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Read Ebook: Der Mutterhof: Ein Halligroman by Rose Felicitas

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Ebook has 1127 lines and 40802 words, and 23 pages

ill ich mit dir alles durchgehen, will dir Schifften, Allmende, M?hden- und Weideland auf den Karten und ~in natura~ zeigen. Will dir auch alte Fennbriefe und Gerechtsame vorlesen, damit du so >bei klein einen Begriff von unserer Verwaltung bekommst<.<<

>>Hei! Denn schall Nomine man kamen<<, frohlockte Onnen. >>Dann s?nd wi twee Mannsl?d gegen die eine Deern.<<

Lehrer W?gens zog die Brauen dicht zusammen.

>>Das wird einen harten Strauss mit dem Hochm?tchen geben,<< sagte er ernst. >>Aber du willst es doch wert sein, dass ich um dich k?mpfe, Onnen, mein Junge?<<

Als abends der Mond voll und gross ?ber der Hallig stand, schaute er auch in Marens verlassenes M?dchenst?bchen und schien auf die friedlich schlafenden Kinder, denen auf Bett und Sofa sch?ne Ruhepl?tzchen geschaffen waren. Die beiden Alten, der krumme Knecht und die alte Magd, konnten sich nicht satt sehen an den rotbackigen Holgersfr?chtchen. In seiner Stube aber wanderte Manne W?gens hin und her, und Kopf und Herz waren in wilder Unruhe.

Die n?chsten Tage brachten keine ?nderung.

Es regnete und st?rmte draussen, und er behielt deshalb die Kinder zu ihrem Erg?tzen bei sich im Schulhause. Er selbst k?mpfte sich mit M?he am zweiten Tage bis zur Grosswarf und fand den Mutterhof immer noch dunkel und ablehnend gegen die Umwelt, als wenn der Tod dort eingekehrt sei. --

Ohm Rickert kam ihm entgegen, offenbar froh, jemand >>zum Schnacken<< zu finden. Die Ahne sei krank und alle Frauen seien bei ihr.

>>Ja, nu is de l?tt Kessel in de Luft gahn<<, meinte er. >>Die Ahne hat niemalen Heizer studeert, und mich olen Mariner hat sie nich zum Ratslag haben wollen. De ganze Tid ?wer heww ik all spinteseert: >Melenke! Melenke! Wie kann man ein Dochter Melenke nennen! Heisst Maria Magdalena. Dat is ne b?se Vorbedeutung.<<<

>>Name ist Schall und Rauch<<, wehrte W?gens, und dann fragte er bek?mmert: >>Ist noch keine Nachricht von Edlef da?<<

>>Nichts. -- Er hat es uns gleich gesagt. Wenn ich die Deern nicht finde, halte ich mich nicht mit Schreiben oder Telegraphieren auf. Hab' ich sie aber gefunden, dann gebe ich Nachricht. Na sch?n. Ist kein guter Anfang f?r ihn und sein junges Weib. Wir h?tten eben die Braut >aus der Ecke tanzen sollen<. Dann w?r' alles gut gewesen. Ist alter Halligbrauch. Nun muss sie drin bleiben in der Ecke, das junge Blut.<<

>>Was Ihr redet, Ohm Rickert!<< Manne W?gens gab ihm abschiednehmend die Hand und k?mpfte sich den sturmgepeitschten Weg zur?ck. Ein einziger Mensch begegnete ihm unterwegs, der Pastor Ephraim Licht: >>Sieh da, Freund W?gens. Sie kommen, scheint's, von der Stelle, da ich eben hinwollte. Frauke Holgers hatte mich an der Hochzeit um meinen Rat gebeten in Erbschaftsangelegenheiten. Eine herbe, seltsame Frau, aber mir und unserer alten Halligkirche eine treue Freundin. Wie geht's dem jungen Paar? Das gibt ein paar Stammeltern, wie sie sich unser Herrgott nicht sch?ner aussuchen konnte, -- Manne W?gens, ?ber diese beiden freue ich mich.<<

So plauderte munter der alte Herr.

>>Da gibt's jetzt nicht viel zu freuen auf dem Mutterhof, Herr Pastor.<< Und der Lehrer berichtete kurz die Tatsachen.

Das war das einzige, was auf dem Sturmweg gesprochen wurde. Am Kreuzpunkt trennten sich die M?nner, und Manne W?gens zog den Hut, w?hrend Pastor Licht sein sch?tzendes K?ppchen aufbehielt und nur herzlich mit der Hand winkte.

Der Nachmittag f?hrte wieder alle Halligkinder auf der Schulwarf zusammen. Und weil der Sturm so arg um das Eckhaus blies und das Feuer im Ofen ausl?schte, versammelte Manne W?gens all seine Trabanten im Wohnpesel um sich. Das war etwas Neues und Sch?nes, und zu allem erz?hlte der Lehrer auch noch Geschichten. Zuerst die furchtbar traurige aus dem Lesebuch >>Vom verlorenen Sohn<<, und dann eine sehr lustige von der Feldmaus, die eine Stadtmaus werden wollte, und deshalb auswanderte. Aber es war doch sehr merkw?rdig, dass der Herr Lehrer die traurige Bibelgeschichte ganz fr?hlich erz?hlte und bei der Feldmaus ein gar ernstes Gesicht machte. --

Am Sp?tnachmittag holte Nachbar Luersen die beiden Holgerskinder auf ein Vesperst?ndchen in sein Haus. >>Damit der Herr Lehrer mal Luft holen k?nne vom Kindsmagdspielen<<, begr?ndete er die Sache. Ein ohrbet?ubender L?rm empfing Onnen und Karen, und jeder wurde von den ungest?men Gastgebern nach einer anderen Seite gezerrt. Vier sehr ungeb?rdige Luersenspr?sslinge tobten in der kleinen Stube umher, und das f?nfte schrie bis zum Wegbleiben in der morschen Wiege.

>>Du b?st wohl rein unklug?<< tadelte Mutter Luersen ihren eigenm?chtigen Mann. >>Schleppst noch mehr Kinnerwark her? Kannst wohl gar nich genug kriegen?<<

>>Von die Luersens hab' ich freilich schon genug,<< entgegnete der geplagte Hausvater trocken, >>aber die Holgersart ist bed?chtig und ruhig, die wirft nix um und zerreisst nix und steckt einem auch nicht das Haus ?berm Kopfe an.<<

>>So?<< eiferte zornig die Hausmutter. >>Mich d?nkt, die Holgersart macht's nur umgekehrt. Oder hat der Edlef nicht etwa bei uns' Akke den Brand angefacht? Und dann den Verschwur zerrissen und alles umgeworfen?<<

>>Du schnackst sehr klug, Olsch, aber was du sagst, ist doch ein Dummheit. Wir wollen lieber ganz still sein, welche Seite den Verschwur zerrissen hat.<<

Die Frau weinte. >>H?tte der Edlef die Akke behalten, kriegte sie jetzt keine Pr?gel von dem gr?sigen Hamburger.<<

>>Mudder, du warst doch immer so 'n kloke Deern. Was du aber jetzt daher t?hnst, das geht nich int gr?sste Waddickfass. Unser Stadtschwiegersohn hat den Grundsatz: >Mannshand baben!< Da bin ich ihm nich gram drum. Wir beide haben das bei Klein-Akke vers?umt, weil du immer neue Kinder fischen musstest. Weisst ja, Mudder, auf dem Meeresgrund bei Ekke Nekkepenns Weib. ?ber all der Sorg und M?he mit den vielen G?ren haben wir die Rute vergessen. Wenn der Schwieger das jetzt nachholt, kann aus Akke noch ein Gutes werden.<<

>>Aber sie ist sehr ungl?cklich<<, klagte die Frau.

>>Alle Deerns sind ungl?cklich, wenn sie vom Liebsten Pr?gel kriegen<<, meinte der Vater unger?hrt. >>Das Gute zeigt sich dann sp?ter.<< --

Derweile stand im Schulhause Edlef Holgers vor dem Freunde.

>>Du kommst doch immer wie ~Deus ex machina~,<< versuchte Manne zu scherzen. Und gleich darauf ernst und besorgt: >>Mein armer Edlef, das hat dich hart mitgenommen. Nun setz' dich erst einmal zu mir und ruhe dich aus.<<

>>Vielleicht ist euch das allen zu sehr zu Kopf gestiegen<<, meinte der Lehrer bed?chtig. >>Die Selbstgerechtigkeit steht nicht unter den sieben Tods?nden, aber unser Herrgott scheint sie am schwersten zu ahnden.<<

>>Und gerade jetzt!<< murrte Edlef. >>Da ich deine Maren in mein Gewese f?hrte ...<<

>>Um ihr zu zeigen,<< sprach Manne W?gens bedeutungsvoll, >>wie ?berw?ltigend die Ehre f?r die Schulmeisterdeern sein muss, -- ist's nicht so?<<

>>Und alles um so 'ne verr?ckte, junge, wilde Deern!<< z?rnte Manne. >>Ich bitte dich, Edlef, es werden noch viele Kinder aus dem Elternhause laufen, weil ihnen die Zucht zu streng war. Desto fester muss das Haus bleiben, damit es Obdach bietet, wenn die Abtr?nnigen mit wundem Herzen und wehen F?ssen zur?ckkehren. Kein Elternhaus kann so streng sein wie das liebe, holde Leben, die sch?ne Welt da draussen ...<<

>>Das sagte mir Maren auch. Aber Trostgr?nde kann ich noch nicht gebrauchen. Ich schau nach den Menschen aus. Nach Spott und Nichtachtung. Was werden sie alle sagen! Die Augen wag ich kaum aufzuheben. Das ist meine ungl?ckselige Holgersart.<<

>>Verrenn dich da nicht hinein, Edlef. Sieh lieber um dich, wieviel rechtschaffene Halliggesinnung das B?se mit euch tragen will.<<

>>Du sollst recht haben, Manne W?gens. Ich bin wohl recht ein bisschen aus den Fugen. Bedenk, dass ich aus der Brautkammer ins Segelschiff stieg ... da ist mir das Gleichgewicht ?ber Bord gegangen.<<

>>So birg es dir wieder. Du hast Schwester Maren als Rettungsring im Hause ...<<

Da wurde Edlef Holgers ganz froh. >>Ja, ich will heim, will die Geschwister gleich mitnehmen. Hab Dank, du Guter, dass du mir das Kroppzeug aufgehoben hast.<<

>>Da ist nichts Gutes weiter dabei, Edlef. Die beiden J?ngsten vom Mutterhof sind echt. Die tragen viel Freude ins Haus. Dein junger Onnen wird noch einmal was Besonderes f?r die Hallig, -- ich hab's gesagt.<<

>>Wenn du nur Frohes prophezeien kannst! Ganz hell geht's von dir aus, ich wollte, ich k?nnte dich mitnehmen in die Dunkelheit unseres Geh?ftes, Manne W?gens.<<

Der grosse Bruder strich ihnen ?ber die Blondk?pfe. >>Macht fix zu<<, sagte er aufmunternd. >>Die Nomine-Schwester m?chte euch beide noch sehen.<< Er wandte sich zu Edlef. >>Sie will heute abend noch in Pellworm sein, und morgen fr?h zur?ck nach Kiel. Sie meint, es ist am besten, wenn Ahne und Mutter und wir alle hier in die alte Ruhe kommen.<<

>>In die alte Ruhe ...<< wiederholte Manne W?gens langsam. Ganz erloschen sahen seine Augen den Freund an. >>So rasch, so rasch?<< fragte er wie hilflos.

Edlef missverstand ihn. >>Ja, freilich, wir m?ssen schnell heim. Vergesst nicht das Danken, Kinder. Fahr wohl, Manne W?gens!<<

>>Ich danke auch noch vielmals<<, rief Onnen herzlich. >>Will's der Nomine ordentlich sagen, dass ich auf der Hallig bleibe.<<

>>Ja, -- sag' es ihr ordentlich.<< Schwer l?sten sich die Worte von Manne W?gens' Lippen.

Dann war er allein. Eine Zeitlang stand er noch auf der Vordiele in der Haust?r und winkte den Dreien. Denn immer wieder hoben sich zur?ckgr?ssend die Kinderh?nde. Am Horizont stand der glutrote Ball und warf seine letzten Strahlen ?ber die salzen See und die Heimat ringsum. Dann sank die Sonne ins Meer. -- Wie kalt es mit einemmale wurde! M?de tastete sich Manne W?gens in seine einsame Stube. Er fror bis ins Mark hinein. -- --

Pastor Ephraim Licht hatte an seine stille Hallig eine sch?ne Sitte bringen wollen, die er im tannenwaldumstandenen Dorfe seiner Th?ringer Gemeinde sooft und gern ge?bt. Die >>Spinnstube<< sollte droben im Norden aufleben. Mit Spinnrad und Strickstrumpf sollten die Frauen kommen, mit einem guten Buch oder einer fesselnden und lehrreichen Geschichte die M?nner. -- Halligsagen und -m?rchen sollten neu erstehen, damit man sie f?r die Nachkommen sammle und festhalte. Fragen, welche die Halliggemeinde ungel?st mit sich herumtr?ge, sollten daheim aufgeschrieben und dann ?ffentlich verhandelt werden. Oder auch nur von Mund zu Mund in der stillen Studierstube des Seelsorgers. Wie Kinder auf Weihnachten, hatte sich das Ehepaar auf diese >>Lichtkarze<< gefreut, die auf der grossen Diele des Pfarrhauses tagen sollten. Zur festgesetzten Stunde kamen sie auch alle gegangen. Es fehlten wohl nur die ganz Bresthaften, die nicht mehr ?ber die schmalen Prielstege zu klettern und auch nicht ?ber die kleinen Wasserrinnsale zu springen vermochten.

Ein langer, schweigender, wunderlicher Zug war's.

>>Sieh nur, Luischen, sie kommen wie zu einer Beerdigung<<, sagte Pastor Licht. Und das Ehepaar beobachtete mit leiser Bangnis die ernsten, verschlossenen Gesichter der langsam und schwer Heransteigenden.

Oben in der Diele wurden die Spinnr?der aufgestellt und die Strickstr?mpfe und Kl?ppelkissen hervorgeholt, und bald war die eifrigste Arbeit im Gange. Die Fragen, welche Pastor Licht und Frau Luischen an ihre G?ste stellten, waren bald beantwortet, dann herrschte tiefes Schweigen. Nur unterbrochen vom Surren der R?dchen und dem Klappern der Kl?ppel und Stricknadeln.

Auf die Bitte nach einer sch?nen, seltsamen Halliggeschichte schauten sie den Seelsorger gross und fragend an, und Boy Boysen meinte geruhig: >>Dortau is de Paster da.<<

L?chelnd willfahrte ihnen Pastor Licht und erz?hlte von diesem und jenem aus seiner reichen fr?heren T?tigkeit und dem Schatz seiner Erfahrungen. Aber als er geendet, hoben die Frauen wieder ihre Spinnr?der hoch und schritten mit einem ernsten: >>Fahre weel<< ?ber die gastliche Schwelle. Die M?nner z?ndeten sehr erleichtert ihre Pfeifen mit dem scharfen Holl?nder Knaster wieder an, und verstiegen sich in ihrer Heimkehrfr?hlichkeit sogar zu einem: >>Dank ok veelmals, Paster.<<

Ein paar alte Weiblein blieben noch sitzen. Als sie aber sahen, dass da >>nix nachkam<<, setzten auch sie einen Knix hin und siffelten heimw?rts.

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