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Read Ebook: Die Hochzeit des Mönchs by Meyer Conrad Ferdinand

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Ebook has 482 lines and 31117 words, and 10 pages

Die junge Witwe t?uschte sich. Nicht in der Best?rzung und Verwirrung, sondern aus Feigheit und Aberglauben hatte das Gesinde des alten Vicedomini sie im Stiche gelassen. Es f?rchtete sich, dem j?hzornigen Alten eine Wittib und, mit ihr die Kunde von dem Untergang seines Hauses zu bringen.

Da der M?nch viele seinesgleichen unter den Zelten und im Freien mit barmherzigen Werken besch?ftigt sah, willfahrte er dem Gesuch. 'Gehen wir', sagte er und schlug mit dem jungen Weibe die Strasse nach der Stadt ein, deren T?rme und Kuppeln auf dem blauen Himmel wuchsen. Der Weg war bedeckt mit Hunderten, die an den Strand eilten oder vom Strande zur?ckkehrten. Die beiden schritten, oft voneinander getrennt, aber sich immer wieder findend, in der Mitte der Strasse, ohne miteinander zu reden, und wandelten jetzt schon durch die Vorstadt, wo die Gewerbe hausen. Hier standen ?berall--das Ungl?ck auf der Brenta hatte die ganze Bev?lkerung auf die Beine gebracht--laut plaudernde oder fl?sternde Gruppen, welche das zuf?llige Paar, das den Bruder und den Br?utigam verloren hatte, mit teilnehmender Neugierde betrachteten.

Der M?nch und Diana waren Gestalten, die jedes Kind in Padua kannte. Astorre, wenn er nicht f?r einen Heiligen galt, hatte doch den Ruf des musterhaften M?nches. Er konnte der Stadtm?nch von Padua heissen, den das Volk verehrte und auf den es stolz war. Und mit Grund: denn er hatte auf die Vorrechte seines hohen Adels und den unermesslichen Besitz seines Hauses tapfer, ja freudig verzichtet und gab sein Leben in Zeiten der Seuche oder bei andern ?ffentlichen F?hrlichkeiten, ohne zu markten, f?r den Geringsten und die ?rmste preis. Dabei war er mit seinem kastanienbraunen Kraushaar, seinen warmen Augen und seiner edeln Geb?rde ein anmutender Mann, wie das Volk seine Heiligen liebt.

Diana war in ihrer Weise nicht weniger namhaft, schon durch die Vollkraft des Wuchses, welche das Volk mehr als die zarten Reize bewundert. Ihre Mutter war eine Deutsche gewesen, ja eine Staufin, wie einige behaupteten, freilich nur dem Blute, nicht dem Gesetze nach. Deutschland und Welschland hatten zusammen als gute Schwestern diese grosse Gestalt gebaut.

Wie herb und streng Diana mit ihresgleichen umging, mit den Geringen war sie leutselig, liess sich ihre H?ndel erz?hlen, gab kurzen und deutlichen Bescheid und k?sste die zerlumptesten Kinder. Sie schenkte und spendete ohne Besinnen, wohl weil ihr Vater, der alte Pizzaguerra, nach Vicedomini der reichste Paduaner, zugleich der schmutzigste Geizhals war, und Diana sich des v?terlichen Lasters sch?mte.

So verheiratete das ihr geneigte Volk in seinen Schenken und Plauderstuben Diana monatlich mit irgendeinem vornehmen Paduaner, doch die Wirklichkeit trug diesen frommen W?nschen keine Rechnung. Drei Hindernisse erschwerten eine Brautschaft: die hohen und oft finsteren Brauen Dianas, die geschlossene Hand ihres Vaters und die blinde Anh?nglichkeit ihres Bruders Germano an den Tyrannen, bei dessen m?glichem Falle der treue Diener mit zugrunde gehen musste, seine Sippe nach sich ziehend.

Endlich verlobte sich mit ihr, ohne Liebe, wie es stadtkundig war, Umberto Vicedomini, der jetzt in der Brenta lag.

?brigens waren die beiden so versunken in ihren gerechten Schmerz, dass sie das eifrige Geschw?tz, welches sich an ihre Fersen heftete, entweder nicht vernahmen oder sich wenig um dasselbe bek?mmerten. Nicht das gab Anstoss, dass der M?nch und das Weib nebeneinander schritten. Es erschien in der Ordnung, da der M?nch an ihr zu tr?sten hatte und sie wohl beide denselben Weg gingen: zu dem alten Vicedomini, als die n?chsten und nat?rlichen Boten des Geschehenen.

Die Weiber bejammerten Diana, dass sie einen Mann habe heiraten m?ssen, der sie nur als Ersatz f?r eine teure Gestorbene genommen, und beklagten sie in demselben Atemzug, dass sie diesen Mann vor der Ehe eingeb?sst habe.

Die M?nner dagegen er?rterten mit wichtigen Geb?rden und den schlausten Mienen eine brennende Frage, welche sich ?ber den in der Brenta versunkenen vier Stammhaltern des ersten paduanischen Geschlechts er?ffnet hatte. Die Gl?cksg?ter der Vicedomini waren sprichw?rtlich. Das Familienhaupt, ein ebenso energischer wie listiger Mensch, der es fertiggebracht hatte, mit beiden, dem f?nffach gebannten Tyrannen von Padua und der diesen verdammenden Kirche auf gutem Fuss zu bleiben, hatte sich lebelang nicht im geringsten mit etwas ?ffentlichem besch?ftigt, sondern ein z?hes Dasein und pr?chtige Willenskr?fte auf ein einziges Ziel gewendet: den Reichtum und das Gedeihen seines Stammes. Jetzt war dieser vernichtet. Sein ?ltester und die Enkel lagen in der Brenta. Sein Zweiter und Dritter waren in eben diesem Ungl?cksjahr, der eine vor zwei, der andere vor drei Monden von der Erde verschwunden. Den ?ltern hatte der Tyrann verbraucht und auf einem seiner wilden Schlachtfelder zur?ckgelassen. Der andere, aus welchem der vorurteilslose Vater einen grossartigen Kaufmann in venezianischem Stil gemacht, hatte sich an einer morgenl?ndischen K?ste auf dem Kreuz verblutet, an welches ihn Seer?uber geschlagen, versp?teten L?segeldes halber. Als Vierter blieb Astorre, der M?nch. Dass er diesen mit dem Aufwand seines letzten Pulses den Klostergel?bden zu entreissen versuchen werde, daran zweifelten die schnellrechnenden Paduaner keinen Augenblick. Ob es ihm gelinge und der M?nch sich dazu hergebe, dar?ber stritt jetzt die aufgeregte Gasse.

Und sie stritt sich am Ende so laut und heftig, dass selbst der trauernde M?nch nicht mehr im Zweifel dar?berbleiben konnte, wer mit dem 'egli' und der 'ella' gemeint sei, welche aus den versammelten Gruppen ert?nten. Dergestalt schlug er, mehr noch seiner Gef?hrtin als seinethalben, eine mit Gras bewachsene Gasse ein, die seinen Sandalen wohlbekannt war, denn sie f?hrte l?ngs der verwitterten Ringmauer seines Klosters hin. Hier war es bis zum Schauder k?hl, aber die ganz Padua erf?llende Schreckenskunde hatte selbst diese Schatten erreicht. Aus den offenen Fenstern des Refektoriums, das in die dicke Mauer gebaut war, scholl an der versp?teten Mittagstafel--die Katastrophe auf der Brenta hatte in der Stadt alle Zeiten und Stunden gest?rt--das Tischgespr?ch der Br?der so z?nkisch und schreiend, so voller '-inibus' und '-atibus'--es wurde lateinisch gef?hrt--, oder dann stritt man sich mit Zitaten aus den Dekretalen, dass der M?nch unschwer erriet, auch hier werde dasselbe oder ein ?hnliches Dilemma wie auf der Strasse verhandelt. Und wenn er sich vielleicht nicht Rechenschaft gab, wovon, so wusste er doch, von wem die Rede ging. Aber was er nicht entdeckte, waren--"

Mitten im Sprechen suchte Dante unter den Zuh?rern den vornehmen Kleriker, der sich hinter seinem Nachbarn verbarg.

"--waren zwei brennende, hohle Augen, welche durch eine Luke in der Mauer auf ihn und das Weib an seiner Seite starrten. Diese Augen geh?rten einer unseligen Kreatur, einem verlorenen M?nch, namens Serapion, welcher sich, Seele und Leib, im Kloster verzehrte. Mit seiner voreiligen Einbildungskraft hatte dieser auf der Stelle begriffen, dass sein Mitbruder Astorre zum l?ngsten nach der Regel des heiligen Franziskus gedarbt und gefastet habe und beneidete ihn rasend um den ihm von der Laune des Todes zugeworfenen Besitz weltlicher G?ter und Freuden. Er lauerte auf den Heimkehrenden, um die Mienen desselben zu erforschen und darin zu lesen, was Astorre ?ber sich beschlossen h?tte. Seine Blicke verschlangen das Weib und hafteten an ihren Stapfen."

Astorre lenkte die Schritte und die seiner Schw?gerin auf einen kleinen, von vier Stadtburgen gebildeten Platz und trat mit ihr in das tiefe Tor der vornehmsten. Auf einer Steinbank im Hof erblickte er zwei Ruhende, einen vom Wirbel zur Zehe gepanzerten, blutjungen Germanen und einen greisen Sarazenen. Der hingestreckte Deutsche hatte seinen schlummernden rotblonden Krauskopf in den Schoss des sitzenden Ungl?ubigen gelegt, der, ebenfalls schlummernd, mit seinem schneeweissen Barte v?terlich auf ihn niedernickte. Die zwei geh?rten zur Leibwache Ezzelins, welche sich in Nachahmung derjenigen seines Schwiegers, des Kaisers Friedrich, aus Deutschen und Sarazenen zu gleichen Teilen zusammensetzte. Der Tyrann war im Palaste. Er mochte es f?r seine Pflicht gehalten haben, den alten Vicedomini zu besuchen. In der Tat vernahmen Astorre und Diana schon auf der Wendeltreppe das Gespr?ch, welches Ezzelin in kurzen, ruhigen Worten, der Alte dagegen, der g?nzlich ausser sich zu sein schien, mit schreiender und scheltender Stimme f?hrte. M?nch und Weib blieben am Eingang des Saales unter dem bleichen Gesinde stehen. Die Diener zitterten an allen Gliedern. Der Greis hatte sie mit den heftigsten Verw?nschungen ?berh?uft und dann mit geballten F?usten weggejagt, weil sie ihm versp?tete Botschaft vom Strand gebracht und dieselbe hervorzustottern sich kaum getraut. ?berdies hatte dieses Gesinde der gef?rchtete Schritt des Tyrannen versteinert. Es war bei Todesstrafe verboten, ihn anzumelden. Unaufgehalten wie ein Geist betrat er H?user und Gem?cher.

'Und das berichtest du so gelassen, Grausamer', tobte der Alte in seiner Verzweiflung, 'als erz?hltest du den Verlust eines Rosses oder einer Ernte? Du hast mir die viere get?tet, niemand anders als du! Was brauchtest du gerade zu jener Stunde am Strande zu reiten? Was brauchtest du auf die Brenta hinauszugr?ssen? Das hast du mir zuleide getan! H?rst du wohl?'

'Schicksal', antwortete Ezzelin.

'Schicksal?' schrie der Vicedomini. 'Schicksal und Sternguckerei und Beschw?rungen und Verschw?rungen und Enthauptungen, von der Zinne auf das Pflaster sich werfende Weiber und hundert pfeildurchbohrte J?nglinge vom Ross sinkend in deinen versuchten, waghalsigen Schlachten, das ist deine Zeit und Regierung, Ezzelin, du Verfluchter und Verdammter! Uns alle ziehst du in deine blutigen Gleise, alles Leben und Sterben wird neben dir gewaltsam und unnat?rlich, und niemand endet mehr als reuiger Christ in seinem Bett!'

'Du tust mir unrecht', versetzte der andere. Ich zwar habe mit der Kirche nichts zu schaffen. Sie l?sst mich gleichg?ltig. Aber dich und deinesgleichen habe ich nie gehindert, mit ihr zu verkehren. Das weisst du, sonst w?rdest du dich nicht erk?hnen, mit dem Heiligen Stuhl Briefe zu wechseln. Was drehst du da in deinen H?nden und verbirgst mir das p?pstliche Siegel? Einen Ablass? Ein Breve? Gib her! Wahrhaftig, ein Breve! Darf ich es lesen? Du erlaubst? Dein G?nner, der Heilige Vater, schreibt dir, dass, w?rde dein Stamm erl?schen bis auf deinen Vierten und Letzten, den M?nch, dieser ipso facto seiner Gel?bde ledig sei, wenn er aus freiem Willen und eigenem Entschluss in die Welt zur?ckkehre. Schlauer Fuchs, wie viele Unzen Goldes hat dich dieses Pergament gekostet?'

'Verh?hnst du mich?' heulte der Alte. Was anderes blieb mir ?brig nach dem Tod meines Zweiten und Dritten? F?r wen h?tte ich gesammelt und gespeichert? F?r die W?rmer? F?r dich? Willst du mich berauben? ... Nein? So hilf mir, Gevatter'--der noch ungebannte Ezzelin hatte den dritten Knaben Vicedominis aus der Taufe gehoben, denselben, der sich f?r ihn auf dem Schlachtfeld geopfert--, 'hilf mir den M?nch ?berwinden, dass er wieder weltlich werde und ein Weib nehme, befiehl es ihm, du Allgewaltiger, gib ihn mir statt des Sohnes, den du mir geschlachtet hast, halte mir den Daumen, wenn du mich liebst!'

'Das geht mich nichts an', erwiderte der Tyrann ohne die geringste Erregung. Das mache er mit sich selbst aus. Freiwillig, sagt das Breve. Warum sollte er, wenn er ein guter M?nch ist, wie ich glaube, seinen Stand wechseln? Damit das Blut der Vicedomini nicht versiege? Ist das eine Lebensbedingung der Welt? Sind die Vicedomini eine Notwendigkeit?'

Jetzt kreischte der andere in rasender Wut: 'Du B?ser, du M?rder meiner Kinder! Ich durchblicke dich! Du willst mich beerben und mit meinem Geld deine wahnsinnigen Feldz?ge f?hren!' Da gewahrte er seine Schwiegertochter, welche vor dem z?gernden M?nch durch das Gesinde und ?ber die Schwelle getreten war. Trotz seiner Leibesschwachheit st?rzte er ihr mit wankenden Schritten entgegen, ergriff und riss ihre H?nde, als wollte er sie zur Verantwortung ziehen f?r das ?ber sie beide gekommene Unheil. 'Wo hast du meinen Sohn, Diana?' keuchte er.

'Er liegt in der Brenta', antwortete sie traurig, und ihre blauen Augen dunkelten.

'Wo meine drei Enkel?'

'In der Brenta', wiederholte sie.

'Und dich bringst du mir als Geschenk? Dich behalte ich?' lachte der Alte misst?nig.

'Wollte der Allm?chtige', sagte sie langsam, 'mich z?gen die Wellen, und die andern st?nden hier statt meiner!'

Sie schwieg. Dann geriet sie in einen j?hen Zorn. 'Beleidigt dich mein Anblick und bin ich dir ?berl?stig, so halte dich an diesen: er hat mich, da ich schon gestorben war, an den Haaren gerissen und ins Leben zur?ckgezogen!'

Jetzt erst erblickte der Alte den M?nch, seinen Sohn, und sein Geist sammelte sich mit einer Kraft und Schnelligkeit, welche der schwere Jammer eher gest?hlt als gel?hmt zu haben schien.

'Wirklich? Dieser hat dich aus der Brenta geholt? Hm! Merkw?rdig! Die Wege Gottes sind doch wunderbar!'

Er ergriff den M?nch an Arm und Schulter, als wollte er sich desselben Leib und Seele bem?chtigen, und schleppte ihn und sich gegen seinen Krankenstuhl, auf welchen er hinfiel, ohne den gepressten Arm des nicht Widerstrebenden freizugeben. Diana folgte und kniete sich auf der andern Seite des Sessels nieder mit h?ngenden Armen und gefalteten H?nden, das Haupt auf die Lehne legend, so dass nur der Knoten ihres blonden Haares wie ein lebloser Gegenstand sichtbar blieb. Der Gruppe gegen?ber sass Ezzelin, die Rechte auf das gerollte Breve wie auf einen Feldherrnstab gest?tzt.

'S?hnchen, S?hnchen', wimmerte der Alte mit einer aus Wahrheit und List gemischten Z?rtlichkeit, 'mein letzter und einziger Trost! Du Stab und Stecken meines Alters wirst mir nicht zwischen diesen zitternden H?nden zerbrechen!... Du begreifst', fuhr er in einem schon trockneren, sachlichen Ton fort, 'dass, wie die Dinge einmal liegen, deines Bleibens im Kloster nicht l?nger sein kann. Ist es doch kanonisch, nicht wahr, S?hnchen, dass ein M?nch, dessen Vater verarmt oder versiecht, von seinem Prior beurlaubt wird, um das Erbgut zu bebauen und den Urheber seiner Tage zu ern?hren. Ich aber brauche dich noch viel notwendiger. Deine Br?der und Neffen sind weg, und jetzt bist du es, der die Lebensfackel unseres Hauses tr?gt! Du bist ein Fl?mmchen, das ich angez?ndet habe, und mir kann nicht dienen, dass es in einer Zelle verglimme und verrauche! Wisse eines'--er hatte in den warmen, braunen Augen ein aufrichtiges Mitgef?hl gelesen, und die ehrerbietige Haltung des M?nches schien einen blinden Gehorsam zu versprechen--, 'ich bin kr?nker, als du denkst. Nicht wahr, Isaschar?' Er wendete sich r?ckw?rts gegen eine schmale Gestalt, welche, mit Fl?schchen und L?ffel in den H?nden, durch eine Nebent?r leise hinter den Stuhl des Alten getreten war und jetzt mit dem blassen Haupt best?tigend nickte. Ich fahre dahin, aber ich sage dir, Astorre: L?sst du mich meines Wunsches ungew?hrt, so weigert sich dein V?terchen, in den Kahn des Totenf?hrers zu steigen, und bleibt zusammengekauert am D?mmerstrand sitzen!'

Der M?nch streichelte die fiebernde Hand des Alten z?rtlich, antwortete aber mit Sicherheit zwei Worte: 'Meine Gel?bde!'

Ezzelin entfaltete das Breve.

'Deine Gel?bde?' schmeichelte der alte Vicedomini. Lose Stricke! Durchfeilte Fesseln! Mache eine Bewegung, und sie fallen. Die heilige Kirche, welcher du Ehrfurcht und Gehorsam schuldig bist, erkl?rt sie f?r ung?ltig und nichtig. Da steht es geschrieben.' Sein d?rrer Finger zeigte auf das Pergament mit dem p?pstlichen Siegel.

Der M?nch n?herte sich ehrerbietig dem Herrscher, empfing die Schrift und las, von vier Augen beobachtet. Schwindelnd tat er einen Schritt r?ckw?rts, als st?nde er auf einer Turmh?he und s?he das Gel?nder pl?tzlich weichen.

Ezzelin griff dem Wankenden mit der kurzen Frage unter die Arme: 'Wem hast du dein Gel?bde gegeben, M?nch? Dir? oder der Kirche?'

'Nat?rlich beiden!' schrie der Alte erbost. 'Das sind verfluchte Spitzfindigkeiten! Nimm dich vor dem dort in acht, S?hnchen! Er will uns Vicedomini an den Bettelstab bringen!' Ohne Zorn legte Ezzelin die Rechte auf den Bart und schwur: 'Stirbt Vicedomini, so beerbt ihn der M?nch hier, sein Sohn, und stiftet--sollte das Geschlecht mit ihm erl?schen und wenn er mich und seine Vaterstadt lieb hat--ein Hospital von einer gewissen Ausdehnung und Grossartigkeit, um welches uns die hundert St?dte'--er meinte die St?dte Italiens--'beneiden sollen. Nun, Gevatter, da ich mich von dem Vorwurf der Raubgier gereinigt habe, darf ich an den M?nch ein paar weitere Fragen richten? Du gestattest?'

Jetzt packte den Alten ein solcher Ingrimm, dass er in Kr?mpfe fiel. Noch aber liess er den Arm des M?nches, welchen er wieder ergriffen hatte, nicht fahren.

Isaschar n?herte den vollen, mit einer stark duftenden Essenz gef?llten L?ffel vorsichtig den fahlen Lippen. Der Gefolterte wendete mit einer Anstrengung den Kopf ab. 'Lass mich in Ruhe!' st?hnte er, 'du bist auch der Arzt des Vogts!' und schloss die Augen.

Der Jude wandte die seinigen, welche gl?nzend schwarz und sehr klug waren, gegen den Tyrannen, als flehe er um Verzeihung f?r diesen Argwohn. 'Wird er zur Besinnung zur?ckkehren?' fragte Ezzelin.

'Ich glaube', antwortete der Jude. 'Noch lebt er und wird wieder erwachen, aber nicht f?r lange, f?rchte ich. Diese Sonne sieht er nicht untergehen.'

Der Tyrann ergriff den Augenblick, mit Astorre zu sprechen, der um den ohnm?chtigen Vater besch?ftigt war.

'Stehe mir Rede, M?nch!' sagte Ezzelin und w?hlte--seine Lieblingsgeb?rde--mit den gespreizten Fingern der Rechten in dem Gewelle seines Bartes. 'Wieviel haben dich die drei Gel?bde gekostet, die du vor zehn und einigen Jahren, ich gebe dir dreissig'--der M?nch nickte--, beschworen hast?'

Astorre schlug die lautern Augen auf und erwiderte ohne Bedenken: 'Armut und Gehorsam, nichts sonst. Ich habe keinen Sinn f?r Besitz und gehorche leicht.' Er hielt inne und err?tete.

Der Tyrann fand ein Wohlgefallen an dieser m?nnlichen Keuschheit. 'Hat dir dieser hier deinen Stand aufgen?tigt oder dich dazu beschwatzt?' lenkte er ab.

'Nein', erkl?rte der M?nch. Seit lange her, wie der Stammbaum erz?hlt, wird in unserm Hause von dreien oder vieren der letzte geistlich, sei es, damit wir Vicedomini einen F?rbitter besitzen, oder um das Erbe und die Macht des Hauses zu wahren--gleichviel, der Brauch ist alt und ehrw?rdig. Ich kannte mein Los, welches mir nicht zuwider war, von jung an. Mir wurde kein Zwang auferlegt.'

'Und das dritte?' holte Ezzelin nach--er meinte das dritte Gel?bde. Astorre verstand ihn.

Mit einem neuen, aber dieses Mal schwachen Err?ten erwiderte er: 'Es ist mir nicht leicht geworden, doch ich vermochte es wie andere M?nche, wenn sie gut beraten sind, und das war ich. Von dem heiligen Antonius', f?gte er ehrf?rchtig hinzu.

"Dieser verdienstliche Heilige, wie ihr wisst, Herrschaften, hat einige Jahre bei den Franziskanern in Padua gelebt", erl?uterte Dante.

"Wie sollten wir nicht?" scherzte einer unter den Zuh?rern. "Haben wir doch die Reliquie verehrt, die in dem dortigen Klosterteich herumschwimmt: ich meine den Hecht, welcher weiland der Predigt des Heiligen beiwohnte, sich bekehrte, der Fleischspeise entsagte, im Guten standhielt und jetzt noch in hohem Alter als strenger Vegetarier. .. " Er verschluckte das Ende des Schwankes, denn Dante hatte gegen ihn die Stirn gerunzelt.

'Und was riet er dir?' fragte Ezzelin. 'Meinen Stand einfach zu fassen, schlecht und recht', berichtete der M?nch, als einen p?nktlichen Dienst, etwa wie einen Kriegsdienst, welcher ja auch gehorsame Muskeln verlangt, und Entbehrungen, die ein wackerer Krieger nicht einmal als solche f?hlen darf: die Erde im Schweiss meines Angesichts zu graben, m?ssig zu essen, m?ssig zu fasten, weder M?dchen noch jungen Frauen Beichte zu sitzen, im Angesicht Gottes zu wandeln und seine Mutter nicht br?nstiger anzubeten, als das Breviarium vorschreibt.'

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