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Read Ebook: Auf der Heidecksburg by Rein Berthold

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Ebook has 238 lines and 18613 words, and 5 pages

Da sie nun einen aus ihrem Mittel hienach senden wollen, das Viehe wieder zur?ckzubringen, hat sie befahret, es m?chte derselbige dieses ihr angefangenes ernstes Werk und harte Wort dergestalt und mit solcher Unbescheidenheit bei andern f?rbringen, dass beide ihr und ihren armen Leuten ein Argers draus entstehen m?chte, und derentwegen nicht zugeben wollen, dass der Herren einer oder auch jemand von ihrem Gesinde abgesandt w?rde, sondern darauf gedrungen, schriftlich das Viehe wieder abzufordern, wollte sie von den Ihren etliche darzu abfertigen. Und hat auch mit angeh?nget, dass ihr keiner von dem Hause kommen sollte, sie w?sste dann gewiss, dass sie ihr Viehe wiederbek?me. Und im Fall, dass dar?ber etwas Gewaltsames von ihnen sollte f?rgenommen werden, sollte ihr keiner lebendig vom Hause hinwegkommen. Und hat darauf ihre gewappneten Leute ins Gemach mit ihren Wehren hereintreten und allda aufwarten heissen, dessen denn der Duc de Alba nicht ein wenig erschrocken. Der Herzog von Braunschweig aber sich nichts merken lassen, sondern solches alles ihr zum besten gedeutet als einer solchen Landesmutter, die sich ihrer armen Leute billich mit Ernst annehmen und die nicht gerne verderbt wissen wollte, sie freundlich angeredet, sie sollte sich zufrieden stellen, es sollte der Sachen bald Rat geschafft werden. Und beneben dem Duc de Alba ein kurz ernstliches Schriftlein mit ihrem Handsigill gefertigt mit Anzeigung, was f?r Gefahr denen darauf stehen w?rde, so wider gegebene Salvaguardi das Viehe abgetrieben. Und haben solchen Zettel der Gr?fin auf ihr Begehren zum besten zu bestellen ?bergeben, welchen sie denn auch durch die Ihrigen eilend abgefertigt. Aber die Herren nicht weglassen wollen, bis einer schnell zur?ck kommen und die Botschaft bracht, dass den Bauern ihr Viehe wieder worden. Darauf sie den F?rsten zum h?chsten gedankt, dieselbigen ihr aber bei ihren f?rstlichen Ehren zusagen und versichern m?ssen, solches, was sie aus dringender Not tun m?ssen, weder an ihr noch den Ihren zu eifern noch zu r?chen. Und hat Herzog Heinrich dieses ernsten Scherzens darnach wohl lachen m?ssen, auch die Gr?fin darum gelobet. Und sind also endlichen mit Frieden in gutem voneinander geschieden.<<

Bald nach jenem Ereignis sollte die unerschrockene Frau Gelegenheit haben, als Besch?tzerin des evangelischen Bekenntnisses dem Willen des fanatischen Kaisers selbst zu trotzen. Heimatschriftsteller des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts erz?hlen gern davon.

>>Als die Frau Superintendentin damals beim Schiessteiche ihre T?cher und Bettgewand gewaschen, erschrickt sie heftig ?ber solchen Aufzug und fragt mit best?rztem Gem?te: Ei, dass Gott walte, wo wollt ihr meinen lieben Herrn hinf?hren? Darauf er sie mit den Armen umfangen und ihr mit folgenden Worten einen Kuss gegeben: Liebe Hausmutter, gehab dich mit den Kindern wohl! Bittet Gott f?r mich und gebet mir fleissig acht aufs H?usel! Darauf steiget der Herr Superintendent in Gottes Namen auf den Wagen und f?hret geschwind fort auf den Hain zu.

Zur Losung hatte die Gr?fin dem Kutscher ein weisses Tuch mitgegeben, damit er es, wenn er nahe an das Schloss komme, zu einem Zeichen auswerfen sollte. Als solches geschehen, verschickte die Gr?fin all ihr Hofgesinde hin und wieder in die Stadt, bis auf einen Einzigen, ihren Schneider, und logiert Herrn Aquilam in aller Stille in einem Oberst?blein. Hat die teure Wohlt?terin ?ber der Tafel etwas K?stliches gehabt, hat sie dieses gesagt: Gehe hin und bringe mir das dem kranken Mann! Da denn mehrgedachter Schneider schon gewusst, wem solch Essen zugeh?re.

Wenn die Gr?fin zu gewissen Zeiten den Aquilam in seinem St?blein besucht und denselben gefragt: Herr Aquila, wie stehts, was macht Ihr Gutes? hat er geantwortet: Gn?dige F?rstin und Frau, da sitze ich und lese in meinem Psalterb?chlein die Worte: Deine Kinder werden um deinen Tisch sitzen wie die ?lzweige! Da f?llt mir ein Z?hren nach dem andern auf die Bibel.

Als nun die Gr?fin gedacht, sie verm?chte als eine Witwe den Aquilam nicht l?nger bei sich behalten, hat sie an ihre Herren Br?der geschrieben und sie gebeten, dass sie doch den Aquilam zu sich in Verwahrung nehmen und von ihr abfordern lassen wollten.<<

Lorenz Ritter, Poet und Priester in Blankenburg, besang die Gr?fin:

~Sic Aquilam texit, qui propter dogmata Christi, Non, sibi commissa, tutus in orbe fuit, Sic alios etiam defendit saepe fideles Constantesque viros. En pietatis opus!

~ So hat sie den Aquila besch?tzt, der wegen der Lehre Christi, die ihm anvertraut war, in der Heimat nicht sicher lebte, Ebenso verteidigte sie auch oft getreue und standhafte M?nner. Sehet, welch ein Werk der Fr?mmigkeit!

?ber die Lebensereignisse und die Geistesart der heldenm?tigen Frau ist manches aus den Archiven bekannt geworden, manches wird noch darin schlummern. Als Landesherrin bestand sie herzhaft auf ihren Rechten gegen?ber Gebietsnachbarn, die gar nicht immer ritterlich gegen sie handelten. Dann fand sie aber bei den s?chsischen Herz?gen, voran bei Johann Friedrich dem Grossm?tigen, gute Obervormundschaft. Freim?tig wie in Alltagsfragen verhielt sie sich in ihrem Bekenntnis zur Reformation, was gar nicht immer leicht war, zumal geistliche und weltliche R?cksichten zu ihrer Zeit noch vielfach ungekl?rt einander durchkreuzten.

Die Schwarzburgischen Besitzungen verursachten leicht Verdriesslichkeiten, da Nutzungsrechte der Verwandten an Bergwerk, Weinwachs, Jagd und Fischfang auf gemeinsamen Gebieten nebeneinander liefen. Sie verteidigte dann diplomatisch klug die Anspr?che ihrer Kinder, nicht ohne zartes Gef?hl f?r Billigkeit.

Die Verwaltung ihrer ?mter Blankenburg und Rudolstadt nahm sie in die Hand wie die Herrin eines grossen Gutes, und sie griff zu, lenkte selbst und sah pers?nlich nach dem Rechten.

Verlobungs- und Ehefragen ihrer T?chter erforderten feinen Takt, und sie bewies ihn in m?tterlicher Liebe wie in vorbildlichem Verhalten ihren Schwiegers?hnen gegen?ber, deren feinsinnigster, Graf Wolrad von Waldeck, ihr in seinem Tagebuch ein r?hrendes Denkmal setzte.

Wissenschaft und Kunst haben schon Verlangen gehabt, etwas von der ?usseren Erscheinung der Gr?fin zu erfahren. Ein Bild von ihr ist nicht aufzufinden, und sollte es noch vorhanden sein, nicht mehr nachzuweisen.

So bleiben als ?usserungen ihres Geistes ihre Briefe ?brig. Katharina f?hrte eine gewandte Feder, vers?umte keine h?fische Form, liess aber darunter ihr Gem?t nicht ersticken, und ihre hennebergische Mundart klingt heimelig hindurch, auch der Goldglanz des Humors schimmert zwischen den Zeilen.

Bilder von der Szene F?rstenblut f?r Ochsenblut! sind entstanden in der Zeit, da man historisch-theatralisch malte, aber unser n?chternes Urteil sucht Wahrheit. Auch die Dichtung hat sich mit dem Vorgang besch?ftigt und tut das heute noch, aber fern von Wahrscheinlichkeit.

Freunde der Graphologie m?gen die Schriftz?ge deuten, auch wenn sie hier nur stark verkleinert zu bringen sind. Sie bilden den Schluss eines Briefes an ihren Bruder.

Euer Liebden treue schwester Catarina etc.

Nur zu einer allgemeinen Vorstellung von der Gestalt der Gegnerin Albas kann uns das verhelfen, was man 1875 vorfand, als ihr Grab in der Stadtkirche aufgedeckt wurde. Ihre Gr?sse betrug nicht ganz 1,70 Meter, und ihre Ringe, Weite 17, entsprechen einer kr?ftigen Frauenhand. Es sind drei fadend?nne Reifen, zwei aus Silber, einer aus Gold, die samt Resten von brauner Seide und gemustertem Sammet in der Heidecksburg als Reliquie aufbewahrt werden.

Bauteile dieser Periode d?rften in den Untergeschossen des heutigen S?dfl?gels und Westfl?gels zu suchen sein, und was von Schmuckformen die Zeit und neue Schadenfeuer ?berdauerte, fand piet?tvolle Verwendung, so die sch?ne Portalumrahmung mit den f?nf Statuen der F?rstentugenden vor dem Doppeleingang des Nordfl?gels.

Reiche Baut?tigkeit entfaltete der zweite Sohn, Ludwig G?nther, als er 1630 den Bruder beerbte. Trotz Schrecken und N?ten der Kriegsjahre f?hrte er in gl?nzender Weise die Erneuerung der Stadtkirche aus. Bis an die Schwelle des Greisenalters war er ledig geblieben, da f?hrte das Schicksal eine stattliche blonde Gestalt in sein Haus zur Feier einer Taufe, die ein verwandtes Ehepaar hier ausrichtete. Amilie Antonie von Oldenburg-Delmenhorst gab rasch entschlossen seiner Werbung nach und bew?hrte sich bald als geistiger Mittelpunkt eines werkt?tigen und ernst religi?sen Lebens im Zeitalter Speners und im Sinne August Hermann Franckes.

Von 1639 bis 1646 schenkte sie ihrem Gatten vier T?chter und einen Sohn, dann zog sie, die Tochter der weiten norddeutschen Ebene, als Witwe in das enge Waldtal von Leutenberg. Dort stand ihr als Wittum die Friedensburg zu. Mit weitem Blick und in fleissigem Tagewerk verwaltete sie ihre G?ter. Ihre Kinder, dazu ihre Pflegetochter Amilie Juliane von Barby, erhielten unter ihrer Aufsicht eine musterhafte Erziehung f?r das t?gliche Leben und eine wissenschaftliche Bildung, die der Zeit weit vorauseilte. Ihre Liebe f?r Kunst und Handwerk bewies sie in Auftr?gen, soweit sie nur mit ihren Mitteln ausf?hrbar waren, und mit der Bev?lkerung wuchs sie zusammen in Freud und Leid der drangvollen Jahre. Lehrer ihrer Kinder, Geistliche in ihrer N?he, Beamte ihres Haushalts, ein geschlossener Kreis Gleichgesinnter, geh?ren der Geschichte des evangelischen Kirchenliedes an und vererbten religi?se Dichtung bis auf Kindeskind .

In der Heidecksburg sind sechs grosse kulturhistorisch merkw?rdige Bilder aus ihrer Oldenburgischen Erbschaft ?briggeblieben. Sie stellen die Sage von einem Gottesurteil dar und fanden mehrmals Besprechung in der Literatur, zuletzt 1921 in der Wilhelmshavener Zeitschrift Tide. Ausser Einzelportr?ten nach dem Leben ist ein Bild von Amilie Antonies Kindern in grossem Format vorhanden und eine idealisierte Familiengruppe unter dem Kreuz Christi.

Amilie Juliane die Liederdichterin 1637-1706

Zu den wertvollsten geistigen Sch?tzen der evangelischen Kirche geh?rt das Lied: >>Wer weiss, wie nahe mir mein Ende!<< Besucher unseres F?rstenschlosses fragen nach der Dichterin, die in den Gesangb?chern als Reichsgr?fin von Schwarzburg-Rudolstadt bezeichnet ist, und Fachgelehrte erkundigen sich nach Einzelheiten ihres Lebens.

Albrecht Friedrich, Graf von Barby und M?hlingen, war bek?mmert, denn die Kriegsfurie tobte um die Elblande, und seine Gemahlin Sophie Ursula erwartete ihre schwere Stunde. In den Th?ringer Bergen lebte sein Oheim, Ludwig G?nther von Schwarzburg, der wohnte allein auf seinem Hause Rudolstadt, denn er war trotz seiner 56 Jahre noch unverm?hlt. Bei ihm fand das Grafenpaar aus Barby Zuflucht, und hier wurde ihnen am 19. August 1637 eine Tochter geboren. Die Schwester der jungen Mutter, Amilie Antonie von Oldenburg und Delmenhorst, eilte aus dem Stift Quedlinburg herbei, unbek?mmert um Kriegsl?rm, und hob ihre Nichte Amilie Juliane aus der Taufe. Das Schicksal f?gte es, dass die Oldenburgerin Schlossherrin auf der Heidecksburg wurde und ihrem verwaisten Patenkind eine Heimat bieten konnte.

In Rudolstadt und Leutenberg verlebte Amilie Juliane nun Kindheit und Jugendjahre. Dem Alter nach standen ihr von den vier Pflegeschwestern zwei besonders nahe, Sophie Juliane und Lud?milia Elisabeth. Als Lehrer wurde ihnen der Magister Johannes Hedwig bestellt, eine treue Seele, ein Meister der lateinischen Sprache und ein Erzieher zu peinlicher Ordnung und sauberer Arbeit. Die tiefgr?ndige Lebensauffassung der m?tterlichen F?hrerin ging auf Amilie Juliane ?ber, und der Pflegebruder Albert Anton w?hlte sie zur Gattin. Am 7. Juli 1665 wurde die Heidecksburg ihr Heim auf Lebenszeit.

Mit t?chtigem, n?chternem, wirtschaftlichem Sinn ergriff sie die Aufgaben ihres neuen Berufs. Mit reger Teilnahme und stets hilfsbereit begleitete sie die Geschicke ihrer Mitmenschen in Stadt und Land. Not gab es ?berall, im Grafenschloss wie in der Bauernh?tte, denn es war wunden- und seuchenreiche Zeit.

Mutterleid und -freud war der Gr?fin beschieden, ein T?chterchen starb fr?h, aber ein Sohn, der sp?tere F?rst Ludwig Friedrich, wuchs kr?ftig heran. Ihre eigene starke Natur erlag schliesslich, ersch?ttert durch ein Steinleiden, am 3. Dezember 1706. In dem Turmgew?lbe der Stadtkirche bereitete ihr der Gemahl eine w?rdige Grabst?tte, in der er selbst vier Jahre danach beigesetzt wurde.

Aus der Kindheit Amilie Julianes ist ein Andachtsbuch erhalten, das sich die Vierzehnj?hrige zusammengestellt hat, in handlichem Oktav, mit kr?ftiger Schrift. Neben kleinen Schulgebeten treten reifere Gedanken auf. Insgesamt entspricht der Inhalt etwa dem, was sich eine ernste Konfirmandin ausw?hlt an Gebeten, Spr?chen und Liedern. Eine gewisse Bekanntschaft mit der Literatur ist festzustellen. Auch das Geistliche Farbenlied: >>In schwarz will ich mich kleiden!<<, einem volkst?mlichen Liebeslied nachgebildet, ist vorhanden. Es durchl?uft mit 15 Strophen eine ganze Farbenskala der Symbolik. Die Auswahl f?r dieses Andachtsbuch wird, wenn nicht ganz und gar getroffen, so doch wenigstens stark beeinflusst worden sein durch die m?tterliche Erzieherin oder durch den Magister Hedwig.

Aus den Jahren 1656 und 1657 ist ein Schulheft wertvoll, starker Quartband, treffliches B?ttenpapier, in Leder gebunden, f?r Freunde der Schriftkunst und der Barockformen eine Augenweide, mit spitzer, spitzer Feder gef?hrt. Als Sinnspruch setzt die Neunzehnj?hrige voran: ~Duce deo, comite pietate~, Gott soll ihr F?hrer und fromme Liebe ihre Begleiterin sein. Zun?chst treten schulgerechte Brief?bungen auf ?ber die einzelnen Artikel der Augsburgischen Konfession, in deutscher und lateinischer Sprache abgefasst. Zwischen den gelehrten Er?rterungen laufen Bestandteile eines Briefwechsels, der zum Teil wohl auf wirklichen Ereignissen beruht, zum Teil auch der sprachlichen Gewandtheit zuliebe erdichtet sein mag. Als Empf?ngerin ist die ?lteste Pflegeschwester, Sophie Juliane, gedacht. Verkehr zwischen Rudolstadt und Leutenberg, Reisen nach Altenburg und Leipzig, auch die Barbysche Heimat, finden Erw?hnung.

Als Bekenntnisse der eigenen Seele klingen wie eine Vorahnung des heutigen Pazifismus ihre ?usserungen: >>O wollte Gott, dass Er aller Soldaten blutgierige Herzen dermassen lenkte, dass sie s?mtlich eine Abscheu ob solcher Kriegerei gewinnen und dem Frieden sich ergeben, damit auch nicht Deutschland wieder mit Krieg beleget und angef?llet werden m?chte. Nun, wir m?ssen hierin uns des g?ttlichen Willens ergeben mit gefasster Hoffnung, Er, als der aller Potentaten Herzen in seinen H?nden hat, werde die Kriegesanf?nger also regieren, dass kein F?nklein Unfried in Deutschland kommen m?ge!<<

Gleichberechtigung der Frauen vertritt sie, indem sie die Pflegeschwestern ermahnt, sie m?chten >>ihren Studiis mit mehrerem Fleiss obliegen, damit alle diejenigen, deren gefasste Meinung, ob verm?chten die Weibsbilder zum Studieren keineswegs t?chtig sein, ?berwiesen und dero ungegr?ndetes Vorgeben k?nnte verworfen werden<<.

Ein zweiter Teil dieses Heftes enth?lt Briefe an die vier Pflegeschwestern, ebenfalls sowohl deutsch wie lateinisch, zum Teil aus Rudolstadt, zum Teil aus Leutenberg datiert. Sie behandeln die Tugenden, erw?hnen aber auch wieder Reisen und Pl?ne. Echtes Menschentum geht der Verfasserin ?ber ?ussere Formen, denn sie r?t einer j?ngeren Verwandten, die vor einer Entscheidung steht: >>Besser in einem Winkel oder einsamen Ort, als bei Hofe!<< Der Briefwechsel Amilie Julianes hat sich nur aus einer kurzen Reihe von Jahren erhalten, spiegelt aber ihr Alltagsleben und ihre Umgebung bis in kleinste Z?ge wider, eine Fundgrube f?r Heimatgeschichte und Kulturgeschichte ?berhaupt.

?ber all ihre Briefe setzt die Liederdichterin, einem Gel?bde gem?ss, ~J. N. J.~, das heisst im Namen Jesu, oder ~J. H. S.~, das heisst Jesus, Heiland, Seligmacher. Im ?brigen ist von ihrem innersten pers?nlichen Leben, ihren Glaubensangelegenheiten, wenig die Rede. Treue Gesinnung kommt zum Ausdruck, wenn sie von qu?kerischer Schw?rmerei zu berichten hat, oder wenn der F?rst von Hanau seine Br?der enterben und einen katholischen Landgrafen als Erben einsetzen will: Gott regiere ihn, dass er nicht gar zum Narren wird! ?ber ihr k?rperliches Befinden verliert sie selten ein Wort und gebraucht dann keinen zimperlichen Ausdruck. Sie bedauert h?chstens, dass sie herzoglichen Besuch nicht geb?hrend begleiten kann, weil ihr die Beine steif sind wie Ochsengebratenes.

Wie sah das Heim der Dichterin aus? Der Hauptbau des Schlosses war dreifl?gelig, ann?hernd so in der Hauptfront wie er heute noch besteht. Nur d?rfen wir uns die Umgebung des Geb?udes nicht wie die eines neuzeitlichen Schlosses vorstellen. In der gr?flichen Wohnung selbst waren die R?ume sehr beschr?nkt. Wurde eine Stube neu hergerichtet, wie das zitronfarbene Gemach mit Alkoven, so erkaufte die Hausherrin sich die Freude daran mit viel M?he und Sorgfalt und bestickte die Wandbekleidung mit grossen Flammen und Blumen. Die Wohnung von zwei h?heren Hofbeamten befand sich auch im Haupthaus, ein Burgvogt mit Familie wohnte im Torgeb?ude, und viel Gesinde sonst noch hantierte und hauste in Nebenr?umen des Schlosses. Zimmer f?r G?ste waren wohl vorgesehen, wenn diese aber unangemeldet mit grossem Tross eintrafen, so entstand Verlegenheit und Spannung bei der Hausfrau. Und wenn zu besonderer Arbeit, zum Beispiel um Hirschhornwasser zu brennen, ein ungest?rter Raum n?tig war, so diente das Zimmer eines gerade verreisten Familiengliedes dazu. Sollte aber Festkonfekt gegen vorzeitige Zugriffe gesichert sein, dann war der Schrank in der Kleiderkammer das sicherste Versteck.

Eine Terrasse diente als Reitbahn, und die Gartenanlagen waren bebaut mit Laubeng?ngen aus schweren Holzbalken, zwischen denen die Beete f?r einheimische Pflanzen und die Gew?chsh?user f?r S?dfr?chte, Pomeranzen, Zitronen und Melonen, sich erstreckten. Der Schlosshof war eng. Unmittelbar an die herrschaftliche Wohnung reihten sich die Pferdest?lle an, und auf der Nordseite standen die Kuh- und Schweinest?lle. Dazwischen waren f?r Fleischerei und f?r den Kellerbetrieb die n?tigen Schuppen eingebaut. Ausgiebige D?ngerst?tten nahmen einen grossen Teil des Hofes ein.

Wenn auch Geldverkehr im siebzehnten Jahrhundert bereits sehr rege war, so brachten es doch die Nachkriegszeiten mit, dass der gr?fliche Haushalt auf den Ertrag seiner Landwirtschaft angewiesen blieb. Ein Lieblingseigentum der Gr?fin bildeten ihre Gutsh?fe in Cumbach und in Schaala, aber auch an der Landwirtschaft um Schwarzburg und Leutenberg hatte sie Anteil, und sie bet?tigte ihn durch eigene F?rsorge und Arbeit. Wenn sie f?r drei gem?stete Schweine und Branntwein 20 Gulden einnimmt, will sie Bettdrillich daf?r kaufen. Wenn ihre Leute Flachs ausraufen, welcher gar sch?n wird, so verf?gt sie umsichtig dar?ber, und die Hopfenernte will sie nicht zu fr?h losschlagen, da die Preise noch steigen werden. Von Kirschen und Nelken und Honiggewinn aus Cumbach, von allen Erstlingen der Ernte erhalten Pflegemutter und Schwestern in Leutenberg eine Probe. Im M?rz besorgt sie junge >>G?nsigen<< und schickt die Zuchtgans mit, damit die Kleinen nicht >>verfrieren<<.

Ein grosser Schwarm von Gesinde geh?rte zum Haushalt und zehrte mit aus K?che und Keller. Wer auf dem Schlossberg nicht unterzubringen war, dem wurden Baustellen oder H?user am Fusse desselben angewiesen. Von da konnten die Getreuen f?r ihre Alltagsgesch?fte oder als galonierte Diener f?r Festgelegenheiten oder endlich als Bewaffnete bei Not und Gefahr leicht zur Stelle sein. Diese Ansiedlungen mit ihrem Kleinleben sind noch heute die Freude kunstsinniger Fremder und ?hneln den S?ldnergassen reicherer St?dte, wie N?rnberg. Mit allem, was darin sann und spann und lebte und webte, war die Gr?fin vertraut. Auch sonst hielt sie in der Stadt mit Beamtenfamilien und eingeborenen B?rgern getreue Nachbarschaft, was namentlich bei Patenschaften, Verlobungspl?nen, Hochzeiten, Krankheiten und Sterbef?llen tagt?glich zum Ausdruck kam.

Um den Grafen Albert Anton, den sie stets peinlich streng mit Nennung der Titulatur umschreibt, war sie ?ngstlich besorgt. Wenn ihr gn?diger Herr >>kleine Liesichen<< im Gesicht hat, muss ihm der Leibarzt zur Ader lassen. Ist er auf Reisen im Lande unterwegs, so bangt sie, bis er ihr gesund zur?ckkehrt. Seine Jagdbeute aus Paulinzelle an Wildschwein und Auerhahn ist ihr willkommen f?r die K?che, aber ?berm?tige Jagdgesellschaften mit Zechgelagen sind ihr ein Greuel. Sie stellt dann gern fest, dass Albert Anton nicht daran teilnimmt, und verbietet auch ihrer Jungfer, bei ausgelassenen T?nzen mitzutun. Als eine Jagd morgens bis in die N?he des Schlosses getrieben wird, muss die Hausfrau ihre Andacht abbrechen, sich Hals ?ber Kopf antun und den hungrigen Weidm?nnern W?rste und Schafk?se hinausschicken.

Die Freude der jungen Mutter an ihrem >>L?tzigen<< ist gross. Grossmutter und Tanten erhalten Kunde von jedem Z?hnchen, das sich zeigt, und von dem Ungl?ck mit der Kinderklapper, an der er bald erstickt w?re, weil er sie ins >>Maul<< gesteckt hat. Als er der ?blen Gewohnheit huldigt, an den Fingern zu saugen, bringt ihm der gute Doktor Mack ein klein S?cklein mit gefeiltem Hirschhorn, an dem er kauen muss. Auch Spiel und geistige Entwicklung des Kleinen m?ssen die Leutenberger Damen miterleben, und sie freuen sich, dass der Enkel und Neffe seine >>Weihnachtsgebeterigen<< sch?n aufsagt und die Melodie ~In dulci jubilo~ richtig singt. Als vern?nftige Mutter stellt Amilie Juliane schliesslich fest, L?tzigen bedarf manchmal >>eines kleinen R?tigens, denn er mir oft auf den Hals st?rret<<. Zur Belohnung seiner Unarten bekommt der F?nfj?hrige dann eine eigene Stube.

Besuch muss es unheimlich viel auf der Heidecksburg gegeben haben. Als f?rstliche Nachbarn stellten sich die Reussen von Burgk, von Lobenstein, von Schleiz, von Gerau und von Gr?iz ein. Auch sonst stiegen schwarzburgische Verwandte aus Arnstadt und Sondershausen und weitere Angeh?rige aus Norddeutschland auf der Heidecksburg ab. Adelige Beamte der Nachbarschaft, Herren und Damen aus der Stadt, alle waren willkommen, verursachten jedoch auch manche Geduldsprobe. Dann gehen Seufzer durch die Briefe der Vielgeplagten: >>Gott gebe nur allezeit h?bsche Fremde, nur nicht alles durcheinander. Es ist so ein Schwarm von Leuten da, dass ich es nicht sagen kann.<< Wenn die Gr?fin eine Reise vorhat, stellen sich die Pfl?gin, die Heidenreichin, die Vitztumin, die Conrektorin usw. ein: >>Es sind ein Haufen Leute dagewesen, als ob ich aus der Welt reisen wollte.<< Und wenn sie zur?ckkehrt: >>Mutter Kathrein hat mich beneventiert.<<

Alle Sorgen ihrer Handwerker erlebt sie mit. Der Maler Daniel kann keinen Firnis auftreiben, sie schreibt darum, der >>Tischner<< Gabriel Fleck hat die Rahmen f?r die Kirchenbilder zu gross gemacht, sie weiss Rat daf?r.

Solange der Handels- und Marktverkehr sich in Rudolstadt abspielt, lassen sich die Boteng?nge leicht erledigen. Nun ist aber Schmuck und Silbergeschirr in N?rnberg zu bestellen oder zu holen, da muss der Trompeter Kaspar reiten. Eink?ufe auf der Messe in Leipzig besorgt in schwierigen F?llen Hans Heinrich, der Maler, derselbe, der uns die Emporen der Stadtkirche mit Bildern geschm?ckt hat. Er hat Geschmack, das Rechte auszuw?hlen an Gewand und Tand, und vervollst?ndigt bei dieser Gelegenheit gern feine Vorr?te an guten Farben. Als ausserordentlicher Gesandter f?r Vertrauensangelegenheiten erbietet sich auch der gute Doktor Mack.

Ein lieber Winkel in der Grafschaft, ein St?ck Jugendheimat der Gr?fin, ist ihr Leutenberg mit seiner Umgebung. Hier kennt sie sich in allem aus. Als die Papierm?hle dort eingerichtet wird, w?nscht sie >>gute und fr?hliche Zeitung<< auf das Leutenberger Papier schreiben zu k?nnen.

Regelm?ssig im Herbst wird Schwarzburg aufgesucht und von da dann die Waldreise angetreten auf die >>Glash?tte<< und das >>Neue Haus<<. Darauf freuen sich die Teilnehmer, sie werden sich mit Glasmachen erlustieren und etwas von ihren K?nsten in die Welt hinaussenden. Die Schmalenbuch und das Herrenhaus bedenkt sie aus >>sonderbarer Liebe<< mit einem Legat von 150 Gulden.

Aus Frankenhausen schickt sie Silvesterbirnen heim und erz?hlt, wie sie die Salzkunst besehen hat und von den Salzherren mit Kuchen bewirtet worden ist.

Aus Blankenburg am Harz schickt sie als duftenden Gruss einen K?se und setzt voraus, dass ihn die gn?dige Frau Mutter in ein Tuch mit Wein schlagen wird.

Dauert die Reise l?ngere Zeit, oder erstreckt sie sich gar nach Norddeutschland zu den leiblichen Schwestern, dann stellt sich eine gesunde Sehnsucht ein nach dem Sohne, den die Tanten in Leutenberg einstweilen versorgen, und nach einer ruhigen Stunde daheim auf der Heidecksburg.

Von ihrer Schwiegermutter und ihren Schw?gerinnen hat Amilie Juliane Niederschriften ?ber Landwirtschaft, Haushaltung und K?chenarbeiten geerbt und sich in einem stattlichen Quartband gesammelt. Goldene Regeln dabei: Ein Hausvater darf nichts verschieben, darf nicht erst morgen verrichten, was er heute tun soll. Jeden Abend tr?gt er seinem Gesinde auf, was am folgenden Morgen zu arbeiten ist, steht selbst fr?h auf und spricht seinen Leuten freundlich zu! Alte und neue Zeit stiessen hart aufeinander. Einheimische Kr?uter, Salbei, Wegbreit und Zichorienwurzeln, sammelte die Hausfrau noch, aber der Handelsverkehr brachte ihr schon reichlich S?dfr?chte, Reis und Gew?rze ins Haus. Zwischen den K?chenrezepten schrieb sie sich Heilmittel auf, so: >>Ein gesundes Magenpulver durch den mannhaften Doktor Steffen von Venedig R?misch Kaiserlicher Majest?t Maximiliano zum Ged?chtnis verordnet<<. Sterndeutung f?r Menschenleben war noch im Schwang, auch an die Wirkungen abenteuerlicher Operationen f?r verhextes Vieh glaubte man noch, aber das ~Dispensatorium Noricum in folio~, das grosse N?rnberger Arzeneibuch, war schon der wissenschaftliche Ratgeber der Hofapotheken in Rudolstadt und Leutenberg, die die Gr?finnen selbst f?hrten samt Laboratorium und Kr?uterboden.

Zwei Gesangb?cher, von der Hand Amilie Julianes geschrieben und f?r ihre t?glichen Andachten bestimmt, liegen im Staatsarchiv auf der Heidecksburg. Das erste, aus dem Jahr 1652, ist mit zierlichen jugendlichen Z?gen geschrieben, in dem zweiten f?hrt eine kr?ftige Frauenhand die Feder. Die beiden B?cher geh?ren mit ihrem Inhalt dem pers?nlichsten Leben der Gr?fin an und waren nicht bestimmt f?r das Auge und das Urteil anderer. Das zweite ist in der Auswahl bedeutender und reifer und beruht auf einem gr?sseren Umblick in der Literatur. Die bekanntesten Lieder des siebzehnten Jahrhunderts kommen darin vor. Dichter mit Namen anzuf?hren, kam als allgemeine Sitte erst sp?ter auf. Es ist in keinem der beiden B?cher hier geschehen.

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