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Words: 20702 in 7 pages

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Das Leiden eines Knaben

Conrad Ferdinand Meyer

Der K?nig hatte das Zimmer der Frau von Maintenon betreten und, luftbed?rftig und f?r die Witterung unempfindlich wie er war, ohne weiteres in seiner souver?nen Art ein Fenster ge?ffnet, durch welches die feuchte Herbstluft so f?hlbar eindrang, dass die zarte Frau sich fr?stelnd in ihre drei oder vier R?cke schmiegte.

Seit einiger Zeit hatte Ludwig der Vierzehnte seine t?glichen Besuche bei dem Weibe seines Alters zu verl?ngern begonnen, und er erschien oft schon zu fr?her Abendstunde, um zu bleiben, bis seine Sp?ttafel gedeckt war. Wenn er dann nicht mit seinen Ministern arbeitete, neben seiner diskreten Freundin, die sich aufmerksam und schweigend in ihren Fauteuil begrub; wenn das Wetter Jagd oder Spaziergang verbot; wenn die Konzerte, meist oder immer geistliche Musik, sich zu oft wiederholt hatten, dann war guter Rat teuer, welchergestalt der Monarch vier Glockenstunden lang unterhalten oder zerstreut werden konnte. Die dreiste Muse Moli?res, die Z?rtlichkeiten und Ohnmachten der Lavalli?re, die k?hne Haltung und die originellen Witzworte der Montespan und so manches andere hatte seine Zeit gehabt und war nun gr?ndlich vor?ber, welk wie eine verblasste Tapete. Massvoll und fast gen?gsam wie er geworden, arbeitsam wie er immer gewesen, war der K?nig auch bei einer die Schranke und das Halbdunkel liebenden Frau angelangt.

Dienstfertig, einschmeichelnd, unentbehrlich, dabei voller Grazie trotz ihrer Jahre, hatte die Enkelin des Agrippa d'Aubign? einen lehrhaften Gouvernantenzug, eine Neigung, die Gewissen mit Autorit?t zu beraten, der sie in ihrem Saint-Cyr unter den Edelfr?ulein, die sie dort erzog, behaglich den Lauf liess, die aber vor dem Gebieter zu einem bescheidenen Sichanschmiegen an seine h?here Weisheit wurde. Dergestalt hatte, wann Ludwig schwieg, auch sie ausgeredet, besonders wenn etwa, wie heute, die junge Enkelfrau des K?nigs, die Savoyardin, das erg?tzlichste Gesch?pf von der Welt, das ?berallhin Leben und Gel?chter brachte, mit ihren Kindereien und ihren trippelnden Schmeichelworten aus irgendeinem Grunde wegblieb.

Frau von Maintenon, welche unter diesen Umst?nden die Schritte des K?nigs nicht ohne eine leichte Sorge vernommen hatte, beruhigte sich jetzt, da sie dem besch?ftigten und unmerklich belustigten Ausdrucke der ihr gr?ndlich bekannten k?niglichen Z?ge entnahm: Ludwig selbst habe etwas zu erz?hlen, und zwar etwas Erg?tzliches.

Dieser hatte das Fenster geschlossen und sich in einen Lehnstuhl niedergelassen. "Madame", sagte er, "heute mittag hat mir P?re Lachaise seinen Nachfolger, den P?re Tellier, gebracht."

P?re de Lachaise war der langj?hrige Beichtiger des K?nigs, welchen dieser, trotz der Taubheit und v?lligen Gebrechlichkeit des greisen Jesuiten, nicht fahrenlassen wollte und sozusagen bis zur Fadenscheinigkeit aufbrauchte; denn er hatte sich an ihn gew?hnt, und da er--es ist unglaublich zu sagen--aus unbestimmten, aber doch vorhandenen Bef?rchtungen seinen Beichtiger in keinem andern Orden glaubte w?hlen zu d?rfen, zog er diese Ruine eines immerhin ehrenwerten Mannes einem j?ngern und strebsamen Mitgliede der Gesellschaft Jesu vor. Aber alles hat seine Grenzen. P?re Lachaise wankte sichtlich dem Grabe zu, und Ludwig wollte denn doch nicht an seinem geistlichen Vater zum M?rder werden.

"Madame", fuhr der K?nig fort, "mein neuer Beichtiger hat keine Sch?nheit und Gestalt: eine Art Wolfsgesicht, und dann schielt er. Er ist eine geradezu abstossende Erscheinung, aber er wird mir als ein gegen sich und andere strenger Mann empfohlen, welchem sich ein Gewissen ?bergeben l?sst. Das ist doch wohl die Hauptsache."

"Je schlechter die Rinne, desto k?stlicher das darin fliessende himmlische Wasser", bemerkte die Marquise erbaulich. Sie liebte die Jesuiten nicht, welche dem Ehebunde der Witwe Scarrons mit der Majest?t entgegengearbeitet und kraft ihrer weiten Moral das Sakrament in diesem k?niglichen Falle f?r ?berfl?ssig erkl?rt hatten. So tat sie den frommen V?tern gelegentlich gern etwas zuleide, wenn sie dieselben im stillen krallen konnte. Jetzt schwieg sie, und ihre dunklen mandelf?rmigen, sanft schwerm?tigen Augen hingen an dem Munde des Gemahls mit einer bescheidenen Aufmerksamkeit.

Der K?nig kreuzte die F?sse, und den Demantblitz einer seiner Schuhschnallen betrachtend, sagte er leichthin: "Dieser Fagon! Er wird unertr?glich! Was er sich nicht alles herausnimmt!"

Fagon war der hochbetagte Leibarzt des K?nigs und der Sch?tzling der Marquise. Beide lebten sie t?glich in seiner Gesellschaft und hatten sich auf den Fall, dass er vor ihnen st?rbe, Asyle gew?hlt, sie Saint-Cyr, er den botanischen Garten, um sich hier und dort nach dem Tode des Gebieters einzuschliessen und zu begraben.


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