Read Ebook: Beatrice by Heyse Paul
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Ebook has 170 lines and 23070 words, and 4 pages
Der Vater? sagte sie und lachte. Den f?rchten wir nicht. Er tut immer, als w?re er ein Menschenfresser, und Bicetta braucht ihn nur anzusehn, so ist er um den Finger zu wickeln. Aber kommt morgen lieber eine Stunde sp?ter. Wir haben Zeichenstunde und k?nnen Euretwegen den Professor doch nicht wegschicken. Wollt Ihr?
Eine Kutsche rollte auf der Landstrasse heran, ich hatte nur Zeit, der Kleinen noch ein Ja zuzurufen, dann war sie mir schon entschl?pft, und ich selbst floh rasch die Mauer entlang, um nicht hier am Gitter betroffen zu werden. Der Wagen hielt richtig am Portal, mein alter graub?rtiger Freund, der Hausverwalter, sprang vom Sitz neben dem Kutscher herab und half einem hochgewachsenen schlohweissen alten Herrn aus dem Wagen, in dem ich sogleich, an Augen, Stirn und Nase, Beatrices Vater erkannte. Er ging etwas geb?ckt und mit trippelnden Schritten, sich die H?nde reibend und ?ber das ganze Gesicht lachend. Ein Diener hob einen Korb mit Blumen und allerlei eingewickelten Sachen aus dem Wagen und trug ihn dem Alten nach. Ich hatte mich so an die Mauer gedr?ckt, dass keiner mich bemerkte. Ich selbst aber ?bersah die ganze Szene. Ehe noch einer gel?utet hatte, flog die Gitterpforte weit auf, und die schlanke weisse Gestalt der Tochter hing sich an den Hals des alten Herrn, der sie mit einer r?hrenden Heftigkeit in seine Arme schloss und dann halb schwebend hineintrug. Die anderen folgten. Ich sah mit Neid das Tor hinter ihnen ins Schloss fallen.
Wie ich die Stunden dieses Tages und der folgenden Nacht hinbrachte, weiss ich selber nicht. Es war ein best?ndiges Zwielicht um mich her, eine s?sse Bet?ubung, eine Schlaftrunkenheit, die mir die Augen zudr?ckte, w?hrend es best?ndig in mir sang und klang wie Fl?ten und Geigen. Denn sonderbar! so wenig zuversichtlich ich von jeher Frauen und M?dchen gegen?ber mich gef?hlt hatte, obwohl ich wusste, dass ich f?r einen schmucken jungen Mann galt, so getrost sah ich diesmal meinem Schicksal entgegen, als w?re mir das Herz dieses M?dchens so gewiss, wie dass morgen die Sonne aufgehen w?rde. Nur die Zeit, bis ich es von ihren Lippen h?ren sollte, schien un?berwindlich lang und langsam.
Noch muss ich hier eine seltsame Begegnung erw?hnen, die ich am anderen Tage in einer Kirche hatte. Ich war absichtslos hineingetreten, bloss um den Ort meiner Ungeduld zu ver?ndern. Denn weder Bilder noch S?ulen, noch die Menschen, die vor den Alt?ren knieten, interessierten mich nur im geringsten. Ich war so zerstreut, dass ich meinen Schritt zu d?mpfen vergass, da doch eben Messe war. Erst ein unwilliges Gemurmel eines alten Weibes erinnerte mich, dass ich mich unschicklich betrug. Da blieb ich am ersten besten Pfeiler stehen, horchte auf das Gesumme der Orgel und das Klingeln des Gl?ckchens und atmete den Weihrauch behaglich ein. Aber wie ich so die Augen mit abwesendem Geist ?ber die kniende Menge schweifen lasse--ich selbst als Sohn eines strengen Calvinisten enthielt mich nat?rlich dieses and?chtigen Brauches--, bemerke ich in einem Seitenstuhl mir gerade gegen?ber zwei dunkelblaue Augen unter einer weissen, von lichtbraunem Haar ?berhangenen Stirn, die sich unbeweglich auf mich heften und auch nicht ihre Richtung ?ndern, solange die Messe dauerte. Ich gestehe, dass mir zu jeder anderen Zeit diese stumme Anrede eine Erwiderung abgelockt h?tte. An jenem Morgen blieb ich ganz unempfindlich und w?re am liebsten fortgegangen, wenn ich nicht eine neue St?rung h?tte vermeiden wollen. Als aber alles sich erhob, sah ich, wie die sch?ne Frau rasch aufstand, den schwarzen Spitzenschleier ?ber den Kopf zog und durch den schmalen Gang gerade auf mich zu kam. Sie war tadellos gewachsen, ein wenig zu voll, aber von einer Leichtigkeit der Bewegungen, die sie noch jugendlich erscheinen liess. In ihrer weissen Hand, die ohne Handschuh den Schleier zusammenhielt, trug sie einen kleinen F?cher mit Perlmuttergriff. Den ?ffnete sie halb und bewegte ihn nachl?ssig, als sie in meine N?he kam, und sah mir dabei mit einem ruhigen, aber vielsagenden Blick voll ins Gesicht. Dann, da ich keine Miene machte, als ob ich irgend etwas zu verstehen glaubte, warf sie den Kopf ein wenig zur?ck, l?chelte vornehm, dass ihre sch?nen Z?hne schimmerten, und rauschte an mir vorbei.
Im n?chsten Augenblick schon hatte ich dies Intermezzo vergessen. Aber meine Freudigkeit war pl?tzlich verschwunden. Je n?her der Abend r?ckte, je b?nger wurde mir der Mut, und in der verabredeten Stunde schleppte ich, wie ein schwerer Verbrecher, der vor seinen Richter treten soll, meine Schritte nach der Villa hinaus.
Ich erschrak heftig, als ich statt der Nina, die ich am Gitter zu treffen dachte, ihren Vater am Portal stehen sah. Aber der Alte, obwohl er m?rrisch genug aussah, nickte mir doch schon von weitem zu und machte ein Zeichen, dass ich n?hertreten sollte.
Ihr habt der Signorina einen Brief geschrieben, sagte er, den Kopf sch?ttelnd. Ei, ei, warum habt Ihr das getan? Wenn ich das von Euch gedacht h?tte, mit meinem Willen h?ttet Ihr keinen Fuss in das Haus gesetzt. Und mein armer Herr, und alles, was ich ihm versprochen habe, und was alles noch kommen kann--ich darf gar nicht daran denken!
Tapfrer alter Freund, sagt' ich, es sollte nicht hinter Eurem R?cken geschehen. W?rt Ihr gestern zu Haus gewesen, gewiss, ich h?tte den Brief Euch selbst gegeben und allenfalls h?ttet Ihr ihn lesen k?nnen, um zu sehn, dass ich nichts als Ehrenhaftes im Sinn habe. Aber sagt um Gottes willen-Kommt, unterbrach er mich. Wir wollen die Zeit nicht verderben. Ihr seid ein honetter junger Herr, und ?brigens: wie sollt' ich alter Tropf es hindern, wenn ich's auch wollte? Sie ist die Herrin, glaubt es mir, so jung sie ist. Wenn sie sagt: das will ich! so widersteht ihr niemand. Und sie will Euch sehn, sogleich, sie will selbst mit Euch sprechen.
Mir taumelten alle Sinne bei diesen Worten. Ich hatte nur auf einen Brief gehofft; nun das!
Der Alte schien selbst ger?hrt, als ich ihm st?rmisch die Hand dr?ckte, Er f?hrte mich nach dem Hause und wie vorgestern durch die Seitent?r hinein in den Saal des Erdgeschosses. Nur waren heut alle L?den und Vorh?nge ge?ffnet, um das Abendrot einzulassen; zwei Sessel standen dem Kamin gegen?ber, und von dem einen erhob sich, als wir eintraten, die geliebte Gestalt des M?dchens und tat einige Schritte mir entgegen. Sie hatte ein Buch in der Hand, in dem ich meinen Brief stecken sah. Ihre reichen Haare waren aufgebunden und mit einem schwarzen Samtband durchzogen. Auf ihrer Brust sah ich wieder mein Medaillon.
Fabio, sagte sie, mach die T?r nach dem Garten auf und bleib auf der Terrasse, f?r den Fall, dass ich dir etwas aufzutragen h?tte.
Der Alte verneigte sich ehrerbietig und tat, was sie ihn geheissen hatte. W?hrenddessen standen wir uns unbeweglich gegen?ber, und ich konnte vor Herzklopfen kein Wort hervorbringen.
Ihr Blick ruhte mit unersch?tterlichem Ernste, halb fragend, halb staunend, auf meinen Augen. Endlich schien sie sich gefasst zu haben und klar zu wissen, was ihr noch eben r?tselhaft gewesen war. Sie reichte mir die Hand, die ich rasch ergriff, aber nicht an meine Lippen zu dr?cken wagte.
Komm, sagte sie, und setz dich. Ich habe dir viel zu sagen. Siehst du das Bild? Das ist meine liebe Mutter, die ist lange tot. Als ich deinen Brief gelesen hatte, hab' ich mich hierher gesetzt und sie gefragt, was ich dir antworten sollte. Dann schien mir's, als ob sie zu nichts ihre Zustimmung geben k?nnte, als zu der Wahrheit. Und die Wahrheit ist, dass ich, seit ich dich damals im Wagen gesehn, keinen anderen Gedanken gehabt habe als an dich, und dass ich bis an meinen Tod nicht aufh?ren werde, an dich zu denken.
Ich wusste nicht, wie mir geschah, als ich diese schlichten Worte h?rte. Ich st?rzte nieder neben ihrem Sessel, ergriff ihre beiden H?nde und bedeckte sie mit K?ssen und Tr?nen.
Warum weinst du nun? sagte sie und suchte mich aufzuheben. Bist du nicht gl?cklich? Ich bin es. Ich habe schon viel Schmerzen gehabt, aber in diesem Augenblick ist alles ausgel?scht; ich weiss nur, dass du bei mir bist und ich bei dir, und dass ich nun nie mehr ungl?cklich werden kann.
Sie stand auf und ich riss mich in die H?he. Ich wollte sie im Taumel des Gl?cks in die Arme schliessen, aber sie trat sanft einen Schritt zur?ck. Nein, Amadeo, sagte sie, das darf nicht sein. Du weisst nun, dass ich dein bin und nie eines anderen sein werde. Aber lass uns ruhig bleiben. Ich habe alles bedacht in dieser langen Nacht. Du darfst nun nicht mehr in dies Haus kommen, ich hab' es dem guten Fabio versprochen, dass ich dich heute hier zum ersten und letzten Male sehen wollte. Denn wenn du ?fter k?mest, h?tt' ich bald keinen Willen mehr als deinen, und ich will meinem Vater keine Schande machen. H?re, du musst zu ihm gehn, du wirst keine M?he haben, im Hause eingef?hrt zu werden; es gehen ja, f?gte sie mit einem Seufzer hinzu, so viele junge Leute dort ein und aus, auch Fremde genug. Wenn er dich dann ein wenig kennengelernt und Zutrauen zu dir gefasst hat, dann halte um mich an, und du magst ihm auch sagen, dass wir uns kennen und dass ich niemand zum Mann haben will als dich. Das andere ?berlass nur mir, und versprich mir auch, seine Frau nicht ins Vertrauen zu ziehn. Das w?re das Allerschlimmste, weil sie mich nicht liebt und es nicht gern s?he, wenn ich gl?cklich w?rde. Ach, Amadeo, ist es denn m?glich, dass du mich liebst, ganz so, wie ich dich liebe? War dir's denn auch so an jenem ersten Tage, als wenn der Blitz neben dir einschl?ge und die Erde bebte und B?ume und B?sche umher st?nden in Feuer? Ich weiss nicht, wie es kam, dass mich der Mutwille trieb, dem Fremden, der unter dem Schirme schlief, den Zweig zuzuwerfen. Ich sah nicht einmal dein Gesicht; es war eine Kinderei, und sie reute mich fast im selben Augenblick. Aber dann zog mich's unwiderstehlich, ich musste noch einmal ?ber die Mauer sehen, und da standst du aufrecht im Wagen und gr?sstest mich mit den Granatbl?ten, und da ?berlief es mich heiss und kalt, und seitdem stehst du immer vor mir, was ich auch tue oder lasse!
Ich hatte sie wieder zu den Sesseln gef?hrt und hielt best?ndig ihre Hand, w?hrend ich ihr erz?hlte, wie mir diese Tage vergangen waren. Sie sah mich dabei nicht an, so dass ich nur das reizende junge Profil vor mir hatte; aber alles war ausdrucksvoll an diesem Gesicht, bis auf die seelenvolle Bl?sse und die zarten, br?unlichen Schatten unter den langen Wimpern. Dann schwieg ich auch wieder und f?hlte nur in den feinen Adern ihres H?ndchens, das ich in meinen hielt, das rasche Blut klopfen. Der alte Fabio sah einmal bescheidentlich herein und fragte: ob er Fr?chte bringen sollte?
Hernach! sagte sie. Oder bist du durstig?
Nach deinen Lippen, fl?sterte ich.
Da sch?ttelte sie wieder den Kopf, und ihre feinen Brauen wurden ernsthaft.
Du liebst mich nicht! sagte ich.
Viel zu sehr! erwiderte sie mit einem Seufzer. Dann stand sie auf. Wir wollen noch durch den Garten gehen, eh die Sonne ganz hinunter ist. Ich will dir Orangen pfl?cken. Diesmal brauch' ich es nicht der Nina aufzutragen.
So gingen wir, und sie hielt meine Hand fest und fragte allerlei, nach meiner Heimat, meinen Eltern, und ob das Haar in dem Medaillon mein eigenes sei. Als ich sagte, meine Schwester habe mir's gegeben, musst' ich von der erz?hlen. Ich will sie sehen, sagte sie; sie muss mich lieben, denn ich liebe sie schon jetzt. Dann aber k?nnen wir dort nicht bleiben, weil es mein Vater nicht ?berlebte, sich von mir zu trennen. Er hat keine Freude ausser mir. Nicht wahr, du kehrst dann wieder mit mir nach Bologna zur?ck?
Ich versprach, was sie nur verlangte. Was w?re mir auch unm?glich erschienen, seit sich dieses Wunder begeben und das holde Gesicht mich mit Liebesaugen ansah!--Nun wurde sie immer heiterer, wir lachten endlich zusammen wie die Kinder und warfen uns mit den Orangen, die sie von den B?umen am Glashause gebrochen hatte. Komm, sagte sie, wir wollen Federball spielen. Nina soll mitspielen, obwohl ich fast eifers?chtig werden m?chte, denn sie spricht nur von dir. Sieh, wie sie sich beiseite schleicht, weil sie glaubt, sie st?re uns. Was haben wir uns zu sagen, das nicht die ganze Welt und Himmel und Erde h?ren k?nnten?
Sie rief nach ihrer Gespielin, und das gute Kind kam mit gl?hendem Gesicht heran, gab mir die Hand und sagte: Ich hoffe, Ihr verdient Euch Euer Gl?ck. Niemand als Euch h?tte ich sie geg?nnt. Aber wenn Ihr sie nicht gl?cklich macht, Herr Amadeo--wehe Euch!
Sie begleitete ihre Drohung mit einer so lebhaften tragischen Geb?rde, dass wir beide lachen mussten, und sie selbst lachte mit. Auf dem Rasenplatz, wo ich die M?dchen damals belauscht hatte, liessen wir nun zu dreien den bunten Federball fliegen und waren bald so fortgerissen von unserem Spiel, als h?tten wir gar keine wichtigeren Angelegenheiten und nicht vor einer halben Stunde ?ber unser Lebensgl?ck entschieden.
Papa Fabio liess sich nicht blicken. Als die Schatten dichter wurden, begleiteten mich die beiden M?dchen ans Gitter. Ich ward ohne einen Kuss des lieblichsten, geliebtesten Mundes hinausgeschoben und haschte nur noch durch die Eisenst?be ihre Hand, um eine Minute lang meine Lippen darauf ruhen zu lassen.
Welch ein Abend und welch eine Nacht! Die Leute in meinem Gasthof mochten denken, dass ich nicht recht gescheit oder ein Engl?nder sei, was ihnen ziemlich das Gleiche bedeutet. Ich kam mit einem grossen Korbe frischer Blumen nach Hause, den mir die Verk?uferin nachtrug; die verstreute ich oben in meinem Zimmer, bestellte mir Wein und warf einem Geiger, der auf der Strasse spielte, einen blanken F?nffrankentaler hinunter. Dann schlief ich bei offenen Fenstern in der gelinden Nachtk?hle und entsinne mich noch deutlich, wie es mir vorkam, als f?hlte ich das Sch?ttern und Schwingen des Erdballs bei meiner Reise durch den Sternenhimmel in meinem Herzschlag nachzittern.
Erst am folgenden Morgen besann ich mich, dass noch manches zu ?berwinden war, bis ich besitzen durfte, was mein war. Wie sollte ich in das Haus ihres Vaters kommen? Und w?rde er ebenso rasch Zutrauen zu mir fassen wie seine Tochter? Indem ich eben unter den Arkaden schlendernd dar?ber nachsann, kam mir wieder mein Gl?ck zu Hilfe. Jener Gesch?ftsfreund begegnete mir, den ich am zweiten Tage aufgesucht, und staunte nicht wenig, mich noch hier zu finden. Ich sch?tzte vor, dass ich Briefe meines Schwagers abwarten m?sse. Der Plan sei aufgetaucht, in Italien eine Kommandite unseres Hauses zu gr?nden, und es sei dabei zun?chst von Bologna die Rede gewesen. Jedenfalls m?sse ich nun meinen Aufenthalt ins Unbestimmte verl?ngern und Bekanntschaften machen. Dabei nannte ich neben anderen Namen angesehener Familien das Haus des Generals. Unser Gesch?ftsfreund kannte ihn nicht selbst. Aber ein junger Geistlicher, sein Vetter, gehe dort ein und aus und werde mich gern einf?hren. Ich m?ge mich nur vor den gef?hrlichen Augen der sch?nen Frau in acht nehmen; denn obwohl sie nicht in dem Rufe stehe grausam zu sein, so w?rde ich doch gerade jetzt meine Zeit sehr fruchtlos verschwenden, da ein junger Graf ihr erkl?rter Galan sei und nicht geneigt scheine, so bald einem neuen Pr?tendenten Platz zu machen.
Ich stimmte in diesen Ton mit ein, so gut ich konnte, und wir verabredeten das N?here. Schon am Abend dieses Tages traf ich mit dem jungen Geistlichen in einem Caf? zusammen und liess mich nach dem Hause f?hren, das in einer stillen Strasse lag; ein Palazzo, ?usserlich ganz unscheinbar, im Innern mit grossem Luxus ausgestattet. ?ber schwere Teppiche traten wir in das Zimmer, wo man allabendlich einen kleinen Kreis von Habitu?s empfing, Pr?laten von jedem Rang, Milit?rs, einige alte Patrizier, immer nur M?nner. Mein junger Abbate konnte nicht genug sagen, welch ein Gl?ck es sei, in diesem Hause Zutritt zu haben. Welch eine Frau! seufzte er. Er schien die Hoffnung zu hegen, dass auch an ihn noch einmal die Reihe kommen w?rde.
Als ich eintrat, fiel mein erster Blick auf den alten General, der in einem Lehnstuhl sass, einem alten Kanonikus gegen?ber, zwischen ihnen ein Marmortischchen, auf dem die Dominosteine klapperten. Auf einem Taburett neben ihm lagen Bilderb?gen und Soldatenfiguren, und die Schere, mit der er sie auszuschneiden pflegte, wenn gerade niemand da war, der eine Partie mit ihm machen wollte. Eine Lampe hing ?ber ihm von der Decke herab, und von neuem ?berraschte mich in der scharfen Beleuchtung die ?hnlichkeit mit meiner Beatrice. Mein Begleiter liess mich nicht lange bei ihm verweilen. Nach den ersten h?flichen Worten meinerseits, die der Greis mit einem kindlich gutm?tigen L?cheln und einem H?ndedruck erwiderte, musste ich in ein kleines Kabinett nebenan treten, wo die Frau vom Hause auf einem Diwan lag, ein langer, geckenhaft geputzter junger Mann ihr gegen?ber auf einem Schaukelstuhl, beide, wie es schien, von ihrem T?te-?-t?te ein wenig gelangweilt. Er bl?tterte in einem Album, das er auf dem Schoss hatte, die sch?ne Frau stickte ein buntes Kissen und streichelte dann und wann mit der Spitze ihres kleinen brokatnen Pantoffels das Fell einer grossen Angorakatze, die schlafend zu ihren F?ssen auf dem Polster lag. Bei dem ged?mpften Schein der Wandleuchter, die aus unz?hligen Spiegelgl?sern zur?ckstrahlten, sah ich nicht sogleich, dass ich die Sch?ne von der Fr?hmesse vor mir hatte, obwohl der kleine F?cher mit dem Perlmuttergriff auf einem Seitentischchen lag. Sie aber musste mich auf den ersten Blick erkannt haben. Sie fuhr so hastig in die H?he, dass ihr der Kamm aus den vollen Haaren fiel und sie aufgel?st ?ber den Nacken rollten. Die Katze wachte auf und schnurrte mich an, der lange junge Mensch warf mir einen stechenden Blick zu, und ich selbst war, als ich sie erkannte, von der ?berraschung so betroffen, dass ich es der Zungenfertigkeit meines kleinen Begleiters Dank wusste, als er mich nicht zu Worte kommen liess. Auch sie sprach lange nichts, sondern sah mich nur wieder mit demselben unverwandten Blick an, der mir schon in der Kirche unheimlich gewesen war. Erst als sie die steinerne Unh?flichkeit bemerkte, mit der der Graf meine Anwesenheit v?llig zu ?bersehen sich bem?hte, belebte sich ihr Gesicht. Sie lud mich mit einer leisen schmeichelnden Stimme, die das jugendlichste an ihr war, ein, auf dem Sofa neben ihr Platz zu nehmen, nachdem sie die Katze verjagt hatte. Ihr k?nnt indessen die Noten durchsehen, Graf, die ich heute aus Florenz bekommen habe. Ich will hernach singen und Ihr sollt mich begleiten.
Der junge L?we wollte ein wenig murren, aber ein fester Blick aus den blauen Augen b?ndigte ihn. Wir h?rten bald, wie er im Saale nebenan Akkorde auf dem Fl?gel griff. W?hrenddessen musste sich der kleine Abbate mit dem Aufschneiden neuer franz?sischer Romane besch?ftigen, und ich blieb allein ?brig, der Gebieterin den Hof zu machen. Gott weiss, wie ich jeden der beiden andern, am meisten aber den Kanonikus drinnen am Dominotisch beneidete! Vom ersten Wort, das ich mit dieser Frau wechselte, f?hlte ich eine feindselige Regung in mir, die sich nur verst?rkte, je sichtbarer sie mir entgegenkam. Ich musste all meine Klugheit aufbieten, um nur den Schein der Artigkeit zu wahren und wirklich auf das zu h?ren, was sie sagte; denn meine Gedanken waren draussen in dem Gartensaale, und durch alles gewandte, glatte Geplauder hindurch h?rte ich die sanfte Stimme meiner Geliebten und sah ihre ernsten Augen traurig auf mich geheftet.
Aber trotz meiner Geistes- und Herzensabwesenheit schien die sch?ne Frau nicht unzufrieden mit diesem ersten Gespr?ch. Sie mochte meinem beklommenen Wesen ganz andere Gr?nde unterschieben, und die Tatsache, dass ich ?berhaupt mich hatte bei ihr einf?hren lassen, deutete sie jedenfalls zu ihren Gunsten. Sie lobte mein Italienisch, nur habe es einen piemontesischen Anflug, den ich nicht besser verlieren k?nne, als wenn ich oft k?me, jeden freien Abend, ihr Haus ganz wie das meine betrachtete. Sie selbst habe traurige Pflichten zu erf?llen, seufzte sie, mit einem Blick auf das Zimmer nebenan, von wo man eben das gutm?tige Lachen des alten Herrn ?ber eine gewonnene Partie h?rte. Ihr Leben beginne erst in diesen Abendstunden. Ich sei freilich jung, und die Unterhaltung einer melancholischen, fr?h schon ernst gewordenen Frau k?nne kaum einen Reiz f?r mich haben. Aber eine aufrichtige Freundschaft, wie ich sie hier f?nde, sei wohl ein Opfer wert. Ich gliche einem ihrer Br?der, den sie sehr geliebt und fr?h verloren habe. Das sei ihr schon in der Kirche aufgefallen, und darum danke sie mir so innig, dass ich ihr Haus betreten.
Sie schlug mit einer sehr fein gespielten Verwirrung die Augen nieder. Dabei reichte sie mir l?chelnd die Hand, die ich fl?chtig an meine Lippen dr?ckte. Auf gute Freundschaft! sagte sie halblaut. Zum Gl?ck ?berhob mich das Eintreten neuer Besucher einer Antwort, die nicht von Herzen gekommen w?re. Es waren einige Geistliche, vollendete Weltm?nner, die mich sogleich wie einen alten Bekannten behandelten. Auch der Graf trat wieder herein und fl?sterte ihr einige Worte zu. Man erhob sich und ging in den Saal, wo der Fl?gel stand. Nun sang sie die neuen Sachen durch, w?hrend ihr Cicisbeo akkompagnierte. Ihre sch?ne Stimme erging sich in den gl?nzendsten L?ufen und Trillern, und zwischendurch bemerkte ich wohl, wie sie nach der dunklen Ecke hin?bersah, wo ich an der Wand lehnte und mechanisch, sobald eine Arie zu Ende war, in den allgemeinen Applaus einstimmte. Ich dachte best?ndig an die andere Stimme, die ich draussen in der Villa geh?rt hatte.
Diener in Livree traten leise herein und trugen auf silbernen Brettchen Sorbett und Gefrornes. Der Gesang h?rte auf, man plauderte und lachte; der General erschien, auf seinen Stock gest?tzt, erz?hlte vergn?gt, dass er sechs Partien hintereinander gewonnen habe, und fragte mich, ob ich auch spiele. Als ich es bejahte, lud er mich auf morgen ein, seinen Gegner zu machen, und rief darin dem Kammerdiener, da seine Schlafenszeit gekommen sei. Das war das Signal zum Aufbruch. Ich erhielt noch ein bedeutsames L?cheln von der Frau vom Hause und eilte, den Saal fr?her als die andern zu verlassen, da ich danach schmachtete, in der Einsamkeit die widrigen Empfindungen, die mich hier best?rmt, von mir abzusch?tteln.
Ich wurde sie aber nicht eher los, als bis ich am anderen Tag, wieder um die D?mmerung, nach der Villa hinauswanderte. Ich wusste wohl, dass mir der Eintritt verboten war; ich wollte auch nur durch das Gittertor hineinsp?hen, ob ich nicht einen Streifen ihres Kleides oder das Band ihres Strohhutes erblicken k?nnte. Da stand sie selbst auf dem Balkon, allein und den Blick der Strasse zugekehrt, als h?tte sie mich erwartet. Eine Weile begn?gten wir uns, mit Augen und H?nden uns zuzuwinken. Dann machte sie mir ein Zeichen, dass sie herunterkommen wolle, und gleich darauf trat sie aus der kleinen T?r und kam auf mich zu, das Gesicht dunkelgl?hend von Freude und Liebe. Sie reichte mir die Hand hinaus. Als ich fragte, ob ich wirklich draussen bleiben m?sse, nickte sie ernsthaft und sagte, die Hand aufs Herz legend: Du bist darum doch hier drinnen!--Dann vertieften wir uns lange in ein kindisches s?sses Liebesgeschw?tz, bis ich ihr erz?hlte, dass ich gestern bei ihren Eltern gewesen war. Als ich ein herzliches Wort ?ber ihren armen Vater sagte, ergriff sie rasch meine Hand und k?sste sie, eh' ich es wehren konnte. Von der Mutter und all ihrem Unwesen sagte ich kein Wort; sie verstand mein Schweigen wohl. Geh nur wieder hin, sagte sie, und tu ihm alles zuliebe, was du kannst. Es kann nicht fehlen, dass er dich lieb gewinnt. Dann hielt sie mir, als ich sie um einen Kuss bat, die Wange dicht ans Gitter und entriss sich mir eilig, als sie Reiter heransprengen h?rte. Ich musste fort, alle ungestillte Sehnsucht im Herzen. Ich gestehe, dass mich damals zuerst Zweifel ?ber die W?rme ihres Gef?hls f?r mich beschlichen. Ich wusste wohl, wie streng im allgemeinen die M?dchen in Italien sich selbst im Zaum halten, um hernach als Frauen sich oft um so z?gelloser gehenzulassen. Aber nicht einmal durch das Gitter hindurch mir den Mund zu g?nnen! Dann dacht' ich wieder an alles, was sie mir gesagt hatte, und ihren Blick dabei, und war getr?stet.
Nat?rlich stellte ich mich am Abend p?nktlich bei meinem alten General ein, der mich sogleich an das Spieltischchen kommandierte. Es kamen heut weniger Besucher als gestern. Der alte Kanonikus sass in der Fensternische und schlief mit lautem Schnarchen, da ich ihn beim Domino abl?ste. Diesmal hatte sich die Frau nicht in ihr Kabinett zur?ckgezogen, sondern sass auf einem Kanapee unweit unseres Tisches, der lange Galan um so ?bellauniger ihr gegen?ber. Sie hatte ihm einen Roman in die Hand gegeben, aus dem er vorlesen musste. Er versprach sich oft und warf endlich das Buch mit einem landes?blichen Fluch beiseite, den man sonst nicht in gute Gesellschaft mitbringt. Seine Gebieterin stand auf und winkte ihm, ihr ins Nebenzimmer zu folgen, wo sich ein halblaut gef?hrtes leidenschaftliches Gespr?ch entspann. Ich verstand nur so viel, dass sie ihm drohte, ihm das Haus zu verschliessen, wenn er sein Betragen nicht ?ndere.--Der Alte, der ?ber sein Spielgl?ck sehr fr?hlich war, horchte einen Augenblick auf. Was haben sie nur? sagte er. Ich zuckte die Achseln. Ein wunderlich ?ngstlicher Zug ging ?ber sein Gesicht. Er seufzte und schien einen Augenblick unschl?ssig, ob er sich einmischen solle. Dann sank er in sich zusammen und schien zu tr?umen.--Der Kanonikus wachte auf und nahm eine Prise und bot auch dem alten Herrn die Dose. Das brachte ihm seinen Gleichmut wieder, und wir setzten unser Spiel eifrig fort. Er sagte mir, als ich endlich ging, ich m?chte ja wiederkommen, er spiele noch lieber mit mir als mit Don Vigilio, dem Kanonikus. Diese Worte begleitete er mit einem herzlichen H?ndedruck und der liebensw?rdigsten Freundlichkeit, wie er ?berhaupt bei all seiner Schw?che die Formen eines Kavaliers aus der alten Schule noch immer beherrschte.--Die Frau entliess mich k?lter als gestern, doch, wie mir schien, nur des Grafen wegen, mit dem inzwischen eine Auss?hnung stattgefunden hatte.
Und ich t?uschte mich nicht. Denn am Abend darauf, wo der Graf durch einen kleinen Ausflug von seinem Posten ferngehalten war, verdoppelte sie ihre Anstrengungen, mich in ihr Netz zu ziehen. Ich spielte die Rolle des arglosen jungen Menschen, der in aller Ehrerbietung nichts h?rt und sieht und versteht, und sah wohl, dass sie doch nicht ganz daran glaubte. Aber der geringe Erfolg ihrer Bem?hungen mochte sie beleidigen und zu dem Vorsatz treiben, um jeden Preis meine wirkliche oder angenommene K?lte zu besiegen. Sie liess sich von ihrem ?rger so sehr fortreissen, dass sie auch, als der Graf wiedergekehrt war, sich durchaus keinen Zwang antat. Auch die anderen Hausfreunde sahen, wie die Dinge standen. Ich h?rte nur zu bald durch meinen Gesch?ftsfreund, dass man schon in der Stadt von mir sprach; er w?nschte mir Gl?ck zu dieser Eroberung und ahnte nicht, wie mir dabei zu Mut war. Ich sah ein, dass ich keinen Tag mehr z?gern durfte, meine wahren Absichten zu erkl?ren.
Ein Gespr?ch mit dem jungen Grafen gab den Ausschlag.
Er erwartete mich eines Abends, als ich in mein Hotel zur?ckkehrte, begr?sste mich mit eisiger H?flichkeit und bat mich kurz und b?ndig, entweder meine Besuche in jenem Hause einzustellen, oder mich auf ein Rencontre anderer Art gefasst zu machen. Ich sei fremd und mit den Landessitten wohl nicht hinl?nglich bekannt, sonst w?rde er sich nicht die M?he genommen haben, mir erst noch diese Warnung zu erteilen.
Ich erwiderte, dass ich ihn noch vierundzwanzig Stunden zu warten b?te, er werde dann erkennen, dass nichts l?cherlicher sei als eine Rivalit?t zwischen uns beiden. Er sah mich gross an; aber da ich keine Miene machte zu weiteren Er?ffnungen, verneigte er sich und ging.
Am anderen Tag schon in der Fr?he--denn ich wusste, dass der alte Herr zeitig aufstand--liess ich mich bei ihm melden und traf ihn in seinem Schlafzimmer, aus einer langen t?rkischen Pfeife rauchend, im gr?ssten Behagen. Er hatte seinen ganzen Schatz an ausgeschnittenen Figuren in vielen Pappschachteln um sich her stehen und kramte darin herum. Als er mich sah, streckte er mir mit sichtbarer Freude die Hand entgegen, lobte mich, dass ich ihn auch einmal am Morgen besuchte, bot mir eine Pfeife an und wollte mir, da ich sie ablehnte, mit Gewalt ein paar Reiterfiguren zum Andenken verehren, auf die er besonderen Wert legte. Das Herz wurde mir schwer, da ich daran dachte, dass mein Gl?ck in der Hand dieses armen Alten ruhe. Aber als ich das erste Wort von seiner Tochter gesagt hatte, verwandelte sich zu meinem Erstaunen der Ausdruck seines Gesichts vollst?ndig. Er ward ernst und still; nur ein gespannter Zug auf der Stirn verriet, dass er selbst bei diesem Thema M?he hatte, seine Gedanken zu sammeln. Ich verschwieg ihm nichts, von unserem ersten Begegnen an bis zu dieser Stunde. Er nickte dann und wann zustimmend; wenn ich von meiner Neigung sprach, gl?nzten ihm die Augen, und er sah gen Himmel mit einer feierlichen R?hrung, die seine edlen Z?ge wahrhaft verkl?rte. Dann schilderte ich ihm meine Verh?ltnisse, den nat?rlichen Wunsch, wenn er mir sein Kind anvertraute, meine junge Frau mit in meine Heimat zu nehmen, wie ich aber auch bereit sei, einige Jahre in seiner N?he zu bleiben, um sie ihm nicht zu entreissen. Da fasste er meine beiden H?nde und dr?ckte sie mit einer Kraft, die ich dem welken Invaliden nicht mehr zugetraut hatte. Dann zog er mich an sich und k?sste mich herzlich, ohne dass er ein Wort sagen konnte, bis die Kraft ihn verliess und er in den Sessel zur?cksank. Aber nach einer kurzen Pause machte er mir ein Zeichen, dass ich ihn aufrichten sollte, und als er auf seinen F?ssen stand, sagte er: Du sollst mein Kleinod haben, mein Sohn, und ich danke Gott, dass ich diese Stunde noch erlebt habe. Komm! ich will hin?ber und es meiner Frau sagen. Es war mir gleich, als ich dich sah, als ob du ein gutes Herz haben m?ssest. Und wenn ich zehn T?chter h?tte, ich w?nschte sie nicht besser versorgt. Sieh nur, sieh! das b?se Kind, die Bicetta! sich einen Liebhaber anschaffen hinter dem R?cken des babbo! Aber so sind sie alle. Wenn sich's um eine Liebschaft handelt, kann man keiner trauen, keiner!--Dabei nahm sein Gesicht einen halb kummervollen, halb ?ngstlichen Ausdruck an und er seufzte; vielleicht fuhr ihm eine Erinnerung durch den Kopf. Gleich darauf umarmte er mich wieder, zupfte mich am Ohr, nannte mich einen R?uber, einen Heuchler und Verr?ter und zog mich an der Hand hinaus, um mich zu seiner Frau zu f?hren, die ihre Zimmer auf dem anderen Fl?gel des Hauses hatte.
Eine Kammerjungfer kam uns im Vorzimmer entgegen, sah mich mit grossen Augen an und liess den General erst zu ihrer Herrin hinein, nachdem sie bei ihr angefragt hatte. Mich zu empfangen, sei es noch zu fr?h. Ich war sehr froh dar?ber, obwohl mir die Zeit des Wartens unertr?glich deuchte. Ich h?rte kein Wort von dem, was drinnen verhandelt wurde, nur dass die Stimme des alten Herrn mit der Zeit lauter und gebieterischer wurde, T?ne, wie ich sie nie aus seinem Munde vernommen. Dann wieder ein langes, hastiges Fl?stern, bis die T?r aufging und der Alte hochaufgerichtet wie nach einer gewonnenen Schlacht herauskam. Sie ist dein, mein Sohn, sagte er; es bleibt dabei. Meine Frau l?sst dich gr?ssen. Sie kam mir erst mit dummen Einreden. Es ist da ein Vetter in Rom, ein junger Laffe, der vor einem Jahr, als er fortging, sagte: Hebt mir die Bicetta auf, ich will sie heiraten. Aber das war Spass, und ich und du, wir meinen es im Ernst, und du sollst sie haben, Amadeo. Es ist wahr, seufzte er, ich lasse manches gehn, wie's Gott gef?llt. Wenn man ein alter Mann ist, fallen einem die Z?gel aus der Hand. Aber es gibt Dinge, Amadeo, die mich wieder unter Waffen bringen bis an die Z?hne. Da hast du meine Hand darauf, sie wird deine Frau. Komm heute abend; du sollst sie hier finden. Umarme mich, mein Sohn! mache sie gl?cklich; sie hat es tausendmal um ihren alten Vater verdient.
Wir trennten uns, nachdem er mich noch oben an der Treppe lange an sich gedr?ckt hatte. Als ich dann am Abend wiederkam, fand ich das Haus heller als sonst erleuchtet, schon im Vorzimmer eine Menge Menschen, die mich neugierig betrachteten. Im Salon sass der General auf seinem gew?hnlichen Platz, der Kanonikus ihm wieder gegen?ber, aber die Dominosteine lagen unanger?hrt auf der Marmorplatte. Denn auf dem Schoss des Vaters sass das M?dchen, ganz ohne Putz und Schmuck, nur Granatbl?ten im Haar, die Arme um den Hals des Alten gelegt, als sei es ihr unheimlich in diesem Kreise und sie suche Zuflucht bei ihrem einzigen Freunde. Sobald sie mich sah, glitt sie von ihrem Platz herab und stand ruhig wie eine Bilds?ule da, bis ich ihr die Hand bot. Sie warf einen raschen Blick nach dem Sofa hin?ber, wo die Mutter sass, in gl?nzender Toilette; die Haare fielen auf die sch?nen entbl?ssten Schultern zur?ck, der volle weisse Arm st?tzte sich auf das rote Seidenkissen; sie hatte es offenbar darauf abgesehen, die schlanke jungfr?uliche Sch?nheit des M?dchens zu ?berstrahlen. Neben ihr sass der lange Graf, wieder im phlegmatischen Hochmut des Alleinherrschers, und nickte mir g?nnerhaft wohlwollend zu. Als ich, meine Braut an der Hand, zu den beiden trat, sah ich wohl, dass die Frau leicht erblasste. Aber sie begr?sste und begl?ckw?nschte mich mit ihrem gewinnendsten L?cheln, bot mir die Hand zum Kuss und k?sste Bicetta auf die Stirn, was diese wie leblos hinnahm. Nur das Zittern ihrer Hand sagte mir, wie ihr dabei zu Mute war.
Nun hatten wir eine grosse Cour anzunehmen, und ich bewunderte, mit wie vollendeter Haltung meine Geliebte dieser Flut von Redensarten standhielt. Der Vater sah uns in der h?chsten Gl?ckseligkeit best?ndig an. Dann winkte er uns, dass wir uns in die Fensternische setzen m?chten, wo zwei Sessel einander gegen?berstanden, und er selbst vertiefte sich mit Don Vigilio in seine Partie. Bald hatten wir ganz vergessen, wo wir waren. Von dem schwirrenden Ger?usch um uns her drang nichts an unser Ohr. Draussen an einer ?ber die Gasse gezogenen Kette hing eine tr?be ?llaterne. Aber sie leuchtete mir genug, um meinem Gl?ck in die Augen zu sehen und mich an seinem L?cheln zu berauschen.
Sp?ter als gew?hnlich verliess man heute das Haus. Es wurde Champagner getrunken und von einem alten Erzbischof, der gerade auf einer Hirtenreise die Stadt besuchte, das Wohl der Verlobten ausgebracht. Der w?rdige alte Herr schien mich ganz besonders in Affektion zu nehmen. Ich musste in seinen Wagen steigen und mich von ihm in meinen Gasthof fahren lassen. Aber kaum waren wir allein miteinander, als der Grund dieser ausgesuchten Freundlichkeit zum Vorschein kam. Sie sind Lutheraner? fragte er. Als ich es bejahte, bemerkte er mit einem milden L?cheln: Sie werden es nicht bleiben. Sie werden durch das Liebesgl?ck, das Sie hier gefunden, noch ein gr?sseres Heil gewinnen. Besuchen Sie mich morgen; wir sprechen weiter davon.
Ich vers?umte nicht, mich einzufinden: aber von der Linie, die ich mir vorgezeichnet hatte, liess ich mich keinen Zollbreit abdr?ngen. Ich nahm f?r mich selbst die volle Gewissensfreiheit in Anspruch, die ich auch meiner Braut gew?hren wollte. Was die Kinder betraf, so sollte die Mutter dar?ber entscheiden, bis sie selbst in der Frage ?ber ihr Seelenheil eine Stimme haben w?rden.--Der feine alte, Herr schien einstweilen mit meiner Stimmung ganz wohl zufrieden und auf die Zukunft zu rechnen. Da er aber wieder abreisen musste, ?bergab er mich einem j?ngeren Seelsorger, einem Ordensgeistlichen, der die Sache viel ungeschickter und leidenschaftlicher angriff, so dass ich endlich, um nicht selbst mich zu Unartigkeiten fortreissen zu lassen, den Verkehr mit ihm ganz und gar abbrach. Man verdachte mir das schwer; ich konnte es im Salon meiner Schwiegereltern deutlich an gewissen Mienen bemerken. Aber da der Vater unver?ndert herzlich blieb und auch die Herrin des Hauses mir, wenigstens scheinbar, ihre k?hle Freundlichkeit nicht entzog, so war das Ungl?ck zu ertragen.
Meine Geliebte selbst, gegen die ich aus meiner Stimmung kein Geheimnis machte, war einverstanden mit meinem Entschluss, in Zukunft alle solche Zumutungen von vornherein abzuwehren. Was wollen sie nur? sagte sie. F?r uns gibt es nur einen Himmel und eine H?lle. Nicht wahr, Amadeo? Wenn ich ins Paradies k?me und f?nde dich nicht dort, w?rde ich umkehren und nicht ruhen, bis ich dich gefunden h?tte.
Wenn sie so sprach, sah ich wieder den Himmel offen und glaubte an keine Gefahr oder auch nur einen Aufschub meines Gl?ckes. Wir hatten die Hochzeit auf den Oktober festgesetzt. Die zwei Monate bis dahin hoffte ich auch noch zu ?berstehen. Nur das eine beunruhigte mich, dass auf die Anzeige meiner Verlobung noch kein Brief weder meiner Schwester noch meines Schwagers geantwortet hatte. Wie wir uns kannten, hatte ich keinen Einspruch von ihnen zu bef?rchten. Ich konnte mir ihr Schweigen nur mit Krankheit oder anderem Kummer erkl?ren, den sie mir vorenthalten wollten, und so hell mich das Leben in n?chster N?he anlachte, diese Sorge qu?lte mich von Tag zu Tage peinlicher. Endlich, nach drei Wochen der Ungeduld kam wirklich der ersehnte Brief; nur mein Schwager hatte geschrieben. Blanche, meine Schwester, sei nach einer gef?hrlichen Entbindung in eine schwere Krankheit gefallen, und noch jetzt stehe es so ungewiss, dass er ihr die aufregende Nachricht meiner Verlobung nicht habe mitteilen d?rfen. Wenn ich mich irgend losmachen k?nnte, so w?re es ihnen beiden ein Trost, mich auf einige Tage wiederzusehen.
Du musst reisen, sagte meine Liebste, als ich ihr den Brief ohne ein Wort gegeben hatte. Du musst gleich morgen fort. Ich werde schon sehen, wie ich es fertigbringe, die Zeit ohne dich zu ?berleben. Schreiben musst du mir, sobald du zu Hause bist, viel und oft, sooft du kannst. Wenn ich mit dir reisen k?nnte, was g?be ich darum! Aber das ist ja unm?glich. Gr?sse mir Blanche und sage ihr, dass ich sie liebe, und bring ihr diesen Kuss von ihrer Schwester!
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