Read Ebook: Die Hochzeit des Mönchs by Meyer Conrad Ferdinand
Font size:
Background color:
Text color:
Add to tbrJar First Page Next Page
Ebook has 482 lines and 31117 words, and 10 pages
Die Hochzeit des M?nchs
Conrad Ferdinand Meyer
Es war in Verona. Vor einem breiten Feuer das einen weitr?umigen Herd f?llte, lagerte in den bequemsten Stellungen, welche der Anstand erlaubt, ein junges Hofgesinde m?nnlichen und weiblichen Geschlechts um einen ebenso jugendlichen Herrscher und zwei bl?hende Frauen. Dem Herd zur Linken sass diese f?rstliche Gruppe, welcher die ?brigen in einem Viertelkreis sich anschlossen, die ganze andere Seite des Herdes nach h?fischer Sitte frei lassend. Der Gebieter war derjenige Scaliger, welchen sie Cangrande nannten. Von den Frauen, in deren Mitte er sass, mochte die n?chst dem Herd etwas zur?ck und ins Halbdunkel gelehnte sein Eheweib, die andere, vollbeleuchtete, seine Verwandte oder Freundin sein, und es wurden mit bedeutsamen Blicken und halblautem Gel?chter Geschichten erz?hlt.
Jetzt trat in diesen sinnlichen und mutwilligen Kreis ein gravit?tischer Mann, dessen grosse Z?ge und lange Gew?nder aus einer andern Welt zu sein schienen. "Herr, ich komme, mich an deinem Herde zu w?rmen", sprach der Fremdartige halb feierlich, halb geringsch?tzig und verschm?hte hinzuzuf?gen, dass die l?ssige Dienerschaft trotz des frostigen Novemberabends vergessen oder vers?umt hatte, Feuer in der hoch gelegenen Kammer des Gastes zu machen.
"Setze dich neben mich, mein Dante", erwiderte Cangrande, "aber wenn du dich gesellig w?rmen willst, so blicke mir nicht nach deiner Gewohnheit stumm in die Flamme! Hier wird erz?hlt, und die Hand, welche heute Terzinen geschmiedet hat auf meine astrologische Kammer steigend, h?rte ich in der deinigen mit dumpfem Gesang Verse skandieren--, diese wuchtige Hand darf es heute nicht verweigern, das Spielzeug eines kurzweiligen Geschichtchens, ohne es zu zerbrechen, zwischen ihre Finger zu nehmen. Beurlaube die G?ttinnen"--er meinte wohl die Musen--"und vergn?ge dich mit diesen sch?nen Sterblichen." Der Scaliger zeigte seinem Gast mit einer leichten Handbewegung die zwei Frauen, von welchen die gr?ssere, die scheinbar gef?hllos im Schatten sass, nicht daran dachte zu r?cken, w?hrend die kleinere und aufgeweckte dem Florentiner bereitwillig neben sich Raum machte. Aber dieser gab der Einladung seines Wirtes keine Folge, sondern w?hlte stolz den letzten Sitz am Ende des Kreises. Ihm missfiel entweder die Zweiweiberei des F?rsten--wenn auch vielleicht nur das Spiel eines Abends--oder dann ekelte ihn der Hofnarr, welcher, die Beine vor sich hingestreckt, neben dem Sessel Cangrandes auf dem herabgeglittenen Mantel desselben am Boden sass.
Dieser, ein alter, zahnloser Mensch mit Glotzaugen und einem schlaffen, verschw?tzten und vernaschten Maul--neben Dante der einzig Bejahrte der Gesellschaft--, hiess Gocciola, das heisst das Tr?pfchen, weil er die letzten klebrigen Tropfen aus den geleerten Gl?sern zusammenzunaschen pflegte, und hasste den Fremdling mit kindischer Bosheit; denn er sah in Dante seinen Nebenbuhler um die nicht eben w?hlerische Gunst des Herrn. Er schnitt ein Gesicht und erfrechte sich, seine h?bsche Nachbarin zur Linken auf das an der hellen Decke des hohen Gemaches sich abschattende Profil des Dichters h?hnisch grinsend aufmerksam zu machen. Das Schattenbild Dantes glich einem Riesenweibe mit langgebogener Nase und hangender Lippe, einer Parze oder dergleichen. Das lebhafte M?dchen verwand ein kindliches Lachen. Ihr Nachbar, ein klug blickender J?ngling, der Ascanio hiess, half ihr dasselbe ersticken, indem er sich an Dante wendete mit einer massvollen Ehrerbietung, in welcher dieser angeredet zu werden liebte.
"Verschm?he es nicht, du Homer und Virgil Italiens", bat er, "dich in unser harmloses Spiel zu mischen. Lass dich zu uns herab und erz?hle, Meister, statt zu singen."
"Was ist euer Thema?" warf Dante hin, weniger ungesellig, als er begonnen hatte, aber immer noch m?rrisch genug. "Pl?tzlicher Berufswechsel", antwortete der J?ngling b?ndig, "mit gutem oder schlechtem oder l?cherlichem Ausgang."
Dante besann sich. Seine schwerm?tigen Augen betrachteten die Gesellschaft, deren Zusammensetzung ihm nicht durchaus zu missfallen schien; denn er entdeckte in derselben neben mancher flachen einige bedeutende Stirnen. "Hat einer unter euch den entkutteten M?nch behandelt?" ?usserte der schon milder Gestimmte.
"Gewiss, Dante!" antwortete, sein Italienisch mit einem leichten deutschen Akzent aussprechend, ein Kriegsmann von treuherzigem Aussehen, Germano mit Namen, der einen Ringelpanzer und einen lang herabh?ngenden Schnurrbart trug. "Ich selbst erz?hlte den jungen Manuccio, welcher ?ber die Mauern seines Klosters sprang, um Krieger zu werden."
"Er tat recht", erkl?rte Dante, "er hatte sich selbst get?uscht ?ber seine Anlage."
"Ich, Meister", plauderte jetzt eine kecke, etwas ?ppige Paduanerin, namens Isotta, "habe die Helene Manente erz?hlt, welche eben die erste Locke unter der geweihten Schere verscherzt hatte, aber schnell die ?brigen mit den beiden H?nden deckte und ihr Nonnengel?bde verschluckte, denn sie hatte ihren in barbareske Sklaverei geratenen und h?chst wunderbar daraus erretteten Freund unter dem Volk im Schiff der Kirche erblickt, wie er die gel?sten Ketten"--sie wollte sagen: an der Mauer aufhing, aber ihr Geschw?tz wurde von dem Munde Dantes zerschnitten.
"Sie tat gut", sagte er, "denn sie handelte aus der Wahrheit ihrer verliebten Natur. Von alledem ist hier die Rede nicht, sondern von einem ganz andern Fall: Wenn n?mlich ein M?nch nicht aus eigenem Trieb, nicht aus erwachter Weltlust oder Weltkraft, nicht weil er sein Wesen verkannt h?tte, sondern einem andern zuliebe, unter dem Druck eines fremden Willens, wenn auch vielleicht aus heiligen Gr?nden der Piet?t, untreu an sich wird, sich selbst mehr noch als der Kirche gegebene Gel?bde bricht und eine Kutte abwirft, die ihm auf dem Leib sass und ihn nicht dr?ckte. Wurde das schon erz?hlt? Nein? Gut, so werde ich es tun. Aber sage mir, wie endet solches Ding, mein G?nner und Besch?tzer?" Er hatte sich ganz gegen Cangrande gewendet.
"Notwendig schlimm", antwortete dieser ohne Besinnen. "Wer mit freiem Anlauf springt, springt gut; wer gestossen wird, springt schlecht."
"Du redest die Wahrheit, Herr", best?tigte Dante, "und nicht anders, wenn ich ihn verstehe, meint es auch der Apostel, wo er schreibt: dass S?nde sei, was nicht aus dem Glauben gehe, das heisst, aus der ?berzeugung und Wahrheit unserer Natur."
"Muss es denn ?berhaupt M?nche geben?" kicherte eine ged?mpfte Stimme aus dem Halbdunkel, als wollte sie sagen: jede Befreiung aus einem an sich unnat?rlichen Stand ist eine Wohltat.
Die dreiste und ketzerische ?usserung erregte hier kein ?rgernis, denn an diesem Hof wurde das k?hnste Reden ?ber kirchliche Dinge geduldet, ja bel?chelt, w?hrend ein freies oder nur unvorsichtiges Wort ?ber den Herrscher, seine Person oder seine Politik, verderben konnte.
Dantes Auge suchte den Sprecher und entdeckte denselben in einem vornehmen, jungen Kleriker, dessen Finger mit dem kostbaren Kreuze t?ndelten, welches er ?ber dem geistlichen Gewand trug.
"Nicht meinetwegen", gab der Florentiner bed?chtig zur Antwort. "M?gen die M?nche aussterben, sobald ein Geschlecht ersteht, welches die beiden h?chsten Kr?fte der Menschenseele, die sich auszuschliessen scheinen, die Gerechtigkeit und die Barmherzigkeit vereinigen lernt. Bis zu jener sp?ten Weltstunde verwalte der Staat die eine, die Kirche die andere. Da aber die ?bung der Barmherzigkeit eine durchaus selbstlose Seele fordert, so sind die drei m?nchischen Gel?bde gerechtfertigt; denn es ist weniger schwer, wie die Erfahrung lehrt, der Lust ganz als halb zu entsagen."
"Gibt es aber nicht mehr schlechte M?nche als gute?" fragte der geistliche Zweifler weiter.
"Nein", behauptete Dante, "wenn man die menschliche Schwachheit ber?cksichtigt. Es m?sste denn mehr ungerechte Richter als gerechte, mehr feige Krieger als beherzte, mehr schlechte Menschen als gute geben."
"Und ist das nicht der Fall?" fl?sterte der im Halbdunkel.
"Nein", entschied Dante, und eine himmlische Verkl?rung erleuchtete seine strengen Z?ge. "Fragt und untersucht unsere Philosophie nicht: wie ist das B?se in die Welt gekommen? W?ren die B?sen in der Mehrzahl, so fragten wir: wie kam das Gute in die Welt?"
Diese stolzen und dunkeln S?tze imponierten der Gesellschaft, erregten aber auch die Besorgnis, der Florentiner m?chte sich in seine Scholastik vertiefen statt in seine Geschichte.
Cangrande sah, wie seine junge Freundin ein h?bsches G?hnen verwand. Unter solchen Umst?nden ergriff er das Wort und fragte: "Erz?hlst du uns eine wahre Geschichte, mein Dante, nach Dokumenten? oder eine Sage des Volksmunds? oder eine Erfindung deiner bekr?nzten Stirne?"
Dieser antwortete langsam betonend: "Ich entwickle meine Geschichte aus einer Grabschrift."
"Aus einer Grabschrift?"
"Aus einer Grabschrift, die ich vor Jahren bei den Franziskanern in Padua gelesen habe. Der Stein, welcher sie tr?gt, lag in einem Winkel des Klostergartens, allerdings unter wildem Rosengestr?uch versteckt, aber doch den Novizen zug?nglich, wenn sie auf allen vieren krochen und sich eine von Dornen zerkritzte Wange nicht reuen liessen. Ich befahl dem Prior--will sagen, ich ersuchte ihn, den fraglichen Stein in die Bibliothek zu versetzen und unter die Hut eines Greises zu stellen."
"Was sagte denn der Stein?" liess sich jetzt die Gemahlin des F?rsten nachl?ssig vernehmen.
"Die Inschrift", erwiderte Dante, "war lateinisch und lautete: Hic jacet monachus Astorre cum uxore Antiope. Sepeliebat Azzolinus."
"Was heisst denn das?" fragte die andere neugierig.
Cangrande ?bersetzte fliessend: "Hier schlummert der M?nch Astorre neben seiner Gattin Antiope. Beide begrub Ezzelin."
"Der abscheuliche Tyrann!" rief die Empfindsame. "Gewiss hat er die beiden lebendig begraben lassen, weil sie sich liebten, und das Opfer noch in der Gruft geh?hnt, indem er es die Gattin des M?nches nannte. Der Grausame!"
"Kaum", meinte Dante. "Das hat sich in meinem Geiste anders gestaltet und ist auch nach der Geschichte unwahrscheinlich. Denn Ezzelin bedrohte wohl eher den kirchlichen Gehorsam als den Bruch geistlicher Gel?bde. Ich nehme das 'sepeliebat' in freundlicherem Sinne: er gab den beiden ein Begr?bnis."
"Recht", rief Cangrande freudig, "du denkst wie ich, Florentiner! Ezzelino war eine Herrschernatur und, wie sie einmal sind, etwas rauh und gewaltsam. Neun Zehntel seiner Frevel haben ihm die Pfaffen und das fabels?chtige Volk angedichtet." "M?chte dem so sein!" seufzte Dante. "Wo er ?brigens in meiner Fabel auftritt, ist er noch nicht das Ungeheuer, welches uns, wahr oder falsch, die Chronik schildert, sondern seine Grausamkeit beginnt sich nur erst zu zeichnen, mit einem Zug um den Mund sozusagen--"
"Eine gebietende Gestalt", vollendete Cangrande feurig das Bildnis, "mit gestr?ubtem, schwarzem Stirnhaar, wie du ihn in deinem zw?lften Gesang als einen Bewohner der H?lle malst. Woher hast du dieses schwarzhaarige Haupt?"
"Es ist das deinige", versetzte Dante k?hn, und Cangrande f?hlte sich geschmeichelt.
"Auch die ?brigen Gestalten der Erz?hlung", fuhr er mit l?chelnder Drohung fort, "werde ich, ihr gestattet es?"--und er wendete sich gegen die Umsitzenden--"aus eurer Mitte nehmen und ihnen eure Namen geben: euer Inneres lasse ich unangetastet, denn ich kann nicht darin lesen."
"Meine Miene gebe ich dir preis", sagte grossartig die F?rstin, deren Gleichg?ltigkeit zu weichen begann.
Ein Gemurmel der h?chsten Aufregung lief durch die Zuh?rer, und: "Deine Geschichte, Dante!" raunte es von allen Seiten, "deine Geschichte!"
"Hier ist sie", sagte dieser und erz?hlte.
"Wo sich der Gang der Brenta in einem schlanken Bogen der Stadt Padua n?hert, ohne diese jedoch zu ber?hren, glitt an einem himmlischen Sommertag unter ged?mpftem Fl?tenschall eine bekr?nzte, von festlich Gekleideten ?berf?llte Barke auf dem schnellen, aber ruhigen Wasser. Es war die Brautfahrt des Umberto Vicedomini und der Diana Pizzaguerra. Der Paduaner hatte sich seine Verlobte aus einem am obern Lauf des Flusses gelegenen Kloster geholt, wohin, kraft einer alten st?dtischen Sitte, M?dchen von Stand vor ihrer Hochzeit zum Behufe frommer ?bungen sich zur?ckzuziehen pflegen. Sie sass in der Mitte der Barke auf einem purpurnen Polster zwischen ihrem Br?utigam und den drei bl?henden Knaben seines ersten Bettes. Umberto Vicedomini hatte vor f?nf Jahren, da die Pest in Padua w?tete, das Weib seiner Jugend begraben und, obwohl in der Kraft der M?nnlichkeit stehend, nur schwer und widerwillig, auf das t?gliche Dr?ngen eines alten und siechen Vaters, zu diesem zweiten Ehebund sich entschlossen.
Mit eingezogenen Rudern fuhr die Barke, dem Willen des Stromes sich ?berlassend. Die Bootsknechte begleiteten die sanfte Musik mit einem halblauten Gesang. Da verstummten beide. Aller Augen hatten sich nach dem rechten Ufer gerichtet, an welchem ein grosser Reiter seinen Hengst b?ndigte und mit einer weiten Geb?rde nach der Barke her?ber gr?sste. Scheues Gemurmel durchlief die Reihen der Sitzenden. Die Ruderer rissen sich die roten M?tzen vom Kopf, und das ganze Fest erhob sich in Furcht und Ehrerbietung, auch der Br?utigam, Diana und die Knaben. Untert?nige Geb?rden, gr?ssende Arme, halbgebogene Knie wendeten sich gegen den Strand mit einem solchen Ungest?m und ?bermass der Bewegung, dass die Barke aus dem Gleichgewicht kam, sich nach rechts neigte und pl?tzlich ?berwog. Ein Schrei des Entsetzens, ein drehender Wirbel, eine leere Strommitte, die sich mit Auftauchenden, wieder Versinkenden und den schwimmenden Kr?nzen der verungl?ckten Barke bev?lkerte. Hilfe war nicht ferne, denn wenig weiter unten lag ein kleiner Port, wo Fischer und F?hrleute hausten und heute auch die Rosse und S?nften warteten, welche die Gesellschaft, die jetzt im Strom unterging, vollends nach Padua h?tten bringen sollen.
Die zwei ersten der rettenden K?hne strebten sich von den entgegengesetzten Ufern zu. In dem einen stand neben einem alten Fergen mit struppigem Bart Ezzelin, der Tyrann von Padua, der unschuldige Urheber des Verderbens, in dem andern, vom linken Ufer kommenden ein junger M?nch und sein F?hrmann, welcher den staubigen Waller ?ber den Strom stiess gerade in dem Augenblick, da sich darauf das Unheil zutrug. Die beiden Boote erreichten sich. Zwischen ihnen schwamm im Flusse etwas wie eine F?lle blonden Haares, in das der M?nch entschlossen hineingriff, knielings, mit weit ausgestrecktem Arme, w?hrend sein Schiffer aus allen Kr?ften sich auf die andere Seite des Nachens zur?ckstemmte. An einer dicken Str?hne hob der M?nch ein Haupt, das die Augen geschlossen hielt, und dann, mit Hilfe des dicht herangekommenen Ezzelin, die Last eines von triefendem Gewand beschwerten Weibes aus der Str?mung. Der Tyrann war von seinem Nachen in den andern gesprungen und betrachtete jetzt das entseelte Haupt, das einen Ausdruck von Trotz und Ungl?ck trug, mit einer Art von Wohlgefallen, sei es an den grossen Z?gen desselben, sei es an der Ruhe des Todes.
'Kennst du sie, Astorre?' fragte er den M?nch. Dieser sch?ttelte verneinend den Kopf, und der andere fuhr fort: 'Siehe, es ist das Weib deines Bruders.'
Der M?nch warf auf das bleiche Antlitz einen mitleidigen, scheuen Blick, welches unter demselben langsam die schlummernden Augen ?ffnete.
'Bringe sie ans Ufer!' befahl Ezzelin, allein der M?nch ?berliess sie seinem F?hrmann. 'Ich will meinen Bruder suchen', rief er, 'bis ich ihn finde.'--'Ich helfe dir, M?nch', sagte der Tyrann, 'doch ich zweifle, dass wir ihn retten: ich sah ihn, wie er seine Knaben umschlang und, von den dreien umklammert, schwer in die Tiefe ging.'
Inzwischen hatte sich die Brenta mit Fahrzeugen bedeckt. Es wurde gefischt mit Stangen, Haken, Angeln, Netzen, und in der rasch wechselnden Szene vervielf?ltigte sich ?ber den Suchenden und den gehobenen B?rden die Gestalt des Herrschers.
'Komm, M?nch!' sagte er endlich. 'Hier gibt es f?r dich nichts mehr zu tun. Umberto und seine Knaben liegen nunmehr zu lang in der Tiefe, um ins Leben zur?ckzukehren. Der Strom hat sie verschleppt. Er wird sie ans Ufer legen, wann er ihrer m?de ist. Aber siehst du dort die Zelte?' Man hatte deren eine Zahl am Strand der Brenta zum Empfang der mit der Hochzeitsbarke Erwarteten aufgeschlagen und jetzt die Toten oder Scheintoten hineingelegt, welche von ihren schon aus dem nahen Padua herbeigeeilten Verwandten und Dienern umjammert wurden. 'Dort, M?nch, verrichte, was deines Amtes ist: Werke der Barmherzigkeit! Tr?ste die Lebenden! Bestatte die Toten!'
Der M?nch hatte das Ufer betreten und den Reichsvogt aus den Augen verloren. Da kam ihm aus dem Gedr?nge Diana entgegen, die Braut und Witwe seines Bruders, trostlos, aber ihrer Sinne wieder m?chtig. Noch trieften die schweren Haare, aber auf ein gewechseltes Gewand: ein mitleidiges Weib aus dem Volke hatte ihr im Gezelt das eigene gegeben und sich des kostbaren Hochzeitskleides bem?chtigt. 'Frommer Bruder', wendete sie sich an Astorre, 'ich bin verlassen: die mir bestimmte S?nfte ist in der Verwirrung mit einer andern, Lebenden oder Toten, in die Stadt zur?ckgekehrt. Begleite mich nach dem Hause meines Schwiegers, der dein Vater ist!'
Die junge Witwe t?uschte sich. Nicht in der Best?rzung und Verwirrung, sondern aus Feigheit und Aberglauben hatte das Gesinde des alten Vicedomini sie im Stiche gelassen. Es f?rchtete sich, dem j?hzornigen Alten eine Wittib und, mit ihr die Kunde von dem Untergang seines Hauses zu bringen.
Add to tbrJar First Page Next Page