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Read Ebook: Die Eiks von Eichen: Roman aus einer Kleinstadt by Rose Felicitas

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Ebook has 1495 lines and 60421 words, and 30 pages

Und zu ihm kam Bertold Malcroix, d. h. vorl?ufig noch nicht, denn es war erst acht Uhr und Rektor Dillen hatte die Angewohnheit, das akademische Viertel innezuhalten, das einzige Zugest?ndnis, das er einer glorreichen Vergangenheit machte, -- er hatte einst Theologie studieren sollen. -- An seinem f?nfzehnten Geburtstage war ihm diese schwindelnde Aussicht er?ffnet worden, die sich dann auch als Schwindel erwies. Denn er bekam nach und nach vierzehn Geschwister, und die frassen ihm mit ihren hungrigen M?ulern die Zukunftshoffnungen auf, wenigstens knabberten sie so lange an der >>Kanzel<< herum, bis nur ein schlichtes >>Katheder<< ?brig blieb. --

Vor diesem Katheder wartete Bertold Malcroix, bis es ein Viertel nach acht sein w?rde, s?mtliche Mitsch?ler und Mitsch?lerinnen standen um ihn herum, aber sie redeten ihn nicht an, sie kicherten nur, schubsten ihn ein wenig oder traten ihm auf die F?sse, es musste irgend etwas Ehrenr?hriges darin liegen, ein >>Neuer<< zu sein.

Aber f?nf Minuten vor ein Viertel auf neun flog ein kleines M?dchen zur T?r herein, bahnte sich mit zwei r?hrigen Ellbogen durch die Kinderschar eine Gasse und stand nun vor Bertold, den sie von allen Seiten mit pr?fenden Blicken musterte.

>>Du hast ja gar keinen Buckel!<< rief sie dann. Das war ihre Begr?ssung. Bertold lachte.

Es war ein herzliches, sonniges, frohes Kinderlachen, so recht aus dem Innersten heraus, wie man es sonst nur bei ganz jungen Dreij?hrigen h?rt, und das Gesicht des kleinen M?dchens erstrahlte bei diesem Lachen, sie nahm den Jungen gleich fest bei der Hand.

>>Warum sollte ich denn einen Buckel haben?<< Und wieder lachte Bertold. Diesmal war's ein Duett mit dem M?del.

>>Sie sagten's alle, -- aber es ist gut, dass du keinen hast, denn sonst h?tte ich sanft mit dir sein m?ssen, meinte Trine.<<

>>Wer ist Trine?<<

>>Trine ist -- Trine.<<

>>Wie heisst du denn?<<

>>Liselotte Windemuth. Aber halt jetzt nur den Mund, da ist der Herr Rektor.<<

Rektor Dillen sah erst den kleinen Ank?mmling gar nicht, so gross und schlank das B?rschchen auch war.

Wurde die Erinnerung zu m?chtig in ihm, die Erinnerung an die Mutter dieses Knaben, die mit so sonnigen Augen in diese d?stere Welt und insbesondere in die d?stere Welt der Eichenborns geschaut hatte, und die seine Lieblingssch?lerin gewesen war?

Neunzehn Zeigefinger fuhren in die H?he, der zwanzigste lag still geborgen in der Hand des einundzwanzigsten Sch?lers.

Bertold hielt Liselottes H?ndchen fest umklammert.

>>'s is ein Neuer da! Herr Rektor.<<

>>Ruhig, liebe Kinder! Wir wollen erst unser Morgenlied singen.<<

>>Unsern Eingang segne Gott, Unsern Ausgang gleichermassen, Segne unser t?glich Brot, Segne unser Tun und Lassen, Segne uns in sel'gem Sterben, Und mach' uns zu Himmelserben.<<

Schon bei dem ersten Vers, lange ehe die Strophe zu Ende ging, hatte der Lehrer die Geige sinken lassen, -- denn eine helle, glockenreine Knabenstimme f?hrte den Chor fest und sicher bis zu Ende.

>>Tausend Wetter, mein lieber Junge,<< rief Rektor Dillen in ehrlicher Begeisterung, aber dann musste er sich umst?ndlich die Nase schneuzen, weil die Bewegung ihn ?bermannte. Zwei wundersch?ne tiefe Kinderaugen schauten ihn an, wie fr?her die stahlblauen Augen der Franziska, und dieselbe klare Kinderstimme, die einst das Schulst?bchen mit Wohllaut erf?llte, rief ihm zu: >>Ich soll Sie von der Mutter gr?ssen, und sie w?rde ihren verehrten Lehrer bald aufsuchen.<<

>>Sch?n, sch?n, mein Junge.<< Wieder schluckte er heftig. >>Und nun sage mir noch, wie du heisst und wie alt du bist.<<

>>Ich bin neun Jahre alt, und ich heisse: Bertold Eik von Eichen.<<

Es ging ein Summen und Tuscheln durch die Kinderschar.

>>Is ja gar nich wahr.<<

>>Malcroix, -- Malcroix --<<

>>Bertold Eik von Eichen. Grossvater hat es gesagt, ich sollte so antworten.<<

>>Ahhh! So so -- gut und sch?n! Setz' dich! Oder nein, lies mir gleich einmal ein St?ckchen aus dem Kinderfreund. Seite einhundertachtundsechzig oben, damit ich sehe, was du kannst. Liselotte Windemuth, ich glaube gar, du willst schon fr?hst?cken, das ist sehr ungeh?rig.<<

Liselotte wurde rot, aber es achtete niemand darauf, denn der neue Bertold las ganz unerh?rt sch?n und g?nzlich fehlerfrei das schwierige Lesest?ck.

>>Das war ja sehr gut, Bertold.<< Die guten Augen des Lehrers strahlten. >>Ich sehe schon, du bist der echte Sohn meiner braven Sch?lerin Franziska.<<

Sei es nun, dass seine Stimme bei diesen Worten bebte, oder war es sonst etwas, -- Bertold Eik warf pl?tzlich beide Arme auf den Tisch, legte sein Gesicht darauf und fing an bitterlich zu weinen. --

Liselotte Windemuth sass verst?rt neben ihm, -- -- die anderen waren je nach Veranlagung frech oder verlegen, beinahe aber alle stellten innerlich fest, dass es noch nie so >>fein<< in der Schule gewesen sei, -- M?tter und Tanten w?rden Augen und Ohren aufsperren, was sie heute erf?hren.

Und Rektor Dillen stellte bei sich fest, dass die erste Stunde recht unruhig verlaufen sei und die Kinder wenig in ihr gelernt h?tten, -- nur ihm selbst hatte sie einen Gewinst gebracht.

Durch sch?ne, reine Kinderaugen hatte er in ein sch?nes, reines Kinderherz geschaut, ein Erlebnis, das einem Lehrer wohl einen ganzen Tag verkl?ren konnte.

Er beschloss, die Pause heute etwas zu verl?ngern, um den Kindern Gelegenheit zu geben, ihre Neugierde zu befriedigen und sich zu sammeln. Und den arg verweinten Kinderaugen wollte er erlauben, sich zu waschen und zu k?hlen, damit sie wieder hell w?rden f?r den Rest des Tages.

Rektor Dillen war ein erfahrener Lehrer, der ja auch in den dreissig Jahren seiner p?dagogischen T?tigkeit viel hatte strafen m?ssen, aber Kindertr?nen waren seinem liebevollen Herzen immer etwas Heiliges gewesen. --

Kaum hatte das kleine, heisere Schulgl?ckchen, von Fr?ulein Rektor in Bewegung gesetzt, den Stundenschluss verk?ndigt, so wandte sich der Rektor gleich an Bertold.

>>Du kannst in das Grasg?rtchen gehen, mein Sohn, und die Liselotte wird dich begleiten, wenn du sie bittest.<<

>>Er braucht nicht zu bitten,<< rief Liselotte rasch, >>und ich hatte mir gerade dasselbe ausgedacht, w?hrend er das lange Lesest?ck vorlas. Komm, Bertold.<<

Ihre schlanken Beinchen liefen sehr schnell, Bertold konnte kaum folgen, und dann sassen sie eintr?chtig auf dem kleinen Holzb?nkchen in der Geissblattlaube.

>>Warum hast du geweint, Bertold?<< fragte die Kleine energisch.

>>Ich weiss es nicht.<< Seine Augen wurden schon wieder verd?chtig blank.

>>O, dann ist es sehr dumm. Man weint doch nicht, wenn man's nicht weiss. Man hat schon genug zu weinen bei Ungerechtigkeiten und Leibweh. Willst du jetzt wieder heulen, oder kann ich dich viel fragen?<<

>>Frag' mich nur.<<

>>Ich m?chte wissen, ob wir sehr gut zusammen passen. Sieh mal, du bist schon neun und ich erst sieben, das passt doch schon nicht. Aber sag' mal, bist du auch altklug, Bertold?<<

>>Das weiss ich nicht, -- bist du es denn?<<

>>Freilich, -- sie sagen's alle in Schwarzhausen. Es tut nicht weh, aber es ist nichts Sch?nes.<<

>>Nun dann sei es doch nicht.<<

>>Phh! Als ob das so ginge. Das ist so was Festgewachsenes, wie Haare und Augen.<<

>>Das glaube ich nicht.<<

>>Dann lass es bleiben.<<

Eine Pause entstand.

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