bell notificationshomepageloginedit profileclubsdmBox

Read Ebook: Heinrich von Kleist's politische Schriften und andere Nachträge zu seinen Werken by Kleist Heinrich Von K Pke Rudolf Ernst Rudolf Anastasius Editor

More about this book

Font size:

Background color:

Text color:

Add to tbrJar First Page Next Page

Ebook has 1543 lines and 173665 words, and 31 pages

Editor: Rudolf K?pke

Heinrich von Kleist's Politische Schriften und andere Nachtr?ge zu seinen Werken.

Mit einer Einleitung zum ersten Mal herausgegeben von Rudolf K?pke.

Berlin, 1862. Verlag von A. Charisius. L?deritz'sche Buchhandlung.

Friedrich von Raumer zur Feier seines sechszigj?hrigen Amtsjubil?ums am 8. December 1861 in aufrichtiger Verehrung gewidmet von dem Herausgeber.

Nur Wenigen ist es beschieden, den Lebenstag zu sehen, der Ihnen, hochverehrter Herr, heute festlich anbricht. Den Zeitraum eines halben Jahrhunderts in demselben Kreise durchschritten zu haben, ist kein allt?glicher Ruhm unter Menschen, dasselbe Zeitmass in verschiedenen Kreisen des Wirkens zu erf?llen, ist dem Einzelnen noch seltener verg?nnt; doch wo f?nf reichen Jahrzehnten ein sechstes hinzugelegt wird, ist es unter den seltenen Festen das seltenste.

Ihnen hat das gegenw?rtige Jahr nicht einen, sondern eine Reihe von Festtagen gebracht, die ein halbes Jahrhundert Ihres Wirkens in Wissenschaft und Lehramt abschliessen, und vor wenigen Wochen noch mit dem goldenen Kranze des h?uslichen Gl?cks gekr?nt worden sind. Der heutige Tag vollendet Ihr sechszigstes Jahr im Dienste des Vaterlandes. Wer das in ungeschw?chter Kraft des Geistes und K?rpers erlebt, den m?chte man versucht sein jenen M?nnern des Alterthums beizuz?hlen, die der hellenische Weise vor allen gl?cklich pries. Denn Gl?ck ist die reine Entfaltung der eigenen Natur nach ihrem Gesetze, im Einklange zugleich mit dem grossen Ganzen, dessen dienendes Glied zu sein der Einzelne bestimmt ist. Eine solche harmonische Verbindung ist das freie Geschenk h?herer Macht, darum ist ein Tag wie der heutige ein Tag des Gl?ckwunsches, das heisst der dankbaren Anerkennung menschlicher Lebens- und Entwicklungsf?lle.

Sechszig Jahre, mehr als ein Drittheil unserer Preussischen Geschichte, ?berschauen Sie als Staatsmann, als Lehrer und Geschichtschreiber. Von sieben K?nigen haben Sie f?nf erlebt und dreien treu gedient. Das Preussen Friedrichs des Grossen, den tiefen Fall der alten Staatsformen haben Sie gesehen, und dem reformatorischen Gesetzgeber thatkr?ftig zur Seite gestanden, als er die Grundlagen des neuen Staates vorbereitete; Sie sind Zeuge gewesen der grossen volksth?mlichen Erhebung, haben Ihren Theil gehabt an den Zeiten innerer Ruhe und wissenschaftlichen Ruhms, und eine zweite tiefe Ersch?tterung ?berwinden helfen, um nochmals in eine neue Umgestaltung des ?ffentlichen Lebens einzutreten. Zu allen Zeiten haben Sie f?r Gesetz und volksth?mliche Freiheit, f?r den K?nig wie f?r das Vaterland, f?r Preussen wie f?r Deutschland als untrennbare M?chte, mit den Besten im Bunde, unerm?det und massvoll gestritten, und die Unabh?ngigkeit des Urtheils und Charakters frei bewahrt.

Als Forscher und Geschichtschreiber haben Sie die Vergangenheit des deutschen Vaterlandes in umfassender Weise zuerst erschlossen, und die verschiedenen Zeitalter des menschlichen Geschlechts durchmessen. So m?chte ich Ihnen nachr?hmen, was ein alter Schriftsteller von einem Geschichtschreiber seiner Zeit sagt, das sch?nste Loos sei es Schreibensw?rdiges gethan, Lesensw?rdiges geschrieben zu haben. M?gen Sie mir verstatten das auszusprechen, da Sie, obgleich nicht selten verkannt, dennoch stets ein Verkleinerer Ihrer selbst gewesen sind.

Als einen ?ffentlichen Ausdruck dieser Gesinnung, die ich Ihnen l?ngst im Herzen bewahre, bitte ich Sie die folgenden Bl?tter betrachten und annehmen zu wollen. Ein Zeichen sollen sie sein wissenschaftlicher Anerkennung, das ein j?ngerer Fachgenosse Ihnen darzubringen w?nscht, rein menschlicher Hochachtung und aufrichtiger Uebereinstimmung in den grossen Fragen des Lebens, und endlich des Dankes f?r die freundschaftliche Theilnahme, die Sie mir stets bewiesen haben.

F?r diesen Zweck schienen mir diese Bl?tter vornehmlich geeignet. Denn sie sind ein Erbst?ck aus dem Nachlasse des grossen Dichters, in dessen Verehrung und Liebe, wir, wie verschieden an Lebensalter und Stellung, einander zuerst freundschaftlich begegnet sind; ein bisher unbekannter Beitrag zu unserer nationalen Litteratur, der Sie, wie der Kunst, auch unter historischen Studien und politischen K?mpfen eine jugendfrische Neigung gewahrt haben; der Gesinnungsausdruck eines ebenso hochbegabten als ungl?cklichen Dichters, der wie Sie f?r die Wiedergeburt des Vaterlandes gestritten, den Sie selbst noch von Angesicht gekannt haben. Es irrt mich nicht, dass die Ber?hrungen zwischen Ihnen, dem Staatsmanne, und dem Dichter nicht freundlicher Art gewesen sind. Pers?nlich unangenehme Erfahrungen haben Sie niemals gehindert gerecht zu sein, und Sie haben darum weder dem Menschen Ihre Theilnahme noch dem Dichter Ihre Anerkennung versagt. Die damals ausgesprochene Vers?hnung wird heute zur historischen S?hne. Der Dichter ist nach schwerer Verirrung eingegangen in die Ehrenhalle unserer Litteratur; Sie haben seitdem f?nfzig Jahre des reichsten Wirkens durchlebt, und stehen heute als gefeierter Greis voll seltener Jugendfrische und Theilnahme f?r Alles was die menschliche Brust bewegt, am Grabe des Dichters, der am Widerstreit des Lebens zu Grunde ging.

Und so w?sste ich Ihnen nur Eines noch zu w?nschen, dass Ihnen die F?lle der Lebensg?ter, die Sie besitzen, noch lange erhalten, und mir Ihre Freundschaft bewahrt bleiben m?ge.

Rudolf K?pke.

Inhalt.

Einleitung.

Wehe, mein Vaterland, dir! Die Leier zum Ruhm dir zu schlagen, Ist, getreu dir im Schooss, mir, deinem Dichter, verwehrt,

schrieb Heinrich von Kleist auf das Titelblatt seines vaterl?ndischen Dramas die Hermannsschlacht, als er es im Jahre 1808 vollendet hatte. Es war eine Grabschrift, die er dem Vaterlande, seiner Dichtung, sich selbst setzte, und in finsterm Hass sich in das Schweigen der Hoffnungslosigkeit zu vergraben, schien der letzte Trost, den das Leben ihm noch nicht geraubt hatte. Voll Liebe zum Vaterlande will er ihm zum Ruhme singen, aber in der Gegenwart sieht er es schmachbedeckt in den Staub getreten; er wendet den Blick r?ckw?rts, der ruhmvollen Vergangenheit entlehnt er den Stoff seiner Dichtung, im Sturme will er sein Volk mit sich fortreissen, aber die H?rer verschliessen ihm das Ohr. F?r die Enkel ist es gef?hrlich geworden, dem Heldenliede von den Thaten der Ahnen zu horchen, der S?nger schliesst sein >>letztes Lied<<, >>er w?nscht mit ihm zu enden, und legt die Leier thr?nend aus den H?nden!<< Keine B?hne will sich seinem vaterl?ndischen Schauspiel ?ffnen. Zur?ckgewiesen von den Seinen verschliesst er einsam den Schmerz und das Elend des eigenen Lebens, die Schmach und den Gram Deutschlands in jene Worte, die zur schwer lastenden Anklage eines selbstvergessenen Volks werden.

Dennoch nennt sich Kleist den Dichter seines Vaterlandes; getreu bleibt er ihm im Schooss, w?hrend viele andere, denen es Macht, Ehre, Ruhm gegeben hatte, untreu geworden waren, es durch That, Wort oder verzagtes Schweigen verrathen hatten. Nicht F?rsten und Volksst?mme, Generale und Staatsm?nner allein, auch M?nner der Wissenschaft und Dichter hatten das gethan. In das Unendliche hatte sich die Wissenschaft versenkt und die Welt durchmessen, das Vaterland, in dem sie aufgewachsen war, blieb ihr fast fremd; in Griechenland und Rom lebte die Dichtung, in Deutschland nicht. Weder die eine noch die andere ahnte das Verderben, das sich heranw?lzte, best?rzt hatten sie geschwiegen, als es hereinbrach, oder den fremden Gewalthaber als den Vollzieher des Weltgeschicks wohl gar bewundert und gepriesen. Kleist wollte nichts als sein Deutschland, sein oft geschm?htes Brandenburg, ob auch hier >>die K?nstlerin Natur bei der Arbeit eingeschlummert<<, ob es auch gerade jetzt doppelt arm und ?de sein mochte; er wollte es, weil es das Vaterland war. Aus ihm sprach die Stimme des lang eingeschl?ferten Gewissens, das laut mahnte, dem Zwiespalt zwischen Weltb?rgerthum und Volkssinn, Staat und Vaterland, Wissenschaft und Leben ein Ende zu machen, und die tiefsten Kr?fte zum Kampfe aufzurufen. Jene Verse, wie sein Drama, waren ein erster ersch?tternder Ausdruck der Wiedervereinigung der Dichtung mit dem Vaterlande, und darum lassen sie selbst in der Hoffnungslosigkeit die Rettung ahnen; es liegt in ihnen der Wendepunkt des deutschen Lebens. Denn anders musste es werden, sobald diese Ueberzeugung allgemein ward; selbst die h?chsten G?ter der Menschheit, denen man so lange nachgetrachtet hatte, verloren ihre bildende und heiligende Kraft, wenn sie durch den volksth?mlichen Muth nicht mehr geschirmt wurden. Es brach die Zeit an, wo Schleiermacher und Fichte Volksredner waren, Arndt durch Lied und That wirkte und ein j?ngeres Dichtergeschlecht heraufwuchs, das nicht mehr classisch, sondern vaterl?ndisch sein wollte, selbst zum Schwerte griff und k?mpfend fiel, wie K?rner, oder das Gl?ck der Sieger beneidend, den Sieg feierte, wie Schenkendorf und R?ckert.

Nicht so gl?cklich war Kleist; in die Mitte gestellt, zwischen die schonungslose Uebermacht der Gegenwart und die zweifelhafte Zukunft, hat er weder den Kampf noch den Sieg erlebt, und gleichg?ltig haben sich seine Zeitgenossen von ihm abgewandt. Den Weltklugen zu mystisch, den Frommen zu ruchlos, den Politikern zu unpraktisch, den Zahmen zu wild, dem Meister der Kunst zu roh und formlos, fand er bei seinem Leben nur wenige Freunde, und als der widerw?rtige Streit ?ber seinem Grabe verstummt war, ward er im Toben des Volkskampfes, den er erwecken wollte, fast vergessen, und die Kr?nze, nach denen er gegeizt hatte, wurden andern zu Theil.

Gewiss war er als Mensch weder im Leben noch im Tode frei von schwerer Schuld, aber so oft dies auch gesagt worden ist, dem Dichter ist die folgende Zeit langer Ruhe kaum gerecht, geschweige denn g?nstig, geworden. Zehn Jahr sp?ter hat ihn Tieck in das Ged?chtniss des geniessenden Geschlechtes, dem die starke, m?nnliche Dichtweise unbequem geworden war, zur?ckgerufen. Ihm, seiner reinen Anerkennung verdankt man es, wenn Kleist's Stelle in der Litteraturgeschichte gesichert ist. Auch das ist langsam und z?gernd geschehen. In f?nfzig Jahren sind nur zwei Gesammtausgaben erschienen, und zwischen beiden liegt ein Menschenalter. Nicht ohne M?he haben sich drei seiner Dramen auf der B?hne eingeb?rgert, gerade das vollendetste, das vorzugsweise heimische, musste, der Gefahr des Unterganges kaum entzogen, am l?ngsten gegen das Vorurtheil k?mpfen, und die Hermannsschlacht, die schon vor einem halben Jahrhundert z?nden sollte, hat ihre H?rer bis heute nicht gefunden.

Auch die Nachlese, so ergiebig bei andern Dichtern, und die Kunde von seinem Leben ist demselben Missgeschick verfallen. Einen grossen Theil seiner Schriften hat er in selbstqu?lerischer Verachtung zerst?rt; was sonst zu hoffen, war verschollen oder in unbekannten Zeitschriften begraben, und erst Julian Schmidt's Ausgabe hat aus dem Ph?bus einen Theil des Vergessenen wieder ans Licht gebracht. Vereinzelt und zuf?llig sind manche Briefe von ihm zum Vorschein gekommen und unbeachtet geblieben; die sp?ter von E. v. B?low und Koberstein herausgegebenen gr?sseren Sammlungen sind, wenn auch die erste, fast einzige Quelle, doch nicht umfassend genug, um auf sein dunkles Leben ein ?berall gen?gendes Licht zu werfen. B?low's freilich nicht ersch?pfende doch verdienstliche Lebensbeschreibung blieb in der politischen Sturmzeit von 1848, wie vierzig Jahre fr?her der lebende Dichter, fast unbeachtet. Erst in den letzten Jahren hat man sich ihm aus dem Gesichtspunkte der allgemeinen Zeitgeschichte, in der er in so fragw?rdiger Gestalt hervortritt, wieder mehr zugewendet. Dennoch scheint eine Seite seines zerrissenen Lebens der n?heren Besprechung w?rdig und bed?rftig, von allen die erhebendste und reinste, in der sich die j?hen Widerspr?che vielleicht am ersten ausgleichen, die vaterl?ndische. Ich w?rde es nicht unternehmen, allein auf Grund des schon benutzten Stoffes dar?ber zu reden, aber ich bin gl?cklich genug Neues, bisher Unbekanntes oder Vergessenes, hinzuf?gen zu k?nnen, und halte es f?r eine That der Gerechtigkeit, die folgende nicht geringf?gige Nachlese zu Kleist's Schriften der Oeffentlichkeit zu ?bergeben. Eben hier erscheint er vorzugsweise als politischer Schriftsteller, von dieser Th?tigkeit mindestens gewinnt man ein bedeutend vollst?ndigeres Bild.

Zuerst habe ich Rechenschaft von den Quellen, aus welchen diese Nachtr?ge gesch?pft sind, abzulegen. Theils sind sie handschriftlicher Art, theils geh?ren sie vergessenen Drucken an; von jenen spreche ich zuerst.

Nicht alles, was Tieck aus dem Nachlasse Kleist's besass, hat er in seine Ausgabe aufgenommen. >>Auch finden sich<<, schreibt er, >>in seinem Nachlasse Fragmente aus jener Zeit , die alle das Bestreben aussprechen, die Deutschen zu begeistern und zu vereinigen, sowie die Machinationen und L?genk?nste des Feindes in ihrer Bl?sse hinzustellen: Versuche in vielerlei Formen, die aber damals vom raschen Drang der Begebenheiten ?berlaufen, nicht im Druck erscheinen konnten, und auch jetzt, nach so manchem Jahre und nach der Ver?nderung aller Verh?ltnisse, sich nicht dazu eignen.<< Also Schriftst?cke politischen, vaterl?ndischen Inhalts, die ein Aufruf an das Volk sein sollten, jedoch nie zur Verwendung gekommen sind, waren es, die Tieck im Jahre 1821 vor sich hatte. Zun?chst scheint ihn die R?cksicht auf die Erregung des eben durchgek?mpften V?lkerkrieges, die jetzt friedlichern Stimmungen Platz machen sollte, von der Ver?ffentlichung abgehalten zu haben, und noch 1826 glaubte er dabei stehen bleiben zu m?ssen. Auch mochten ihm diese Fragmente im Vergleiche mit den grossen Dichtungen minder bedeutend scheinen. Er sah in Kleist einen befreundeten gleichzeitigen Dichter, dem er aus den vollendetsten Werken ein Denkmal errichten wollte, von welchem er das Geringf?gigere meinte ausschliessen zu k?nnen. Ueberhaupt war seine Kritik ein Ausdruck der Begeisterung f?r den Gegenstand, mehr ?sthetisch, allgemein anschauend und nachdichtend als historisch philologisch; er konnte zufrieden sein, den Dichter und dessen Werke der Vergessenheit entrissen und in genialen Z?gen ein gross gehaltenes Bild beider entworfen zu haben. Ganz anders stand es, als zweiundzwanzig Jahre sp?ter B?low in der Vorrede zum Leben Kleist's schrieb: >>Die schon von Tieck besprochenen zerstreuten politischen Bl?tter aus dem Jahre 1809 habe ich ebenfalls durchgesehen und des Druckes meist unwerth befunden.<< Diese >>Reliquien<<, die er damals noch unverk?rzt in H?nden hatte, legte er also in demselben Augenblicke als unwichtig bei Seite, wo er den Untergang oder die absichtliche Zur?ckhaltung anderer beklagte. Der Umstand allein h?tte den Biographen bestimmen sollen, nicht seinem pers?nlichen Geschmacksurtheil ?ber den Werth dieser Bl?tter, sondern dem historischen Gesetze zu folgen, das zu retten gebietet, was noch zu retten ist, damit das Bild des Dichters so getreu als m?glich hergestellt werden k?nne. Das verlangte die inzwischen zur Wissenschaft herangereifte Litteraturgeschichte, die auch f?r die Schriftsteller der n?chsten Vergangenheit eine willk?rliche Kritik dieser Art nicht mehr duldete. Nicht ohne ironisches L?cheln ?ber Kleist's >>naive Absicht<< begn?gte er sich, einen dieser Aufs?tze, ?berschrieben: >>Was gilt es in diesem Kriege?<< sorglos abdrucken zu lassen. Von Tieck hatte B?low diese Papiere erhalten; im Nachlasse des einen oder des andern mussten sie aufbewahrt sein.

Unter den zahlreich angesammelten Handschriften Tieck's fand sich in der That eine, die aus dem Nachlasse Kleist's herstammte, eine Abschrift der Penthesilea, vom Dichter durchgesehen und nicht ohne bedeutende Ver?nderungen einzelner Verse und Worte von seiner Hand. Aus der Vergleichung mit der Tieckschen Ausgabe, welcher der Druck von 1808 zu Grunde liegt, und den nicht unerheblich abweichenden Bruchst?cken im Ph?bus, ergab sich diese Handschrift als eine dritte noch fr?here Bearbeitung selbst?ndigen Charakters, die auf's neue beweist, wie sorgf?ltig Kleist seine Dichtungen im einzelnen durcharbeitete. Dagegen schien sich die nah liegende Vermuthung, der Herausgeber der Kleist'schen Schriften werde von seinen Sammlungen mehr als dieses eine Erinnerungszeichen bewahrt haben, nicht zu best?tigen, als sich sp?ter, bei der Durchsicht eines Restes ungeordneter Papiere, noch eine Anzahl Bl?tter nach und nach unerwartet zusammenfanden. Es war ein Theil des grossartigen Bruchst?cks Robert Guiskard, das Kriegslied der Deutschen, das Sonett an die K?nigin von Preussen und das an den Erzherzog Karl im M?rz 1809, denen sich einiges Prosaische anschloss; im Ganzen 28 Halbbogen und 6 Bl?tter in Quart bl?ulich grauen Streifenpapiers, dessen h?heres Alter nicht bezweifelt werden konnte. Nur freilich waren es nicht Kleist's Schriftz?ge, sondern die altmodisch steife Hand eines s?chsischen Schreibers, von der alles, nach der Tinte zu urtheilen, fast in einem Zuge geschrieben worden war. Zwar beginnt die Z?hlung der Seiten mehr als einmal von vorn und manche Bl?tter sind gar nicht bezeichnet, aber offenbar liegt hier ein Bruchst?ck einer Handschrift vor, die wenngleich sehr verschiedenartigen Inhalts, doch ?usserlich ein Ganzes bilden sollte.

Bei n?herer Untersuchung des prosaischen Theils fanden sich mehrere bisher unbekannte Aufs?tze: f?nf Halbbogen, unter der Ueberschrift >>Satyrische Briefe<<, deren drei numerirt aufeinander folgen: >>1. Brief eines rheinb?ndischen Officiers an seinen Freund; 2. Brief eines jungen m?rkischen Landfr?uleins an ihren Onkel; 3. Schreiben eines Burgemeisters in einer Festung an einen Unterbeamten<<; welchen sich ohne Zahlenbezeichnung ein vierter anschliesst >>Brief eines politischen Pescher? ?ber einen N?rnberger Zeitungsartikel.<< Auf einem Quartblatt folgte >>die Bedingung des G?rtners, eine Fabel<<; dann vier Halbbogen >>Lehrbuch der franz?sischen Journalistik<<, sechs Halbbogen und ein Blatt >>Katechismus der Deutschen, abgefasst nach dem Spanischen zum Gebrauch f?r Kinder und Alte<<, jedes St?ck mit besonderer Seitenz?hlung; endlich noch vier nicht paginirte Halbbogen, drei St?cke enthaltend, eines mit der Aufschrift >>Einleitung<<, ein anderes ohne Titel beginnend mit der Anrede >>Zeitgenossen<<, das dritte mit der Ueberschrift >>Was gilt es in diesem Kriege?<< Eben dieses Blatt hatte B?low herausgegriffen; es war also kein Zweifel mehr, die politischen Bl?tter Kleist's, die er nach Tieck's Vorgang bei Seite gelegt hatte, waren noch erhalten. Gewiss ein gl?cklicher Fund, der durchaus Neues ans Licht brachte und f?r manchen andern Verlust entsch?digen konnte. Die n?chste Frage, ob er vollst?ndig sei, beantwortete sich leider verneinend. Die Seitenzahlen des Katechismus ergeben, dass der dritte und sechste Halbbogen fehle; das Lehrbuch der franz?sischen Journalistik bricht mit Paragraph 25, die Einleitung mitten im Satze ab; urspr?nglich mussten diese Bl?tter vollz?hlig gewesen sein.

Ohne besondere Veranlassung zur Herausgabe und andern Arbeiten hingegeben, hatte ich mich l?ngere Zeit bei diesem Ergebniss beruhigt, als die Briefe Kleist's an seine Schwester mich zu jenen politischen Bruchst?cken zur?ckf?hrten; denn was etwa noch gefehlt h?tte, ein bestimmtes Zeugniss des Verfassers selbst, fand sich hier. Am 17. Juni 1809 nach der Schlacht von Wagram und dem Waffenstillstand von Znaym schrieb er von Prag aus, wohin ihn seine Hoffnungen auf Oesterreich gef?hrt hatten, an seine Schwester: >>Gleichwohl schien sich hier durch B. und die Bekanntschaften, die er mir verschaffte, ein Wirkungskreis f?r mich er?ffnen zu wollen. Es war die sch?ne Zeit nach dem 21. und 22. Mai, und ich fand Gelegenheit meine Aufs?tze, die ich f?r ein patriotisches Wochenblatt bestimmt hatte, im Hause des Grafen v. Kollowrat vorzulesen. Man fasste die Idee, dieses Wochenblatt zu Stande zu bringen, lebhaft auf, Andere ?bernahmen es, statt meiner den Verleger herbeizuschaffen, und nichts fehlte als eine h?here Bewilligung, wegen welcher man geglaubt hatte, einkommen zu m?ssen. So lange ich lebe, vereinigte sich noch nicht so viel, um mich eine frohe Zukunft hoffen zu lassen, und nun vernichten die letzten Vorf?lle nicht nur diese Unternehmung, -- sie vernichten meine ganze Th?tigkeit ?berhaupt.<<

Also ein Theil der Aufs?tze, die Kleist im Fr?hjahr 1809 f?r ein patriotisches Wochenblatt bestimmt hatte, ist in diesen Bl?ttern enthalten, nach allen ?usseren Zeugnissen kann seine Autorschaft keinem Zweifel unterliegen. Heutiges Tages indess, wo es darauf ankommt den Stoff der abgeschlossenen Litteraturperiode zu sammeln und zu sichten, wird man bisher unbekannte Schriften eines bedeutendern Dichters nicht leicht aus der Hand geben, ohne sie einer allseitigen Durchforschung unterworfen zu haben, auch wenn ihre Aechtheit feststeht. Es ist daher gerathen, auch diese Briefe und Aufrufe nach Form und Inhalt n?her zu pr?fen; auch schon aus dem Grunde, weil dies zugleich f?r einige andere St?cke, deren Kleistischer Ursprung ?usserlich weniger verb?rgt ist, den erforderlichen Massstab gew?hren wird. Um die stilistische Gestaltung dieser politischen Aufs?tze zu beurtheilen, wird man zun?chst auf eine etwas allgemeinere Betrachtung der Prosa Kleist's hingewiesen.

Er selbst n?hert sich dadurch, so weit sich das von dem Dichter sagen l?sst, der Grenze des Geschichtschreibers. Ohne es sein zu wollen, oder auch nur den Anspruch des historischen Romanstils zu erheben, hat ihn sein historischer Realismus auf den geschichtlichen Boden gef?hrt. Unmittelbar aus dem Leben, aus Gegenwart oder Vergangenheit sch?pft er den Stoff, wie schon seine Vorliebe f?r die Anekdote beweist, die er da und dort aufgegriffen hat, und von denen er manche bis zur Erz?hlung ausspinnt. Auf diese lebendige Quelle deutet er bei der >>Marquise von O.<< mit dem wichtigen Zusatze, der sich nur im Ph?bus, nicht aber in den Ausgaben findet, selbst hin: >>Nach einer wahren Begebenheit, deren Schauplatz vom Norden nach dem S?den verlegt worden.<< Wieder aber hat er diese Episode, in der er die ganze F?lle seines Talents entfaltet, in den Hintergrund des grossen gleichzeitigen Revolutionskrieges eingef?gt. Ebenso hat er im >>Kohlhaas<<, dem >>Erdbeben in Chili<<, der >>Verlobung in St. Domingo<< sich grossen historischen Verh?ltnissen entweder angeschlossen, oder deren Natur an einem einzelnen Falle meisterhaft dargestellt; wie denn die erste Erz?hlung, sicherlich ohne dass er es beabsichtigte, zugleich eine ergreifende Darstellung des St?ndekampfes geworden ist, der unter der Nachwirkung der Reformation in ganz Deutschland entbrannte. Selbst die Verirrungen, in denen er unerwartet eine andere Seite seines Innern herauskehrt, und sich mit vollst?ndiger Verleugnung des historischen Charakters auf das Gebiet des dunkeln Wahns verlocken l?sst, dienen nur dazu, die Kraft seiner Darstellung in hellerem Lichte erscheinen zu lassen; denn auch die Traumgebilde seiner Phantasie hat er so mit Fleisch und Blut zu bekleiden gewusst, dass man sie sieht, ohne an ihre Wahrheit zu glauben. Sein >>Kohlhaas<< bleibt trotz des unhistorischen Vornamens Michael und trotz des mythischen Kurf?rsten von Sachsen, bei dem der Historiker von Fach nur mit Haarstr?uben an den standhaften Johann Friedrich denken kann, nach Auffassung und Darstellung eine fast vollendete historische Erz?hlung, deren Grundz?ge dem Thats?chlichen entsprechen. Denn die Zur?ckhaltung der Pferde, die Rechtsverweigerung und Verschleppung s?chsischer Seits, die Niederbrennung der Vorstadt von Wittenberg, das Gespr?ch mit Luther sind historisch. Nach ihrer Kunstform k?nnte sie ohne Uebertreibung ein in Prosa ausgel?stes Epos genannt werden.

Auch sind seine Erz?hlungen von der modernen Novelle, dem historischen Roman und dem, was heute daf?r gelten will, sehr verschieden. Die Novellenhelden sind ?berwiegend Tr?ger der Reflexion, sie k?mpfen die Gegens?tze nicht nach aussen wirkend, durch die That aus, sondern in dialectischem Ringen mit sich selbst, sie ziehen die ganze Welt in den Strom ihrer Betrachtungen hinein, und dessen ungeachtet verblassen sie zu Schatten, die nach dem Lehrbuche sprechen. Andererseits in den neueren sogenannten historischen Romanen, die mit der Macht der Geschichte den Zauber der Dichtung zu verbinden w?hnen, werden die historischen Riesen auf das zwerghafte Mass einer schw?chlichen Phantasie herabgedr?ckt, die eigentlich nur deshalb ihre Zuflucht zur Geschichte nimmt, weil diese mit der un?bersehbaren F?lle eigenth?mlicher Gestalten der d?rftigen Erfindung zu H?lfe kommt. Der falsche Schein historischer Kenntniss soll die M?ngel der Dichtung verdecken, und schliesslich verliert jede von beiden den reinen und urspr?nglichen Charakter durch die Verbindung mit der anderen.

So sehr Kleist Dramatiker ist, so vermeidet er doch in der Erz?hlung in der Regel den unmittelbaren Dialog, der in neueren Novellen so die Oberhand gewonnen hat, dass der verkehrte Versuch einer w?rtlichen Uebertragung in das Drama hat gewagt werden k?nnen. Dagegen hat er im vollsten Verst?ndnisse dieser Darstellungsweise die indirecte Rede ?berwiegend gebraucht. Auch da, wo seine Personen direct reden m?ssten, ist er epischer Berichterstatter, er l?sst sie nicht aus dem Rahmen des Ganzen selbst?ndig heraustreten, sondern verwandelt ihre Rede in ein Handeln, von dem er zu erz?hlen hat. Es ist bemerkt worden, sein dramatischer Dialog verrathe in den unruhigen Spr?ngen, in dem hastigen Hin- und Wiederfliegen von Frage und Antwort, wodurch die Lebhaftigkeit zwar gesteigert wird, die innere Erregtheit des Dichters; seiner erz?hlenden Rede ist diese Zerrissenheit durchaus fremd. Mit gleichem Wellenschlage fliesst sie wie ein breiter Strom dahin, auf dem der H?rer sich mit stets gleicher Theilnahme von einer Windung zur andern tragen l?sst.

Doch auch bei dem Meister ist das wahrhaft Vollendete immer noch nicht das Gew?hnliche. Jeder Schriftsteller hat Angewohnheiten des Stils, geringf?gig scheinende Eigenth?mlichkeiten, die um so h?ufiger sein k?nnen, je leichter sie sich dem Blick, der auf das Ganze gerichtet ist, entziehen. Aber er kommt dadurch in Gefahr, aus dem Stil in die Manier zu gerathen, und er wird ihr verfallen, wenn der freie Ausdruck des Inhalts von der bequemen Gewohnheit geleitet wird, statt sie zu leiten. Wie Goethe hat auch Kleist dergleichen Angewohnheiten. Es ist die Vorliebe f?r gewisse Bindew?rter, die er gebraucht, um die Spannung des Lesers zu steigern oder herabzustimmen. Am auffallendsten ist das unz?hlige Mal wiederkehrende >>dergestalt dass<<, das er als anschaulichere Redeweise dem n?chtern >>so dass<< vorzieht. Durch alle Erz?hlungen l?sst sie sich verfolgen, im Kohlhaas allein sind ohne grosse M?he ein Paar Dutzend Beispiele daf?r aufzufinden. Nicht minder h?ufig ist der Gebrauch von >>gleichwohl<<, wo es eine Bedingung, einen unerwarteten Gegensatz ank?ndigen soll, den man mit >>dennoch, dessen ungeachtet<< einleiten w?rde. Ferner die gleichzeitige Ereignisse oder Erw?gungen vorf?hrende Redensart >>nicht sobald -- als<<, f?r >>kaum, in dem Augenblick als<<; ebenso >>inzwischen<<, dann das gleichg?ltige oder ungeduldig abweisende >>gleichviel<<, das bedingende >>falls<< f?r >>wenn.<< Alle diese Lieblingswendungen sind auch den Dramen, namentlich dem prosaischen Dialog, nicht fremd. Dagegen hat sich Kleist von einem andern Fehler, dem auch die Gr?ssten verfallen sind, um so reiner erhalten, von widerlich st?render Wortmengerei. Fremdw?rter braucht er in der Regel nur da, wo etwa Kunstausdr?cke unvermeidlich sind, ?berall bietet sich ihm an der rechten Stelle das rechte deutsche Wort ungesucht dar. Hier ?bertrifft er Schiller und den alternden Goethe bei weitem. Es ist der Ausdruck seiner deutschen Natur; eben darum greift er auch bisweilen selbst im Verse zu Provinzialismen, die nichts weniger als edel, aber sehr bezeichnend sind.

Fasst man dies Alles zusammen, den k?nstlerischen Bau der Perioden, seine Vorliebe f?r die mittelbare Rede, die Reinheit seines Ausdruckes, die unbewussten stilistischen Gewohnheiten, so gewinnt man eine Anzahl von Merkmalen, nach denen sich mit ziemlicher Gewissheit feststellen l?sst, ob man es mit Kleist's Wort und Schrift zu thun habe oder nicht.

Die vier satirischen Briefe bilden gewissermassen ein dramatisches Ganzes, sehr verschiedene Personen sprechen sich ?ber dieselben Ereignisse, jede in ihrer Weise aus. Der rheinb?ndische Officier, das Landfr?ulein, der Burgemeister; diesen ironischen Charakteren steht der politische Pescher? mit seinen einfachen Betrachtungen als Chor gegen?ber. Der erste Brief ist in kurz abschneidender franz?sirender Standessprache geschrieben. Das Landfr?ulein schreibt, wie schon der Eingangssatz beweist, in der verschlungenen Weise Kleist's; architectonisch durchgef?hrt sind Perioden wie die >>Allein, wenn die Ansicht u. s. w.<< oder: >>Aber die Beweise, die er mir, als ich zur?ckkam u. s. w.<<, denen die beiden letzten des Briefes, mit ihrem >>inzwischen<< und >>gleichwohl<< an die Seite gestellt werden k?nnen. In dem Schreiben des Burgemeisters gilt es, die pedantische Langstiligkeit amtlicher Erlasse darzustellen; der Wortschwall ironisirt sich selbst, er soll bet?uben und ?ber die Schm?hlichkeit des Inhalts t?uschen. Bezeichnend ist die un?bersehbare Periode: >>Indem wir euch nun diesem Auftrage gem?ss u. s. w.<<

im neunten Auftritt wiederholt Penthesilea:

Und die Hermannsschlacht beginnt mit den Worten:

Die Fabel >>die Bedingung des G?rtners<< entspricht in ihrer Fassung den beiden Fabeln, die 1808 im Ph?bus erschienen.

In ganz anderem Ton ist das >>Lehrbuch der franz?sischen Journalistik<< gehalten. Obgleich die knappe Form dieser geschlossenen Reihe von Erkl?rungen, Lehrs?tzen, Aufgaben und Beweisen der entfalteten Rede keinen Raum gestattet, so haben sich doch auch hier die Lieblingswendungen eingeschlichen. Es ist bekannt, welche Neigung Kleist f?r diese Darstellungsweise und den strengen Beweis hatte. Wie er zuerst meinte, seine Lebensaufgabe auf dem Gebiete der Mathematik gefunden zu haben, so ist er auch sp?ter, namentlich in den Briefen, geneigt, wo die Leidenschaft nicht durchbricht, seine Gedanken in streng logische Formeln zu bringen. Leider ist das Lehrbuch der Journalistik in 25 Paragraphen unvollst?ndig. Wahrscheinlich hatte er es zu Ende gef?hrt, doch sind die letzten Bl?tter verloren gegangen. Den obersten Grunds?tzen und Definitionen folgt im Paragraph 10 die Eintheilung der Journalistik mit dem ersten Capitel: >>Von der Verbreitung der wahrhaftigen Nachrichten<< in zwei Artikeln >>von den guten und den schlechten Nachrichten<<; ein zweites Capitel von der Verbreitung falscher Nachrichten musste folgen, und dieses fehlt.

Nicht die Flur ist's, die zertreten Unter ihren Rossen sinkt, Nicht der Mond, der in den St?dten Aus den ?den Fenstern blinkt, Nicht das Weib, das mit Gewimmer Ihrem Todeskuss erliegt.

Der Grundton der Einleitung ist in dem Gedicht Germania zum gewaltigen Schlachtgesang geworden, und kaum wird man sich der Ueberzeugung verschliessen k?nnen, gerade f?r die Er?ffnung dieser Zeitschrift sei es geschrieben worden. Der Schluss der Einleitung fehlt; dagegen scheint das folgende St?ck, das ohne Ueberschrift mit dem aus einer andern Schrift entlehnten Aufrufe >>Zeitgenossen!<< beginnt, von Kleist selbst nicht abgeschlossen zu sein, wenigstens die Abschrift ist nicht vollst?ndig, denn mit dem Ausrufe >>Was?<< bricht der Text mitten auf der Seite ab. Es sollen diejenigen, die sich auf den Tr?mmern des Vaterlandes in die bequeme Ruhe der Ungl?ubigkeit einwiegen, aufgeschreckt und ihnen die Augen ?ber den Abgrund, an dem sie stehen, ge?ffnet werden. Das Ziel des Kampfes wird bezeichnet in dem Aufruf >>Was gilt es in diesem Kriege?<< Wenn es heisst: >>Deren Unschuld selbst in dem Augenblick noch, da der Fremdling sie bel?chelt oder wohl gar verspottet, sein Gef?hl geheimnissvoll erweckt, dergestalt dass<< -- so giebt dazu die Hermannsschlacht ein treffendes Beispiel, wo der R?mer von dem Deutschen sagt:

In einem H?mmling ist, der an der Tiber graset, Mehr Lug und Trug, muss ich Dir sagen, Als in dem ganzen Volk, dem er geh?rt.

Erst im Zusammenhange mit den fr?heren St?cken erscheint dieser Aufruf, der weder abgeschlossen noch auch das bedeutendste St?ck ist, im rechten Lichte; um so weniger ist zu begreifen, wie B?low gerade dies zur Probe mittheilen konnte, um dadurch seine Verurtheilung der anderen gehaltreicheren Bl?tter zu rechtfertigen.

Mit den bekannten politischen Gedichten Kleist's stehen diese Aufs?tze in n?chster Verbindung; sie sind der Ausdruck derselben Zeit und Stimmung, wie die Hermannsschlacht von 1808, die Gedichte an den Kaiser Franz und den Erzherzog Karl aus dem Fr?hjahr 1809, und Germania an ihre Kinder. Der erste satirische Brief ist unter der Einwirkung des beginnenden Krieges von 1809 geschrieben, wie die Hindeutung auf die ungl?cklichen K?mpfe um und in Regensburg vom 19. bis 23. April beweist; Napoleons siegverk?ndendes B?lletin, dessen erw?hnt wird, ist vom 24. April datirt. Der vierte Brief schliesst sich an einen Artikel des N?rnberger Korrespondenten aus denselben Tagen an. Die ?sterreichischen Landwehren, welche die Fabel anredet, waren durch Erlass vom 9. Juni 1808 ins Leben gerufen; die Erhebung der Spanier, auf welche die Ueberschrift des Katechismus anspielt, hatte im Mai 1808, der Tiroler, deren im Text gedacht wird, am 9. April 1809 begonnen. Dagegen findet sich nichts, was auf den Sieg von Aspern am 21. und 22. April 1809 hinwiese. Also diese f?nf St?cke werden Ende April oder Anfang Mai entstanden sein. Ganz anders lautet der Ton nach der Schlacht von Aspern in der Einleitung zur Germania; der erste Athemzug der deutschen Freiheit sollte diese Zeitschrift sein. Derselben Zeit geh?ren auch die beiden andern Nummern an. Da folgte die Schlacht von Wagram, und Sieg und Hoffnung, Muth und Zuversicht, Kraft und Begeisterung sind wiederum mit einem Schlage vernichtet.

Den Versuch, den Kleist in Prag 1809 machen wollte, durch eine Zeitschrift auf die Volksstimmung zu wirken, hat er einmal vorher 1808 in Dresden, ein anderes Mal nachher 1810 in Berlin wirklich gemacht. Dort sollte es eine k?nstlerisch wissenschaftliche, hier eine vaterl?ndische sein. Jenes ist der Ph?bus, >>ein Journal f?r die Kunst,<< zu dessen Herausgabe er sich mit Adam M?ller und dem Maler Ferdinand Hartmann verbunden hatte, dieses die >>Berliner Abendbl?tter.<< Pr?chtig ausgestattet, auf weissem Papier in Quart, gross gedruckt, mit kupfergestochenen Umrissen erschien der Ph?bus in monatlichen Heften, auf deren Umschlag der emporsteigende Sonnengott mit seinem Viergespann zu sehen war. Kleist erblickte wirklich eine neue Hoffnungssonne in diesem Unternehmen. Aus der Zeitschrift sollte eine Buch-, Karten- und Kunsthandlung erwachsen, in die er und seine Freunde nach dem Vorbilde der Fugger und Medici alles hineinwerfen sollten, was man auftreiben k?nne. Dichter und Buchh?ndler zugleich zu sein, darin lag die Hoffnung des grossen Looses; ausserdem war Novalis Nachlass, Beitr?ge von Goethe und Wieland zugesagt. Ruhmredig pries Adam M?ller seinem Freunde Gentz, dass es wohl noch keine ?hnliche Verbindung der Poesie und Philosophie und der bildenden Kunst gegeben, und meinte jede Vergleichung mit den Horen, als >>einer Art von sonnt?glicher Retraite oder Ressource<<, und selbst mit dem Athen?um abweisen zu k?nnen. Dennoch war es kein Treffer; die gehofften Mittel und Beitr?ge blieben aus, mit der Missgunst der Buchh?ndler waren die noch missg?nstigeren Zeitumst?nde im Bunde, und schon im August 1808 ward es Kleist deutlich, das Journal werde sich auf die Dauer nicht halten. Am Ende war man zufrieden, es der Waltherschen Buchhandlung in Dresden ?berlassen zu k?nnen, und mit dem zw?lften Monatshefte des Jahres 1808 h?rte es auf. F?r uns liegt der ?berwiegende Werth desselben darin, dass Kleist es zur ersten Niederlage seiner bedeutendsten Dichtungen gemacht hat.

In dem unscheinbarsten Gewande, der Zeit angemessen, wo man alle Veranlassung hatte, ger?uschlos zu wirken, traten die Berliner Abendbl?tter seit dem 1. October 1810 auf. Klein Octav, graues L?schpapier, stumpfe Lettern, die von mittlerer Gr?sse, unter Anwendung aller H?lfen der Raumersparniss, bis zu den kleinsten Augent?dtern hinabstiegen, durch zahllose Druckfehler entstellt, bieten sie einen ungemein k?mmerlichen Anblick dar; ?usserlich stehen sie auf einer Stufe mit dem bekannten Berliner Localblatte, der Beobachter an der Spree. Kein Programm war vorangeschickt, das ?ber den Zweck des Blatts Andeutungen gegeben h?tte, selbst in der ersten Nummer nannten sich weder Redacteur noch Buchdrucker, und erst unter dem 22. October trat Kleist in einer von ihm unterzeichneten Erkl?rung aus dem Dunkel hervor, w?hrend die buchh?ndlerische Spedition von J. E. Hitzig ?bernommen wurde. Diese d?rftigen Bl?tter haben einige bekannte Dichtungen Kleist's in die Welt zuerst eingef?hrt; sie enthalten aber noch weit mehr, theils unter seinem Namen, theils unter verschiedenen Zeichen, was nachher im Sturm eines halben Jahrhunderts verweht und vergessen worden ist. Damals wenig beachtet, sind sie jetzt ein wichtiges H?lfsmittel zur Litteratur und W?rdigung des Dichters. Doch geh?rt ein vollst?ndiges Exemplar zu den gr?ssten Seltenheiten des B?chermarkts. Tieck muss sie bei der Herausgabe des Nachlasses noch gehabt haben; in der Vorrede sagt er, dass sie >>ungleich und oft fl?chtig von verschiedenen Verfassern geschrieben, doch manches Erfreuliche von ihm enthalten,<< doch geht er auf eine Ausscheidung desselben nicht ein. B?low erhielt beim Abschlusse seines Buchs, wie er in der Vorrede sagt, noch ein Exemplar; doch ist es entweder nicht vollst?ndig gewesen oder von ihm nicht vollst?ndig benutzt worden, denn in dem Anhange giebt er nur zwei St?cke >>?ber das Marionettentheater<< und >>eine Anekdote aus dem letzten preussischen Kriege<<; das Uebrige bezeichnet er >>als unbedeutende gelegentliche Aufs?tze und Bemerkungen.<< Auch der neueste Herausgeber Julian Schmidt hat der Abendbl?tter nicht habhaft werden k?nnen. Ich w?rde mich in gleicher Lage befinden, wenn mich nicht Herr Freiherr W. v. Maltzahn durch die freundschaftliche Mittheilung derselben aus seinem reichen B?cherschatze in den Stand gesetzt h?tte, diese versch?ttete Quelle durch eigene Untersuchung wieder zu ?ffnen. Vor mir liegen 75 Bl?tter vom 1. October bis 28. December 1810, ein volles Quartal. Aber wie sich aus dem Briefe Kleist's an F. v. Raumer vom 21. Februar 1811 in dessen k?rzlich erschienenen Lebenserinnerungen und Briefwechsel ergiebt, sind die Abendbl?tter erst gegen Ende dieses Monats eingegangen; die letzten Nummern scheinen ganz verschollen zu sein. Mitarbeiter waren Adam M?ller, A. v. Arnim, Brentano, Friedrich Schulz, Fouqu? und einige andere. Doch litt das Unternehmen an innerer Planlosigkeit, es brachte bunt zusammengew?rfelte Artikel ?ber Fragen der innern Politik und das Theater, dichterische Beitr?ge und Polizeiberichte, und scheiterte zuletzt an dem Zerw?rfniss mit den obersten Staatsbeh?rden, auf deren Unterst?tzung Kleist nicht ohne Selbstt?uschung gerechnet hatte, wie seine leidenschaftliche Anklage F. v. Raumers beweist.

Er selbst hat zahlreiche und sehr verschiedenartige Beitr?ge geliefert. Aus der Ermittelung und Zusammenstellung derselben wird sich eine nicht ganz geringe und kaum noch gehoffte Nachernte ergeben, die ich mit den vorher besprochenen handschriftlichen Bruchst?cken zu einem Ganzen verbinde.

Einiges steht durch die Unterzeichnung, anderes durch den Inhalt fest. Durch sein offenkundiges H. v. K. bekennt er sich am 5. October zu der >>Ode auf den Wiedereinzug des K?nigs im Winter 1809<<; am 17. October zu dem Artikel >>Theater. Unmassgebliche Bemerkung<<; am 12. December zu dem Aufsatze >>?ber das Marionettentheater.<< Anerkannt hat er durch Aufnahme in den zweiten Band der Erz?hlungen 1811 >>das Bettelweib von Locarno<< vom 11. October, und >>die heilige C?cilie oder die Gewalt der Musik, eine Legende<< hier mit dem Zusatze >>Zum Taufangebinde f?r C?cilie M....<< vom 15. November, die erste mit ^mz^, die andere ^yz^ unterzeichnet. Er wandte also verschiedene Schriftstellerzeichen an, je nachdem er erkannt, errathen oder verborgen bleiben wollte. Die Wahl solcher Chiffern ist freilich durchaus willk?rlich, und der Versuch ohne anderweitige B?rgschaft aus ihnen einen Schluss auf den Verfasser zu ziehen, w?re sehr misslich. Doch sollte der Schriftsteller in diesen Dingen auch kein entschiedenes System gehabt haben, dennoch wird man irgend eine Art von Folgerichtigkeit annehmen d?rfen; wahrscheinlich werden die einmal gebrauchten Zeichen, sei es in etwas abweichender oder derselben Verbindung wiederkehren. Auch Kleist wird die Buchstaben ^m^, ^x^, ^y^, ^z^ wiederholt angewendet haben, und wenn ihnen Auffassung und Darstellung zustimmen, wird man mit ann?hernder Gewissheit aussprechen k?nnen, ob ein St?ck von ihm sei oder nicht.

Zun?chst nach diesen ?usseren Zeichen stelle ich die Aufs?tze zusammen: ^xy^ ist unterzeichnet der Artikel >>Theater<< vom 4. October . ^x^: die >>Einleitung, Gebet des Zoroaster<< vom 1. October ; >>Anekdote aus dem letzten Kriege<< vom 20. October ; >>von der Ueberlegung, eine Paradoxe<< vom 7. Decbr. . ^y^: >>Brief eines Mahlers an seinen Sohn<< vom 22. October ; >>Schreiben aus Berlin vom 28. October<< unter dem 30. Oct. ; >>Brief eines jungen Dichters an einen jungen Mahler<< 6. November . ^z^: >>Betrachtungen ?ber den Weltlauf<< 9. October . ^xyz^: >>Der Branntweins?ufer und die Berliner Glocken, eine Anekdote<< 19. October . Das Zeichen ^mz^ erscheint in Verbindung mit ^r^. ^rmz^ ist gezeichnet >>N?tzliche Erfindungen, Entwurf einer Bombenpost<< 12. Octbr. ; ^rm^ >>A?ronautik<< 29., 30. October . ^rz^: >>Der verlegene Magistrat, eine Anekdote<< 4. October . ^r^: >>Muthwille des Himmels, eine Anekdote<< 10. October . Ein anderes Mal gesellt sich zu ^x^ noch ^p^. ^xp^ erscheint unter drei Epigrammen, 24., 31. October .

Hier verlassen uns diese Spuren; doch nehme ich f?r Kleist noch eine Anzahl St?cke, die entweder v?llig abweichende oder gar keine Zeichen haben, aus inneren Gr?nden in Anspruch. Zwei gereimte Epigramme, 12., 30. Octbr. unter ^st^. Zu dem Aufsatz >>Empfindungen vor Friedrich's Seelandschaft<< ^cb^ unterzeichnet, hat er sich in der folgenden Erkl?rung vom 22. October selbst bekannt: >>Der Aufsatz der Hrn. L. A. v. A. und C. B. ?ber Hrn. Friedrich's Seelandschaft war urspr?nglich dramatisch abgefasst; der Raum dieser Bl?tter erforderte aber eine Abk?rzung, zu welcher Freiheit ich von Hrn. A. v. A. freundschaftlich berechtigt war. Gleichwohl hat dieser Aufsatz dadurch, dass er nunmehr ein bestimmtes Urtheil ausspricht, seinen Charakter dergestalt ver?ndert, dass ich zur Steuer der Wahrheit, falls sich dessen jemand noch erinnern sollte, erkl?ren muss: nur der Buchstabe desselben geh?rt den genannten beiden Hrn.; der Geist aber und die Verantwortlichkeit daf?r, so wie er jetzt abgefasst ist, mir. H. v. K.<<

In dieser Erkl?rung liegt ein Widerspruch. Hatte er Arnim's und Brentano's Dialog in diese Betrachtung umgesetzt, so geh?rte ihm sicherlich auch der Buchstabe an; sein Stil ist es unverkennbar. Durch das Zeichen ^cb^ wollte er, wie es scheint, Clemens Brentano's Autorschaft wahren.

Kleist geh?ren ferner an: ^vaa^ bezeichnet die Erz?hlung >>Warnung gegen weibliche J?gerei<< 5., 6. November ; ^ava^, eine Umstellung des vorigen, >>die sieben kleinen Kinder<< 8. Nov. ; M. F. die beiden Erz?hlungen >>die Heilung<< vom 29. November und >>das Grab der V?ter<< 5. December ; und >>Allerneuester Erziehungsplan<< unterzeichnet Levanus 29. October . Ohne jedes Zeichen sind folgende St?cke: >>Der Griffel Gottes<<, eine Anekdote 5. October ; >>Anekdote aus dem letzten preussischen Kriege<< 6. October in B?low's Nachtrag; >>Charit?-Vorfall<< 13. October ; >>Schreiben aus Berlin<< 15. October ; >>Anekdote<< 24. October ; >>R?thsel<< eine Anekdote, 1. Novbr. ; >>Tages-Ereigniss<< 7. Novbr. ; >>von einem Kinde, das kindlicher Weise ein anderes Kind umbringt<< 13. November ; >>Legende nach Hans Sachs. Gleich und Ungleich<< 3. November; und >>Legende nach Hans Sachs. Der Welt Lauf.<< 8. December ; endlich zwei Anekdoten, 22. November und 27. November .

Diese Aufs?tze, nach Werth und Inhalt sehr ungleich, gehen von der h?chsten Betrachtung bis zur niedrigen Tagesanekdote hinab. Mit manchem Beitrag ist es ihm durchaus Ernst, andere sind nichts als Raumf?ller und L?ckenb?sser. Um den Beweis anzutreten, sie alle seien von einem Verfasser, und zwar von Kleist, war es n?thig, das Gleichartige in eine Klasse zu bringen; schon daraus musste sich manches ergeben, was f?r die innere Zusammengeh?rigkeit spricht. Ich habe sie nach der prosaischen und dichterischen Form in zwei Abtheilungen geschieden, deren erste enth?lt: 1. Politische Satiren, 2. Politische Aufrufe und Betrachtungen, 3. Erz?hlungen und Anekdoten, 4. Kunst und Theater, 5. Gemeinn?tziges; worauf die wenigen versificirten St?cke unter dem zweiten Haupttitel folgen.

Add to tbrJar First Page Next Page

 

Back to top