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Words: 13327 in 4 pages
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Der letzte Zentaur
Paul Heyse
Novelle
Vom Turm der Frauenkirche schlug es Mitternacht.
Ich kam aus einer Gesellschaft, in der man sich vergebens bem?ht hatte, eine sehr lahme und trockene Unterhaltung mit gutem Wein in Fluss zu bringen. Der Kopf war mir immer heisser geworden und das Herz immer k?hler. Endlich hatte ich mich weggestohlen in den sommerwarmen Mondschein hinaus und schlenderte ziellos durch die totenstille, taghelle Stadt, um den Unmut ?ber die verlorenen Stunden verdampfen zu lassen. Als ich an der ehrw?rdigen Marienkirche vorbei durch das Fraueng?sschen in die Kaufingergasse trat, blieb ich pl?tzlich stehen.
Mir gegen?ber lag, seine drei Stockwerke mit den dunklen Fenstern gegen Mitternacht erhebend, ein wohlbekanntes Haus mit vorspringender Ecke und einem blauen Laternchen ?ber dem Eingang, in dem ich vor mehr als einem Jahrzehnt manche unvergessliche Nacht bei schlechterem Getr?nk als heute, aber unter feurigeren Gespr?chen zugebracht hatte. Ich las die Inschrift ?ber der zierlich geschnitzten, von zwei Karyatiden gest?tzten Holzumrahmung des Torwegs: "Weinhandlung von August Schimon".
Jawohl, sagte ich vor mich hin, die Zeiten wandeln sich und wir mit ihnen! Das ist noch derselbe Name, der damals in jeder Woche unsre Losung war. Aber der ihn trug, der beh?bige Mann mit dem schwarzen Kraushaar und den verschmitzten kleinen Augen,--wo ist er hingekommen? Sein Gl?cksstern hatte nur ?ber diesem Hause leuchten wollen. Als er es verliess, um in einem prachtvollen Hotel den Wirt zu machen, war es mit ihm r?ckw?rts gegangen, bis zu einem traurigen Ende. Seine Gutm?tigkeit soll ihn in ungl?ckliche Spekulationen anderer verwickelt haben, vielleicht auch ein phantastischer Zug zum Grossen und Gewagten, den er mit einigen seiner G?ste gemein hatte. Er war eben ein Idealist unter den Gastwirten, und sein Andenken ist mir teuer geblieben, trotz seiner Weine, auf die Freund Emanuel damals nach der Melodie des Dies irae die sch?ne Strophe dichtete:
Sed post Schimonense vinum Malum venit matutinum, Luctum quod vocant felinum!
Heutzutage, da die Erben das Gesch?ft fortsetzen, sollen die Weine sich bedeutend gebessert haben und der alten Firma Ehre machen. Aber k?nnen die besten neuen Weine f?r die gute alte Gesellschaft entsch?digen, die nun nicht mehr von ihnen trinkt und den tr?ben Lethetrank oder selbst den Nektar der Unsterblichkeit gern hing?be um ein paar Flaschen jenes dunkelroten Ungarweines, den wir mit Todesverachtung und "festlich hoher Seele" so manchmal hier "dem Morgen zugebracht"? Wie gern liess' ich alles morgendliche Nachweh ?ber mich ergehen, k?nnt' ich noch einmal dich, teurer Genelli, hinter dem Tische in dem niedrigen leichtangerauchten Weinst?bchen sitzen sehen, die volle Unterlippe halb freudig, halb trotzig aufgeworfen, w?hrend eine g?ttliche Kinderfr?hlichkeit dir aus den Augen blitzte! Damals warst du noch nicht Grossherzoglich Weimarischer Professor und Falkenritter; du hattest noch nicht in dem Freiherrn von Schack den M?zen gefunden, der dich in den Stand setzte, die Entw?rfe deiner Jugend endlich nach jahrzehntelangem Hoffen und Harren in Farben auszuf?hren. Oben in deinem bescheidenen Quartier am Stadtgarten sassest du, und die Gesellschaft deiner G?tter und Heroen liess dich die Welt vergessen, die dich vergass. Aber wenn du auch oft zu warm warst, um die Bleistifte zu bezahlen, mit denen du, in zarten Linien leicht umrissen, deine Tr?ume von den G?ttern Griechenlands auf reinliche Bl?tter schriebst: nie sah ich den Schatten von Erdennot und Sorge auf deiner olympischen Stirn, die wie ein Berggipfel ?ber allem Gew?lk sich im ewigen ?ther sonnte. Und wie auch die Sorge an deinem Herde die Rolle des Heimchens spielen mochte--einmal in jeder Woche lenktest du den Schritt zu diesem Hause, um den Anflug von Staub und Moder, der sich etwa an deine Seele zu setzen versucht, im Weine wegzusp?len. Ob der wackere Schimon die Ehre zu sch?tzen wusste, die du ihm antatest? Ich entsinne mich kaum, dass ich dich deinen Wein h?tte bezahlen sehen, wie andere Erdens?hne. Freilich warst du auch stets der Letzte, der ging, noch ganz aufrechten Hauptes und festen Ganges, gefeit gegen das vielberufene malum matutinum, und auch darum vielleicht unserm Wirt so teuer, weil du den Glauben an die Unverf?lschtheit seines roten Ungar mit der Macht deiner Rede und deines Beispiels verteidigtest.
Sch?ne, ambrosische Mittern?chte, wenn der zweifelhafte Nektar seine Kraft bewies und den Meister ?ber alle Not der Gegenwart hinweg in seine r?mische Jugend zur?ckf?hrte! Dann wurden, w?hrend Dichtung und Wahrheit sich traulich in eins verschlangen, die Schatten der wackeren Vorfahren heraufbeschworen, die in Rom zuerst, nach Winckelmanns und Carstens Heimgange, der deutschen Kunst eine Freist?tte bereitet hatten. Der seltsame Poet und seltsamere Maler, der als Maler M?ller dem heutigen Geschlecht trotz neuer Ausgaben seiner Schriften nur noch dem Namen nach bekannt ist, und von dem Genelli gern eine Strophe anf?hrte, die er sehr bewunderte, eine Inschrift auf einem Trinkgef?ss, folgender Fassung:
Trinke, Freund, aus dieser Schale, Die der Gott der Lust Einst geformt bei einem G?ttermahle Auf Cytherens Brust.
Als zweiter dann, der nicht minder wunderliche Tiroler Koch, von dessen trefflichen Landschaften jedoch weniger gesprochen wurde, als von seiner "Rumfordschen Suppe", jener mit derbem Witz und bitterem Hohn reichlich ?berpfefferten Herzensergiessung ?ber den Verfall der Kunst, deren Kraftstellen unser Freund mit schmunzelndem Behagen zu zitieren liebte. Endlich der alte Reinhard, ein wackerer Meister in seiner Art, und doch minder gross und gl?cklich als K?nstler, denn als J?ger. Noch h?r' ich Genelli die ber?hmte Geschichte erz?hlen, wie der alte Nimrod eines Tages im Zwielicht mit leerer Jagdtasche und dem Schuss noch in der Flinte in sein d?mmriges Zimmer trat, unwirsch ?ber den verlorenen Tag. Da sieht er auf seinem Tisch etwas sich regen, als ob es davon laufen wolle, und in ungek?hlten Jagdtriebe reisst er, ohne sich zu besinnen, das Gewehr von der Schulter, legt an und schiesst. Als er hinzutritt, zu sehen, was er geschossen, findet er einen alten K?se, den die Kugel glatt durchbohrt hat, ohne doch das tausendf?ltige Leben in ihm zu t?ten.
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