Read Ebook: Buddenbrooks: Verfall einer Familie by Mann Thomas
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Ebook has 869 lines and 76987 words, and 18 pages
>>Weiss jemand von euch<<, fragte er, >>wie es ist, wenn man zu viel Schwedenpunsch getrunken hat? Ich meine nicht die Betrunkenheit, sondern das, was am n?chsten Tage kommt, die Folgen ... sie sind sonderbar und widerlich ... ja, sonderbar und widerlich zu gleicher Zeit.<<
>>Grund genug, sie genau zu beschreiben<<, sagte der Senator.
Aber er ?berh?rte es. Es war seine Eigent?mlichkeit, dass in solchen Augenblicken keine Einrede zu ihm drang. Er schwieg eine Weile, und dann pl?tzlich schien das, was ihn bewegte, zur Mitteilung reif zu sein.
>>Ja, ja!<< sagte der Senator mit abwehrender Handbewegung. Aber mit der seltsamen Taktlosigkeit, die mit den Jahren immer mehr an Christian hervortrat und ihn nicht daran denken liess, dass diese Auseinandersetzung von der ganzen Tafelrunde peinlich empfunden wurde, dass sie in dieser Umgebung und an diesem Abend nicht am Platze war, fuhr er fort, den ?blen Zustand nach ?berm?ssigem Genuss von Schwedischem Punsch zu schildern, bis er glaubte, ihn ersch?pfend charakterisiert zu haben und allm?hlich verstummte.
Bevor man zu Butter und K?se ?berging, ergriff die Konsulin noch einmal das Wort zu einer kleinen Ansprache an die Ihrigen. Wenn auch nicht alles, sagte sie, im Laufe der Jahre sich so gestaltet habe, wie man es kurzsichtig und unweise erw?nscht habe, so bleibe doch immer noch ?bergenug des sichtbarlichen Segens ?brig, um die Herzen mit Dank zu erf?llen. Gerade der Wechsel von Gl?ck und strenger Heimsuchung zeige, dass Gott seine Hand niemals von der Familie gezogen, sondern dass er ihre Geschicke nach tiefen und weisen Absichten gelenkt habe und lenke, die ungeduldig ergr?nden zu wollen man sich nicht erk?hnen d?rfe. Und nun wolle man, mit hoffenden Herzen, eintr?chtig anstossen auf das Wohl der Familie, auf ihre Zukunft, jene Zukunft, die da sein werde, wenn die Alten und ?lteren unter den Anwesenden l?ngst in k?hler Erde ruhen w?rden ... auf die Kinder, denen das heutige Fest ja recht eigentlich geh?re ...
Und da Direktor Weinschenks T?chterchen nicht mehr anwesend war, musste der kleine Johann, w?hrend die Grossen auch untereinander sich zutranken, allein einen Umzug um die Tafel halten, um mit allen, von der Grossmutter bis zu Mamsell Severin hinab, anzustossen. Als er zu seinem Vater kam, hob der Senator, indem er sein Glas dem des Kindes n?herte, sanft Hannos Kinn empor, um ihm in die Augen zu sehen ... Er fand nicht seinen Blick; denn Hannos lange, goldbraune Wimpern hatten sich tief, tief, bis auf die zart bl?uliche Umschattung seiner Augen gesenkt.
Therese Weichbrodt aber ergriff seinen Kopf mit beiden H?nden, k?sste ihn mit leise knallendem Ger?usch auf jede Wange und sagte mit einer Betonung, so herzlich, dass Gott ihr nicht widerstehen konnte: >>Sei gl?cklich, du gutes Kend!<<
-- Eine Stunde sp?ter lag Hanno in seinem Bett, das jetzt in dem Vorzimmer stand, welches man vom Korridor der zweiten Etage aus betrat, und an das zur Linken das Ankleidekabinett des Senators stiess. Er lag auf dem R?cken, aus R?cksicht auf seinen Magen, der sich mit all dem, was er im Laufe des Abends hatte in Empfang nehmen m?ssen, noch keineswegs ausges?hnt hatte, und sah mit erregten Augen der guten Ida entgegen, die, schon in der Nachtjacke, aus ihrem Zimmer kam und mit einem Wasserglase vor sich in der Luft umr?hrende Kreisbewegungen beschrieb. Er trank das kohlensaure Natron rasch aus, schnitt eine Grimasse und liess sich wieder zur?ckfallen.
>>Ich glaube, nun muss ich mich erst recht ?bergeben, Ida.<<
>>Ach wo, Hannochen. Nur still auf dem R?cken liegen ... Aber siehst du wohl? Wer hat dir mehrmals zugewinkt? Und wer nicht folgen wollt', war das Jungchen ...<<
>>Ja, ja, vielleicht geht es auch gut ... Wann kommen die Sachen, Ida?<<
>>Morgen fr?h, mein Jungchen.<<
>>Dass sie hier hereingesetzt werden! Dass ich sie gleich habe!<<
>>Schon gut, Hannochen, aber erst mal ausschlafen.<< Und sie k?sste ihn, l?schte das Licht und ging.
Er war allein, und w?hrend er still liegend sich der segenvollen Wirkung des Natrons ?berliess, entz?ndete sich vor seinen geschlossenen Augen der Glanz des Bescherungssaales aufs neue. Er sah sein Theater, sein Harmonium, sein Mythologiebuch und h?rte irgendwo in der Ferne das >>Jauchze laut, Jerusalem<< der Chorknaben. Alles flimmerte. Ein mattes Fieber summte in seinem Kopfe, und sein Herz, das von dem revoltierenden Magen ein wenig beengt und be?ngstigt wurde, schlug langsam, stark und unregelm?ssig. In einem Zustand von Unwohlsein, Erregtheit, Beklommenheit, M?digkeit und Gl?ck lag er lange und konnte nicht schlafen.
>>Bischof<< gab es in un?berwindlichen Mengen und die mit Ingwer bereiteten braunen Kuchen Sesemis waren ungeheuer schmackhaft. Niemals aber, dank der bebenden Hingabe, mit der Fr?ulein Weichbrodt jedesmal ihr letztes Weihnachtsfest beging, niemals verfloss dieser Abend, ohne dass eine ?berraschung, ein Malheur, irgendeine kleine Katastrophe sich ereignet h?tte, die die G?ste zum Lachen brachte und die stumme Leidenschaftlichkeit der Wirtin noch erh?hte. Eine Kanne mit Bischof st?rzte und ?berschwemmte alles mit der roten, s?ssen, w?rzigen Fl?ssigkeit ... Oder es fiel der geputzte Baum von seinen h?lzernen F?ssen, genau in dem Augenblick, wenn man feierlich das Bescherungszimmer betrat ... Im Einschlafen sah Hanno den Ungl?cksfall des vorigen Jahres vor Augen: Es war unmittelbar vor der Bescherung. Therese Weichbrodt hatte mit soviel Nachdruck, dass alle Vokale ihre Pl?tze gewechselt hatten, das Weihnachtskapitel verlesen und trat nun von ihren G?sten zur?ck zur T?r, um von hier aus eine kleine Ansprache zu halten. Sie stand auf der Schwelle, bucklig, winzig, die alten H?nde vor ihrer Kinderbrust zusammengelegt; die gr?nseidnen B?nder ihrer Haube fielen auf ihre zerbrechlichen Schultern, und zu ihren H?upten, ?ber der T?r, liess ein mit Tannenzweigen umkr?nztes Transparent die Worte leuchten. >>Ehre sei Gott in der H?he!<< Und Sesemi sprach von Gottes G?te, sie erw?hnte, dass dies ihr letztes Weihnachtsfest sei und schloss damit, dass sie alle mit des Apostels Worten zur Fr?hlichkeit aufforderte, wobei sie von oben bis unten erzitterte, so sehr nahm ihr ganzer kleiner K?rper Anteil an dieser Mahnung. >>Freuet euch!<< sagte sie, indem sie den Kopf auf die Seite legte und ihn heftig sch?ttelte. >>Und abermals sage ich: Freuet euch!<< In diesem Augenblick aber ging ?ber ihr mit einem puffenden, fauchenden und knisternden Ger?usch das ganze Transparent in Flammen auf, so dass Mademoiselle Weichbrodt mit einem kleinen Schreckenslaut und einem Sprunge von ungeahnter und pittoresker Behendigkeit sich dem Funkenregen entziehen musste, der auf sie herniederging ...
Hanno erinnerte sich dieses Sprunges, den das alte M?dchen vollf?hrt hatte, und w?hrend mehrerer Minuten lachte er ganz ergriffen, irritiert und nerv?s belustigt, leise und unterdr?ckt in sein Kissen hinein.
Neuntes Kapitel
Frau Permaneder ging die Breite Strasse entlang, sie ging in grosser Eile. Etwas Aufgel?stes lag in ihrer Haltung, und nur fl?chtig war mit Schultern und Haupt die majest?tische W?rde angedeutet, die sonst auf der Strasse ihre Gestalt umgab. Bedr?ngt, gehetzt und in h?chster Eile, hatte sie gleichsam nur ein wenig davon zusammengerafft, wie ein geschlagener K?nig den Rest seiner Truppen an sich zieht, um sich mit ihm in die Arme der Flucht zu werfen ...
Ach, sie sah nicht gut aus! Ihre Oberlippe, diese etwas hervorstehende und gew?lbte Oberlippe, die ehemals dazu beigetragen hatte, ihr Gesicht so h?bsch zu machen, bebte jetzt, ihre Augen waren angstvoll vergr?ssert und blickten mit einem exaltierten Zwinkern, gleichsam vorw?rts hastend, geradeaus ... ihre Frisur kam sichtlich zerzaust unter dem Kapotthut hervor, und ihr Antlitz zeigte jene mattgelbliche F?rbung, die es annahm, wenn der Zustand ihres Magens sich verschlechterte.
Ja, es stand schlecht um ihren Magen in dieser Zeit; an den Donnerstagen konnte die gesamte Familie die Verschlimmerung beobachten. Wie man die Klippe zu vermeiden suchte -- das Gespr?ch strandete an dem Prozess Hugo Weinschenks, Frau Permaneder selbst f?hrte es unwiderstehlich darauf zu; und dann begann sie zu fragen, Gott und alle Welt furchtbar erregt um Antwort anzugehen, wie es m?glich sei, dass Staatsanwalt Moritz Hagenstr?m nachts ruhig schlafen k?nne! Sie begriff es nicht, sie w?rde es niemals fassen ... und dabei wuchs ihre Aufregung bei jedem Worte. >>Ich danke, ich esse nichts<<, sagte sie und schob alles von sich, indem sie die Schultern erhob, den Kopf zur?cklegte und sich einsam auf die H?he ihrer Entr?stung zur?ckzog, um nichts als Bier zu sich zu nehmen, kaltes, bayerisches Bier, das sie seit der Zeit ihrer M?nchener Ehe zu trinken gew?hnt war, in ihren leeren Magen hinabzugiessen, dessen Nerven in Aufruhr waren, und der sich bitter r?chte. Denn gegen Ende der Mahlzeit musste sie sich erheben, in den Garten oder den Hof hinuntergehen und dort, gest?tzt auf Ida Jungmann oder Riekchen Severin, die f?rchterlichsten ?belkeiten erdulden. Ihr Magen entledigte sich seines Inhaltes und fuhr dann fort, sich qualvoll zusammenzuziehen, um in diesem Krampfzustande minutenlang zu verharren; unf?hig, noch etwas von sich zu geben, w?rgte und litt sie so lange Zeit ...
Es war etwa 3 Uhr nachmittags, ein windiger, regnerischer Januartag. Als Frau Permaneder zur Ecke der Fischergrube gelangt war, bog sie ein und eilte die absch?ssige Strasse hinunter und in das Haus ihres Bruders. Nach hastigem Klopfen trat sie vom Flur aus in das Kontor, liess ihren Blick ?ber die Pulte hin zu dem Fensterplatz des Senators fliegen und machte eine so bittende Kopfbewegung, dass Thomas Buddenbrook unverz?glich die Feder beiseite legte und ihr entgegenging.
>>Nun?<< fragte er, indem er eine Braue emporzog ...
>>Einen Augenblick, Thomas ... etwas Dringendes ... es duldet keinen Aufschub ...<<
Er ?ffnete ihr die gepolsterte T?r zu seinem Privatb?ro, zog sie hinter sich zu, als sie beide eingetreten waren, und sah seine Schwester fragend an.
>>Tom<<, sagte sie mit wankender Stimme und rang die H?nde in ihrer Pelzmuff, >>du musst es hergeben ... vorl?ufig auslegen ... du musst sie, bitte, stellen, die Kaution ... Wir haben sie nicht ... Woher sollten wir jetzt f?nfundzwanzigtausend Kurantmark nehmen?... Du wirst sie voll und ganz zur?ckbekommen ... ach, wohl nur zu bald ... du verstehst ... es ist eingetreten, dass ... kurz, der Prozess ist auf dem Punkte, dass Hagenstr?m sofortige Verhaftung oder eine Kaution von f?nfundzwanzigtausend Kurantmark beantragt hat. Und Weinschenk gibt dir sein Ehrenwort, an Ort und Stelle zu bleiben ...<<
>>Ist es wirklich so weit gekommen<<, sagte der Senator kopfsch?ttelnd.
>>Ja, dahin haben sie es gebracht, die Schurken, die Elenden ...!<< Und mit einem Aufschluchzen ohnm?chtigen Zornes sank Frau Permaneder in den mit Wachstuch ?berzogenen Sessel, der neben ihr stand. >>Und sie werden es noch weiterbringen, Tom, sie werden es bis ans Ende f?hren ...<<
>>Tony<<, sagte er und setzte sich schr?g vor den Mahagonischreibtisch, schlug ein Bein ?ber das andere und st?tzte den Kopf in die Hand ... >>Sprich aufrichtig, glaubst du noch an seine Unschuld?<<
Sie schluchzte ein paarmal und antwortete dann leise und verzweifelt: >>Ach, nein, Tom ... Wie k?nnte ich das wohl? Gerade ich, die soviel B?ses erleben musste? Ich habe es von Anfang an nicht recht gekonnt, obgleich ich mich so ehrlich bem?ht habe. Das Leben, weisst du, macht es einem so furchtbar schwer, an die Unschuld irgendeines Menschen zu glauben ... Ach nein, mich haben schon seit langem Zweifel an seinem guten Gewissen gequ?lt, und Erika selbst ... sie ist irre an ihm geworden ... sie hat es mir mit Weinen gestanden ... irre an ihm geworden durch sein Betragen zu Hause. Wir haben nat?rlich geschwiegen ... Seine Aussenseite wurde immer rauher ... und dabei verlangte er immer strenger, dass Erika heiter sein und seine Sorgen zerstreuen sollte und zerschlug Geschirr, wenn sie ernst war. Du weisst nicht, wie es war, wenn er sich sp?t abends noch stundenlang mit seinen Akten einschloss ... und wenn man klopfte, so h?rte man, wie er aufsprang und rief: `Wer ist da! Was ist da!? ...<<
Sie schwiegen.
>>Aber m?ge er doch schuldig sein! M?ge er sich doch vergangen haben!<< begann Frau Permaneder aufs neue, und hierbei schwoll ihre Stimme an. >>Er hat nicht f?r seine Tasche gearbeitet, sondern f?r die der Gesellschaft; und dann ... Herr du mein Gott, es gibt doch R?cksichten zu beobachten in diesem Leben, Tom! Er hat nun einmal in unsere Familie hineingeheiratet ... er geh?rt nun einmal zu uns ... Man kann einen von uns doch nicht ins Gef?ngnis sperren, grundg?tiger Himmel!...<<
Er zuckte die Achseln.
>>Du zuckst die Achseln, Tom ... Du bist also willens, es zu dulden, es hinzunehmen, dass dieses Geschmeiss sich erfrecht, der Sache die Krone aufzusetzen? Man muss doch irgend etwas tun! Er darf doch nicht verurteilt werden!... Du bist doch des B?rgermeisters rechte Hand ... mein Gott, kann der Senat ihn denn nicht sofort begnadigen?... Ich will dir sagen ... eben, bevor ich zu dir kam, war ich im Begriffe, zu Cremer zu gehen und ihn auf alle Weise anzuflehen, er m?ge intervenieren, m?ge in die Sache eingreifen ... Er ist Polizeichef ...<<
>>Oh, Kind, was f?r Torheiten.<<
>>Torheiten, Tom? -- Und Erika? Und das Kind?<< sagte sie und hob ihm flehend die Muff entgegen, in der ihre beiden H?nde steckten. Dann schwieg sie einen Augenblick und liess die Arme sinken; ihr Mund verbreiterte sich, ihr Kinn, das sich kraus zusammenzog, geriet in zitternde Bewegung, und w?hrend unter ihren gesenkten Lidern zwei grosse Tr?nen hervorquollen, f?gte sie ganz leise hinzu: >>Und ich ...?<<
>>Oh, Tony, Courage!<< sagte der Senator, und ger?hrt und ergriffen von ihrer Hilflosigkeit r?ckte er ihr nahe, um ihr tr?stend das Haar zur?ckzustreichen. >>Noch ist nicht aller Tage Abend. Noch ist er ja nicht verurteilt. Es kann ja alles gut gehen. Jetzt stelle ich erst einmal die Kaution, ich sage nat?rlich nicht nein dazu. Und dann ist Breslauer ja ein schlauer Mensch ...<<
Sie sch?ttelte weinend den Kopf.
>>Nein, Tom, es wird nicht gut gehen, ich glaube nicht daran. Sie werden ihn verurteilen und einstecken, und dann kommt eine schwere Zeit f?r Erika und das Kind und mich. Ihre Mitgift ist nicht mehr da, sie steckt in der Ausstattung, in den M?beln und den Bildern ... und beim Verkaufe bekommt man kaum ein Viertel heraus ... Und das Gehalt haben wir immer verbraucht ... Weinschenk hat nichts zur?ckgelegt. Wir werden wieder zu Mutter ziehen, wenn sie es erlaubt, bis er wieder auf freiem Fusse ist ... und dann wird es beinahe noch schlimmer, denn wohin dann mit ihm und uns?... Wir k?nnen einfach auf den Steinen sitzen<<, sagte sie schluchzend.
>>Auf den Steinen?<<
>>Nun ja, das ist eine Redewendung ... eine bildliche ... Ach nein, es wird nicht gut gehen. Auf mich ist zu vieles herabgekommen ... ich weiss nicht, womit ich es verdient habe ... aber ich kann nicht mehr hoffen. Nun wird es Erika ergehen, wie es mir mit Gr?nlich und Permaneder ergangen ist ... Aber jetzt kannst du es sehen, jetzt kannst du es aus n?chster N?he beurteilen, wie es ist, wie es kommt, wie es ?ber einen hereinbricht! Kann man nun etwas daf?r? Tom, ich bitte dich, kann man nun etwas daf?r!<< wiederholte sie und nickte ihm trostlos fragend, mit grossen, tr?nenvollen Augen zu. >>Alles ist fehlgeschlagen und hat sich zum Ungl?ck gewandt, was ich unternommen habe ... Und ich habe so gute Absichten gehabt, Gott weiss es!... Ich habe immer so innig gew?nscht, es zu etwas zu bringen im Leben und ein bisschen Ehre einzulegen ... Nun bricht auch dies zusammen. So muss es enden ... Das Letzte ...<<
Und an seinen Arm gelehnt, den er bes?nftigend um sie gelegt hatte, weinte sie ?ber ihr verfehltes Leben, in dem nun die letzten Hoffnungen erloschen waren.
Eine Woche sp?ter ward Direktor Hugo Weinschenk zu einer Gef?ngnisstrafe von drei Jahren und einem halben verurteilt und sofort in Haft genommen.
Der Andrang zu der Sitzung, welche die Plaidoyers gebracht hatte, war sehr gross gewesen, und Rechtsanwalt Doktor Breslauer aus Berlin hatte geredet, wie man niemals einen Menschen hatte reden h?ren. Der Makler Sigismund Gosch ging wochenlang zischend vor Begeisterung ?ber diese Ironie, dieses Pathos, diese R?hrung umher, und Christian Buddenbrook, der ebenfalls zugegen gewesen war, stellte sich im Klub hinter einen Tisch, legte ein Paket Zeitungen als Akten vor sich hin und lieferte eine vollendete Kopie des Verteidigers. ?brigens erkl?rte er zu Hause, die Jurisprudenz sei der sch?nste Beruf, ja, das w?re ein Beruf f?r ihn gewesen ... Selbst Staatsanwalt Doktor Hagenstr?m, der ja ein Sch?ngeist war, tat private ?usserungen, die dahin gingen, dass Breslauers Rede ihm einen wirklichen Genuss bereitet habe. Aber das Talent des ber?hmten Advokaten hatte nicht gehindert, dass die Juristen der Stadt ihm auf die Schulter geklopft und ihm in aller Bonhomie mitgeteilt hatten, sie liessen sich nichts weis machen ...
Dann, nachdem die Verk?ufe, die nach des Direktors Verschwinden notwendig wurden, beendet waren, begann man in der Stadt Hugo Weinschenk zu vergessen. Aber die Damen Buddenbrook aus der Breiten Strasse bekannten nun Donnerstags an der Familientafel: sofort, beim ersten Anblicke dieses Mannes h?tten sie es ihm an den Augen angesehen, dass mit ihm nicht alles in Ordnung sei, dass sein Charakter voller Makel sein m?sse, und dass es kein gutes Ende mit ihm nehmen werde. R?cksichten, die nicht lieber ausser acht gelassen zu haben sie jetzt bedauerten, h?tten sie veranlasst, ?ber diese traurige Erkenntnis Stillschweigen zu beobachten.
Neunter Teil
Erstes Kapitel
Hinter den beiden Herren, dem alten Doktor Grabow und dem jungen Doktor Langhals, einem Angeh?rigen der Familie Langhals, der etwa seit einem Jahre in der Stadt praktizierte, trat Senator Buddenbrook aus dem Schlafzimmer der Konsulin in das Fr?hst?ckszimmer und schloss die T?r.
>>Darf ich Sie bitten, meine Herren ... auf einen Augenblick<<, sagte er und f?hrte sie die Treppe hinauf, ?ber den Korridor und durch die S?ulenhalle ins Landschaftszimmer, wo des feuchten und kalten Herbstwetters wegen schon geheizt war. >>Meine Spannung wird Ihnen begreiflich sein ... nehmen Sie Platz! Beruhigen Sie mich, wenn es irgend m?glich ist!<<
>>Potztausend, mein lieber Senator!<< antwortete Doktor Grabow, der sich, das Kinn in der Halsbinde, bequem zur?ckgelehnt hatte und die Hutkrempe mit beiden H?nden gegen seinen Magen gestemmt hielt, w?hrend Doktor Langhals, ein untersetzter, br?netter Herr mit spitzgeschnittenem Bart, aufrecht stehendem Haar, sch?nen Augen und einem eitlen Gesichtsausdruck, seinen Zylinder neben sich auf den Teppich gestellt hatte und seine ausserordentlich kleinen, schwarzbehaarten H?nde betrachtete ... >>F?r irgendwelche ernstliche Beunruhigung ist nat?rlich f?rs erste platterdings keine Ursache vorhanden; ich bitte Sie ... eine Patientin von der verh?ltnism?ssigen Widerstandskraft unserer verehrten Frau Konsulin ... Meiner Treu, als gedienter Ratgeber kenne ich diese Widerstandskraft. F?r ihre Jahre wirklich erstaunlich ... was ich Ihnen sage ...<<
>>Ja, eben, in ihren Jahren ...<<, sagte der Senator unruhig und drehte an der langen Spitze seines Schnurrbartes.
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