Read Ebook: Die zärtlichen Schwestern by Gellert Christian F Rchtegott
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Ebook has 728 lines and 27712 words, and 15 pages
Lottchen. Sie beleidigen mich, wenn Sie mehr reden. Und Sie beleidigen mich auch schon, wenn Sie es denken. Julchen ist nicht gl?cklicher, als ich bin. Sie habe ihrem k?nftigen Br?utigam noch soviel zu danken: so bin ich Ihnen doch ebensoviel schuldig. Durch Ihren Umgang, durch Ihr Beispiel bin ich z?rtlich, ruhig und mit der ganzen Welt zufrieden worden. Ist dieses kein Gl?ck: so muss gar keins in der Welt sein. Aber, mein liebster Freund, wir wollen heute zu Julchens Gl?cke etwas beitragen. Sie liebt den Herrn Damis und weiss es nicht, dass sie ihn liebt. Ihr ganzes Bezeigen versichert mich, dass der pr?chtige Gedanke, den sie von der Freiheit mit sich herumtr?gt, nichts als eine Frucht der Liebe sei. Sie liebt; aber die verdr?ssliche Gestalt, die sie sich vielleicht von der Ehe gemacht hat, umnebelt ihre Liebe. Wir wollen diese kleinen Nebel vertreiben.
Siegmund. Und wie? mein liebes Kind. Ich gehorche Ihnen ohne Ausnahme. Herr Damis verdient Julchen, und sie wird eine recht liebensw?rdige Frau werden.
Lottchen. H?ren Sie nur. Doch hier k?mmt Herr Damis.
Vierter Auftritt
Die Vorigen. Damis.
Lottchen. Sie sehen sehr traurig aus, mein Herr Damis.
Damis. Ich habe Ursache dazu. Anstatt, dass ich glaubte, Julchen heute als meine Braut zu sehen: so merke ich, dass noch ganze Jahre zu diesem Gl?cke n?tig sind. Je mehr ich ihr von der Liebe vorsage, desto unempfindlicher wird sie. Und je mehr sie sieht, dass meine Absichten ernstlich sind, desto mehr missfallen sie ihr. Ich Ungl?cklicher! Wie gut w?re es f?r mich, wenn ich Julchen weniger liebte!
Lottchen. Lassen Sie sich ihre kleine Halsstarrigkeit lieb sein. Es ist nichts als Liebe. Eben weil sie f?hlt, dass ihr Herz ?berwunden ist: so wendet sie noch die letzte Bem?hung an, der Liebe den Sieg sauer zu machen. Wir brauchen nichts, als sie dahin zu bringen, dass sie sieht, was in ihrem Herzen vorgeht.
Damis. Wenn sie es aber nicht sehen will?
Lottchen. Wir m?ssen sie ?berraschen und sie, ohne dass sie es vermutet, dazu n?tigen. Der heutige Tag ist ja nicht notwendig Ihr Brauttag. Gl?ckt es uns heute nicht: so wird es ein andermal gl?cken. Es k?mmt bloss darauf an, meine Herren, ob Sie sich meinen Vorschlag wollen gefallen lassen.
Siegmund. Wenn ich zu des Herrn Damis Gl?cke etwas beitragen kann, mit Freuden.
Damis. Ich weiss, dass Sie beide grossm?tig genug darzu sind. Und mir wird nichts in der Welt zu schwer sein, das ich nicht f?r Julchen wagen sollte.
Lottchen. Mein Herr Damis, ver?ndern Sie die Sprache bei Julchen etwas. Fangen Sie nach und nach an, ihr in den Gedanken von der Freiheit recht zu geben. Diese ?bereinstimmung wird ihr anfangs gefallen und sie sicher machen. Sie wird denken, als ob sie Ihnen deswegen erst gewogen w?rde, da sie es doch lange aus weit sch?nern Ursachen gewesen ist. Und in diesem Selbstbetruge wird sie Ihnen ihr ganzes Herz sehen lassen.
Damis. Wollte der Himmel, dass Ihr Rat seine Wirkung t?te. Wie gl?cklich wollte ich mich sch?tzen!
Lottchen . Und Sie m?ssen dem Herrn Damis zum Besten einen kleinen Betrug spielen und sich gegen Julchen z?rtlich stellen. Dieses wird ihr Herz in Unordnung bringen. Sie wird b?se auf Sie werden. Und mitten in dem Zorne wird die Liebe gegen den Herrn Damis hervorbrechen. Tun Sie es auf meine Verantwortung.
Siegmund. Diese Rolle wird mir sehr sauer werden.
F?nfter Auftritt
Die Vorigen. Julchen.
Julchen. Da sind Sie ja alle beisammen. Der Papa wollte gern wissen, wo Sie w?ren, und ich kann ihm nunmehro die Antwort sagen.
Lottchen. Mein liebes Julchen, warum gehst du so geschwind? Weisst du eine bessere Gesellschaft als die unsrige?
Julchen. Ach nein, meine Schwester. Aber wo Ihr und Herr Siegmund seid, da wird gewiss von der Liebe gesprochen. Und ich finde heute keinen Beruf, einer solchen Versammlung beizuwohnen.
Lottchen. Warum rechnest du denn nur mich und Herr Siegmunden zu den Verliebten? Was hat dir denn Herr Damis getan, dass du ihm diese Ehre nicht auch erweisest?
Julchen. Herr Damis ist so g?tig gewesen und hat mir versprochen, lange nicht wieder von der Liebe zu reden. Und er ist viel zu billig, als dass er mir sein Wort nicht halten sollte.
Damis. Ich habe es Ihnen versprochen, meine liebe Mamsell, und ich verspreche es Ihnen vor dieser Gesellschaft zum andern Male. Erlauben Sie mir, dass ich meine Z?rtlichkeit in Hochachtung verwandeln darf. Die Liebe k?nnen Sie mir mit Recht verbieten; aber die Hochachtung k?mmt nicht auf meinen Willen, sondern auf Ihre Verdienste an. Scheun Sie sich nicht mehr vor mir. Ich bin gar nicht mehr Ihr Liebhaber. Aber darf ich denn auch nicht Ihr guter Freund sein?
Julchen. Von Herzen gern. Dieses ist eben mein Wunsch, viele Freunde und keinen Liebhaber zu haben; mich an einem vertrauten Umgange zu vergn?gen, aber mich nicht durch die Vertraulichkeit zu binden und zu fesseln. Wenn Sie mir nichts mehr von der Liebe sagen wollen: so will ich ganze Tage mit Ihnen umgehen.
Lottchen. Kommen Sie, Herr Siegmund. Bei diesen frostigen Leuten sind wir nichts n?tze. Ob wir ihr kaltsinniges Gespr?ch von der Freundschaft h?ren oder nicht. Wir wollen zu dem Papa gehen.
Sechster Auftritt
Julchen. Damis.
Julchen. Ich bin meiner Schwester recht herzlich gut; aber ich w?rde es noch mehr sein, wenn sie weniger auf die Liebe hielte. Es kann sein, dass die Liebe viel Annehmlichkeiten hat; aber das traurige und eingeschr?nkte Wesen, das man dabei annimmt, verderbt ihren Wert, und wenn er noch so gross w?re. Ich habe ein lebendiges Beispiel an meiner Schwester. Sie war sonst viel munterer, viel ungezwungener.
Damis. Ich habe Ihnen versprochen, nicht von der Liebe zu reden, und ich halte mein Wort. Die Freundschaft scheint mir in der Tat besser.
Julchen. Ja. Die Freundschaft ist das frohe Vergn?gen der Menschen und die Liebe das traurige. Man will einander recht geniessen, darum liebt man; und man eilt doch nur, einander satt zu werden. Habe ich nicht recht, Herr Damis?
Damis. Ich werde die Liebe in Ihrer Gesellschaft gar nicht mehr erw?hnen. Sie m?chten mir sonst dabei einfallen. Und wie w?rde es alsdann um mein Versprechen stehen?
Julchen. Sie k?nnten es vielleicht f?r einen Eigensinn, oder ich weiss selbst nicht f?r was f?r ein Anzeichen halten, dass ich die Liebe so fliehe. Aber nein. Ich sage es Ihnen, es geh?rt zu meiner Ruhe, ohne Liebe zu sein. Lassen Sie mir doch diese Freiheit. Muss man denn diese traurige Plage f?hlen? Nein, meine Schwester irrt: es geht an, sie nicht zu empfinden. Ich sehe es an mir. Aber warum schweigen Sie so stille? Ich rede ja fast ganz allein. Sie sind verdriesslich? O wie gut ist's, dass Sie nicht mehr mein Liebhaber sind! Sonst h?tte ich Ursache, Ihnen zu Gefallen auch verdriesslich zu werden.
Damis. O nein, ich bin gar nicht verdriesslich.
Julchen. Und wenn Sie es auch w?ren, und zwar deswegen, weil ich nicht mehr von der Liebe reden will: so w?rde mir doch dieses gar nicht nahegehen. Es ist mir nicht lieb, dass ich Sie so verdriesslich sehe; aber als Ihre gute Freundin werde ich dar?ber gar nicht unruhig. O nein! Ich bin ja auch nicht jede Stunde zufrieden. Sie k?nnen ja etwas zu ?berlegen haben. Ich argwohne gar nichts. Ich mag es auch nicht wissen... Doch, mein Herr, Sie stellen einen sehr stummen Freund vor. Wenn bin ich Ihnen denn so gleichg?ltig geworden?
Damis. Nehmen Sie es nicht ?bel, meine sch?ne Freundin, dass ich einige Augenblicke ganz f?hllos geschienen habe. Ich habe, um Ihren Befehl zu erf?llen, die letzten Bem?hungen angewandt, die ?ngstlichen Regungen der Liebe v?llig zu ersticken und den Charakter eines aufrichtigen Freundes anzunehmen. Die Vernunft hat nunmehr ?ber mein Herz gesiegt. Die Liebe war mir sonst angenehm, weil ich sie Ihrem Werte zu danken hatte. Nunmehr scheint mir auch die Unempfindlichkeit sch?n und reizend zu sein, weil sie durch die Ihrige in mir erwecket worden ist. Verlassen Sie sich darauf, ich will mir alle Gewalt antun; aber vergeben Sie mir nur, wenn ich zuweilen wider meinen Willen in den vorigen Charakter verfalle. Ich liebe Sie nicht mehr; aber, ach, sollten Sie doch wissen, wie hoch ich Sie sch?tze, meine englische Freundin!
Julchen. Aber warum schlagen Sie denn die Augen nieder? Darf man in der Freundschaft einander auch nicht ansehen?
Damis. Es geh?rt zu meinem Siege. Wer kann Sie sehen und Sie doch nicht lieben?
Julchen. Sagten Sie mir nicht wieder, dass Sie mich liebten? O das ist traurig! Ich werde ?ber Ihr Bezeigen recht unruhig. Einmal reden Sie so verliebt, dass man erschrickt, und das andere Mal so gleichg?ltig, als wenn Sie mich zum ersten Male s?hen. Nein, schweifen Sie doch nicht aus. Sie widersprechen mir ja stets. Ist dies die Eigenschaft eines guten Freundes? Wir brauchen ja nicht zu lieben. Ist denn die Freiheit nicht so edel als die Liebe?
Damis. O es geh?rt weit mehr St?rke des Geistes zu der Freiheit als zu der Liebe.
Julchen. Das sage ich auch, warum halten Sie mir's denn f?r ?bel, dass ich die Freiheit hochsch?tze, dass ich statt eines Liebhabers lieber zehn Freunde, statt eines einfachen lieber ein mannigfaltiges Vergn?gen haben will? Sind denn meine Gr?nde so schlecht, dass ich dar?ber Ihre Hochachtung verlieren sollte? Tun Sie den Ausspruch, ob ich bloss aus Eigensinn rede. Aber warum sehen Sie mich so ?ngstlich an, als ob Sie mich bedauerten? Was wollen mir Ihre Augen durch diese Sprache sagen? Ich kann mich gar nicht mehr in Ihr Bezeigen finden. Sie scheinen mir das Amt eines Aufsehers und nicht eines Freundes ?ber sich genommen zu haben. Warum geben Sie auf meine kleinste Miene Achtung und nicht auf meine Worte? Mein Herr, ich wollte, dass Sie nunmehr...
Damis. Dass Sie gingen, wollten Sie sagen. Auch diesen Befehl nehme ich an, so sauer er mir auch wird. Sie m?gen mich nun noch so sehr hassen: so werde ich mich doch in Ihrer Gegenwart nie ?ber mein Schicksal beklagen. Ich habe die Ehre, mich Ihnen zu empfehlen.
Julchen. Hassen? Wenn habe ich denn gesagt, dass ich Sie hasse? Ich verstehe diese Sprache. Weil Sie mich nicht lieben sollen, so wollen Sie mich hassen. Dies ist sehr grossm?tig. Das sind die Fr?chte der ber?hmten Z?rtlichkeit. Ich werde aber nicht aus meiner Gelassenheit kommen, und wenn Sie auch mit dem kaltsinnigsten Stolze noch einmal zu mir sagen sollten: Ich habe die Ehre, mich Ihnen zu empfehlen. Das ist ja eine rechte Hofsprache.
Damis. Es ist die Sprache der Ehrerbietung.
Siebenter Auftritt
Julchen allein.
Wie? Er geht? Aber warum bin ich so unruhig? Ich liebe ihn ja nicht. .. Nein, ich bin ihm nur gewogen. Es ist doch ein unertr?glicher Stolz, dass er mich verl?sst. Aber habe ich ihn etwan beleidiget? Er ist ja sonst so vern?nftig und so grossm?tig... Nein, nein, er liebt mich nicht. Es muss Verstellung gewesen sein. Ich habe heute ein recht m?rrisches Wesen. Wenn ich nur meine Laute hier h?tte, ich wollte...
Achter Auftritt
Julchen. Lottchen.
Lottchen. Ich will sie gleich holen, wenn du es haben willst. Aber, mein Kind, was hast du mit dir allein zu reden? Es ist ja sonst deine Art nicht, dass du mit der Einsamkeit sprichst?
Julchen. Wenn h?tte ich denn mit mir allein geredet? Ich weiss nicht, dass ich heute allen so verd?chtig vorkomme.
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