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Words: 35222 in 8 pages

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Edition: 10

Der Weinh?ter

Paul Heyse

Im September eines Jahres, dessen Stadt- und Dorfgeschichten aus Menschengedenken schon entschwunden sind, sass um die schw?le Mittagszeit ein junger Bursch mitten in dem wuchernden Rebenwald, der, dicht an die Stadt Meran herantretend, die S?dabh?nge des K?chelberges bedeckt. Die ?bermannshohen Laubeng?nge, in denen hier der Wein gezogen wird, waren mit dem Segen dieses Jahres so beladen, dass ein dunkelgr?nes Zwielicht durch die langen lautlosen Gassen schwebte, zugleich eine tr?ge stockende Glut, in der kein Luftzug Wellen schlug. Kaum wo die kleinen Felstreppen zwischen den einzelnen Weing?tern schroff bergan laufen, sp?rte man, dass man ins Freie auftauchte. Denn das Meer von Siedeglut, das in dem weiten Talkessel wogte, schlug hier doppelt schwer ?ber dem unbesch?tzten Haupte zusammen. Auch sah man selten einen Menschen des Weges wandern. Nur zahllose Eidechsen liefen feuerfest treppauf treppab und raschelten durch das z?he Efeugestr?pp, das die Grundmauern der Reben?cker reichlich umrankt. Die dunkelblauen Trauben mit den grossen dickschaligen Beeren hingen dichtgedr?ngt oben an der W?lbung der Laubengitter, und ein seltsam perlender Ton ward in der tiefen Mittagsstille dann und wann h?rbar, als kreise vernehmlich der Saft und koche am Sonnenfeuer in dem edlen Gew?chs.

Der Bursch aber, der in halber H?he des Berges einsam unter den Reben sass, schien f?r diese geheimnisvolle Naturstimmung taub und ganz seinen eignen d?stern Gedanken hingegeben. Er trug die uralte abenteuerliche Tracht der Weinh?ter oder "Saltner", die lederne Joppe, ?rmellos, mit breiten Achselklappen, an denen ?ber den Hemds?rmeln die ledernen Manschetten durch schmale Riemen oder silberne Kettchen festgehalten werden, Kniehosen und Hosentr?ger ebenfalls von Leder und mit dem breiten, daumdicken Gurt umg?rtet, auf dem in weisser Stickerei der Namenszug des Eigners steht, die weissen Stutzenstr?mpfe mit durchbrochenem Muster, um den Hals allerlei Zierat von Kettchen, Eber- und Murmeltierz?hnen. Aber die Hauptst?cke seiner Amtstracht lagen neben ihm im Grase: der hohe dreieckige Trutzhut, ?ber und ?ber mit Hahnen- und Pfauenfedern, Fuchs- und Eichhornschw?nzen verbr?mt, keine kleine Last zur Zeit der Traubenreife, und die lange wuchtige Hellebarde, mit der die Saltner ihrer drohenden Erscheinung Nachdruck zu verleihen wissen, wenn ein unbefugter Eindringling in ihr Gebiet nicht gutwillig das Pfandgeld erlegen will.

Tag und Nacht, ohne Abl?sung, ohne Sonntagsruhe und Kirchgang, um einen m?ssigen Lohn durchstreifen diese "lebendigen Vogelscheuchen" jeder das ihm zugewiesene Revier, von der Mitte des Juli, wo die ersten Beeren s?ss werden, bis die letzte Traube in die Kelter gewandert ist. Ihr saurer Dienst in Hitze und N?sse, obdachlos bis auf den k?mmerlichen Schutz ihres Maisstrohschuppens, ist dennoch ein Ehrenamt, zu dem nur die rechtschaffensten Burschen ausersehen werden. Auch haben die gelinden sternklaren N?chte in der freien H?he, w?hrend in den H?usern die Tagesschw?le kaum je verdampft, ihren Reiz, und die Besitzer der Weing?ter lassen sich's angelegen sein, die W?chter mit Wein und Speisen reichlich zu versorgen, um sie bei Kr?ften und guter Laune zu erhalten.

Es schien jedoch dieses Mittel bei dem finstern Burschen, dem wir uns gen?hert haben, nicht anzuschlagen. Er hatte den Krug mit rotem Wein, das Brot und die grossen Schnitte ger?ucherten Fleisches, die ihm eben erst zur Mittagskost ein kleiner Knabe heraufgeschleppt hatte, unber?hrt neben sich stehen auf dem platten Stein, der seinen Tisch vorstellte. Eine sehr kleine geschnitzte Pfeife mit silbernem Kettchen war ihm schon lange ausgegangen, und tr?bsinnig verbiss er die Z?hne in das weiche Holz. Er mochte etwa dreiundzwanzig Jahre alt sein, der Bart krauste sich leicht um Kinn und Wangen, die scharfen Z?ge des Gesichts deuteten auf fr?he Leidenschaften; die Stirn aber war, nach der Landessitte, von den Haaren verh?ngt, die, fr?h schon dicht ?ber den Augenbrauen abgeschnitten, sich in einzelne Locken gew?hnt hatten und um Schl?fe und Nacken ebenfalls gelockt herabhingen. Das gab dem Kopf alle Jugendfrische zur?ck, die ihm die Schatten unter den dunklen Augen zu nehmen drohten.

Ein langsamer Schritt, der sich unten auf dem Fusssteige n?herte, machte, dass er pl?tzlich aufstarrte, den Hut aufsetzte und die Hellebarde ergriff. Man konnte jetzt sehen, dass sein Wuchs hinter dem land?blichen etwas zur?ckgeblieben war, immer noch stattlich genug und durch das sch?nste Ebenmass der gew?lbten Brust und der straffen Schenkel auffallend auf den ersten Blick. Nur der Kopf schien fast zu klein geraten und H?nde und F?sse gar mit einem Weibe ausgetauscht. Ger?uschlos glitt die schmiegsame Gestalt unter den Gew?lbgittern entlang, ohne auch nur eine Traube zu streifen, und sp?hte vom n?chsten Felsenvorsprung hinunter auf den Weg.

Eine schmale, schwarzr?ckige Figur mit hohem, sehr abgetragenem Filzhut kam die breite Gasse zwischen Weinberg und Wiese dahergewandelt, im Schatten der Weidenb?ume, ein offnes Buch in den gefalteten H?nden, ?ber das hinaus der Blick zufrieden und unbegehrlich nach den sch?nen Trauben schweifte. Auch ohne den langen Rock, der fast zu den Kn?cheln der schwarzen Str?mpfe herabreichte, h?tte jeder in dem bed?chtigen Spazierg?nger alsbald die geistliche Person erkannt, und zwar an einigen der liebensw?rdigsten Z?ge, die der grossen und mannigfaltigen Gattung unter gewissen Himmelsstrichen eigen sind. Damals war der heftige Parteienhader zu Gunsten der Glaubenseinheit in dem gelobten Lande Tirol, wo die Milch des Glaubens und der Honig des Aberglaubens so lauter fliessen, noch eine unerh?rte Sache, und selbst die Hauptstadt des alten Burggrafenamts Meran, in der vorzeiten mancherlei Regungen eines neuen Geistes unliebsam die Ruhe gest?rt hatten, war wieder in tiefen Frieden zur?ckgesunken. Also hatten die Diener der Kirche keine Ursach, ihren Hirtenstab als Waffe zu schwingen, und konnten mit aller Gem?tsruhe die idyllischen Tugenden ihres Standes pflegen. Damals begegnete man nicht selten jenen bescheidenen geistlichen Gesichtern, auf denen eine gewisse Verlegenheit ?ber ihre eigene W?rde deutlich zu lesen war, eine stete Sorge, der Majest?t des lieben Gottes, dessen Kleid sie trugen, nichts zu vergeben, und doch ihren ungeweihten Mitgesch?pfen nicht allzu unnahbar feierlich gegen?berzustehn.

Der freundliche kleine Herr im sch?bigen Hut war nun auch freilich keines der hohen Kirchenlichter, sondern nur ein Hilfspriester an der Pfarrkirche von Meran, der t?glich um zehn Uhr eine Messe zu lesen hatte und daf?r, ausser einem St?bchen in der Laubengasse und einigen andern Emolumenten, einen Gulden t?glicher Eink?nfte besass. Das Volk, das ihn seines milden Gem?tes wegen sehr in Ehren hielt und n?chst den Kapuzinern ihm das gr?sste Vertrauen zuwendete, nannte ihn nicht anders als den "Zehnuhrmesser" und bewies ihm auf mannigfache Art seine Gunst. Es war kein Haus weit und breit, wo, wenn er ansprach, nicht der Weinkrug und irgend ein Imbiss auf den Tisch gestellt wurde, so dass es dem wackeren Mann gelungen war, im Laufe der Zeit zwar nicht die nat?rliche Hagerkeit seines Wuchses zu verbessern, aber wenigstens der W?rde seiner Erscheinung durch ein sch?chternes B?uchlein aufzuhelfen. Dasselbe nahm sich, da es sich mit dem ?brigen Zuschnitt der Figur nur um Gotteswillen vertrug, f?r ein profaneres Auge spasshaft aus, wie es schief und ?ngstlich unter dem d?nnen Rocke festgekn?pft sass. Aber zu dem bescheidenen Ausdruck des Gesichts stimmte die verlegentliche B?rde ganz wohl, und es fiel keinem seiner Beichtkinder ein, diesen Sp?tling der Natur zu bel?cheln. Auch wusste niemand dem Herrn Zehnuhrmesser eine Unm?ssigkeit nachzusagen, es sei denn etwa im Almosenspenden. Denn dass man allerorten sich beeilte, ihn mit dem Besten aus dem eigenen Weinberg zu bewirten, lag zum Teil an dem Rufe, dessen er genoss, als sei viele Stunden weit keine weltliche oder geistliche Zunge besser imstande, die G?te des Weins zu sch?tzen, seine Dauerhaftigkeit zu bestimmen, und in F?llen, wo ihm durch ein kleines Mittelchen aufzuhelfen war, das richtige anzugeben. "Eine Weinzunge haben wie der Zehnuhrmesser", war noch geraume Zeit das Ehrenvollste, was man von einem Kenner zu r?hmen wusste.

Unter den mancherlei Gaben und Tugenden unseres Ehrenmannes war aber der Mut nicht eben die st?rkste. Seine Nerven, obwohl er aus einer Bauernfamilie im Passeier stammte, die zu Hofers Kriegen manchen tapfern Sch?tzen geliefert hatte, liessen seine leicht ersch?tterte Seele bei jeder unversehenen Probe im Stich, ausser wo es eine fremde Seele zu retten oder sonst eine hohe Gewissenspflicht zu erf?llen galt. Auch dann zog er es vor, seiner moralischen Kraft erst mit einer physischen St?rkung nachzuhelfen, und sorgte daf?r, dass ein m?ssiges F?sschen voll weissem Terlaner, dem er am meisten begeisternde Wirkungen zuschrieb, im Keller seines Hauses niemals ganz versiegte. Heute nun, da er von einem Krankenbesuch im Dorf Algund ohne Labung zur?ckkehren musste, war er keiner starken Pr?fung gewachsen und erschrak aufs heftigste, als pl?tzlich dicht neben ihm eine dunkle Gestalt hoch von der Weinbergsmauer herabsprang und auf ihn zust?rzend seine Hand ergriff.

Gelobt sei Jesus Christus! sagte er, am ganzen Leibe zitternd.


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