Read Ebook: Im tropischen Busch by Traven B
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Ebook has 145 lines and 10373 words, and 3 pages
,,Das haben die Schweine getan." Durch seine Stimme klang jetzt ein Ton, der mich fast zum Weinen gezwungen h?tte. Mein ?berm?detes Gehirn begann sich zu r?chen.
,,O, grauenhaft! O, grauenhaft! Und gleichzeitig zu wissen, dass man ganz hilflos ist, dass man sich nicht einmal gegen solch w?stes Getier sch?tzen kann. Flehen Sie alle Schicksalsm?chte an, dass Ihnen nicht ein gleiches Los beschieden werde. Es wird nicht lange w?hren, und diese entsetzlichen Tiere werden an meinem Herzen nagen, und sie werden mir die Augen ausfressen, bis jener Tag des Grausens kommen wird, wo sie mein Hirn schl?rfen werden. Oh, Herr und Freund, bei allem, was Ihnen heilig ist, helfen Sie mir, erretten Sie mich aus meiner namenlosen Pein. Ich leide mehr, als ein Mensch ertragen kann. Was mehr noch kann ich sagen, um Sie von meinen Qualen zu ?berzeugen?"
Nun endlich wusste ich, was der Zweck seines Besuches war. Der Mann glaubte, ich sei der Doktor. Es war allgemein bekannt, dass der Doktor nicht praktizierte; da aber der n?chste Arzt etwa f?nfundachtzig Meilen entfernt wohnte, leistete Doktor Wilshed auf Verlangen in sehr dringenden F?llen erste Hilfe. Augenscheinlich litt der Mann entsetzliche Schmerzen.
Nach langem Suchen fand ich in einer Kiste die Medikamente. Ich nahm eine Binde heraus, Baumwolle und Salbe.
Als ich mich nun dem Manne n?herte, ihm die Binde anzulegen, trat er zwei Schritte zur?ck und sagte: ,,Das ist nutzlos. Es sind die Schweine, die ich f?rchte und die mir Qualen bereiten, nicht die Wunde, die ich kaum beachte. Diese Wunde ist f?r mich nur das Zeichen dessen, was noch folgen wird."
Auf seine Weigerung nicht achtend, langte ich energisch nach seinem Bein. Aber ich tappte in die leere Luft. Etwas verwirrt schaute ich auf, und ich nahm wahr, dass der Mann noch einen Schritt weiter zur?ckgegangen war. L?cherlich, wie leicht man sich t?uschen l?sst; ich konnte schw?ren, dass meine zupackende Hand an derselben Stelle gewesen war, wo sein Bein stand.
Ich gab meinen ?rztlichen Beistand auf und ging zum Tisch, wo ich stehenblieb und ihn beobachtete.
,,Das sind ganz wundervolle Schmucksachen, die Sie da tragen," sagte ich. ,,Wo haben Sie die erhalten?"
,,Mein Neffe h?ngte sie ?ber mich, als ich ihn verlassen musste."
,,Scheinen sehr alt zu sein. Antike Arbeit."
,,Sind sehr alt," best?tigte er. ,,Sie geh?ren zum Schatze meiner k?niglichen Familie."
Ich konnte es nicht vermeiden, ein wenig zu l?cheln, was er aber nicht zu bemerken schien, oder er war zu h?flich, es zu sehen. Spasshafte Leutchen, diese Indianer. In Lumpen gekleidet, wohnend in elenden Palmh?tten, selten im Besitz der paar notd?rftigen M?nzen, um sich rohes Leder f?r Sandalen zu kaufen, tragen sie dennoch Diamantringe an den Fingern.
Wieder begann ich n?chterne Wirklichkeit und den Inhalt der B?cher, die mich in Atem hielten, miteinander zu verwirren. ,,Mein Neffe gab sie mir." Aber das war ja ein Brauch bei den Azteken, bei den Panukesen, bei vielen andern indianischen V?lkern, wo nie der Sohn, sondern der Bruder oder der Neffe der Thronerbe war. So ging das nicht weiter. Ich musste unter Menschen gehen; die Einsamkeit des tropischen Busches bekam mir nicht, ganz besonders nicht, wenn ich nichts tat als derartige B?cher zu lesen.
,,Nun muss ich gehen!" Er unterbrach meine wandernden Gedanken. ,,Vergessen Sie nicht, dass es die Schweine sind, mein Herr. Einige grosse schwere Steine werden gen?gen. Es ist so hart, um Hilfe bitten zu m?ssen, aber ich kann mich nicht verteidigen. Ich bin ja so sehr hilflos."
Aus seinen traurigen Augen rollten Tr?nen langsam an seinem Gesicht herunter, obgleich er sich bem?hte, ihnen Einhalt zu gebieten.
Dann erhob er seine Hand, f?hrte sie an seine Lippen, hob sie hoch ?ber sein Haupt und hielt die innere Handfl?che eine kleine Weile gegen mich gekehrt. Und ich erkannte, dass seine Hand von einer edlen Form war, die ich irgendwo gesehen hatte. Wo aber, konnte ich mich nicht erinnern. Auch bemerkte ich zum ersten Male, dass er einen Vollbart trug, der zwar Kinn und Backen hinreichend umrahmte, aber doch d?nn erschien. Und obgleich einen solchen Vollbart gesehen zu haben ich mich nicht erinnerte, rief er doch etwas, das mit merkw?rdig gesprochenen S?tzen verkn?pft war, in mir wach, ?ber das ich nachzugr?beln begann, ohne es finden zu k?nnen.
Ich riss mich von dieser verwirrenden Gedankenkette los, um den Mann nach seiner Wohnung zu fragen, was zu wissen mir pl?tzlich und ganz ohne Grund ungemein wichtig schien.
Aber er war bereits gegangen.
Ich sprang zur T?r. Wahrlich, er schreitet wie ein K?nig! sagte ich zu mir selbst, als ich ihn den Pfad dahingehen sah.
Wie wundersch?n war die Nacht! Sie war gekleidet in den magischen Silberschimmer des Vollmonds, der steil ?ber meinem Scheitel stand. Die zauberhafte Sonne der Tropennacht. Die Dinge standen in diesem Lichte da in einer so unheimlichen Sch?rfe, als m?sse sich in jeder Minute etwas Unerh?rtes ereignen. Es lag ein Warten in diesem Licht, als w?rden diese grellbeleuchteten, schreckhaft lebendig erscheinenden Dinge mit dem n?chsten Atemzuge einen grellen Schrei ausstossen, um den Schatten aufzujagen, der schwer und schwarz und wuchtig auf ihren F?ssen lastete.
Und der in der Luft h?ngende Schrei fiel auf mein Herz und machte es stocken, als der Indianer stehenblieb, sich umwandte und mir sein Gesicht zukehrte, in dem ich jede Linie, ja selbst jede Pore deutlich sehen konnte, obgleich er dreihundert Schritt beinahe entfernt war. Nun erhob er den Arm und deutete nach jenem H?gel, wohin sich die drei Schweine verzogen hatten, nachdem ich sie mit Steinen fortgejagt hatte.
Dann verliess er den Pfad und ging auf den H?gel zu. Das Geb?sch reichte ihm zur Schulter. Langsam stieg er den H?gel hinauf, bis er die H?he erreicht hatte, wo das dichte Geb?sch so hoch stand, dass es ihm weit ?ber den Kopf reichte und es auf mich den Eindruck machte, als habe ihn das Gestr?pp verschluckt, denn ich sah ihn nicht mehr.
Eine Entdeckung
Sobald die Sonne am n?chsten Morgen aufgegangen war, nahm ich mein Buschmesser und schlug mir einen Pfad zu jenem H?gel. So sorgf?ltig ich aber auch das Geb?sch untersuchte, ich konnte den Weg nicht finden, den der Indianer in der verflossenen Nacht gegangen war. Nichts war niedergetreten, kein Zweig abgebrochen. Es war eine harte Aufgabe, ihm auf seinem Wege zu folgen. Ich hatte mir vorgenommen, ihn in seiner H?tte aufzusuchen. Vielleicht konnte ich eins seiner einzigartigen Schmuckst?cke gegen ein Paar Stiefel oder ein Hemd oder Sattelzeug eintauschen.
Als ich endlich den H?gel erreichte, machte ich eine merkw?rdige Entdeckung: der H?gel war nicht ein nat?rlicher Haufen Erde oder ein Felsblock, wie ich geglaubt hatte, sondern er war k?nstlich aus gehauenen Steinen und M?rtel aufgebaut. Dem Anschein nach zu urteilen, war er einige hundert Jahre alt. Das dornige, dichte Geb?sch hatte ihn v?llig bedeckt und sich in das Mauerwerk festgewurzelt und eingefressen. Diese unerwartete Entdeckung liess mich ganz vergessen, dem Indianer nachzulaufen.
Ich hieb das Geb?sch nieder und machte eine weitere Entdeckung: Steinstufen f?hrten in ?stlicher Richtung auf die Oberfl?che des H?gels. Der H?gel selbst war etwa f?nf Meter hoch. Oben hatte er eine viereckige ebene Fl?che, die wohl drei Meter im Geviert war.
Eine Seite des H?gels war durchw?hlt, und da hier das Buschwerk niedergetrampelt war, schien diese W?hlerei ganz k?rzlich getan worden zu sein. Kein Zweifel, die Schweine hatten das neulich ver?bt, als sie hier herumlungerten. Als ich dieser W?hlerei nachging, fand ich, dass die Schweine sich durch das Mauerwerk gearbeitet hatten, das an dieser Stelle zu zerfallen begann und blosslag.
Wenn irgendwo, dann lag hier das Geheimnis verborgen, das mich besch?ftigte. Hier war die Erkl?rung zu suchen f?r alles, was in den letzten Tagen geschehen war.
Ich eilte zur?ck zum Hause und holte mir Pickhacke und Schaufel. Stein um Stein, Brocken um Brocken brach ich heraus, bis das Loch gross genug war, um meinen Oberk?rper hindurchzuzw?ngen. Ich z?ndete ein Streichholz an. Doch kaum flammte es auf, als ich es mit einem unartikulierten Schrei fallen liess und mich so rasch hinausquetschte, dass sich Schultern, Brust und R?cken mit blutenden Schrammen bedeckten. Dann, im hellen Sonnenlichte vor dem Loche sitzend und meinen Atem wiederfindend, dachte ich, dass Augen doch recht unzuverl?ssig sein k?nnen.
Urspr?nglich hatte ich die Absicht gehabt, den H?gel unber?hrt in jener Form zu lassen, in der ich ihn gefunden hatte. Doch nun blieb mir keine andre Wahl. Ich hatte den Kopf des H?gels aufzubrechen, um das blendende Tageslicht hineinfluten zu lassen und dem Innern der H?hle die unertr?gliche Geisterhaftigkeit zu rauben.
Harmlosere Dinge als das, was in dieser H?hle verborgen war, k?nnen einem im Dschungel oder im tropischen Busch ein tiefes Grauen einjagen. Eine zwanzig Zentimeter grosse behaarte Spinne, die einem ?ber das Gesicht l?uft, oder ein f?nfunddreissig Zentimeter grosser schwarzer Skorpion, der sich ins Zelt oder in die H?tte geschlichen hat, erf?llen einen h?ufig genug mit gr?sserem Entsetzen als das Begegnen mit einem Tiger, wenn man nichts weiter in der Hand hat als einen Stock.
Ich beschloss, sofort an die Arbeit zu gehen. Das Unbestimmte mochte sich in meiner Einsamkeit, besonders zur Nachtzeit, vielleicht schwerer auf die Nerven legen als das klare, festumgrenzte Wissen, wenn es auch noch so Grauenhaftes aufweisen sollte.
Der Panukese ist tot
Gegen Mittag war ich trotz der Gluthitze so weit mit meinem Ausgraben gekommen, dass der Inhalt der H?hle offen im hellen Licht des Tages lag.
Es ist ganz gewisslich wahr, ich war weder geistesgest?rt, noch tr?umte ich. W?re ich im Zweifel gewesen, die Blasen an meinen H?nden und die M?digkeit meines K?rpers h?tten mich eines Besseren belehrt.
Da, in jener H?hle, deren Mauerwerk so fest gef?gt war, als w?re es beste Betonarbeit, war mein Besucher, jener Indianer, der mich zweimal des Nachts in meinem Hause gesprochen hatte. Er sass auf dem Boden der H?hle in hockender Stellung. Sein niedergebeugtes Antlitz war verborgen in seinen H?nden.
Er war tot. Tot seit vier-, f?nfhundert Jahren, vielleicht viel l?nger, und er war begraben worden mit unnennbarer Sorgfalt, aus der Liebe sprach und Ehrfurcht zugleich. Die H?hle war durchaus luftdicht abgeschlossen gewesen bis vor wenigen Tagen, wo die Schweine angefangen hatten, dort herumzuw?hlen.
Sein Aussehen war nicht das einer ?gyptischen Mumie. Vielmehr sah er ganz so aus, als w?re er vor drei Tagen erst gestorben.
Die Lumpen, in die er gekleidet war, erschienen im hellen Tageslicht noch bei weitem kostbarer und reicher in ihrer urspr?nglichen Herkunft als in der Nacht gesehen.
Die Schmucksachen, die er trug, waren Meisterst?cke hochentwickelter Goldschmiedekunst, und ich hatte nie zuvor irgendwo Arbeiten von solcher Vollendung gesehen.
Pl?tzlich bemerkte ich, dass seine Wade angefressen war, und gerade an jener Stelle, die er mir in der vergangenen Nacht gezeigt hatte. Kein Blut war zu sehen, trotzdem die Schweine bereits bis auf den Knochen gekommen waren. Das Fleisch seiner Brust, seines Gesichts und das seiner Waden war hart und f?hlte sich an wie Holz. Ich konnte mir nicht erkl?ren, welche Anziehungskraft dieses holzartige Fleisch, das augenscheinlich auch nicht den allergeringsten N?hrwert enthielt, auf Schweine aus?ben konnte. Aber es war ja immerhin m?glich, dass Schweine hinsichtlich dessen, was gut schmeckt, eine andre Meinung haben, als wir gemeinhin annehmen.
Warum sich der K?rper so frisch erhalten hatte, war leicht zu erkl?ren: Die H?hle war luftdicht abgeschlossen, und die Erde rundherum enthielt chemische Substanzen, die auf den K?rper konservierend einwirkten, nachdem sie in feinen Partikelchen das Mauerwerk durchsetzt hatten. Wahrscheinlich war auch das Konservierungsmittel, das beim Einbalsamieren des K?rpers gebraucht worden war, von andrer Beschaffenheit und Wirkung als jenes, das die ?gypter verwandten.
Immer wieder und wieder betrachtete ich meinen Fund. So lebensfrisch hockte er da, dass ich jeden Augenblick erwartete, er w?rde den Kopf heben, aufstehen und mit mir zu sprechen anfangen.
Von Erde bist du gemacht
Mitleidlos schleuderte die Sonne ihre feurigen Speere hinunter, und es kam mir der Gedanke, dass diese Gluthitze meinem kostbaren Funde von Nachteil sein k?nne, wenn er zu lange dem grellen Sonnenlicht ausgesetzt sei.
Ich holte aus dem Hause eine grosse Kiste, um den K?rper hineinzulegen und ihn dann in Sicherheit zu bringen. Ehrlich gesagt, es war mir nicht ganz klar, warum ich das alles tat, weshalb ich nicht den K?rper da lassen wollte, wo er seit vielen hundert Jahren geruht hatte. Aber diese Krankheit, die schon so viel Unheil angerichtet, so viel Seelenlosigkeit in unsre Kultur gebracht hat, die Museumswut, packte mich. Ich sah meinen Namen in wissenschaftlichen Zeitschriften gedruckt, sah mich am Rednertisch stehen, zur Seite eine weisse Leinwand, sah die Briefe von Redaktionen grosser Zeitungen auf mich einregnen, die mich um Aufs?tze anflehten und mir die Freiheit liessen, das Honorar zu bestimmen, sah die Museumsdirektoren mit fabelhaften Summen um meinen Fund k?mpfen und sah die Dollarmillion?re bescheiden vor meiner T?r stehen und mir Blankoschecks anbieten, um ihre Privatsammlungen auf den ersten Seiten der Neuyorker Bl?tter erw?hnt zu sehen.
Und doch wieder liessen mich diese materiellen Aussichten ganz k?hl und verflogen so rasch aus meinem Geist, wie sie, kaum eine Spur zur?cklassend, gekommen waren. Noch jetzt weiss ich ganz genau, dass mein Handeln, ohne einen bestimmten Gedanken ?ber das Warum zu haben, sich so mechanisch abwickelte, als h?tte es gar nicht anders sein k?nnen.
Mit Sorgfalt ging ich ans Werk. Da die H?hle nicht weit genug war, um die Kiste neben den K?rper in die Vertiefung zu setzen, sprang ich hinunter, um den K?rper auf den Rand der H?hle zu heben.
Doch kaum hatte ich zugepackt, als meine H?nde auch schon zusammenklatschten, als h?tten sie Luft umarmen wollen, denn zwischen meinen H?nden fiel der K?rper zusammen, und ?brig blieb nichts weiter von ihm als ein kleines, ganz kleines H?uflein Staub, das, wenn ich es zusammenscharrte, nicht gr?sser war als eine Faust.
Es waren nicht mehr als zwanzig Minuten vergangen, seit ich den K?rper abgetastet und gefunden hatte, dass er hart war und sich anf?hlte wie Holz. Alles, selbst die kostbaren Gewebe, das schwarze Haar des Kopfes und des Bartes, die Fingern?gel hatten sich so ?berraschend in zarte Flugasche verwandelt, als habe ein gewaltiges Feuer mit der Raschheit und der Konzentriertheit des Blitzes einen Strohhalm aufgebrannt.
Ich starrte auf das winzige H?uflein Asche, das noch w?hrend meines Hinsehens der Erde, die beim Ausgraben auf den Boden der H?hle gefallen war, immer ?hnlicher wurde, und ich h?tte schon nicht mehr mit Gewissheit sagen k?nnen, was Sand und was Asche war.
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