bell notificationshomepageloginedit profileclubsdmBox

Read this ebook for free! No credit card needed, absolutely nothing to pay.

Words: 23070 in 5 pages

This is an ebook sharing website. You can read the uploaded ebooks for free here. No credit cards needed, nothing to pay. If you want to own a digital copy of the ebook, or want to read offline with your favorite ebook-reader, then you can choose to buy and download the ebook.

10% popularity   0 Reactions

Edition: 10

Beatrice

Paul Heyse

Wir hatten bis in die tiefe Nacht hinein geplaudert, unser drei, bei einigen Flaschen Astiweins, die wir durch einen gl?cklichen Zufall aufgetrieben hatten und nun im k?hlen Gartenhaus auf das Wohl des eben aus Italien heimgekehrten Freundes leerten. Er war der ?lteste von uns und schon ein fertiger Mann, als wir ihn vor zw?lf Jahren auf einer Reise im S?den kennenlernten. Auf den ersten Blick hatte uns seine m?nnliche Gestalt, der Adel seines Wesens und eine gewisse melancholische Anmut seines L?chelns f?r ihn eingenommen. Sein Gespr?ch, seine ungew?hnliche Bildung und die Bescheidenheit, mit der er sie geltend machte, gewannen uns vollends, und die drei Wochen, die wir miteinander in Rom zubrachten, befestigten eine so warme Freundschaft, wie sie nur je zwischen Ungleichaltrigen bestanden hat. Dann musste er pl?tzlich nach Genf, seiner Heimat, zur?ck, wo er an der Spitze eines ansehnlichen Handlungshauses stand. Aber in den folgenden Jahren hatten wir keine Gelegenheit vers?umt, uns wiederzusehen, und auch jetzt war ihm der Umweg ?ber unsere Stadt nicht zu weit gewesen, um uns wenigstens auf vierundzwanzig Stunden zu begr?ssen.

Wir fanden ihn in seinem Aussehen unver?ndert; er war noch immer ein sch?ner Mann, das Haar kaum mit dem ersten Grau angesprengt, die hohe Stirn glatt und weiss. Aber er schien uns schweigsamer als bei unserem letzten Begegnen, manchmal so in sich versinkend, dass er unsere Fragen ?berh?rte, w?hrend er minutenlang unverwandt die Perlen des Weins im Glase aufquellen sah oder ein St?ck Eis langsam am Kerzenlicht zertauen liess. Wir dachten ihn gespr?chig zu machen, wenn wir ihn nach seiner letzten Reise ausfragten. Aber als auch dieses Lieblingsthema nicht sonderlich einschlug, liessen wir ihn gew?hren und sprachen unter uns, froh, dass wir ihn wenigstens leiblich bei uns hatten, und ruhig abwartend, wann er auch geistig zu uns zur?ckkehren w?rde.

Indessen kramte ich allerlei Gedanken aus, die mich seit kurzem lebhaft besch?ftigt hatten und die, unreif und schroff, wie ich sie hinwarf, den Widerspruch unseres Freundes, der ein scharfer Dialektiker war, zu jeder anderen Zeit gereizt haben w?rden. Der Zustand des Theaters in Italien hatte den Anstoss gegeben. Ich behauptete, es sei durchaus nicht wunderbar, dass es die Italiener, so pathetisch und leidenschaftlich sie sich geb?rdeten, nicht zu einer tragischen Literatur gebracht h?tten, die sich neben die griechische, englische und deutsche stellen k?nnte. Im Grunde sei es bei den Spaniern und Franzosen, trotz ihrer hochber?hmten dramatischen Bl?teperioden, nicht viel besser damit bestellt. Denn das Temperament der Romanen, ihre Natur wie ihre Kultur, seien nun einmal so streng an das Konventionelle gebunden, dass die eigentlichsten tragischen Probleme, die alle auf der Selbstherrlichkeit des Individuums beruhten, ihnen kaum verst?ndlich w?rden; dazu komme noch, dass sie auch in der Form sich nie zu befreien und die r?cksichtslosen Naturlaute anzuschlagen wagten, die allein den tragischen Schauder in uns erregen k?nnten? Wie jedes ?sthetische Gespr?ch, das nicht bloss an der Schale herumtastet, f?hrte auch dieses bald in die r?tselhaften Tiefen der Menschennatur, und w?hrend Amadeus scheinbar teilnahmslos mit seinem silbernen Stift Figuren in den versch?tteten Wein zeichnete, nahm Otto lebhaft Partei f?r das, was ich als Konvention zu verdammen schien, er aber als das strengwaltende Sittengesetz auch in der Dichtung obenan stellte. Mein Satz schien ihm gef?hrlich, dass jeder tragische Fall das Naturrecht der Ausnahme gegen das b?rgerliche Recht der Regel verherrlichen m?sse, dass demnach der Begriff einer tragischen Schuld auf das Verbrechen hinauslaufe, einen D?mon im Busen zu haben, der den einzelnen ?ber die engen Schranken der Alltagssatzung hinaush?be und ihn darin best?rke, mit nichts sich abzufinden, nichts zu dulden, nichts zu verehren, was dem innersten Gef?hl widerstreite. Damit l?sest du, sagte er, die ganze Weltordnung, die doch wohl ihre guten Gr?nde hat, zu Gunsten eines unbegrenzten Individualismus auf und scheinst nur dem wahren Wert f?r die Poesie zuzuerkennen, was sich ausser das Gesetz stellt.--Ich suchte ihn dabei festzuhalten, dass es sich hier nur um die eigentlich tragischen Kollisionsf?lle handle, und dass grosse und starke, mit einem Wort, heroische Seelen den Streit der Pflichten anders zu l?sen pflegten als der ?ngstliche, von kleinen Gewohnheiten und R?cksichten eingeengte Mittelschlag der Philister. Geniale Naturen, sagt' ich, die auf sich selbst beruhten, erweitern durch ihre Handlungen, indem sie das Mass ihrer innern Kraft und Gr?sse als ein Beispiel vorleuchten lassen, ebensosehr die Grenzen des sittlichen Gebiets, wie geniale K?nstler die hergebrachten Schranken ihrer Kunst durchbrechen und weiter hinausr?cken. Und was an Obermass und ?bermut des Selbstgef?hls in jenen heroischen Seelen sich r?hren mag, wird es nicht eben durch den tragischen Untergang gel?utert und geb?sst? Wenigstens nach der Meinung der Philister, denen das Leben das h?chste Gut ist, die also auch schwerlich von Handlungen und Gesinnungen zu verf?hren sind, auf die nach dem Weltlauf der Tod gesetzt ist. Der Dichter aber und die, die ihn verstehn, wird sich das Recht nicht verk?mmern lassen, sich der hohen Erscheinungen zu erfreuen, f?r welche die ?blichen Zollst?cke der Moral nicht passen wollen. Und wer das unsittlich schilt, was bei unseren traurig mangelhaften b?rgerlichen Einrichtungen starken und freien Menschen als eine heilige Notwehr ?brig bleibt, f?r den ist Sch?nes nie geschaffen worden, und vom Guten kennt er nur das N?tzliche.

Dieses und ?hnliches hatt' ich gesagt, als auf einmal Amadeus aus seinem Hinbr?ten zu mir aufsah und mir ?ber den Tisch hin?ber die Hand reichte. Ich danke dir, sagte er; du hast da ein gutes Wort gesprochen, das mir wohltut. Unter uns dreien kann ja auch kein Streit dar?ber sein, dass die Sitte nicht das Mass der Sittlichkeit ist, und dass die h?chsten Aufgaben der Poesie an den Grenzen der Menschheit liegen. Aber gegen eins muss ich Einsprache erheben: dass du den Mangel eines wahrhaft grossen tragischen Poeten in Italien aus der konventionellen Gebundenheit des Volkscharakters erkl?ren willst. Als ob Gem?ts- und Geschmacksanlagen, Sittliches und ?sthetisches sich notwendig Hand in Hand entwickelten, nicht oft genug eins das andere ?berholte! Wenn den Italienern das grosse tragische Talent geboren w?rde, das sie in ihrem Alfieri freilich l?ngst zu besitzen w?hnen, --der Genius des Volkes w?rde ihm auf halbem Wege entgegenkommen, und die akademischen Vorurteile des Stils hielten gegen eine echte Naturkraft so wenig stand, wie alle anerzogene konfessionelle Sitte gegen das Recht und die Pflicht eines freigebornen Gem?ts. Nein, fuhr er in sichtbarer Erregung fort, und seine Augen schimmerten feucht, das hohle Pathos ihrer Trauerspiele ist nicht der Grundton, auf den die Seele dieser edlen Nation gestimmt ist. Ich wenigstens darf dies nicht anh?ren, ohne Verwahrung einzulegen. Denn wenn es je ein Wesen gab, das in seinem Gef?hl und Handeln auf sich beruhte und seinem D?mon gehorchte, so war es mein Weib, und mein Weib war eine Italienerin.

Er schwieg und wir sassen in der wunderbarsten Erregung ihm gegen?ber, ebenfalls stumm und atemlos vor ?berraschung. So gut wir ihn und all seine Verh?ltnisse zu kennen meinten, zum ersten Male h?rten wir heute, dass er verheiratet gewesen sei, mit einer Frau, die er so hoch stellte und die er uns doch verleugnet hatte, wie man eine Verirrung verheimlicht.

Nun stand er auf und ging in dem engen, halbdunkeln Raum eine Weile auf und ab, und wir st?rten ihn weder mit Fragen noch mit Blicken. Endlich trat er zwischen uns und sagte mit seiner tiefen, klangvollen Stimme: Ich habe es euch nicht erz?hlt, weil mich die Erinnerung zu sehr ?bermannt und manchmal, wenn ich es nur mir selbst so recht gegenw?rtig machte, mich ein Fieber befiel, das mich eine Woche lang nicht wieder verliess. Und doch ist es mir wie eine Schuld gegen euch vorgekommen, dass ich auf alle eure Neckereien, warum ich keine Frau genommen, nur immer mit Scherzen antwortete. Ihr k?nnt glauben, haupts?chlich um dies endlich zwischen uns ins klare zu bringen, habe ich diesmal, da ich wieder von ihrem Grabe komme, den Heimweg so eingerichtet, dass ich euch treffen musste. Lasst mich also alles heraussagen, wie es mir auf die Zunge kommt. Wir wollen erst noch die Fenster nach dem Garten ?ffnen; es ist hier so schw?l, dass man schwer Atem holt. So!--und nun trinkt und raucht, und ich will auf und ab gehen. Ein Vierteljahrhundert ist dar?ber hingegangen, und doch steht alles wie von gestern neben mir und l?sst mich nicht ruhig bleiben.

Was er dann berichtete, bis an die Morgend?mmerung--denn auch nachher konnten wir uns nicht so bald trennen--, schrieb ich am folgenden Tage auf, soviel ich konnte mit seinen eigenen Worten. Damals dachte ich nicht, dass es in Wahrheit sein letztes Verm?chtnis sein w?rde. Aber er hatte nicht zu viel gesagt. Die Nacht, in der er es uns erz?hlte, trug ihm ein Fieber ein, das ihn bis nach Hause begleitete. Eine n?chtliche Aufregung beim L?schen eines Hausbrandes trat hinzu. Wenige Wochen, nachdem wir ihn zuletzt gesehen, kam die Nachricht, dass wir ihn verloren hatten.

Nun sind mir diese Aufzeichnungen um so wertvoller, und kaum kann ich mich entschliessen, fremde Augen hineinblicken zu lassen. Dann wieder empfinde ich es als eine Pflicht, das wundersame Geschick dieser beiden Menschen nicht im Dunkeln zu lassen. Sollte nicht das, was hohe und edle Menschen erleben, Eigentum der ganzen Menschheit sein?

So will ich ihn denn erz?hlen lassen.


Free books android app tbrJar TBR JAR Read Free books online gutenberg


Load Full (0)

Login to follow story

More posts by @FreeBooks

0 Comments

Sorted by latest first Latest Oldest Best

 

Back to top