aus den Federn geschl?pft war. Sie trug einen hellen Schlafrock und ihr ungek?mmtes Haar war nachl?ssig aufgesteckt.

Die drei Personen blickten nach der T?r, als Harteck eintrat, und erwiderten seine Verbeugung auf verschiedene Art. Der Dekan nickte bloss mit dem Kopfe und vertiefte sich allsogleich wieder in seine Zeitung. Der M?nch erhob sich halb von seinem Sitze und verneigte sich, die Dame liess einen durchdringenden Blick ?ber den Ank?mmling gleiten, verwirrte sich, wurde rot und goss eine der Tassen mit so grosser Eile voll, dass sie ?berfloss.

>>Ach! Wie ungeschickt ich bin!<< rief das Fr?ulein kichernd.

>>Was ist denn geschehen?<< fragte der Dekan, legte die Zeitung auf den Tisch und blickte das Fr?ulein streng an. >>Gib doch acht, Aurelie! Du wirst wieder etwas zerbrechen. -- Und Sie, Herr Kooperator, nehmen gef?lligst Platz; Sie sitzen neben dem Pater. Doch zuerst will ich Sie mit meiner Nichte bekannt machen. Fr?ulein von Gerstenbeck, Herr Kooperator Harteck.<<

Der Genannte verbeugte sich abermals und setzte sich dann neben den jungen M?nch. Die Dame im Schlafrock, die Harteck mit einem lautlosen Gegengruss und einem schmachtenden Blick begl?ckt hatte, reichte zuerst ihm, dann dem Pater eine Tasse hin, nahm dann an der Seite ihres Onkels Platz und begann gleich den anderen ihr Fr?hst?ck zu verzehren. Nach einer Weile sagte der Dekan: >>Du bist heute abermals nicht in der Messe gewesen, Aurelie.<<

>>Ich, gn?diges Fr?ulein?<< fragte Harteck aufblickend. >>Ich w?rde trostlos sein, wenn Sie sich meinetwegen irgendeinen Zwang auferlegten.<<

>>Lass jetzt diesen Gegenstand fallen und steh' in Zukunft fr?her auf,<< sagte der Dekan.

>>Wie kann ich das, Onkelchen, wenn ich so schlecht schlafe in der Nacht? Ich habe mich gestern sehr ge?rgert, und wenn ich mich ?rgere, kann ich nicht schlafen.<<

>>Ich m?chte doch wissen, wor?ber oder ?ber wen Du Dich schon wieder ge?rgert hast,<< versetzte der Dekan mit einem Achselzucken.

>>Nun, ... ?ber Fr?ulein Reinberg, Onkel.<<

Der Dekan fuhr von seinem Sitze auf: >>Habe ich Dir nicht schon zu wiederholten Malen untersagt, mit diesen Leuten umzugehen?<<

>>Verzeih' mir, Goldonkelchen!<< antwortete sie und faltete neuerdings die H?nde. >>Ich bin nun einmal so, ... ich kann die Menschen nicht entbehren. Den ganzen Tag bin ich allein, ... alle Welt ist besch?ftigt und hat keine Zeit, mit mir zu plaudern ... und das macht mich ganz krank. In meiner Verzweiflung bin ich denn gestern zu Fr?ulein Reinberg gegangen und habe sie zu einem gemeinsamen Spaziergang aufgefordert.<<

>>Nun, und sie? Sie hat doch nicht die Unverfrorenheit gehabt, Dich abzuweisen?<<

>>Dir geschieht ganz recht. Wer Pech angreift, besudelt sich, und wer sich in den Kopf setzt, mit Leuten zu verkehren, die nicht zu ihm passen, wird immer unangenehme Erfahrungen machen.<<

>>Du hast ja so recht, Onkelchen. Nicht wahr, ich bereite Dir viel Verdruss? Ich wette, ich wette,<< sagte Fr?ulein Aurelie und drohte schelmisch mit dem Finger, >>dass Du im Grunde Deines Herzens manchmal denkst: Wenn doch meine querk?pfige, n?rrische kleine Nichte wieder fort w?re! Ist es nicht so?<<

>>Du bist vom Gegenteil so gut ?berzeugt wie ich,<< versetzte der Dekan und stand auf. >>Herr Kooperator,<< wendete er sich an diesen, der sich gleichzeitig mit dem Dekan erhoben hatte und dem Gespr?che ohne eine Miene zu verziehen gefolgt war, >>Sie bitte ich, sich nach Ablauf einer halben Stunde in meinem Arbeitszimmer einzufinden. Ich habe wegen der Kirchenordnung, der Gesch?ftseinteilung, des Unterrichts und so weiter mit Ihnen zu sprechen.<<

Harteck verneigte sich, der Dekan gr?sste und ging aus dem Zimmer. Die beiden anderen Herren wollten sich ebenfalls entfernen.

>>Sie haben einen sch?nen Hund, Herr Kooperator,<< sagte da Fr?ulein Aurelie und zwang ihn dadurch zu bleiben, w?hrend der junge M?nch, dessen stummer Gruss von der Dame nicht erwidert wurde, schleunig seiner Wege ging.

>>Es freut mich, wenn er Ihnen gef?llt,<< sagte Harteck mit einem L?cheln.

>>Ja, er gef?llt mir. Wie heisst er?<<

>>C?sar.<<

>>Besitzen Sie ihn schon lange?<<

>>Seit zwei Jahren. Als ich ihn bekam, war er erst sechs Wochen alt und nicht gr?sser als ein Schossh?ndchen.<<

>>Ach, wie lieb muss er damals gewesen sein!<< sagte Fr?ulein Aurelie mit mehr R?hrung in der Miene, als die Situation erheischte. >>Ist er brav und folgsam?<<

>>Er hat alle guten Eigenschaften, die man von einem Hunde fordern darf.<<

>>Wenn er sich nur an mich gew?hnte! Dann k?nnte er mich manchmal auf meinen einsamen Spazierg?ngen begleiten. Es ist so traurig, ja, man m?chte sagen, ?ngstlich f?r eine junge Dame, allein spazieren zu gehen.<<

Harteck blickte sie an. Sollte das eine Aufforderung sein? Erwartete das Fr?ulein, dass er sich zu ihrem Begleiter auf ihren >>einsamen Spazierg?ngen<< anbieten w?rde?

>>Hier in Tirol k?nnen Sie sich wohl vollkommen sicher f?hlen,<< sagte er. >>In Wien und dessen Umgebungen mag es wohl vorkommen, dass Damen Bel?stigungen aller Art ausgesetzt sind, ... aber bei uns ist das nicht der Fall. Doch wenn Sie meinem Hunde die Ehre erweisen wollen, sich mit ihm abzugeben, steht er nat?rlich jederzeit zu Ihrer Verf?gung.<<

Sie schien von dieser Antwort nicht befriedigt, denn sie schwieg und ihr Gesicht nahm einen geschraubten Ausdruck an; der junge Priester ben?tzte die Pause, um sich zur?ckzuziehen und ging nach einem im h?flichsten Tone gesprochenen: >>Auf baldiges Wiedersehen, gn?diges Fr?ulein!<< aus dem Zimmer.

Viertes Kapitel

Willkommen hatte der Dekan ihn nicht geheissen und erwies sich auch in der Folge nicht als freundlich gesinnt wider ihn. Aber Georg Harteck hatte von seinen Vorgesetzten schon allerlei ?bles erfahren und manches ertragen gelernt. Die Schule des Lebens hatte ihn gest?hlt und sein Grundsatz war, kein Bedauern mit sich selbst aufkommen zu lassen, denn er hatte das dunkle Gef?hl, dass der Mensch, wenn er einmal anf?ngt, sich selbst zu bemitleiden, nicht wieder damit aufh?ren kann. Er bem?hte sich denn, den Dekan, soweit es in seinen Kr?ften stand, zufrieden zu stellen, und wenn der Prinzipal ihn wegen irgend etwas tadelte, schwieg er, oder er versprach, die Sache in Zukunft anders zu machen. Die Dekanei war eine ergiebige Pfr?nde, verursachte aber auch viel Arbeit: nicht hinsichtlich der Seelsorge allein, sondern auch in wirtschaftlicher Beziehung; sie besass reichliche ?cker, Wiesen und Vieh, ?ber deren Ertr?gnisse genaue Rechnung gef?hrt und die m?glichst vorteilhaft verwendet werden mussten. Der Dekan hatte sich zum t?chtigen Landwirt herangebildet, wachte ?ber alles, verstand alles und trieb allerlei Art von Handel. Er feilschte mit den Bauern um jede Kanne Milch, um jedes Kalb, um jeden Halm, wie ein echter Kr?mer. Dem jungen Kooperator missfiel diese Habsucht in hohem Grade und er fing an zu begreifen, weshalb die Bauern ihren Seelenhirten nicht leiden mochten. Auch das Gesinde hatte keine guten Tage bei ihm; er forderte von den Leuten eisernen Fleiss und zahlte karge L?hnung daf?r; niemals zufrieden mit dem, was die Knechte und M?gde taten, jammerte er best?ndig ?ber die Tr?gheit, Gottlosigkeit und den Eigennutz der Menschen, und von den Bauern sprach er stets mit verbissener Unvers?hnlichkeit. Seit Menschengedenken war in dem Dorfe niemand gestorben, der nicht der Kirche etwas vermacht h?tte, und jeden Tag mussten sogenannte >>gestiftete Seelenmessen<< gelesen werden, f?r die ein kleines Kapital ausgesetzt worden war, von dessen Zinsen die Messe f?r die Seelenruhe des Verstorbenen, von dem die Stiftung ausging, bezahlt wurde. Aber auch darin erblickte der Dekan kein Zeichen von Fr?mmigkeit. >>Ihr ganzes Leben verbringen diese Kerle in der S?nde,<< sagte er, >>vernachl?ssigen den Herrgott und seine Gebote, und auf dem Sterbebette packt sie die Furcht und sie meinen den lieben Gott dadurch zu vers?hnen, wenn sie nach ihrem Tode Messen lesen lassen. Selbstsucht, Angst vor dem g?ttlichen Zorn ist's, ... nichts weiter.<< Was aber w?rde der Herr Dekan erst gesagt haben, wenn ein reicher Bauer gestorben w?re, ohne der Kirche etwas zu hinterlassen? Aber das kommt in Tirol niemals oder doch sehr selten vor.

Weil der Dekan es so haben wollte, vermied Harteck einstweilen, mit den Leuten im Dorfe zu verkehren. Das kostete ihm auch kein schweres Opfer, denn er war es nachgerade m?de geworden, immer wieder von vorne anzufangen. Kaum hatte er sich an einen Ort und dessen Bewohner gew?hnt, hiess es wieder wandern, alle lieb gewordenen Menschen und die vertraute Gegend verlassen und an fremdem Orte, unter fremden Menschen, ein neues Leben beginnen. Dreimal schon hatte er die Wehmut des Scheidens auskosten m?ssen, und er sagte sich, dass es f?r einen Priester vielleicht am besten w?re, sich niemandem anzuschliessen, weil er niemals wissen k?nne, wie lange seines Bleibens an einem Orte sein w?rde. In seinen freien Stunden streifte er, von seinem Hunde begleitet, in Wald und Feld umher und freute sich der sch?nen Natur; oder er sass daheim, las, schrieb Briefe an seinen einzigen Freund, den jungen Geistlichen, dessen Krankenw?rter er gewesen war und den er z?rtlich liebte, oder er spielte Klavier, -- oft bis sp?t in die Nacht hinein. Dieses Vergn?gen war jedoch von keiner Dauer. Der Dekan beklagte sich eines Morgens dar?ber und sagte, dass ihn das Klavierspiel am Einschlafen hindere, und so musste Harteck das Musizieren notgedrungen auf den Tag verlegen. Da war es freilich nicht so still wie in der Nacht, wo alles schlief; oft liess der Geistliche es sein, weil im Hause ges?gt, Holz gehackt und anderer L?rm verursacht wurde, was sein Spiel ?bert?ubte.

Seine Wohnstube hatte er sich mehr nach seinem Geschmacke eingerichtet. Er hatte unn?tige Schr?nke daraus entfernen lassen, und an deren Platz standen jetzt sein geliebtes Klavier, das Notenpult, sein Schreibtisch und B?cherschrank. Gleich Freunden schauten diese vertrauten Gegenst?nde ihn an; wie viele sch?ne, ruhige Stunden verdankte er dem Klavier und seinen B?chern! Aus seinen eigenen kargen Mitteln hatte er sich gr?sstenteils klassische Dichterwerke angeschafft; die B?cher theologischen und religi?sen Inhaltes waren Geschenke seiner Lehrer und Kollegen und seiner Mutter; von dieser stammten auch alle Gebet- und Erbauungsb?cher her, die jetzt auf dem Betschemel lagen und in denen der junge Priester niemals las. Doch davon wusste die Geberin nichts und sollte auch niemals davon erfahren.

Die h?sslichen Heiligenbilder hatte er ebenfalls von den W?nden genommen und sie durch andere, bessere ersetzt. Ein Christus am Kreuz von van Dyck, Delaroches Karfreitag, das auf dem Kreuze schlafende Jesukind von Reni, die sixtinische Madonna hingen, in guten Kupferstichen ausgef?hrt, nunmehr an den W?nden. Der Herr Dekan hatte zwar dar?ber gemurrt und gemeint, dass ein Heiligenbild niemals h?sslich sein k?nne, weil die Idee, die es verk?rpere, sch?n sei; der junge Priester aber hatte dieses Mal nicht nachgegeben und auf der Entfernung der Bilder beharrt, und weil die Kupferstiche ebenfalls nur religi?se Motive darstellten, hatte der Dekan sich beruhigt und den jungen Mann gew?hren lassen. In seiner Wohnung f?hlte Harteck sich wohl und er w?rde viel darum gegeben haben, wenn er die Mahlzeiten auch in seiner Stube h?tte einnehmen d?rfen. Der Dekan tat bei dieser Gelegenheit entweder den Mund nicht auf und las w?hrend des Essens, oder er ergoss sich in bitteren Ausf?llen wider die Menschen und spielte immer wieder auf seine verungl?ckte Landtagskandidatur an. Fr?ulein Aurelie ihrerseits war sehr ver?nderlich: beim Fr?hst?ck so freundlich und geschw?tzig, dass einem ordentlich bange wurde, beim Mittagessen reserviert, beim Abendessen schmachtend und sentimental, und am n?chsten Tage war die Reihenfolge ihrer Stimmungen wieder umgekehrt; und wenn man sich am Abend im besten Einvernehmen von ihr trennte, konnte man beinahe sicher sein, dass sie am folgenden Morgen t?dliche K?lte zur Schau tragen w?rde. >>Sie ist unausstehlich!<< dachte Harteck oft; doch wenn er ihr den R?cken kehrte, vergass er sie wieder.

Grosses Vergn?gen gew?hrte ihm der Religionsunterricht in der Schule. Er war ein Kinderfreund und die kleinen Buben und M?dchen merkten das bald. W?hrend sie vor dem Herrn Dekan zitterten und bebten, hatten sie zu dem jungen Kooperator unbedingtes Zutrauen und hingen bald mit jener Z?rtlichkeit an ihm, die Kinderherzen f?r alle jene hegen, die gut und freundlich gegen sie sind. Der Geistliche bemerkte, dass die Kleinen ihren Katechismus mit grosser Gel?ufigkeit hersagen konnten, doch wenn er sie um die Bedeutung des Gesagten befragte, verstummten sie und schauten ihn verlegen an. Nur ein einziges Kind machte davon eine Ausnahme. Das etwa zehnj?hrige M?dchen war ihm gleich im Anfang aufgefallen. Es trug ein bloss ?ber die Knie reichendes Kleidchen, das r?ckw?rts von einer breiten Masche zusammengehalten wurde, und das dunkle Haar nach altdeutscher Art verschnitten, anstatt wie die anderen kleinen M?dchen in d?nnen Z?pflein um den Kopf gewunden. Ein h?bsches Ding war sie auch, diese Kleine mit ihrem rundlichen Apfelgesicht und den klugen, grossen, wissbegierigen Augen; weder scheu noch dreist dabei, wohl aber lebhaft und ehrgeizig. Sie war die beste Sch?lerin und tat sich darauf ein weniges zugute. Ihre Religionskenntnisse, die verrieten, dass die Kleine nicht bloss wie ein Starmatz plappern konnte, sondern auch ?ber alles, was sie auswendig lernte, nachdachte, setzten den jungen Priester in grosses Erstaunen. Einmal redete er die Kleine nach der Schule auf der Strasse an.

>>Du heisst Toni Reinberg, nicht wahr?<<

>>Ja, Herr Katechet.<<

>>Sag' mir, Toni, wer erkl?rt Dir denn alles so gut und richtig?<<

>>Meine Schwester,<< antwortete das Kind mit grossem Stolze. >>Wenn ich etwas nicht verstehe, brauche ich nur meine Schwester zu fragen. Die kann und weiss alles. Sie macht auch meine Kleider und unterrichtet mich im Zitherspiel. Kennen Sie meine Schwester Paula noch nicht, Herr Katechet?<<

>>Nein,<< versetzte er l?chelnd.

>>O!<< Sie schien es nicht zu fassen, dass jemand im Dorfe ihre Schwester nicht kannte.

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