Read Ebook: Emilia Galotti by Lessing Gotthold Ephraim
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Ebook has 920 lines and 21264 words, and 19 pages
EMILIA GALOTTI
von GOTTHOLD EPHRAIM LESSING
Personen:
Emilia Galotti Odoardo und Claudia Galotti, Eltern der Emilia Hettore Gonzaga, Prinz von Guastalla Marinelli, Kammerherr des Prinzen Camillo Rota, einer von des Prinzen R?ten Conti, Maler Graf Appiani Gr?fin Orsina Angelo und einige Bediente
Erster Aufzug
Die Szene: ein Kabinett des Prinzen.
Erster Auftritt
Der Prinz . Klagen, nichts als Klagen! Bittschriften, nichts als Bittschriften!--Die traurigen Gesch?fte; und man beneidet uns noch!--Das glaub ich; wenn wir allen helfen k?nnten: dann w?ren wir zu beneiden.--Emilia? Eine Emilia?--Aber eine Emilia Bruneschi--nicht Galotti. Nicht Emilia Galotti!--Was will sie, diese Emilia Bruneschi? Viel gefodert, sehr viel.--Doch sie heisst Emilia. Gew?hrt! Es ist wohl noch keiner von den R?ten in dem Vorzimmer?
Der Kammerdiener. Nein.
Der Prinz. Ich habe zu fr?h Tag gemacht.--Der Morgen ist so sch?n. Ich will ausfahren. Marchese Marinelli soll mich begleiten. Lasst ihn rufen. --Ich kann doch nicht mehr arbeiten. --Ich war so ruhig, bild ich mir ein, so ruhig--Auf einmal muss eine arme Bruneschi Emilia heissen:--weg ist meine Ruhe, und alles!--Der Kammerdiener . Nach dem Marchese ist geschickt. Und hier, ein Brief von der Gr?fin Orsina.
Der Prinz. Der Orsina? Legt ihn hin.
Der Kammerdiener. Ihr L?ufer wartet.
Der Prinz. Ich will die Antwort senden; wenn es einer bedarf.--Wo ist sie? In der Stadt? oder auf ihrer Villa?
Der Kammerdiener. Sie ist gestern in die Stadt gekommen.
Der Prinz. Desto schlimmer--besser, wollt' ich sagen. So braucht der L?ufer um so weniger zu warten. Meine teure Gr?fin! So gut, als gelesen! --Nun ja; ich habe sie zu lieben geglaubt! Was glaubt man nicht alles? Kann sein, ich habe sie auch wirklich geliebt. Aber--ich habe!
Der Kammerdiener . Der Maler Conti will die Gnade haben-Der Prinz. Conti? Recht wohl; lasst ihn hereinkommen. --Das wird mir andere Gedanken in den Kopf bringen.
Zweiter Auftritt
Conti. Der Prinz.
Der Prinz. Guten Morgen, Conti. Wie leben Sie? Was macht die Kunst?
Conti. Prinz, die Kunst geht nach Brot.
Der Prinz. Das muss sie nicht; das soll sie nicht--in meinem kleinen Gebiete gewiss nicht.--Aber der K?nstler muss auch arbeiten wollen.
Conti. Arbeiten? Das ist seine Lust. Nur zu viel arbeiten m?ssen kann ihn um den Namen K?nstler bringen.
Der Prinz. Ich meine nicht vieles, sondern viel; ein weniges, aber mit Fleiss.--Sie kommen doch nicht leer, Conti?
Conti. Ich bringe das Portr?t, welches Sie mir befohlen haben, gn?diger Herr. Und bringe noch eines, welches Sie mir nicht befohlen: aber weil es gesehen zu werden verdient.
Der Prinz. Jenes ist?--Kann ich mich doch kaum erinnern.
Conti. Die Gr?fin Orsina.
Der Prinz. Wahr!--Der Auftrag ist nur ein wenig von lange her.
Conti. Unsere sch?nen Damen sind nicht alle Tage zum Malen. Die Gr?fin hat, seit drei Monaten, gerade einmal sich entschliessen k?nnen zu sitzen.
Der Prinz. Wo sind die St?cke?
Conti. In dem Vorzimmer, ich hole sie.
Dritter Auftritt
Der Prinz. Ihr Bild!--mag!--Ihr Bild, ist sie doch nicht selber.--Und vielleicht find ich in dem Bilde wieder, was ich in der Person nicht mehr erblicke.--Ich will es aber nicht wiederfinden.--Der beschwerliche Maler! Ich glaube gar, sie hat ihn bestochen.--W?r' es auch! Wenn ihr ein anderes Bild, das mit andern Farben, auf einen andern Grund gemalet ist--in meinem Herzen wieder Platz machen will: --Wahrlich, ich glaube, ich w?r' es zufrieden. Als ich dort liebte, war ich immer so leicht, so fr?hlich, so ausgelassen.--Nun bin ich von allem das Gegenteil.--Doch nein; nein, nein! Beh?glicher oder nicht beh?glicher: ich bin so besser.
Vierter Auftritt
Der Prinz. Conti mit den Gem?lden, wovon er das eine verwandt gegen einen Stuhl lehnet.
Conti . Ich bitte, Prinz, dass Sie die Schranken unserer Kunst erw?gen wollen. Vieles von dem Anz?glichsten der Sch?nheit liegt ganz ausser den Grenzen derselben. --Treten Sie so!
Der Prinz . Vortrefflich, Conti--ganz vortrefflich!--Das gilt Ihrer Kunst, Ihrem Pinsel.--Aber geschmeichelt, Conti; ganz unendlich geschmeichelt!
Conti. Das Original schien dieser Meinung nicht zu sein. Auch ist es in der Tat nicht mehr geschmeichelt, als die Kunst schmeicheln muss. Die Kunst muss malen, wie sich die plastische Natur--wenn es eine gibt--das Bild dachte: ohne den Abfall, welchen der widerstrebende Stoff unvermeidlich macht; ohne den Verderb, mit welchem die Zeit dagegen ank?mpfet.
Der Prinz. Der denkende K?nstler ist noch eins soviel wert.--Aber das Original, sagen Sie, fand demungeachtet.
Conti. Verzeihen Sie, Prinz. Das Original ist eine Person, die meine Ehrerbietung fodert. Ich habe nichts Nachteiliges von ihr ?ussern wollen.
Der Prinz. Soviel als Ihnen beliebt!--Und was sagte das Original?
Conti. Ich bin zufrieden, sagte die Gr?fin, wenn ich nicht h?sslicher aussehe.
Der Prinz. Nicht h?sslicher?--O das wahre Original!
Conti. Und mit einer Miene sagte sie das--von der freilich dieses ihr Bild keine Spur, keinen Verdacht zeiget.
Der Prinz. Das meint' ich ja; das ist es eben, worin ich die unendliche Schmeichelei finde.--Oh! ich kenne sie, jene stolze, h?hnische Miene, die auch das Gesicht einer Grazie entstellen w?rde! --Ich leugne nicht, dass ein sch?ner Mund, der sich ein wenig sp?ttisch verziehet, nicht selten um so viel sch?ner ist. Aber, wohl gemerkt, ein wenig: die Verziehung muss nicht bis zur Grimasse gehen, wie bei dieser Gr?fin. Und Augen m?ssen ?ber den woll?stigen Sp?tter die Aufsicht f?hren--Augen, wie sie die gute Gr?fin nun gerade gar nicht hat. Auch nicht einmal hier im Bilde hat.
Conti. Gn?diger Herr, ich bin ?usserst betroffen.
Der Prinz. Und wor?ber? Alles, was die Kunst aus den grossen, hervorragenden, stieren, starren Medusenaugen der Gr?fin Gutes machen kann, das haben Sie, Conti, redlich daraus gemacht.--Redlich, sag ich? --Nicht so redlich, w?re redlicher. Denn sagen Sie selbst, Conti, l?sst sich aus diesem Bilde wohl der Charakter der Person schliessen? Und das sollte doch. Stolz haben Sie in W?rde, Hohn in L?cheln, Ansatz zu tr?bsinniger Schw?rmerei in sanfte Schwermut verwandelt.
Conti . Ah, mein Prinz--wir Maler rechnen darauf, dass das fertige Bild den Liebhaber noch ebenso warm findet, als warm er es bestellte. Wir malen mit Augen der Liebe: und Augen der Liebe m?ssten uns auch nur beurteilen.
Der Prinz. Je nun, Conti--warum kamen Sie nicht einen Monat fr?her damit?--Setzen Sie weg.--Was ist das andere St?ck?
Conti . Auch ein weibliches Portr?t.
Der Prinz. So m?cht' ich es bald--lieber gar nicht sehen. Denn dem Ideal hier --oder vielmehr hier k?mmt es doch nicht bei.--Ich w?nschte, Conti, Ihre Kunst in andern Vorw?rfen zu bewundern.
Conti. Eine bewundernsw?rdigere Kunst gibt es, aber sicherlich keinen bewundernsw?rdigern Gegenstand als diesen.
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